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Ulrike Link-Wieczorek | Wolfgang Weiß | Christian Wetz (Hrsg.): Anthropologische Dimensionen des Dämonenglaubens (Leseprobe)

Dämonenglaube, Besessenheit und Exorzismen erscheinen uns exotisch und fremd. Und doch begegnen sie in nahezu allen Kulturen und zu allen historisch greifbaren Zeiten. Sie scheinen eng verbunden mit dem Menschsein. Es ist daher lohnend, die anthropologischen Dimensionen des Dämonenglaubens zu beleuchten. Die Beiträge des vorliegenden Bandes fragen daher stets nach der Bedeutung von Dämonenglaube und Besessenheit für den Menschen. Der Band bildet zusammen mit dem Themen-Heft »Dämonen« (4/2022) der »Ökumenischen Rundschau« den Ertrag einer Tagung ab, die im Oktober 2021 am Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg stattfand. Die Beiträge wurden von Vertretern aller theologischen Disziplinen sowie der Religionswissenschaft und der Anglistik verfasst.

Dämonenglaube, Besessenheit und Exorzismen erscheinen uns exotisch und fremd. Und doch begegnen sie in nahezu allen Kulturen und zu allen historisch greifbaren Zeiten. Sie scheinen eng verbunden mit dem Menschsein. Es ist daher lohnend, die anthropologischen Dimensionen des Dämonenglaubens zu beleuchten. Die Beiträge des vorliegenden Bandes fragen daher stets nach der Bedeutung von Dämonenglaube und Besessenheit für den Menschen. Der Band bildet zusammen mit dem Themen-Heft »Dämonen« (4/2022) der »Ökumenischen Rundschau« den Ertrag einer Tagung ab, die im Oktober 2021 am Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg stattfand. Die Beiträge wurden von Vertretern aller theologischen Disziplinen sowie der Religionswissenschaft und der Anglistik verfasst.

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wicht ist, zeichnet sich durch ein besonders gesteigertes Interesse an Engelwesen<br />

und bösen Dämonen aus. 8 Eine Schlüsselrolle kommt hierbei<br />

der sog. Engelfalltradition zu, deren früheste Belege sich in den Kapiteln<br />

6–11 und 12–16 <strong>des</strong> Wächterbuches (1 Hen 1–36) der Henochtradition<br />

finden. 9 Darin begegnen detaillierte Ausführungen über die Herkunft und<br />

Bedeutung der Dämonenwesen, die hier auch namentlich identifiziert<br />

werden. Azazael, Semyaza, Arakiba, Rameel, Kokabiel, Tamiel und Ramiel,<br />

so lauten die Namen. Der Engelfallmythos wurde in weiteren gewichtigen<br />

frühjüdischen Texten – u. a. im Jubiläenbuch, bei Philon sowie in den<br />

Qumrantexten – und später in frühchristlichen, rabbinischen, gnostischen<br />

und altkirchlichen Schriften rezipiert und weiter ausgeformt. 10 Im Zuge<br />

dieser Entwicklung etablierten sich im jüdischen und christlichen Diskurs<br />

– angereichert durch griechische Dämonenkonzepte – zahlreiche ausgefeilte<br />

Spekulationen über die Herkunft, die Funktion und die hierarchische<br />

Stellung böser Dämonenwesen. Ein beredtes Zeugnis hierfür liefert das<br />

christlich geprägte, ältere jüdische und griechische Dämonenvorstellungen<br />

aufnehmende Testamentum Salomonis, <strong>des</strong>sen Grundbestand auf das<br />

4. Jh. n. Chr. zurückgehen dürfte. 11<br />

Die neutestamentlichen Schriften bekunden in<strong>des</strong>, sieht man von der<br />

Offenbarung <strong>des</strong> Johannes einmal ab, kein sonderlich ausgeprägtes Interesse<br />

an detaillierten eigenständigen mythischen Spekulationen über die<br />

Dämonen. Dies gilt insbesondere für die Jesusüberlieferung in den Evangelien.<br />

Die Berichte über die Exorzismen Jesu schildern schließlich keine<br />

mythischen Ereignisse. Sie geben vielmehr eindrückliche Begegnungen<br />

Jesu mit »wirklichen« (s. dazu unten) Dämonen samt deren Austreibung<br />

aus den Menschen, die sie besetzt halten, als konkrete geschichtliche Begebenheiten<br />

wieder. Mit großer Selbstverständlichkeit werden die Dämo-<br />

8<br />

Vgl. dazu ANNETTE YOSHIKO REED, Demons, Angels, And Writing in Ancient Judaism,<br />

Cambridge 2020.<br />

9<br />

Vgl. dazu CHRISTOPH AUFFARTH /LOREN T. STUCKENBRUCK (<strong>Hrsg</strong>.), The Fall of the Angels,<br />

Themes in Biblical Narrative. Jewish and <strong>Christian</strong> Traditions 6, Leiden 2004;<br />

VERONIKA BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand. Eine Untersuchung zu Aussagegehalt<br />

und Theologie <strong>des</strong> Wächterbuches (1 Hen 1–36), BZAW 409, Berlin/<br />

New York 2009.<br />

10<br />

Vgl. MONIKA ELISABETH GÖTTE, Von den Wächtern zu Adam. Frühjüdische Mythen<br />

über die Ursprünge <strong>des</strong> Bösen und ihre frühchristliche Rezeption, WUNT II/426,<br />

Tübingen 2016, 78–165; CLAUDIA LOSEKAM, Die Sünde der Engel. Die Engelfalltradition<br />

in frühjüdischen und gnostischen Texten, TANZ 41, Tübingen 2010.<br />

11<br />

Vgl. PETER BUSCH, Das Testament Salomos. Die älteste christliche Dämonologie,<br />

kommentiert und in deutscher Erstübersetzung, TU 153, Berlin/New York 2006.<br />

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