28. – 29.09.2012 Messe Stuttgart - ZM-Online
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6 Leitartikel<br />
Sehr geehrte Frau Kollegin,<br />
kostenmindernd. Falsch angesetzter Verzicht<br />
sehr geehrter Herr Kollege,<br />
kann hier höchst unwirtschaftlich werden.<br />
Falsch und ebenfalls viel zu einfach wäre die<br />
in 50 Jahren wird in dieser Republik jeder Behauptung, die höhere Lebenserwartung<br />
dritte Bürger älter als 65 sein. Daraus resul- schaffe höhere Kosten. Dafür gibt es noch<br />
tierende, möglicherweise<br />
drastische Folgen dürften<br />
die betroffenen heute<br />
15-Jährigen kaum bekümmern.<br />
Das ist Sache<br />
der Elterngeneration, die<br />
jetzt noch mit Zuversicht<br />
an den eigenen Ruhe-<br />
”Würde es helfen,<br />
wenn wir die Hilfsund<br />
Pflegeberufe, wie es der<br />
Deutsche Wissenschaftsrat zu<br />
bedenken gibt, akademisieren<br />
und dann als Ärzte unsere<br />
Tätigkeiten delegieren?<br />
keine Daten. Richtig ist,<br />
dass sie der Gesellschaft<br />
mehr gesunde und damit<br />
potenziell auch produktive<br />
Lebensjahre einbringt.<br />
Dass in dem gesamten<br />
Umfeld vorschnell zu<br />
einfach scheinenden Löstand<br />
denken kann.<br />
sungen gegriffen wird,<br />
In der Tat ist die gesellschaftliche Fach- wissen wir nicht erst seit der jüngsten Bil-<br />
öffentlichkeit im interdisziplinären Streit dungsreform. Differenzierte und verkürzte<br />
auf der Suche nach geeigneten Maßnah- Studiengänge sollen dazu beitragen, dass<br />
men <strong>–</strong> zumal die aus dieser Entwicklung er- wir dem sogenannten Wachstumsmotor<br />
wachsenden Probleme nicht erst in fünfzig im Bereich Medizin und Pflege schneller<br />
Jahren aufschlagen werden.<br />
auf die Sprünge helfen. Qualifizierungs-<br />
Handeln müssen wir jetzt, hier und heute. maßnahmen der Pflege- und Hilfsberufe und<br />
Und wir müssen die nötigen Schritte ratio- erweiterte Möglichkeiten zur Delegation<br />
nal, nicht aus hektischer Betroffenheit und sollen über etwaige Versorgungsmängel<br />
ohne sachliche Abwägung planen.<br />
hinweg helfen. Hört sich gut an. Aber ist<br />
Das in diesem Zusammenhang immer wieder es das wirklich? Würde es helfen, wenn<br />
gehörte Argument, medizinischer Fortschritt, wir die Hilfs- und Pflegeberufe, wie es der<br />
qualitativ hochwertige Versorgung oder Prä- Deutsche Wissenschaftsrat zu bedenken<br />
vention seien zu teuer, ist monokausal und gibt, akademisieren und dann als Ärzte<br />
nicht nur zu einfach, sondern in der Konse- unsere Tätigkeiten delegieren?<br />
quenz auch gefährlich. Schon aus Kosten- Soviel vorweg: Zahn-/ärztliche Verantworgründen<br />
ist die Argumentation brüchig: tung für Diagnose und Therapie ist nicht<br />
Jeder dieser Faktoren für sich wirkt auch delegierbar. Auch nicht an akademisierte<br />
zm 102, Nr. 15 A, 1.8.2012, (1890)<br />
Falscher Rat<br />
Foto: BZÄK_Pietschmann<br />
Neuberufe. Gerade angesichts der immer<br />
weiter wachsenden Anforderungen an den<br />
Arzt und seine Verantwortlichkeit wäre es<br />
absurd, diese durch die Substitution von<br />
Leistungen zu zergliedern. Die weitere<br />
Fragmentierung des Berufsfeldes bedingt<br />
zwangsläufig einen höheren Bedarf an<br />
Qualifizierung, Kommunikation und Koordination.<br />
Mangelt es an Ärzten, brauchen<br />
wir mehr Ärzte <strong>–</strong> und nicht abgespeckte<br />
Bachelor-Versionen anderer Art.<br />
Aber was kann der Arzt delegieren? Im<br />
zahnärztlichen Bereich ist die Frage der Delegation<br />
schon heute rechtlich klar geregelt.<br />
Daran sollte vernünftigerweise niemand<br />
etwas ändern. Die schon heute in der Zahnarztpraxis<br />
übliche Delegation an vorhandene<br />
Fachkräfte ist hingegen, wie der Praxisalltag<br />
zeigt, praktikabel, deshalb sinnvoll.<br />
Das muss vor Augen haben, wer sich Gedanken<br />
über die künftige Struktur der zahn-/<br />
medizinischen Versorgung Deutschlands<br />
macht. Wer heute über die medizinische<br />
und pfegerische Versorgung nachdenkt,<br />
muss sich auch klar darüber sein, dass<br />
Qualifizierung gerade im Berufstand wichtig<br />
ist. Er muss aber auch wissen, dass eine dem<br />
Gesundheitswesen übergestülpte Pauschalqualifizierung<br />
dem eigentlichen Ziel einer<br />
qualitativ hochwertigen und sachgerechten<br />
medizinischen und pflegerischen Versorgung<br />
kaum gerecht werden kann. „Viel hilft viel!“<br />
bringt hier nicht weiter.<br />
Für die Zahnmedizin, das wissen wir aus<br />
intensiver Erfahrung, galt das schon immer.<br />
Hier werden entsprechende Maßnahmen<br />
an der Sache orientiert gehandhabt. Dass<br />
an der Zahnmedizin, deren versorgungstechnische<br />
Erfolge gelobt werden, sich<br />
andere Bereiche ein Beispiel nehmen sollen,<br />
sei dahingestellt und anderen überlassen <strong>–</strong><br />
auch wenn der Bundesgesundheitsminister<br />
das <strong>–</strong> bezogen auf unseren Präventionserfolg<br />
<strong>–</strong> so sehen mag.<br />
Mit freundlichen kollegialen Grüßen<br />
Dr. Peter Engel<br />
Präsident der Bundeszahnärztekammer