Legasthenie - ein Märchen? - Aktuelles - Lernen mit Zukunft
Legasthenie - ein Märchen? - Aktuelles - Lernen mit Zukunft
Legasthenie - ein Märchen? - Aktuelles - Lernen mit Zukunft
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
information & innovation<br />
■<br />
■<br />
information & innovation<br />
Professor Abakus:<br />
Oma erzählt Geschichten<br />
Nach <strong>ein</strong>er endlos langen Woche bin ich auf dem Weg zu m<strong>ein</strong>en Großeltern.<br />
Oma öffnet mir die Türe und nimmt mich in den Arm. Sie riecht immer so gut, so<br />
nach warmen Kuchen und Badeseife. Opa liegt auf der Couch und atmet geräuschvoll<br />
durch den offenen Mund. Das weiße Rollo am Fenster ist halb heruntergezogen, das<br />
mag Opa, wenn er s<strong>ein</strong>en Mittagsschlaf hält. Trotzdem hüpfen Sonnenstrahlen auf dem bunt<br />
gemusterten Ohrensessel hin und her und sekkieren <strong>ein</strong> zusammengeknülltes Taschentuch, das<br />
sich in <strong>ein</strong>e Ecke verdrückt hat, <strong>ein</strong>e zur Seite geklappte Decke und <strong>ein</strong> Buch.<br />
Ich setze mich und nehme das Buch in die Hand. Damals bei Oma und Opa. Zeitzeugen erinnern<br />
sich an ihre Großeltern.<br />
„Was ist <strong>ein</strong> Zeitzeuge?“ frage ich, als sich Oma <strong>mit</strong> <strong>ein</strong>er dampfenden Teekanne und <strong>ein</strong>em Teller <strong>mit</strong> Schokoladenkeksen<br />
zu mir setzt. Oma zupft <strong>ein</strong> Foto aus dem Buch, das als Lesezeichen dient. Das Foto ist aus festem Karton, wie <strong>ein</strong>e Postkarte<br />
und zeigt <strong>ein</strong>e Frau <strong>mit</strong> <strong>ein</strong>em lustigen Strohhut auf dem Kopf. „Das ist die Uroma als junge Frau,“ sagt Oma und streicht <strong>mit</strong><br />
der Hand liebevoll über das Foto. „Zu der Zeit, als das Foto aufgenommen wurde, gab es noch k<strong>ein</strong>en Supermarkt. In den<br />
kl<strong>ein</strong>en Geschäften, zum Beispiel beim Greisler, wurden wir persönlich bedient und auf der Theke stand meist <strong>ein</strong> großes<br />
Glas <strong>mit</strong> bunten Zuckerln. Man kannte sich sogar <strong>mit</strong> Namen. Viele Lebens<strong>mit</strong>tel wurden ohne Verpackung in Schubladen<br />
gelagert und erst beim Verkauf die gewünschte Menge abgewogen. Und weil ich diese Zeit <strong>mit</strong>erlebt habe und in m<strong>ein</strong>em<br />
Kopf als Erinnerung bewahre, bin ich <strong>ein</strong>e Zeitzeugin,“ erklärt Oma stolz.<br />
„Ich habe auch schon viele Geschichten im Kopf, Oma. Wenn ich jetzt aufschreibe, wie lustig es war, als du Opas Gebiss<br />
und Opa d<strong>ein</strong> Gebiss……“<br />
„K<strong>ein</strong>e gute Idee,“ m<strong>ein</strong>t Oma. Ich soll warten, bis ich auch <strong>ein</strong> Gebiss habe. Ich will aber jetzt<br />
schon Zeitzeuge s<strong>ein</strong>, aber ich werde ja nicht gefragt, wie immer. B.M.<br />
Foto: © Mykola Velychko - Fotolia.com<br />
Damals bei Oma und Opa<br />
30 ZEITZEUGEN ERINNERN SICH AN IHRE GROSSELTERN<br />
192 Seiten, viele Abbildungen, Ortsregister<br />
Originalausgabe, gebundene Geschenkausgabe<br />
Zeitgut Verlag, Berlin<br />
ISBN 978-3-86614-179-7, Euro 8,95<br />
„Ich bin nicht sicher, ob ich <strong>mit</strong> Worten beschreiben kann, wie wichtig m<strong>ein</strong>e Oma R<strong>ein</strong>icke<br />
für mich war“, beginnt <strong>ein</strong>e Geschichte in diesem Buch. So wie Brigitta Wöstefeld<br />
erzählen auch die meisten anderen der hier versammelten 24 Autorinnen und Autoren<br />
von ihren tiefen Bindungen zu den Großeltern.<br />
Oft schwingt große Dankbarkeit <strong>mit</strong>, etwa bei Anne-Liese Peters, die sich als Kind <strong>mit</strong><br />
der schwangeren Mutter und drei Geschwistern nach beschwerlicher Flucht „Geborgen<br />
bei Oma und Opa“ fühlen konnte und dort trotz schwerer Zeiten <strong>ein</strong>e fröhliche Kindheit<br />
verbrachte.<br />
Dieses Buch ist <strong>ein</strong>e Hommage der Enkel an ihre Großeltern. Bei der Lektüre wird so manche Leserin und mancher<br />
Leser versonnen vom Buch aufblicken und in Dankbarkeit, Liebe, Bewunderung, Anerkennung oder Ehrfurcht der<br />
eigenen Oma oder des Opas gedenken.