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Interview mit Johannes Ortner Transkription des Interviews

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ORAL HISTORY OF EUROPE IN SPACE<br />

<strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> <strong>Johannes</strong> <strong>Ortner</strong><br />

<strong>Transkription</strong> <strong>des</strong> <strong>Interview</strong>s<br />

Das Gespräch führte Peter Habison vom Technischen Museum Wien. Es fand am 23.<br />

Juli 2011 in Maria Alm in Salzburg statt.


00:00:12 Peter Habison (PH): Lieber <strong>Johannes</strong>! Die Raumfahrt hat dich dein ganzes<br />

Leben lang begleitet, wann bis du das erste Mal <strong>mit</strong> ihr in Verbindung gekommen und<br />

hat es einen Auslöser für deine Liebe und Begeisterung für den Weltraum gegeben?<br />

00:00:28 <strong>Johannes</strong> <strong>Ortner</strong> (JO): Das erste Mal war in Schweden und zwar wurde<br />

damals, als ich zur Ferialpraxis in Stockholm war, ein Posten ausgeschrieben für<br />

einen jungen Physiker, der bereit war nach Kiruna nördlich <strong>des</strong> Polarkreises zu fahren<br />

und dort als Pionier die ersten Arbeiten für Nordlichtuntersuchungen am<br />

geophysikalischen Observatorium der Königlich-Schwedischen Akademie der<br />

Wissenschaften zu machen. Im September 1957 kam ich nach Kiruna und im Oktober<br />

gab es Sputnik 1. Der erste Sputnik ist genau ein Monat, nachdem ich meinen Dienst<br />

in Kiruna begonnen habe, lanciert worden und da wusste ich, das ist das Gebiet für<br />

meine Zukunft. Meine Arbeiten in Kiruna waren ausgerichtet auf die Erforschung <strong>des</strong><br />

Nordlichts und gleichzeitig konnte ich da<strong>mit</strong> meine Dissertation für das Doktorrat an<br />

der Universität in Wien machen. Allerdings mein Doktorvater war ein berühmter<br />

schwedischer Professor von der Technischen Universität in Stockholm, nämlich<br />

Hannes Alfvén, der später auch den Nobelpreis bekommen hat. Nicht meiner<br />

Doktorarbeit wegen, er war wirklich ein sehr berühmter und sehr netter Doktorvater,<br />

der mich auch mehr oder weniger als seinen Sohn behandelt hat. Ich konnte <strong>mit</strong> ihm<br />

verschiedene Reisen machen und wir konnten das Thema Nordlicht immer wieder<br />

besprechen und über das Nordlicht kam ich dann in den Weltraum.<br />

00:02:47 PH: Wie du erzählt hast, hast du von 1957-62 am Geophysikalischen<br />

Observatorium gearbeitet, und das Thema Nordlicht hat dich hier beschäftigt. Erzähle<br />

noch ein bisschen etwas zum Thema Nordlicht und wie der Bezug vom Nordlicht zum<br />

Thema Weltraum sich ergeben hat. Durchaus auch in Zusammenhang <strong>mit</strong> deiner<br />

Arbeit und im Hinblick auf Hannes Alfvén, wie sehr er dich beeinflusst hat. Vielleicht<br />

weißt du auch noch die ein oder andere Geschichte über ihn, das wäre interessant.<br />

00:03:37 JO: Fangen wir an <strong>mit</strong> der Dissertation und dem Nordlicht. Da gibt es eine<br />

nette Anekdote, wie ich überhaupt zum Thema meiner Dissertation gekommen bin.<br />

Wir waren ganz wenige am Anfang am Observatorium. Es waren der Direktor, ein<br />

Techniker, ein Leiter der Werkstätte, dann der sogenannte Wachtmeister. Das war<br />

nichts anderes als unser Mann für alles, und ich war der erste Physiker neben dem<br />

Direktor Bengt Hultqvist. Mit dem Techniker habe ich am Observatorium gelebt und<br />

gewohnt und uns war natürlich etwas langweilig. Es gab noch kein Fernsehen in<br />

Kiruna. Wir haben uns aber trotzdem ein Fernsehgerät besorgt und mein Freund Sven<br />

Olsen, der Techniker, war der Meinung, wenn wir starke Antennen bauen, vielleicht<br />

erhalten wir Signale aus Stockholm. Nur Stockholm ist ungefähr 800 Kilometer<br />

südlich, also weit hinter dem Radiohorizont. Was haben wir gemacht? Wir haben eine<br />

große sogenannte Yagi-Antenne gebaut, auf das Dach gesetzt und der Techniker hat<br />

am Dach versucht, die Antenne einzurichten. Wenn er sie nach Stockholm gerichtet<br />

hat, war kein Empfang. Doch wenn er sie nach Norden gerichtet hat, gab es hie und<br />

da Fernsehbilder. Darauf sind wir natürlich aufmerksam geworden, dass vielleicht das<br />

Nordlicht eine Ionisierung der Atmosphäre <strong>mit</strong> sich bringt. Diese bewirkt, dass die<br />

Radiowellen, die von Stockholm nach Norden gehen, reflektiert werden und in Kiruna<br />

wieder zur Erde zurückkommen. Und das war auch so. Also wir haben dadurch eine<br />

Methode entwickelt, wo wir das Nordlicht quasi bei Tag und bei Nacht, im Sommer<br />

und im Winter, bei gutem und bei schlechtem Wetter, beobachten konnten aufgrund<br />

der Ionisierung der Moleküle der Atmosphäre. Das war dann das Thema meiner<br />

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Dissertation, nämlich die Untersuchungen <strong>des</strong> ionisierten Nordlichts <strong>mit</strong> Hilfe von<br />

ultrakurzen Radiowellen. Wir haben dann Radarstationen gekauft, die alle nach<br />

Norden gerichtet waren und festgestellt, wann es Nordlicht gibt. Dies hat natürlich <strong>mit</strong><br />

der Sonne zu tun. Kurz gesagt, die Sonne schleudert bei großen Sonneneruptionen<br />

geladene Teilchen aus. Diese Protonen und Elektronen gehen dann auf den Weg zur<br />

Erde. Dies dauert ungefähr 20 bis 30 Stunden und dann erreichen sie das Magnetfeld<br />

der Erde, werden sodann zu den Polen abgelenkt und dort, wo die Teilchen die<br />

Moleküle der Atmosphäre treffen, gibt es dann das Nordlicht. Ein Teil der<br />

Bewegungsenergie wird umgewandelt in Lichtenergie und das passiert genauso im<br />

Norden wie im Süden. Es gibt sogenannte konjugierte Punkte. Sobald wir in Kiruna<br />

Nordlicht gesehen haben, hat es das Südlicht an einem konjugierten Punkt in der<br />

Antarktis gegeben, und das war natürlich faszinierend festzustellen. Wir bekamen ja<br />

die Daten von Sonneneruptionen von Solarobservatorien. Diese haben wir koordiniert<br />

<strong>mit</strong> unseren Nordlichtdaten und es hat wunderbar gestimmt. Das war meine<br />

Dissertation und nach drei Jahren wollte ich eigentlich zurück, vielleicht nicht nach<br />

Österreich, aber doch von Kiruna in weiter südlichere Gefilde. Meine Idee war<br />

eventuell nach Amerika zu gehen. Dann hat man mir angeboten, wenn ich noch zwei<br />

Jahre in Kiruna bleiben würde, dann könnte ich das erste schwedische<br />

Raketenexperiment für Nordlicht vorbereiten. Das war natürlich sehr verlockend.<br />

Schweden hat mir eine Reise zu 25 Plätzen in Amerika finanziert, drei Monate zu<br />

Raketenbasen, um das Handwerk zu lernen, wie man Raketen startet. Es gibt Firmen,<br />

die damals Raketen erzeugt haben und ich musste die richtigen aussuchen. Weiters<br />

besuchte ich wissenschaftliche Institute, welche ähnliche Experimente entwickelten,<br />

wie z.B. das Labor von Prof. James van Allen, der den „Van Allen Belt“ entdeckt hat.<br />

Ich war also fasziniert, ich war 25 Stationen unterwegs vom Osten bis nach Westen,<br />

war in Kanada, sogar auf der nördlichsten Raketenabschussbasis.<br />

00:09:12 PH: In welchem Jahr war das?<br />

00:09:13 JO: Das war im Jahr 1960. Zwischen 1957 und 1960 war die Zeit meiner<br />

Dissertation, die ich dann abgeschlossen habe <strong>mit</strong> dem Doktorat im April 1960.<br />

Danach ging es los <strong>mit</strong> der Vorbereitung der schwedischen Raketenexperimente. Das<br />

Nordlicht spielt sich ab so zwischen 100 und 200 Kilometer Höhe, dort wo die<br />

Elektronen und Protonen auf die Atmosphäre stoßen. Dort hinauf kommt man nur <strong>mit</strong><br />

Raketen, weil man <strong>mit</strong> Ballons höchstens auf 30 Kilometer, <strong>mit</strong> Flugzeugen auf 10<br />

Kilometer kommt. Aber um auf 100 und 200 Kilometer zu kommen, braucht man<br />

Raketen. Das war also für mich faszinierend. Es gab noch keine Raketenbasis in<br />

Kiruna, wir mussten auf eine Militärbasis ausweichen, die etwa 200 Kilometer von<br />

Kiruna entfernt war. Ich selbst durfte gar nicht in das Feld hinein und die<br />

Abschussrampe musste <strong>des</strong>halb außerhalb <strong>des</strong> Fel<strong>des</strong> aufgebaut werden, aber ich<br />

selbst konnte nicht in ein schwedisches Militärgebiet fahren. Auf jeden Fall hat das<br />

zwei Jahre gedauert. 1962 waren die Raketen fertig. Es waren amerikanische Raketen<br />

vom Typ Nike-Cajun, die ausgerüstet waren <strong>mit</strong> dem Spektrometer, das wir in Kiruna<br />

gebaut haben, um das Energiespektrum der Elektronen zu messen. Gleichzeitig waren<br />

in den Raketen auch Geräte von einer meteorologischen Gruppe von Uppsala zur<br />

Messung von sogenannten „Noctilucent Clouds“. Das sind leuchtende<br />

Nachthimmelswolken, die <strong>mit</strong> dem Nordlicht überhaupt nichts zu tun hatten. Das<br />

haben wir sehr bald bemerkt, weil zum Abschusszeitpunkt der Rakete war für uns<br />

natürlich wichtig, dass Nordlicht vorhanden war, zumin<strong>des</strong>t das ionisierte Nordlicht.<br />

Und das hat <strong>mit</strong> den leuchtenden Nachtwolken überhaupt nichts zu tun gehabt, es war<br />

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also etwas schwierig, den Abschusszeitpunkt für die Raketen festzustellen.<br />

00:11:42 PH: Diese leuchtenden Nachtwolken sollen ja sehr schön sein. Hast du sie<br />

auch so schön empfunden, ich habe sie noch nie gesehen.<br />

00:11:50 JO: Ich muss sagen, ich habe sie auch ganz selten gesehen und es war nicht<br />

so aufregend. Das Nordlicht ist schöner. Wenn man in klaren Winternächten das<br />

Nordlicht sieht, das ist faszinierend. Die leuchtenden Nachtwolken im Sommer, die<br />

durch Aerosole zustande kommen, waren für mich nicht sehr beeindruckend. Das war<br />

also mein Weg in die Weltraumtechnik. Ich wurde quasi von Schweden aus auf dem<br />

Gebiet ausgebildet und dann kam die europäische Organisation zustande. Das war<br />

1962, zwei Jahre später, und dann hat man mich von Schweden nach Paris empfohlen.<br />

00:12:43 PH: Du bist ja einer der ersten Pioniere der ESA (European Space Agency).<br />

Die ESA hat damals noch den Namen ESRO (European Space Research<br />

Organisation) getragen. Du hast es schon ein bisschen angedeutet, wie du von<br />

Schweden zur ESRO gekommen bist. Wie ist dies im Detail passiert? Du hast auch<br />

einmal berichtet, dass du eine ganz niedrige Personalnummer bei der ESA hattest,<br />

welche ist es?<br />

00:13:23 JO: Um <strong>mit</strong> der Personalnummer anzufangen, diese war 27. Ich war unter<br />

den ersten 30 Leuten bei der ESA. Die Situation war so: Ich wollte nach drei Jahren<br />

Kiruna verlassen, eigentlich <strong>mit</strong> dem Ziel nach Amerika zu gehen. Ich habe schon<br />

Vorgespräche geführt <strong>mit</strong> der Stanford University und hätte Möglichkeiten gehabt,<br />

Halbzeit an der Stanford University, Halbzeit am Stanford Research Institute zu<br />

arbeiten. Das kam zu Stande während meiner Studienreise im Jahr 1960 zu den 25<br />

Stationen. Aber dann hat mich ein schwedischer Professor, in diesem Fall war es<br />

Professor Erik Hulthén, mehr oder weniger überredet, ich möge doch <strong>mit</strong>arbeiten bei<br />

der Vorbereitung der ESRO. Das war im September 1962. Hier ging es darum, dass<br />

eine Gruppe von Menschen, also ungefähr dreißig waren wir in Paris, die<br />

Organisation vorbereiten sollten. Die Idee war, dass wenn alle Länder in eine Kasse<br />

einzahlen, dass <strong>mit</strong> diesem Geld in den europäischen Staaten dann Satelliten<br />

entwickelt werden und dass man Ähnliches machen kann wie die Amerikaner und die<br />

Russen. Bis zu dem Zeitpunkt war Europa aus den Weltraumaktivitäten<br />

ausgeschlossen. Es hat sich eigentlich nur zwischen den USA und Russland<br />

abgespielt, also alle zusammen und gemeinsam. Es war ein Projekt, das noch weit<br />

bevor die Europäische Union zustande gekommen ist, diskutiert wurde. Die Basis war<br />

eigentlich das CERN (Europäische Organisation für Kernforschung). Konzept und<br />

auch die Konvention der ESRO basierte auf dem Beispiel <strong>des</strong> CERN. Europäische<br />

Staaten finanzieren gemeinsam einen Topf und aus diesem kann dann die europäische<br />

Industrie und Wissenschaft etwas auf die Beine stellen. Na ja, und so habe ich mich<br />

sehr leicht überreden lassen, denn Paris war näher nach Österreich als San Francisco,<br />

also Stanford, und so war ich dann eigentlich als erster Österreicher bei der<br />

Europäischen Weltraumorganisation, die damals noch COPERS (Commission<br />

Préparatoire Européenne de Recherches Spatiales) hieß, denn die ESRO wurde erst<br />

1964 gegründet, und ich war schon in dem vorbereitenden Ko<strong>mit</strong>ee dabei. Also von<br />

Anfang an und das war immer eine schöne Sache, weil eigentlich war ich immer<br />

Pionier. Zuerst in Kiruna war ich unter den ersten 5, bei der ESRO unter den ersten 30<br />

und als ich dann 1974 nach Österreich kam und die österreichische Weltraumagentur<br />

aufgebaut habe, war ich unter den ersten zwei, die Sekretärin war schon vor mir da.<br />

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00:16:48 PH: Du bist also dein Leben lang ein Pionier gewesen und hast sehr viel<br />

bewegt. Bleiben wir noch bei diesen frühen Zeiten bei der ESA. Warst du der einzige<br />

Österreicher, der damals so zeitig dabei war oder gab es noch andere Österreicher, die<br />

zu Beginn bei ESRO aktiv waren?<br />

00:17:15 JO: Ich war sicher der erste Österreicher bei COPERS, später kamen dann<br />

einige andere noch dazu. So wie mein erster Mitarbeiter, der dann auch nach Wien<br />

zurückkam, Wolfgang Lothaller. Er war bei der ESTEC (Europäisches<br />

Weltraumforschungs- und Technologiezentrum), aber er war vorher bei Philips und<br />

zu der Zeit, in der die ESRO vorbereitet wurde, war ich der einzige Österreicher.<br />

00:17:40 PH: Jetzt war das eine wirkliche Pionierphase. Was waren die größten<br />

Herausforderungen zur damaligen Zeit aus deiner Sicht?<br />

00:17:57 JO: Das Problem war, dass Europa keine Erfahrung auf dem Gebiet hatte<br />

und man wollte keine Amerikaner und Russen rekrutieren für die ESRO. Man hat<br />

gesagt, man sucht sich jetzt Leute in Europa, die schon irgendwie <strong>mit</strong> Weltraum in<br />

Verbindung waren und da gab es nicht viele Leute. Es waren wirklich nicht viele, aber<br />

es waren primär auch wieder Frankreich und Deutschland, aber auch Großbritannien<br />

und Italien, die Leute zur Verfügung gestellt haben. Leute die vielleicht vorher in den<br />

USA gearbeitet haben und zurückgekommen sind, aber es war wirklich eine sehr<br />

beschränkte Anzahl von Menschen. Die Herausforderung war zunächst, ein<br />

Programm zu definieren, das zunächst auch Raketen beinhaltet hat und später dann<br />

natürlich Satellitenbau. Es war schwierig, weil man eben nicht auf amerikanisches<br />

Know-how zurückgreifen konnte, sondern mehr oder weniger das Rad neu erfunden<br />

hat in Europa. Dann war es auch so, dass die Amerikaner gar nicht kooperativ waren,<br />

zumin<strong>des</strong>t für Satelliten, die Geld gebracht haben: Kommunikationssatelliten oder<br />

Erdbeobachtungssatelliten, die ja aus Spionagesatelliten hergeleitet wurden. In diese<br />

haben die Amerikaner einem keinen Einblick gelassen, denn das war reine<br />

Geschäftssache für die Amerikaner. Man musste also wirklich das meiste neu<br />

entwickeln, und das war auch später dann für die Entwicklung der ARIANE-Rakete<br />

das Motiv. Man konnte in den USA solange Raketen kaufen, solange es für die<br />

Amerikaner Geld gebracht hat. Solange man nur wissenschaftliche Satelliten gebaut<br />

hat, war es kein Problem, weil man hier keine Konkurrenz war. Sobald man aber<br />

angefangen hat, dies kommerziell für Navigationssatelliten,<br />

Kommunikationssatelliten und Erdbeobachtungssatelliten zu verwerten, hat man von<br />

Amerika keine Rakete mehr kaufen können. Also musste man alles neu erfinden,<br />

obwohl es schon zehn Jahre früher oder länger in Amerika existiert hat. Das war,<br />

glaube ich, die größte Herausforderung, wirklich von null neu anzufangen.<br />

00:20:37 PH: Jetzt war diese Zeit in den frühen und <strong>mit</strong>tleren Sechzigerjahren auch<br />

die Zeit <strong>des</strong> Wettlaufs zum Mond zwischen den Amerikanern und Russen und<br />

schließlich die Mondlandung der Amerikaner im Jahr 1969. Wie habt ihr diese<br />

Entwicklungen in Hinblick auf die bemannte Raumfahrt bei der ESA in diesen frühen<br />

Tagen erlebt? Gab es da Diskussionen dazu, oder war dies überhaupt kein Thema?<br />

00:21:16 JO: Ich würde sagen, Diskussionen gab es schon, aber es war unerreichbar<br />

für Europa. Da konnten wir nicht <strong>mit</strong>spielen in Europa. Die bemannte Raumfahrt war<br />

überhaupt außer Reichweite, denn selbst <strong>mit</strong> den Mitteln, die man zur Verfügung<br />

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hatte – selbst wenn alle Mitgliedsländer zusammengesteuert haben - waren wir weit<br />

unter dem Budget der NASA (National Aeronautics and Space Administration) und<br />

das erste Programm bei der ESRO war ja rein wissenschaftlich.<br />

00:21:50 PH: Österreich war kein Gründungs<strong>mit</strong>glied der ESRO und hielt auch relativ<br />

lange Zeit nur einen Beobachterstatus. Du schreibst in einem Artikel, dass dies<br />

vorwiegend finanzielle und auch politische Gründe hatte. Kannst du heute die<br />

politische Motivation und jene Gründe nennen, warum Österreich von Anfang an<br />

nicht Mitglied bei der ESA war?<br />

00:22:23 JO: Österreich war Mitglied bei COPERS. COPERS war vorbereitende<br />

Kommission. COPERS steht für „Commission Préparatoire Européenne de<br />

Recherches Spatiales“ und hier war Österreich Voll<strong>mit</strong>glied. Das hat natürlich nicht<br />

viel gekostet, weil es ging nur um die Diskussion sowie um Studien zur Vorbereitung<br />

von ESRO. Es sind Papierkosten angefallen, aber es sind keine Raketen oder<br />

Satelliten gebaut worden zu dieser Zeit. Und hier bei COPERS gab es auch Delegierte<br />

von Österreich. Das waren, soweit ich mich erinnern kann, Professor Ferdinand Cap<br />

aus Innsbruck als Wissenschaftler und dann war immer jemand von der Botschaft in<br />

Paris dabei, zu dieser Zeit war das Franz Ceska, der dann Botschafter wurde und in<br />

späteren Jahren Präsident der Industriellenvereinigung war. Franz Ceska und<br />

Ferdinand Cap haben versucht, Österreich in die ESRO zu bringen, aber es war<br />

wirklich das fehlende Geld und es war nicht politisch motiviert, dass Österreich der<br />

ESRO nicht beigetreten ist.<br />

Dann wurde neben der ESRO noch eine zweite Organisation gegründet, die ELDO,<br />

(European Launcher Development Organisation), wo Österreich aber auch in der<br />

Vorbereitungsphase nicht dabei war. Hier gab es politische Gründe: Man wollte nicht<br />

Raketen bauen, weil Raketen auch für militärische Zwecke verwendet werden<br />

könnten – theoretisch – und <strong>des</strong>wegen war man von Anfang an nicht dabei. Bei der<br />

ESA, die später durch die Fusion von ESRO und ELDO zustande kam, da war es klar,<br />

dass diese nur für zivilen Nutzen Raketen entwickelte. Aber bei der ERSO fehlte<br />

einfach das Geld um <strong>mit</strong>zumachen und da<strong>mit</strong> war es vorbei. Bei COPERS war<br />

Österreich Mitglied, bei ESRO war Österreich kein Mitglied mehr.<br />

00:24:52 PH: Da<strong>mit</strong> stellt sich als nächste Frage das Thema „Österreich und die<br />

Vereinten Nationen“, denn Österreich ist im Jahr 1955 Mitglied bei den Vereinten<br />

Nationen geworden und hat dann auch 1958 den Vorsitz <strong>des</strong> „Com<strong>mit</strong>tee on the<br />

Peaceful Uses of Outer Space“ (COPUOS) übernommen. Eine Auswirkung dieses<br />

Vorsitzes waren die drei UNISPACE-Konferenzen in Wien in den Jahren 1968, 1982<br />

und 1999. Inwieweit warst du in diese Aktivitäten involviert und welchen Einfluss<br />

hatten diese Konferenzen auf die Entwicklungen zum Beitritt Österreichs zur ESA<br />

bzw. auch dann noch danach?<br />

00:26:04 JO: Um <strong>mit</strong> der letzten Frage anzufangen: Ich glaube, dass die Beteiligung<br />

bei der UNO gar keinen Einfluss auf die Mitgliedschaft bei der ESRO hatte oder dann<br />

bei der ESA. Da gab es keinen Zusammenhang, und das muss ich erzählen. Wie ich<br />

1974 zurückgekommen bin nach Österreich wurde ich auch zu den Vereinten<br />

Nationen zu den Sitzungen <strong>des</strong> Ko<strong>mit</strong>ees für die friedliche Nutzung <strong>des</strong> Weltraums<br />

geschickt und ich war wirklich erstaunt, was für eine Macht Österreich in diesem<br />

Ko<strong>mit</strong>ee hatte. Das beruhte darauf, dass seit dem Beginn, seitdem es das Ko<strong>mit</strong>ee<br />

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gegeben hat, immer der österreichische Missionschef in New York Vorsitzender <strong>des</strong><br />

Ko<strong>mit</strong>ees war. Österreich hat immer den Ausgleich zwischen Russland und Amerika<br />

gesucht, besonders im „Kalten Krieg“, wo es wirklich ein Wettrennen im Weltraum<br />

gab. Das war unbeschreiblich, wenn die österreichischen Delegierten im<br />

Weltraumko<strong>mit</strong>ee ein Statement gemacht haben, hatte dies immer eine große<br />

Bedeutung. Es gab drei Weltraummächte quasi in New York, die eine war die<br />

Sowjetunion, die andere war die USA und die dritte war Österreich (lacht). Ich war<br />

<strong>des</strong>halb so erstaunt, weil in Österreich selbst nur bescheidene Weltraumaktivitäten<br />

existierten. Es war für mich eine ganz interessante Situation, politisch war Österreich<br />

fantastisch stark und im Land selbst war nicht viel los.<br />

00:28:53 PH: Aber in den Konferenzen in den Jahren 1968 und 1982 direkt warst du<br />

nicht involviert oder hast du doch einige Dinge im Umfeld dazu beigetragen?<br />

00:29:05 JO: Im Jahr 1968 war ich nicht involviert, da war ich noch bei der ESRO.<br />

Ich bin ja erst 1974 nach Österreich zurückgekommen. In die anderen beiden<br />

Konferenzen war ich selbstverständlich involviert, UNISPACE II im Jahr 1982 und<br />

die dritte Konferenz im Jahr 1999. Man muss sagen, es war wirklich interessant, dass<br />

alle drei Konferenzen in Wien abgehalten wurden. Aber der Grund ist eben, dass<br />

Österreich das UNO-Weltraumko<strong>mit</strong>ee dominiert hat. Der Generalsekretär war je<strong>des</strong><br />

Mal ein Inder: Vikram Sarabhai beim ersten, Yash Pal beim zweiten und beim dritten<br />

war es Professor U.R. Rao. Indien stellte immer den Generalsekretär, Österreich hatte<br />

immer den Vorsitz, es war wirklich interessant.<br />

00:30:20 PH: Dann führt uns unser Weg von den Vereinten Nationen wieder zurück<br />

nach Österreich und jetzt schon zur Gründung der Austrian Space Agency. Im<br />

Oktober 1972 wurde die Austrian Space Agency vom neuen österreichischen<br />

Ministerium für Wissenschaft und Forschung gegründet. 1974 wur<strong>des</strong>t du zum<br />

Geschäftsführer der ASA, wie sie abgekürzt wurde, ernannt. Wie ist es dazu<br />

gekommen, dass du zurück nach Österreich gekommen bist und was hat dich<br />

besonders motiviert, dich zu bewerben und von Paris von der ESA wieder nach<br />

Österreich zurückzukommen?<br />

00:31:15 JO: Von dieser Idee, eine österreichische Weltraumbehörde zu kreieren,<br />

hörte ich das erste Mal von Professor Willibald Riedler. Dazu muss man vielleicht<br />

auch sagen: Seinerzeit, als ich von Kiruna zu COPERS/ESRO gegangen bin, habe ich<br />

einen Nachfolger für meine Position in Kiruna in Österreich gesucht. Ich habe damals<br />

als meinen Nachfolger in Kiruna Willi Riedler gefunden. Das war relativ einfach, weil<br />

er <strong>mit</strong> einer Finnin verheiratet war und die Finnin hatte nichts dagegen, nach<br />

Nordskandinavien zurückgehen. Kiruna ist ja so nahe an Finnland, dass man dort<br />

teilweise sogar finnisch spricht. Deswegen war es für mich gar nicht schwer Riedler<br />

zu überzeugen nach Schweden zu gehen und sich dort eben auch <strong>mit</strong> Nordlicht zu<br />

beschäftigen. Man kann fast auch sagen, dass das österreichische Know-how im<br />

Weltraum eigentlich aus Schweden kommt, aus Kiruna. Zuerst, die ersten fünf Jahre<br />

ich, 1957-62, und von 1962-68 war dann Riedler dort. Riedler kam dann zurück als<br />

Professor nach Graz. Dann kam auch das österreichische Weltrauminstitut der<br />

Akademie der Wissenschaften zustande, ich glaube 1969. Und Riedler kam mich hie<br />

und da in Paris besuchen. Riedler hat mich mehr oder weniger aufgefordert, mich für<br />

die Stelle <strong>des</strong> Direktors einer österreichischen Weltraumagentur zu bewerben.<br />

Allerdings muss man vorausschicken, dass wir auch von der ESRO aus eine Reise zu<br />

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einem interministeriellen Ko<strong>mit</strong>ee nach Wien unternommen haben, um das ESRO-<br />

Programm <strong>mit</strong> dem Ziel zu präsentieren, dass Österreich Mitglied bei der ESRO wird.<br />

Wir waren zu dritt in Wien, es war damals ein deutscher Rechtsanwalt der ESA, Hans<br />

Kaltenecker, dann ein späterer Mitarbeiter der EU, Jean-Pierre Contzen, ein Belgier<br />

und ich. Wir kamen zu dritt nach Wien und haben das Programm präsentiert. Die<br />

Antwort war, dass man keine Möglichkeit sieht, den industriellen Rückfluss aus den<br />

Beiträgen zu den ESA-Programmen zu absorbieren. Weil es keine<br />

Weltraumaktivitäten in der österreichischen Industrie gab, war das dann, so glaube<br />

ich, auch der Grund, warum man sich in Österreich überlegt hat, eine österreichische<br />

Weltraumagentur zu schaffen. Um eben eine Basis zu schaffen, ein Potential zu<br />

schaffen für den Rückfluss aus den ESA-Programmen. Zu der Zeit, wo wir das<br />

ESRO- Programm präsentiert haben, gab es in Österreich vielleicht die Planseewerke,<br />

die harte, hitzebeständige Werkstoffe erzeugt haben, die sie in die USA exportierten,<br />

auch zur NASA, aber man hat nicht gewusst wofür sie verwendet wurden. Sie wurden<br />

wahrscheinlich beim Raketenbau verwendet. Und dann gab es den österreichischen<br />

Weltraumkugelschreiber, die „Space Pen“, die <strong>mit</strong> Gasdruck funktioniert. Es war ein<br />

Österreicher, ein Herr Friedrich Schächter, der ihn erfunden hat. Die Astronauten und<br />

Kosmonauten haben in der bemannten Raumfahrt <strong>mit</strong> österreichischem Know-how<br />

zwar ihre Notizen gemacht, aber das war alles, es gab sonst nichts in Österreich.<br />

Gut also, Willi Riedler hat mir den Anstoß gegeben und ich habe mich beworben. Es<br />

gab 51 Bewerbungen und wie ich dann letzten En<strong>des</strong> zum <strong>Interview</strong> nach Wien kam,<br />

wollte ich zunächst ausprobieren, ob ich in Österreich noch etwas werden kann. Ich<br />

hatte ja einen sehr guten Job bei der ESA und war nicht überzeugt, dass ich das<br />

wirklich aufgeben werde. Dann kam ich zum <strong>Interview</strong>. Sektionschef Wilhelm<br />

Grimburg war damals zuständiger Sektionschef für Forschung im<br />

Wissenschaftsministerium. Wie ich schon bei der Tür hereinkomme sagt er: „Das ist<br />

unser Mann“. Na ja, da<strong>mit</strong> habe ich gewusst, das <strong>Interview</strong> wird positiv laufen, es hat<br />

auch nicht lange gedauert und man hat mir den Job angeboten. Wolfgang Lothaller,<br />

den ich schon genannt habe, der bei der ESTEC einen Job hatte, hat sich auch für<br />

diesen Posten beworben und wurde dann mein erster Mitarbeiter. Also haben wir im<br />

Jänner 1974 unsere Aktivitäten in Österreich begonnen. Bis dahin war Ministerialrat<br />

Otto Zellhofer der „Acting Geschäftsführer“ der österreichischen Gesellschaft,<br />

„Austrian Space Agency“ haben wir sie später genannt. Eigentlich war es die<br />

„Österreichische Gesellschaft für Weltraumfragen“. Das war schwierig zu übersetzen.<br />

Eine „Austrian Society for Space Questions“ wollten wir nicht als Titel und <strong>des</strong>wegen<br />

haben wir sie dann „Austrian Space Agency“(ASA) genannt. So begann es dann in<br />

Österreich.<br />

00:37:13 PH: Nachdem du im Jänner 1974 nach Österreich zurückgekommen bist und<br />

als Geschäftsführer der ASA ernannt wur<strong>des</strong>t, war das alles noch sehr jung und neu<br />

und es gab jede Menge Aufgaben als neuer Geschäftsführer. Was waren die<br />

hauptsächlichen Herausforderungen, waren diese mehr politischer Natur, waren sie<br />

mehr finanzieller oder eher organisatorischer Natur oder einfach alles zusammen?<br />

00:37:51 JO: Die schwierigste Herausforderung war, den Rückfluss aus den ESA-<br />

Programmen in der österreichischen Industrie sicherzustellen. Denn wie ich schon<br />

gesagt habe, es gab in der österreichischen Industrie praktisch nichts, man musste von<br />

vorne anfangen. Bei der UNO war Österreich eine Weltraummacht, wissenschaftlich<br />

hat Österreich schon im Rahmen <strong>des</strong> Weltrauminstituts der Österreichischen<br />

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Akademie der Wissenschaften gearbeitet und bilateral Programme <strong>mit</strong> Russland<br />

gemacht, leider nicht <strong>mit</strong> der ESA, weil wir nicht Mitglied waren. Und jetzt war die<br />

Herausforderung, die österreichische Industrie aufzubauen und auf die Beine zu<br />

stellen, die dann in der Lage ist, Rückflüsse aus den ESA-Beiträgen zu absorbieren.<br />

Die erste Aktivität für Wolfgang Lothaller und mich war, ungefähr 25 österreichische<br />

Industrieunternehmen zu besuchen und dort <strong>mit</strong> den Forschungsdirektoren ihr<br />

Interesse an einer Mitarbeit am europäischen Weltraumprogramm zu besprechen. Die<br />

Liste haben wir vom Forschungsministerium bekommen und wir haben an 25 Tagen<br />

diese Arbeit durchgeführt. Für uns war es eher deprimierend, weil bei den<br />

verschiedenen Firmen die erste Frage immer war: Wie viel Stück können wir<br />

verkaufen? Bei der Entwicklung eines Satellitenprojekts gibt es aber nur einen<br />

Prototyp, ein Engineering Model, zwei Flugmodelle und das ist es. Man kann nicht<br />

beliebig viele Stücke davon verkaufen.<br />

Die zweite Frage, die noch berechtigter war, wenn wir jetzt Aufträge von der ESA<br />

(oder ESRO damals) bekommen, wer garantiert uns, dass wir auch Folgeaufträge<br />

bekommen? Das konnten wir nicht garantieren. Wir konnten nur sagen, wenn sie gut<br />

arbeiten, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie wieder Aufträge bekommen.<br />

Aber garantieren konnte man so etwas nicht. Und der Profit für eine Firma bei ESA-<br />

Aufträgen war im Rahmen von etwa acht Prozent. Eine Firma konnte also acht<br />

Prozent verdienen, also keine große Sache. Aber wie wir die Firmen überzeugen<br />

wollten, das waren immer das Prestige an Weltraumprojekten <strong>mit</strong>zuarbeiten und das<br />

gewonnene Know-how. Das Know-how, das man dadurch für die Firma erwirbt,<br />

indem man Einblick bekommt, nicht nur in den Teil, den man selbst an dem Satelliten<br />

<strong>mit</strong>baut, sondern auch zu 100 Prozent am ganzen Satelliten. Es war wirklich<br />

deprimierend zu sehen, dass nach 25 Firmen, als wir den Bericht gemacht haben, am<br />

Schluss eigentlich kaum jemand interessiert war sich zu beteiligen, <strong>mit</strong> einer einzigen<br />

Ausnahme und das waren die Planseewerke. Die Planseewerke haben uns erzählt,<br />

dass sie schon Teile geliefert haben oder harte, hitzebeständige Werkstoffe für die<br />

NASA erzeugt haben und sie natürlich interessiert wären auch <strong>mit</strong>zuarbeiten. Ein<br />

gewisses Interesse zeigte auch Ranshofen-Berndorf, Aluminiumteile herzustellen, die<br />

sie vielleicht für das Spacelab verkaufen konnten. Spacelab war das erste europäische<br />

Weltraumlaboratorium für das amerikanische Space Shuttle. Einige Firmen deuteten<br />

die Möglichkeit an, eventuell an Kommunikationssatelliten <strong>mit</strong>zuarbeiten. Aber es<br />

war echt deprimierend, es war kein wirkliches Interesse vorhanden <strong>mit</strong> der Ausnahme<br />

von einem Herrn Erwin Tautner von der Österreichischen Klimatechnik, der ans<br />

Prestige gedacht hat. Er dachte, wenn er wirklich <strong>mit</strong>macht, könnte er berühmt<br />

werden. Er war der Einzige, der sich am Anfang eigentlich positiv erklärt hat, um<br />

etwas zu probieren. Nur hatte er keine Leute, die Erfahrung hatten. Aber es kam zum<br />

ersten Interesse und das war, beim europäischen Weltraumlaboratorium <strong>mit</strong>zubauen.<br />

00:43:47 PH: Das europäische Weltraumlaboratorium werden wir gleich nochmals<br />

ansprechen. Bevor wir dort hinkommen, noch eine Frage. Bei diesen ersten<br />

Herausforderungen, welche Personen waren im Umfeld für dich noch entscheidend?<br />

Man macht so etwas ja nicht allein, du hast es geleitet, du hast deine Ideen und<br />

Visionen eingebracht, aber wer war für dich sowohl politisch aber auch im<br />

organisatorischen und im industriellen Umfeld wichtig? Personen wo du sagst, das<br />

waren für dich Schlüsselpersonen.<br />

00:44:27 JO: Personen also, die am Wichtigsten waren, das war Sektionschef<br />

9


Wilhelm Grimburg, der ganz hinter mir gestanden ist. Bei Grimburg war es so:<br />

Entweder er hat jemanden gemocht oder nicht, es war schwarz oder weiß und bei mir<br />

war es Gott sei Dank die positive Seite. Volle Unterstützung! Und dann Botschafter<br />

Peter Jankowitsch, der den Vorsitz beim Ko<strong>mit</strong>ee für die friedliche Nutzung <strong>des</strong><br />

Weltraums bei der UNO geführt hat. Dann waren es natürlich Willi Riedler in Graz,<br />

der selbst interessiert war, dass Österreich Mitglied bei der europäischen<br />

Weltraumorganisation wird, da<strong>mit</strong> er nicht nur bilateral <strong>mit</strong> den Russen oder den<br />

Skandinaviern zusammenarbeitet sondern auch im Rahmen der ESA. Das war es so<br />

ungefähr; und in der Industrie war es die Bun<strong>des</strong>wirtschaftskammer, das war ein<br />

gewisser Herr Otto Obendorfer, Vorgänger von Wolfgang Damianisch, aber wirklich<br />

treibende Kräfte waren Grimburg und sein Abteilungsleiter Otto Zellhofer.<br />

Vielleicht sollte ich ergänzen, dass es ohne die erste Forschungsministerin, Herta<br />

Firnberg, nicht gegangen wäre. Sie hat hier ein wirkliches Prestige für Österreich<br />

gesehen, sich am Weltraum zu beteiligen, und ohne Firnberg wären wir auch nie<br />

Mitglied der ESA geworden, sie hat sich dafür zu 100 Prozent eingesetzt.<br />

00:46:31 PH: Kommen wir zurück zum Beitrag österreichischer Firmen zum<br />

Weltraum in den ersten Stunden und da spielt das europäische<br />

Weltraumforschungslabor Spacelab ein Rolle. Dieses spielt auch eine Rolle bei der<br />

Entwicklung österreichischer Weltraumtechnologie, wie du schon angedeutet hast.<br />

Aber auch in deiner Karriere hat es eine Rolle gespielt, denn du warst Vorsitzender<br />

<strong>des</strong> „Spacelab Programm Board“ von 1980-83 und in diesem Sinne dann für die<br />

Übergabe <strong>des</strong> Weltraumlabors an die NASA zuständig. Was gibt es in diesem<br />

Zusammenhag darüber zu berichten und wie hast du die Zusammenarbeit zwischen<br />

ESA und NASA in diesen frühen Zeiten der transatlantischen Weltraumkooperation<br />

persönlich erlebt?<br />

00:47:45 JO: Zunächst einmal war es für Österreich der Durchbruch, dass wir uns am<br />

Spacelab beteiligt haben. Das Spacelab bestand aus Modulen und Paletten und wurde<br />

auch x-mal geflogen in den USA, für Europa nur ein Mal und für Deutschland auch<br />

ein Mal, aber die Geräte wurden alle in den USA weiterverwendet. Gut also, die<br />

Beteiligung am Spacelab war der Durchbruch für Österreich, weil es die erste<br />

Flughardware war, die Österreich je gebaut hat. Die Entscheidung hat Erwin Tautner<br />

gemacht, damals für die Österreichische Klimatechnik GmbH. Es war wirklich ein<br />

Sprung ins Wasser, denn er hatte keine Leute, die Erfahrung hatten. Er musste sich<br />

einen Ingenieur aus der Schweiz als seinen Berater holen und Leihingenieure und<br />

Techniker aus England. Man könnte fast sagen wie „Sklaven“, die halt das Know-how<br />

hatten, aber dann „gekauft“ werden konnten. Diese Leute sind dann sogar zum Teil in<br />

Österreich geblieben, haben in Österreich geheiratet. Es ging also um das berühmte<br />

Weltraumfenster und das war die Möglichkeit für den ersten Hightech-Auftrag der<br />

ESA, aber nur wenn Österreich sich auch am Programm <strong>des</strong> Spacelabs beteiligt. Denn<br />

wir waren noch nicht Mitglied der ESA und es wurde uns freigestellt, sich am<br />

Spacelab-Programm „à la carte“ zu beteiligen, um zu zeigen, ob Österreich wirklich<br />

an diesen Aktivitäten <strong>mit</strong>machen kann. Von Seiten der ESA hat uns Generaldirektor<br />

Roy Gibson sehr geholfen und von deutscher Seite, denn Deutschland war die<br />

treibende Kraft hinter dem Spacelab, war es ein Sektionschef vom deutschen<br />

Forschungsministerium Namens Wolfgang Finke. Die beiden haben uns unheimlich<br />

geholfen in dieses Programm hineinzukommen.<br />

10


Von österreichischer Seite war aber die große Schwierigkeit, das Geld aufzutreiben,<br />

um uns zu beteiligen, wenn es auch nur eine minimale Beteiligung war. Ich glaube<br />

von etwa einem Prozent, nicht einmal. Ich werde nie vergessen, es war bei einem<br />

Meeting im Hotel Imperial, ein Mittagessen <strong>mit</strong> Ministerin Firnberg, wo auch<br />

Finanzminister Androsch kommen sollte, der dann eine halbe Stunde zu spät<br />

gekommen ist. Wir präsentierten <strong>mit</strong> Viewgraphs und Overhead während <strong>des</strong><br />

Mittagessens im Imperial das Programm. Wie dann endlich der Finanzminister da<br />

war, hat er gesagt es ist OK, aber wenn die Industrie sich wirklich so dafür<br />

interessiert, soll die Industrie die Hälfte zahlen. Das hat es bei der ESA noch nie<br />

gegeben und wenn sich bei der ESA ein Mitgliedsland an einem Programm beteiligt,<br />

dann hat den Beitrag zur ESA der Staat bezahlt. Na gut, wir standen da, das Essen war<br />

zu Ende. Jetzt mussten wir die Beteiligung der österreichischen Industrie suchen,<br />

da<strong>mit</strong> die Hälfte <strong>des</strong> Beitrages zur ESA auch von der Industrie finanziert wird. Es ist<br />

letzten En<strong>des</strong> gelungen, nicht Halbe-Halbe, sondern fünf Achtel hat der Staat an der<br />

Beteiligung finanziert, ein Achtel die Bun<strong>des</strong>wirtschaftskammer, ein Achtel<br />

Ranshofen, weil sie sich Aufträge für die Aluminiumstruktur erwartet haben, und ein<br />

Achtel die ÖIAG. Es waren also mehr oder weniger die Dachverbände der Industrie,<br />

aber auch Ranshofen selbst und das war nicht gut. Denn wenn eine Industriefirma das<br />

Geld einzahlt, da<strong>mit</strong> sie dann einen Auftrag bekommt, ist das sehr ungesund. Aber für<br />

die ESA war das ein einmaliges Erlebnis, dass ein Beitrag eines Mitgliedslan<strong>des</strong> nicht<br />

nur vom Staat, sondern auch teilweise von der Industrie kam. So sind wir in das<br />

Programm eingestiegen und dann kam der Auftrag eben nicht an Ranshofen sondern<br />

an die Firma Österreichische Klimatechnik GmbH <strong>des</strong> Erwin Tautner, und das war<br />

auch sehr kritisch. Denn den Auftrag hätte sich die Firma Fokker in Holland<br />

erwünscht, sie hat schon <strong>mit</strong> der deutschen Firma ERNO (Entwicklungsring Nord) in<br />

Bremen verhandelt und wir wurden politisch durch den Generaldirektor der ESA Roy<br />

Gibson und Wolfgang Finke vom Ministerium in Deutschland hineingedrängt, dass<br />

wir den Auftrag anstelle von Fokker bekommen, aber wir hatten nicht das beste<br />

Angebot. Es war dann natürlich ein furchtbares Misstrauen da. Vertreter der Firma<br />

ERNO kamen dann auf Besuch nach Österreich. Natürlich, ein Fenster für ein<br />

Spacelab, wenn das Fenster nicht hält und bricht, dann ist es vorbei und die<br />

Astronauten sind gestorben. Daraufhin habe ich bei einer Tischrede am Abend<br />

angeboten, einen Österreicher als Astronauten <strong>mit</strong>zuschicken, um zu demonstrieren,<br />

dass wir sicher sind, dass es funktionieren wird. Also jedenfalls gab es da einige<br />

Schwierigkeiten, auch psychologischer Art, Österreich das Vertrauen zu schenken.<br />

Der Durchbruch war also da und Österreich hat letzten En<strong>des</strong> den Auftrag bekommen<br />

das Fenster zu bauen und das Fenster hat auch wirklich bestens gehalten. Die einzigen<br />

Bedenken, die Astronauten uns sagten, war, dass das Fenster etwas zu klein geraten<br />

ist. Aber das war nicht der Fehler der österreichischen Industrie, sondern das waren<br />

die Vorgaben <strong>des</strong> Prime Contractors, der Firma ERNO. Also das Fenster war in<br />

Ordnung und das war der Durchbruch für Österreich <strong>mit</strong> sogenannter „Space<br />

Hardware“ für den Weltraum. Ich selbst wurde, wie du schon erwähnt hast,<br />

Vorsitzender <strong>des</strong> Spacelab Programme Board bei der ESA, was eine große Ehre war<br />

und auch eine Herausforderung. Mir hat das viel Spaß gemacht und in dieser Funktion<br />

habe ich natürlich dann auch das fertige Spacelab in Amerika, in Florida, Cape<br />

Canaveral, übergeben können. Damals war George Bush Senior Vizepräsident, und es<br />

war bei der NASA immer so, dass der Vizepräsident für die Raumfahrt verantwortlich<br />

war und damals war es eben George Bush. Mit Handshake habe ich ihm das Spacelab<br />

in Florida <strong>mit</strong> jeweils einer Ansprache überreicht. Das war natürlich eine aufregende<br />

11


Sache und ich werde es nie vergessen. Aber es war auch für Österreich eine große<br />

Ehre, dass wir in diesem Projekt voll beteiligt waren.<br />

00:56:16 PH: Österreich kommt langsam mehr und mehr in das Thema hinein und so<br />

wird Österreich 1981 assoziiertes Mitglied der ESA und 1987 dann schließlich<br />

Voll<strong>mit</strong>glied. Wie ist dieser doch sehr bedeutende Schritt für Österreichs<br />

Weltraumgemeinschaft schlussendlich gelungen? Welche Hauptschritte wür<strong>des</strong>t du<br />

ins Treffen führen?<br />

00:56:53 JO: Es war natürlich zäh. Als ich 1974 nach Österreich kam, habe ich<br />

gedacht, dass wir nach fünf Jahren schon Mitglied der ESA sein könnten. Es hat dann<br />

insgesamt 13 Jahre gedauert und es ging nur <strong>mit</strong> Sala<strong>mit</strong>aktik. Man muss ehrlich<br />

sagen, dass es ursprünglich von der Seite <strong>des</strong> Ministeriums die Idee war, dass wir von<br />

der ASA mehr oder weniger nur eine Informationsbeschaffungsquelle für den<br />

Weltraum in Österreich darstellen. Wir sollten nämlich das Know-how über<br />

Weltraumaktivitäten ohne Beteiligung bringen und das war natürlich unmöglich, das<br />

ist klar. Ohne Beteiligung gab es kein Know-how, aber wie gesagt, ich habe immer<br />

wieder betont, wie wichtig es ist, nicht nur den materiellen Rückfluss bei ESA-<br />

Programmen, sondern auch den ideellen Rückfluss zu bedenken. Das bedeutet, dass<br />

man nämlich Zugang hat zum hundertprozentigen Know-how bei jedem Projekt, an<br />

dem man sich beteiligt. Diese Form von „à la carte“ Beteiligung an Spacelab und<br />

dann später bei Kommunikationssatelliten, das war natürlich ein erster Schritt. Nach<br />

einer gewissen Zeit gab es bei der ESA dann den Beobachterstatus nicht mehr,<br />

sondern man musste assoziiertes Mitglied werden und das war schon der erste Schritt<br />

zur Voll<strong>mit</strong>gliedschaft. Man konnte sagen, die assoziierte Mitgliedschaft war wie die<br />

„Verlobungszeit“. Wenn man einmal verlobt ist, dann muss man entweder heiraten<br />

oder es geht ganz daneben. Das war natürlich auch allen klar in Österreich. In meinem<br />

Aufsichtsrat saßen zwei Mitglieder <strong>des</strong> Finanzministeriums, die immer nur gefragt<br />

haben, was kostet es und nicht was bringt es. Hier muss ich ehrlich sagen, jener, der<br />

mir am meisten geholfen hat, war Botschafter Peter Jankowitsch. Er hat mir Zutritt<br />

zum damaligen Sekretär <strong>des</strong> Finanzministers verschafft, und das war Franz Vranitzky.<br />

Vranitzky war auch der erste, der mir eine halbe Stunde zugehört hat und mich<br />

gefragt hat, nicht nur was es kostet, sondern auch was es bringt. Es war natürlich allen<br />

klar, dass, wenn wir die assoziierte Mitgliedschaft unterschreiben, dass dies der erste<br />

Schritt zur Voll<strong>mit</strong>gliedschaft ist oder der bedeutendste Schritt. Vranitzky hat sich den<br />

Akt von seinem Chef, Finanzminister Hannes Androsch, herübergeholt und hat nach<br />

unserem <strong>Interview</strong> die assoziierte Mitgliedschaft befürwortet. So kam es zustande,<br />

aber es stand auf <strong>des</strong> Messers Schneide, dass wir diesen Schritt nicht tun. Deswegen<br />

gilt immer noch mein Dank an Franz Vranitzky, dass er als erster Finanzmann<br />

gesehen hat, dass es für Österreich etwas bringt und das hat es dann natürlich auch.<br />

Mit der assoziierten Mitgliedschaft waren wir dann am Wissenschaftsprogramm<br />

beteiligt und an anderen Programmen mehr oder weniger optional dabei. Man hat<br />

dann gesehen, dass es den Firmen nicht nur den materiellen Rückfluss gebracht hat,<br />

sondern auch das Kennenlernen von anderen Firmen. Die Zusammenarbeit hat dann<br />

auch nachher Aufträge gebracht, die <strong>mit</strong> dem Weltraum überhaupt nichts zu tun<br />

gehabt haben, sondern die Leute haben zusammen gearbeitet an anderen Projekten,<br />

die außerhalb der ESA waren. Der wichtigste Spin-Off für die österreichischen<br />

Firmen überhaupt war dieses Kennenlernen und Zusammenarbeiten im<br />

internationalen Rahmen. So kamen dann auch die Dynamik und der Druck der<br />

12


österreichischen Firmen für die Voll<strong>mit</strong>gliedschaft zustande.<br />

01:01:26 PH: Hat das ESA-Rückflussprinzip <strong>mit</strong>geholfen, dies zu motivieren oder<br />

war es nebensächlich?<br />

01:01:36 JO: Ohne Rückflussprinzip wären wir überhaupt nie hineingekommen!<br />

Ohne Rückfluss würden die großen Industriefirmen alles machen und würden<br />

überhaupt nie die kleinen Länder zum Zug kommen lassen. Die Klein- und<br />

Mittelbetriebe, die es in Österreich gibt, hätten keine Chance ohne den Zwang <strong>des</strong><br />

geografischen Rückflusses. Deswegen glaube ich, dass dieses Rückflussprinzip<br />

gerade auch jetzt für neue Mitgliedsländer der ESA besonders wichtig ist und hoffe,<br />

dass es erhalten bleibt.<br />

01:02:15 PH: Österreich wurde 1987 dann Voll<strong>mit</strong>glied. Gleichzeitig <strong>mit</strong> Österreich<br />

ist auch Norwegen Voll<strong>mit</strong>glied geworden. Gab es neben der zeitlichen Koinzidenz<br />

auch noch andere Parallelen <strong>mit</strong> Norwegen?<br />

01:02:35 JO: Oh ja, ... vielleicht sollte man dies nicht so offiziell verbreiten, aber es<br />

war wirklich so, dass wir uns <strong>mit</strong> Norwegen sehr gut abgestimmt haben. Die ganzen<br />

Verhandlungen für die Voll<strong>mit</strong>gliedschaft waren immer zwischendurch bilateral<br />

abgesprochen. Zwischen Norwegen und Österreich hatten wir eine sehr gute<br />

Zusammenarbeit, um verschiedene Bedingungen auszuarbeiten. Es war immer vorher<br />

abgestimmt, was die ESA vielleicht nicht wusste. Aber es hat uns sehr geholfen, wir<br />

haben uns gegenseitig geholfen. Norwegen und Österreich haben sehr gut zusammen<br />

gearbeitet.<br />

01:03:17 PH: Hat sich dann auch in einer späteren Phase diese gute Zusammenarbeit<br />

weiterentwickelt und sind daraus weitere Dinge entstanden?<br />

01:03:27 JO: Ich glaube im Rahmen der ESRO/ESA nicht, aber für die<br />

wissenschaftliche Zusammenarbeit hat es schon vorher eine lange Geschichte<br />

gegeben zwischen Professor Riedler und den norwegischen Weltrauminstituten. Eine<br />

schwedisch/norwegisch/österreichische Zusammenarbeit hat es natürlich immer<br />

gegeben, aber ich glaube nicht, dass es dann irgendwelche ESA-Aufträge gab, die für<br />

beide gleichzeitig interessant waren.<br />

01:04:01 PH: Österreichs Rolle im Weltraum wird unter deiner Leitung der ASA<br />

internationaler und von 1986 bis 1988 warst du Präsident der Internationalen<br />

Astronautischen Föderation, der „International Astronautical Federation“. Inwieweit<br />

haben sich aus deiner Präsidentschaft und deinen Kontakten im weltweiten<br />

Zusammenschluss neue Weltraumprojekte und bilaterale Beziehungen für die<br />

Raumfahrt in Österreich ergeben und welche sonstigen Erinnerungen hast du an diese<br />

besonderen Jahre?<br />

01:04:43 JO: Es war natürlich sehr aufregend. Die Internationale Astronautische<br />

Föderation ist ja mehr oder weniger der Dachverband aller Weltraumagenturen, der<br />

gesamten Weltraumindustrie und aller Institutionen, die <strong>mit</strong> dem Weltraum zu tun<br />

haben. Zu meiner Zeit waren es 94 Mitgliedsinstitutionen, heute gibt es bereits 200<br />

Institutionen, die <strong>mit</strong>machen, weil die Entwicklungsländer und insbesondere die<br />

Schwellenländer in der Zwischenzeit auf dem Gebiet sehr aufgeholt haben. Es war<br />

13


dann der Internationale Astronautische Kongress in Innsbruck im Jahr 1986, wo ich<br />

zum Präsidenten der IAF gewählt wurde. Es war mir eine ganz große Ehre und ich<br />

habe insgesamt drei Jahre diese Aufgabe übernommen. Kongresse waren dann in<br />

Brighton in England (1987) und besonders aufsehenerregend und ein sehr guter<br />

Kongress war in Indien, in Bangalore (1988). Dort wurde sehr viel weitergebracht,<br />

um den Weltraum im Rahmen der Entwicklungshilfe für Entwicklungsprojekte<br />

einzusetzen, also um der Menschheit <strong>mit</strong> Hilfe der Weltraumtechnologie<br />

weiterzuhelfen.<br />

Durch diese Aufgaben habe ich natürlich weltweit ein großes Netzwerk aufbauen<br />

können. Wir haben dann auch für die Austrian Space Agency, die ASA, bilaterale<br />

Abkommen abgeschlossen, unter anderem <strong>mit</strong> der NASA und Weltraumbehörden<br />

anderer Länder, und so haben wir neben den ESA-Aktivitäten auch bilaterale<br />

Aktivitäten vorangetrieben. Ob es direkt <strong>mit</strong> meiner Position zusammenhängt? Es hat<br />

sich so ergeben. Die IAF war für mich schon ein Meilenstein, auch so quasi als<br />

Krönung. Ich wurde im Oktober 1986 zum Präsidenten gewählt, und am 1. Jänner<br />

1987 wurde Österreich Voll<strong>mit</strong>glied bei der ESA. Es war also so genau das Timing<br />

und hat wahnsinnig gut gepasst für diesen großen Schritt. Hier kann man vielleicht<br />

erwähnen, dass für die Vorbereitung zur Voll<strong>mit</strong>gliedschaft noch Herta Firnberg<br />

zuständig war. Unterschrieben hat es dann aber Heinz Fischer, der heute<br />

Bun<strong>des</strong>präsident ist. Fischer war Forschungsminister, hat das sehr stark betrieben, und<br />

die Krönung war dann seine Unterschrift am 12. Dezember 1985 für die<br />

Voll<strong>mit</strong>gliedschaft bei der ESA. Für mich eine schöne Sache, weil das eigentlich die<br />

härteste Zeit in Österreich war, diese dreizehn Jahre bis zur Voll<strong>mit</strong>gliedschaft<br />

durchzuziehen. In kleinen Schritten, also für mich das Beste daraus zu machen. Für<br />

den Rückfluss muss man kämpfen, aber der Rückflusskoeffizient war teilweise 1,1,<br />

also zehn Prozent über dem, was man hätte anstreben sollen. Es war also eine schöne<br />

Zeit und ich habe <strong>des</strong>wegen die Aufgaben als Präsident der IAF wirklich sehr gerne<br />

gemacht. Es war nicht so, dass mich die IAF belastet hätte und ich die Aktivitäten in<br />

Österreich vernachlässigt habe, sondern ganz im Gegenteil, es war eine Synergie.<br />

01:09:01 PH: Hier sieht man, wie die internationale Zusammenarbeit dich beflügelt<br />

hat, und das war sicher eine Zeit eines großen Höhepunktes in deinem beruflichen<br />

Leben. Österreich war ja schon viele Jahre vor seiner Mitgliedschaft bei der ESA in<br />

bilateralen Kontakten aktiv, speziell über die österreichische Akademie der<br />

Wissenschaften in Graz zur russischen Raumfahrt. Aus diesen Kontakten entsprang<br />

dann auch schließlich das Projekt AUSTROMIR <strong>mit</strong> dem Flug eines österreichischen<br />

Kosmonauten zur Raumstation MIR im Oktober 1991. Welche Rolle spielte in diesem<br />

Zusammenhang die österreichische Gesellschaft für Weltraumfragen (ASA) und wie<br />

siehst du diese Zeit in der Rückblende?<br />

01:10:15 JO: Die ASA war ganz am Anfang involviert, indem wir die<br />

Ausschreibungen gemacht haben für die Kosmonauten, oder wie wir sie später<br />

genannt haben die „Austronauten“, und auch die Ausschreibungen für die<br />

Experimente für die Station. Das Projekt war natürlich der Höhepunkt der bilateralen<br />

Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Russland, aber es kam politisch zustande. Es war ein Besuch <strong>des</strong><br />

russischen Premierministers Nicolai Ryshkov in Wien und er hat Vranitzky<br />

angeboten, einen österreichischen Astronauten im Rahmen <strong>des</strong> russischen Programms<br />

<strong>mit</strong>fliegen zu lassen. Da<strong>mit</strong> keine Gelder aus der Raumfahrt abgezweigt werden, gab<br />

es ein eigenes Budget, ein wirklich unabhängiges Budget für dieses Projekt. Das war<br />

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wichtig, denn sonst hätte man gesagt, dass man aus politischen Gründen Geld für die<br />

Weltraumforschung abzweigen würde, für ein Prestigeprojekt. Es war also eine<br />

politische Entscheidung, und das Projekt war nicht von unten her aufgebaut sondern<br />

es war „Top-down“. Der Auftrag kam vom Bun<strong>des</strong>kanzler und es musste innerhalb<br />

von zwei Jahren durchgezogen werden.<br />

Wir haben dann die Ausschreibung gemacht, es gab 200 Bewerbungen, davon waren<br />

zehn Prozent weiblich und neunzig Prozent männlich. Das entspricht auch ungefähr<br />

dem, was bei einem Technikstudium an weiblichen Bewerbungen vorliegt. Wir hätten<br />

uns mehr erwartet, vor allem weil auch Medizin möglich war. Man hat jemanden<br />

gesucht, der wissenschaftlich vorbelastet ist, aber Mediziner waren absolut dabei.<br />

Aber es waren letzten En<strong>des</strong> 20 weibliche und 180 männliche Bewerbungen, und<br />

Experimentvorschläge gab es eine ganze Reihe. Es wurden dann schließlich, so<br />

erinnere ich mich, insgesamt 14 ausgewählt, alle auf dem Gebiet der Schwerelosigkeit<br />

und der Weltraummedizin. Darüber kann Willi Riedler aber mehr erzählen. Das war<br />

eigentlich unsere Aktivität am Anfang, um das ganze Projekt in Schwung zu bringen.<br />

Die weitere Auswahl geschah dann über Joanneum Research und die Projektmanager<br />

kamen von dort, Bruno Josseck und Christian Feichtinger Letzterer ist heute<br />

Generalsekretär der IAF. Von den 200 Kandidaten wurden 30 ausgewählt, und diese<br />

30 wurden dann immer mehr gesiebt, bis am Schluss sieben übrigblieben. Von den<br />

sieben wurden dann <strong>mit</strong> Hilfe der Russen zwei ausgewählt, Franz Viehböck und<br />

Clemens Lothaller, ein Neffe von Wolfgang Lothaller, der für mich gearbeitet hat.<br />

01:14:06 PH: Jetzt war dies ja ein bilaterales Projekt zwischen Österreich und<br />

Russland. Zu dieser Zeit war Österreich schon Mitglied bei der ESA und Österreich<br />

hat auch schon bei einigen ESA Projekten <strong>mit</strong>gemacht. Wie hat die ESA dieses<br />

Projekt gesehen, gab es da Fragen, Querverbindungen, Eifersüchtigkeiten, was auch<br />

immer, kannst du da etwas darüber berichten?<br />

01:14:37 JO: Also, die ESA hat das nicht goutiert. Ich wurde sogar von Prof. Reimar<br />

Lüst, der damals Generaldirektor der ESA war, zu einem Mittagessen eingeladen, bei<br />

dem er mich zu Rede gestellt hat und zwar <strong>des</strong>halb, weil Österreich sich nicht an der<br />

bemannten Raumfahrt der ESA beteiligt hat. Österreich hatte sich aus politischen<br />

Gründen und weil die finanziellen Ressourcen beschränkt waren, entschieden, nur an<br />

Programmen der ESA teilzunehmen – neben dem Wissenschaftsprogramm, das war<br />

Pflichtprogramm – die primären Nutzen <strong>mit</strong> sich bringen, also sprich<br />

Kommunikationssatelliten, Erdbeobachtungssatelliten und Navigationssatelliten, aber<br />

nicht an der bemannten Raumfahrt, die sehr teuer war. Österreich <strong>mit</strong> seinen<br />

beschränkten Mitteln wollte sich auf die unbemannte Raumfahrt konzentrieren und so<br />

waren wir weder am bemannten Raumfahrtprogramm beteiligt noch am<br />

Mikrogravitationsprogramm und <strong>des</strong>wegen war die Reaktion der ESA, <strong>des</strong><br />

Generaldirektors zumin<strong>des</strong>t, sehr negativ. Jetzt war es so, dass wir uns zwar bilateral<br />

an einem bemannten Raumfahrtprojekt beteiligten, aber bei der ESA in diesem<br />

Bereich überhaupt nicht <strong>mit</strong>arbeiteten. Ich musste ihm halt erklären, dass dies eine<br />

politische Entscheidung war, und das war es. Es war die Entscheidung auf höchster<br />

Ebene bei einem Staatsbesuch.<br />

01:16:17 PH: Wir sind jetzt wieder zur ESA zurückgekehrt und da war es ja so, dass<br />

du eines der am längsten dienenden Mitglieder <strong>des</strong> ESA Rates warst. Von wann bis<br />

wann genau warst du Mitglied im Rat?<br />

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01:16:37 JO: An den Ratssitzungen der ESRO und später ESA habe ich<br />

teilgenommen, seitdem diese existieren. Zunächst auf der „Innenseite vom Zaun“ und<br />

dann in der österreichischen Delegation. Ich war aber nie richtig Delegierter, sondern<br />

ich war eigentlich Berater der Delegation. Denn Delegierte zu dieser Zeit mussten<br />

Staatsbeamte sein, also entweder Botschafter oder Beamte aus dem<br />

Außenministerium oder Wissenschaftsministerium. Ich war also Berater der<br />

Delegation, aber solange ich aktiv war, bis zum Jahr 1998, habe ich, glaube ich, keine<br />

Ratssitzung ausgelassen. Bevor ich nach Österreich kam, vor 1974, war ich als<br />

stellvertretender Direktor für Programmplanung der ESRO auch bei jeder Ratssitzung<br />

dabei.<br />

01:17:38 PH: Wenn du all diese Ratssitzungen erlebt hast, welche Rolle hat hier<br />

Österreich gespielt. Wie hat es sich entwickelt, gab es besondere Ereignisse, die man<br />

hervorheben könnte und wie hat umgekehrt die ESA die Rolle Österreichs gesehen?<br />

Du hast es schon erwähnt, bei COPOUS war es eine ganz besondere Rolle, dies kann<br />

man wahrscheinlich gar nicht vergleichen. Wie hat es bei der ESA ausgesehen?<br />

01:18:19 JO: Man kann sagen, Österreich war immer sehr konstruktiv. Österreich war<br />

ein kleines Mitgliedsland Wir kamen ja gleichzeitig <strong>mit</strong> Norwegen dazu. Die Rolle<br />

war auch bei der Vorbereitung von Ministerkonferenzen wichtig, weil es ca. je<strong>des</strong><br />

zweite Jahr eine Ratssitzung auf Ministerebene gab. Österreich hat immer konstruktiv<br />

<strong>mit</strong>gearbeitet, indem es sich immer bemüht hat, mehr oder weniger einen Konsens zu<br />

erreichen und auch immer andere Delegationen im positiven Sinne beeinflusst hat, im<br />

Sinne der ESA, im Sinne der Vorschläge der ESA. Also war die Rolle natürlich nicht<br />

so wie bei den Vereinten Nationen, nicht eine Dominanz, sondern immer eingeordnet.<br />

Man kann sagen, Österreichs Rolle war immer positiv, immer konstruktiv.<br />

01:19:43 PH: Ich möchte jetzt von der ESA und ASA ein bisschen weggehen zu<br />

einem ganz anderen Thema. Eine deiner ganz herausragenden Eigenschaften ist die<br />

der Ver<strong>mit</strong>tlung zwischen Menschen, aber auch speziell die Förderung der jungen<br />

Generation. Du bist ja der Gründer der astrophysikalischen Sommerschule in<br />

Alpbach, welche seit 1975 existiert und zu einer einzigartigen Erfolgsgeschichte<br />

geworden ist. Wie kam es zu dieser Idee der Sommerschule in Alpbach und als zweite<br />

Frage daran anschließend, was waren deine schönsten und wertvollsten Erlebnisse in<br />

diesen über dreißig Jahren Sommerschule Alpbach?<br />

01:20:54 JO: Die Idee der Sommerschule kam mir schon zurzeit von COPERS. Es<br />

kam damals schon die Idee auf, Sommerschulen zu organisieren und ich hatte<br />

Alpbach im Kopf aufgrund <strong>des</strong> Europäischen Forums Alpbach. Ich war schon<br />

ein/zweimal vorher in Alpbach und habe gesehen, wie schön sich dieser Ort dafür<br />

eignet. Und so war die erste europäische Sommerschule, die wir organisiert haben,<br />

bereits im Jahre 1963 in Alpbach und das war eine ESRO-Sommerschule. Die erste<br />

war natürlich auf meinem Gebiet, Ionosphärenphysik, Nordlicht, Magnetosphäre,<br />

alles was sich so zwischen Sonne und Erde abspielt. Die zweite Sommerschule war<br />

der Astronomie und Astrophysik gewidmet. Sie war im Jahr 1965. Diese zwei<br />

Schulen hatten wir im Rahmen der COPERS/ESRO gemacht. Aber weil sich<br />

Österreich nicht an der ESRO beteiligte (die ESRO kam ja im Jahre 1964 zustande<br />

und die Sommerschule 1965 wurde noch akzeptiert) hat es dann geheißen: Wenn<br />

Österreich nicht Mitglied bei der ESRO wird, dann gibt es keine Sommerschulen<br />

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mehr in Alpbach. Die Sommerschulen wurden dann, soweit ich mich erinnern kann,<br />

in Spanien, in der Schweiz, in England, in Frankreich sowie auch in Deutschland<br />

abgehalten. Es war so eine Art „Wanderzirkus“ in Europa jeden Sommer, aber so gut<br />

wie in Alpbach hat es sich nirgends arrangiert. Deswegen war es meine erste Idee, wie<br />

ich 1974 nach Österreich zurückgekommen bin, die Sommerschule wieder ins Leben<br />

zu rufen. Inzwischen waren die ESRO-Sommerschulen eingeschlafen, also die ideale<br />

Idee sie wieder zu kreieren. Die erste Sommerschule war dann 1975 und seither<br />

eigentlich fast je<strong>des</strong> Jahr ohne Unterbrechung. Heuer, wir sind jetzt im Jahr 2011, ist<br />

es bereits die 35. österreichische Sommerschule, die von der österreichischen<br />

Weltraumagentur organisiert wurde. Die ASA (jetzt ALR(Agentur für Luft- und<br />

Raumfahrt) der FFG) stellt die Infrastruktur zur Verfügung, zahlt für die<br />

österreichischen Studenten und öffnet die Schule für ganz Europa.<br />

Die ESA hat von Anfang an <strong>mit</strong>gemacht, auch die französische Weltraumbehörde<br />

CNES, die Schweizer haben sich von Anfang an beteiligt. Nach und nach haben sich<br />

auch alle anderen europäischen Staaten daran beteiligt, also alle Mitgliedsstaaten der<br />

ESA und zur Zeit sind es bereits 20 Länder, die ihre Studenten und Professoren nach<br />

Alpbach schicken. Dabei gilt die Regel: „No exchange of funds“, also je<strong>des</strong> Land<br />

zahlt für seine Studenten und Professoren und da<strong>mit</strong> wird die Schule relativ<br />

preisgünstig. Der Beitrag für 10 Tage kostet derzeit 400.- Euro und das beinhaltet die<br />

gemeinsamen Aben<strong>des</strong>sen und die Kaffeepausen, Material, alles inklusive. Das ist<br />

relativ günstig, vor allem wenn man es <strong>mit</strong> der internationalen Weltraumuniversität<br />

vergleicht. Es ist also absolut machbar und <strong>des</strong>wegen ist es ein richtiges<br />

Erfolgsrezept. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind jeden Abend alle zusammen<br />

<strong>mit</strong> den Professoren, Tutoren. Es wird wie eine Familie. Am Schluss ist es so, dass die<br />

Leute am Liebsten zusammenbleiben würden und sich schwer trennen und das ist das<br />

Erfolgsrezept von Alpbach. 60 Studenten, ca. 15 Tutoren, 20 Vortragende, alles<br />

zusammen ca. 100 Leute, die dann auch immer wie eine Familie zusammen kommen.<br />

01:25:35 PH: Du hast diese Schule nicht nur gegründet, du hast diese Schule über 30<br />

Jahre lang geleitet und da gab es sicher viele Erlebnisse, die in Alpbach passiert sind;<br />

über die Professoren, die Studenten. Fällt dir da eine Geschichte ein, eine spannende,<br />

eine lustige?<br />

01:26:01 JO: Es gibt viele Geschichten, viele Anekdoten. Eine der lustigsten ist<br />

vielleicht die von meinem Doktorvater Hannes Alfvén, der schon als Nobelpreisträger<br />

bei uns war und der eine Mittagswanderung machen wollte zum Gratlspitz hinauf.<br />

Was ist ihm passiert? Er ist beim Abstieg in ein anderes Tal gewandert und nicht nach<br />

Alpbach zurückgekommen. Wir mussten ihn dann in der Wildschönau <strong>mit</strong> dem Taxi<br />

abholen und seither haben wir immer gewarnt, alleine eine Wanderung zu machen,<br />

vor allem die Professoren haben wir gewarnt. Ein anderer, besonderer Höhepunkt,<br />

waren immer die Vorträge von Hermann Bondi. Hermann Bondi war ja ein Exil-<br />

Österreicher, Generaldirektor der ESRO von 1967-71 und er hat Alpbach wirklich<br />

lieb gewonnen. Er kam min<strong>des</strong>tens zehn Mal in seinem Leben nach Alpbach <strong>mit</strong><br />

seiner Frau Christine. Hermann Bondi hat die Studenten so begeistert, dass sie wie<br />

eine Traube nach dem Aben<strong>des</strong>sen um ihn herum standen und <strong>mit</strong> ihm geredet haben.<br />

Hermann Bondi würde ich sagen, war ein Highlight dieser Alpbach Sommerschulen.<br />

Es gab dann je<strong>des</strong> Jahr ein anderes Thema, je<strong>des</strong> Jahr waren es andere Studenten und<br />

wenn man zurückblickt, sind sehr, sehr viele Alpbach-Absolventen berühmte Leute<br />

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geworden, nicht nur im Weltraum, sondern auch in der Industrie und in verschiedenen<br />

anderen Institutionen. Also ich glaube es wäre schön, wenn sich jemand einmal die<br />

Arbeit machen würde, herauszuarbeiten was aus den Leuten alles geworden ist, die in<br />

Alpbach waren. Es ist jedenfalls eine Erfolgsgeschichte. Und für mich das schönste<br />

Erlebnis war, wie der Bürgermeister beim 25-jährigen Jubiläum mir einen Baum<br />

spendiert hat, der gepflanzt wurde <strong>mit</strong> allen Studenten gemeinsam auf dem<br />

sogenannten „Denker Weg“ zwischen Böglerhof und Kongresszentrum. Dieser Baum,<br />

es ist eine Hainbuche, steht noch heute. Ja, das ist eine wunderschöne Sache, dass<br />

man auch einen Baum besitzt, der mich wahrscheinlich, hoffentlich auch noch<br />

überleben wird.<br />

01:28:39 PH: Also bist du jetzt schon das ganze Jahr über in Alpbach zu Hause -<br />

Alpbach als eine ganz besondere – nicht nur die Sommerschule - Institution über viele<br />

Jahrzehnte.<br />

01:29:22 JO: Eine wirklich interessante Sache, die mir auch sehr viel Spaß gemacht<br />

hat, war Geld aufzutreiben für junge Mittelschüler - österreichische Mittelschüler -<br />

zur Teilnahme am Space Camp der NASA, das alljährlich in Huntsville, Alabama<br />

stattfindet. Hier dürfen immer ein Bub und ein Mädchen aus Österreich <strong>mit</strong>machen.<br />

Hier hatten wir wirklich Schwierigkeiten, finanzielle Mittel zu finden und da kam mir<br />

die Idee von der Premiere <strong>des</strong> Films "Apollo-13". Das ist etwas, was ich auch nur<br />

einmal in meinem Leben gemacht habe, Fundraising für junge Leute. Wir haben diese<br />

Apollo-13 Premiere verwendet, um Sponsoren zu finden für den Film im<br />

Gartenbaukino, die Premiere, die uns quasi gratis zur Verfügung gestellt wurde - 700<br />

Plätze - und die Idee war dann, <strong>mit</strong> den Eintrittskarten die Finanzierung <strong>des</strong> Space<br />

Camps durchzuführen. Nicht nur das, wir haben auch nachher ein Buffet am<br />

Donauturm organisiert. Das Buffet war natürlich auch gesponsert und wir haben die<br />

Karten so verkauft, dass es ein Paket zwischen Film und dem anschließenden<br />

Aben<strong>des</strong>sen am Donauturm war. Der Donauturm war verkleidet als Rakete, von unten<br />

bis oben, oben gab es ein riesiges Feuerwerk, alles gespendet. Dann haben wir<br />

Astronauten von Apollo-13 von Kalifornien nach Wien <strong>mit</strong> der AUA bringen lassen.<br />

Es sind natürlich nicht alle gekommen, aber es war sogar der Leiter der Zentrale in<br />

Houston, Eugene Kranz da, der auch im Apollo-Film vorkommt und der das ganze<br />

Unternehmen von Houston aus geleitet hat. Dann natürlich Franz Viehböck als unser<br />

Austronaut hat auch <strong>mit</strong>gespielt und die Leute wurden von der AUA gratis in der<br />

Business Class von Amerika nach Österreich geflogen.<br />

Alles das vorzubereiten und alle Sponsoren zu finden war mehr oder weniger eine<br />

Extra Aufgabe, weil der Vorsitzende <strong>des</strong> Aufsichtsrates mir die Weisung gab, ich darf<br />

keinen einzigen Schilling in die Hand nehmen, es muss alles wirklich von außen<br />

kommen – weil viele gefürchtet haben, dass das ganze ein Defizit wird. Es war kein<br />

Defizit, wir haben wirklich Geld eingenommen und dann noch einige Jahre da<strong>mit</strong> das<br />

Space Camp finanzieren können. Es war uns eine Freude so etwas zu organisieren.<br />

Ich glaube ein zweites Mal gelingt es mir nicht mehr, weil dann, wenn du es einmal<br />

machst, bis du verschrien. Aber es war ein Erfolg!<br />

01:32:35 PH: Dass heißt es konnten viele Schülerinnen und Schüler hier <strong>mit</strong>tun, was<br />

sonst in dieser Form nicht möglich gewesen wäre?<br />

01:32:48 JO: Ja, und das Programm gibt es immer noch und wird jetzt vom<br />

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Unterrichtsministerium unterstützt.<br />

01:32:49 PH: Also eine wunderschöne Geschichte zum Thema Kooperationen. Ich<br />

möchte jetzt zum Abschluss noch auf zwei Themen zurückkommen, die ein bisschen<br />

in die Zukunft blicken. Das eine ist die ESA und das andere ist ein wenig allgemeiner.<br />

Du bist ein wirklicher Pionier der ESA. Du warst unter den ersten 30 Mitarbeitern,<br />

hast du erwähnt, du hast von Anbeginn diese Organisation <strong>mit</strong> aufgebaut und<br />

positioniert. Die ESA muss sich als Organisation natürlich weiterentwickeln. Heute<br />

sind andere Themen gefragt und heute steht das Thema der vertieften Kooperation <strong>mit</strong><br />

der Europäischen Union im Mittelpunkt vieler Fragestellungen. Als Beispiele seinen<br />

hier das Galileo-Satelliten-Navigationssystem genannt, aber auch GMES, die beiden<br />

Programme, die von der Europäischen Union gefördert und finanziert werden. Meine<br />

Frage dazu: Was waren rückblickend die Stärken und Schwächen der ESA im<br />

Vergleich zu heute und wie wür<strong>des</strong>t du sie sehen?<br />

01:34:26 JO: Die Situation momentan ist nicht sehr gut, weil das<br />

Wissenschaftsprogramm immer mehr eingeengt wurde durch die sogenannten<br />

Anwendungssatelliten, das Ariane Projekt und die bemannte Raumfahrt. Zuletzt war<br />

das Wissenschaftsprogramm nur mehr zehn Prozent im Budget vom<br />

Gesamtprogramm der ESA. Wenn ich zurückdenke an die Zeiten der ESRO, da hatten<br />

wir Wissenschaft zu 100 Prozent und jetzt sind es nur mehr zehn Prozent. Ich glaube,<br />

es wird in aller Zukunft so ein… Also das Budget der ESA ist ca. drei Milliarden<br />

Euro, verglichen <strong>mit</strong> den USA ist es natürlich noch immer sehr gering. Die NASA hat<br />

irgendwo so bei 19 Milliarden Dollar und dazu noch das militärische Programm, es ist<br />

also kein Vergleich. Aber das Wissenschaftsprogramm wird immer enger.<br />

Das Zweite ist, die ESA ist sehr beeinflusst durch die EU und es wird sogar diskutiert,<br />

dass die ESA einmal integriert werden könnte in die EU, dass die Politik, die<br />

Weltraumpolitik und die Beschlüsse, was im Weltraum gemacht wird, in Europa bei<br />

der EU erfolgt und die ESA nur mehr eine ausführende Organisation sein wird, um<br />

die Projekte im Weltraum durchzuführen. Also das hoffe ich doch nicht, vor allem,<br />

weil dann der geografische Rückfluss nicht mehr existieren würde. Denn bei der EU<br />

gibt es diesen nicht und die ESA könnte dann nicht mehr eigenständig arbeiten. Das<br />

ist momentan das Problem.<br />

Dazu kommt, dass das Geld in Europa viel zu gering ist, um bei den großen<br />

Explorationsprogrammen <strong>mit</strong>zumachen, also wenn man über zukünftige Besuche am<br />

Mond diskutiert oder geschweige denn über bemannte Marsmissionen. Meiner<br />

Ansicht nach gibt es da keine Chance in Europa. Wenn das irgendwann gelingt, dann<br />

vielleicht in China, auch in Amerika gibt es dafür momentan kein Geld, vielleicht<br />

eben in China oder Indien aber nicht in Europa, das ist zurzeit nicht möglich.<br />

Ich glaube, dass zurzeit die Tendenz besteht, unbemannte Weltraumaktivitäten, die<br />

dem Wohlstand der Menschheit dienen, zu forcieren. Kommunikationssatelliten,<br />

meteorologische Satelliten, Erdbeobachtungssatelliten, Navigationssatelliten, das sind<br />

die Themen, die in Zukunft finanziert werden und die sich auch zum Teil selbst<br />

finanzieren, weil wieder Geld durch Benutzer hereinkommt. Alles, was Wissenschaft<br />

ist, <strong>mit</strong> unbemannten wissenschaftlichen Satelliten, das wird es im bescheidenen<br />

Maße weitergeben, aber die wirklich großen „Traumprojekte“, die sogenannte<br />

Exploration <strong>des</strong> Weltalls, die sehe ich nicht kommen und sehe ich <strong>des</strong>halb nicht<br />

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kommen, weil einfach das Geld dafür nicht da ist. Das Groteske dabei ist, dass<br />

solange es den Kalten Krieg gegeben hat und den Wettstreit zwischen Amerika und<br />

Russland, hat es unbegrenzte Geldmengen gegeben für den Weltraum, und jetzt gibt<br />

es diese unbegrenzten Geldmengen nur mehr für Kriegsführung. Aber nicht mehr für<br />

gemeinsame Weltraumprojekte. Das sieht man auch jetzt schon an der<br />

Weltraumstation. Das war ja das erste weltweite gemeinsame Projekt, aber die Gelder<br />

fließen sehr schlecht und es ist soweit, dass die Amerikaner sogar von den Russen<br />

abhängig sind. Denn wenn die Russen die amerikanischen Astronauten nicht mehr<br />

hinauf befördern oder nicht mehr zurückholen, dann ist es vorbei und die Russen<br />

lassen sich soweit man hört, 50 Millionen Dollar zahlen für jeden amerikanischen<br />

Astronauten, den sie hinaufschicken zur Internationalen Weltraumstation. Also das ist<br />

leider die Zukunft.<br />

01:39:23 PH: Also eine durchaus gemischte und schwierige Perspektive zum Thema<br />

„Zukunft Weltraum“. Ganz abschließend möchte ich dir noch zwei Fragen stellen<br />

zum Thema „Du und der Weltraum“. Der Blick ins All und zurück zur Erde ist für<br />

uns Menschen eine der größten Bereicherungen, aber auch eine der größten<br />

Herausforderungen zugleich. Du bist jemand, der die Musik liebt, die Kunst und<br />

Kultur im Besonderen. Neben deinem Aufgabengebiet zum Thema Weltraum, den du<br />

dein ganzes Leben lang über viele Jahre in Österreich bewegt und in Europa begleitet<br />

hast, wo und wie siehst du für dich persönlich den Zusammenhang zwischen Kunst,<br />

Kultur und Wissenschaft, natürlich in Bezug auf die Weltraumfahrt. Wo gibt es für<br />

dich da Verbindungen?<br />

01:40:29 JO: Es gibt natürlich Astronauten, die auch Künstler waren und Alexei<br />

Leonov, der erste Mann der frei im Weltraum geflogen ist, der ist auch ein<br />

Weltraumkünstler und er malt Bilder über den Weltraum. Es gibt auch andere, die das<br />

machen. Die Verbindung Kunst und Weltraum ist absolut schon da.<br />

Vielleicht sollte ich noch sagen, was ich für die Zukunft sehe, was vielleicht zu<br />

meinen Lebzeiten noch kommen wird, und zwar, dass man andere Planeten im<br />

Weltraum entdeckt, die der Erde ähnlich sind und erdähnliche Lebensbedingungen<br />

<strong>mit</strong>bringen. Das ist momentan das wichtigste Gebiet, das auch durch unbemannte<br />

Satelliten erforscht wird, z.B. den KEPLER Satelliten. Das ist, glaube ich, das<br />

Aufregendste im Moment, Planeten zu finden, wo Leben möglich ist. Die Sonne ist ja<br />

nur einer von Milliarden Sternen, aber es gibt ja viele, viele Sterne, um die auch<br />

Planeten herumkreisen. Um Leben zu haben, braucht es eine ähnliche Atmosphäre<br />

wie auf unserer Erde und Wasser. Das ist also meiner Ansicht nach das nächste Ziel,<br />

das man erreichen sollte und auf das man sich in den Weltraumwissenschaften<br />

konzentrieren sollte, hier beizutragen. Auch wenn es vielleicht unmöglich sein wird,<br />

<strong>mit</strong> anderen Planeten oder Lebewesen auf diesen anderen Planeten Kontakt<br />

aufzunehmen oder sie zu besuchen.<br />

01:43:07 PH: Wir können Neues erfahren, dadurch vielleicht auch Neues über uns<br />

selbst lernen. Können wir da<strong>mit</strong>, <strong>mit</strong> unseren Aktivitäten im Weltraum, heute noch<br />

oder auch wieder, einen Beitrag zu einer friedlicheren Gesellschaft schaffen? Glaubst<br />

du, dass das möglich ist?<br />

01:43:31 JO: Die Internationale Weltraumstation ist ja mehr oder weniger ein<br />

Friedensprojekt. Das ist an und für sich sensationell, das Traurige daran ist nur, dass<br />

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eben dafür relativ wenig Geld zur Verfügung gestellt wird. Wenn man die Ausgaben<br />

vergleicht, die z.B. die USA für ihre Kriege in Afghanistan und im Irak benötigen,<br />

dann ist es unglaublich im Verhältnis und man sieht wie viel Geld für Kriege<br />

verwendet wird und wie klein dagegen der Prozentsatz ist, der für Weltraumprojekte<br />

und vor allem für friedliche Weltraumprojekte ausgegeben wird. Also da bin ich ein<br />

bisschen pessimistisch, leider.<br />

01:44:27 PH: Gibt es noch ein optimistisches Statement von dir ganz zum Abschluss?<br />

01:44:33 JO: Das optimistische Statement ist eben, die Jugend wieder zu begeistern.<br />

Das ist das Allerwichtigste und dazu braucht es Projekte. Es muss nicht gleich ein<br />

bemannter Flug zum Mars sein, aber es muss doch irgendwelche Projekte geben wie<br />

z.B. das Finden von anderen Planeten, Exoplaneten, welche die Jugend <strong>mit</strong>reißen, und<br />

dass die jungen Leute dann gerne in dieses Gebiet einsteigen. Dafür arbeiten wir ja in<br />

Alpbach und dafür gibt es auch die Internationale Weltraumuniversität. Es ist<br />

natürlich nicht leicht, weil eben das Geld so knapp ist. Aber das Wichtigste ist, die<br />

Jugend zu begeistern.<br />

01:45:33 PH: Lieber <strong>Johannes</strong>, ich danke dir vielmals für das <strong>Interview</strong>, danke!<br />

01:45:41 JO: Gerne!<br />

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