HEIMATLIEBE-BIGGESEE Ausgabe 21 Frühjahr 2024
Die Ausgabe für die Region Biggesee - Heimatliebe – Dein Magazin, Deine Region, Deine Geschichten. Region: Attendorn - Drolshagen - Olpe - Wenden
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Leben in den<br />
„Goldenen<br />
Zwanzigern“<br />
Geschichte authentisch leben<br />
Gleichwohl: Jene Zeit zwischen dem I. Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise<br />
und schließlich dem dunkelsten Kapitel<br />
deutscher Geschichte ist für die Herren weit mehr als nur<br />
ein Hobby. Sie integrieren sie zu einhundert Prozent in<br />
ihren Alltag. „Das sorgt nicht selten für erstaunte und auch<br />
fragende Gesichter“, sagt Grauer. „Es geht um Authentizität“,<br />
erläutert Martin Bäume aus Hilchenbach, der auch<br />
zum Vorstand gehört. Was er damit meint: um Geschichte<br />
möglichst realitätsnah zu leben, reicht es nicht, sich auf ein<br />
Wochenende, ein paar Tage oder Stunden zu beschränken.<br />
So hat man sich auch der Forschung verschrieben. „Ich bin<br />
bei meinen Großeltern aufgewachsen, hatte dadurch direkten<br />
Kontakt in die 1920er. Aber ich weiß ja längst nicht alles.“<br />
Bäume beispielsweise experimentiert mit alten Gerichten,<br />
benutzt dazu originale Utensilien, Töpfe und Pfannen.<br />
Und er versucht anhand von alten Liederbüchern dem da-<br />
Von der Liebe zu einer anderen Epoche<br />
In den 1920er Jahren brach unsere Gesellschaft in die Moderne auf. Es war ein Jahrzehnt<br />
der politischen und gesellschaftlichen Zeitenwende, es war eine Blütezeit von Wirtschaft<br />
und Wissenschaft, Kunst und Kultur. Die Städte entwickelten sich zu pulsierenden Metropolen.<br />
Eine neue Zuversicht und Hoffnung, ein neuer freizügiger Lebensstil und Glamour<br />
prägten die „Goldenen Zwanziger“. Der „Herrenverein Schönau/Altenwenden – für historische<br />
Brauchtumspflege in adretter Art und Form“, der sich im vergangenen Jahr gründete,<br />
erinnert an diese Zeit.<br />
enn Benjamin Grauer seine<br />
beruflichen Pflichten als Stabsfeldwebel<br />
für den Tag erledigt hat,<br />
dann tauscht er seine Uniform<br />
gegen Alltagskleidung. Indes besteht<br />
die nicht aus Jeans und Jogginghose.<br />
Nein, es ist ein Dreiteiler wie er vor gut<br />
einem Jahrhundert üblich war. Aus<br />
Tweed, die Hose mit Vorderhosenfutter,<br />
französischen Taschen und Schneiderbundverarbeitung.<br />
Dazu Hosenträger<br />
und Krawatte. Und auch die<br />
Taschenuhr ist obligat. Der 45-Jährige,<br />
der dem Verein vorsteht,<br />
hält es mit Karl Lagerfeld: Wer eine<br />
Jogginghose trägt, hat die Kontrolle<br />
über sein Leben verloren.<br />
Stil und Haltung<br />
„Sich schick zu machen, gut gekleidet<br />
zu sein, ist Ausdruck innerer Haltung,<br />
des guten Stils und Umgangs. Leider<br />
haben das insbesondere die Män-<br />
ner verlernt“, sagt Grauer, der mit<br />
seiner Familie in Schönau auf einem<br />
Aussiedlerhof lebt. Hier atmen die<br />
Räume den Geist vergangener Zeiten:<br />
Tapeten, Möbel, Geschirr.<br />
Eine Schellackplatte spielt leise<br />
Wiener Klassik.<br />
Ein Dutzend Männer gehören dem<br />
Herrenverein an. Sie kommen aus<br />
Südwestfalen, dem mittleren und dem<br />
nördlichen Hessen. Einige von ihnen<br />
kennen sich schon lange von Living<br />
History-Unternehmungen oder museumspädagogischen<br />
Tätigkeiten für<br />
unterschiedliche Epochen. Was sie alle<br />
eint: Ihr großes Interesse für Geschichte<br />
und insbesondere die Liebe zu den<br />
1920er Jahren. Dafür besuchen sie<br />
Galerien und Sammlungen, sind auf<br />
der Suche nach Stücken aus jenen<br />
Tagen, bespielen Märkte oder organisieren<br />
Veranstaltungen, deren Erlöse sie<br />
sozialen Zwecken spenden.<br />
Benjamin Grauer und seine Familie sind Zeitreisende und leben aus Überzeugung in den<br />
1920er Jahren. Der „Herrenverein Schönau/Altenwenden – für historische Brauchtumspflege<br />
in adretter Art und Form“ besteht zwar ausschließlich aus Männern, Frauen und<br />
Kinder sind indes bei allen Unternehmungen integriert. Der Hahn, „Le Coq“, ist das Erkennungszeichen<br />
des Vereins. „Wir sind die schönen Hähne“, sagen die Herren.<br />
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