theaterWal AusgAbe sepTember 2009 ☎ 512 42 00 peter menasse politiker werden für ihre Leistungen viel zu wenig bedankt. Stets zum Wohle der Menschen tätig, müssen sie öfter Schimpf über sich ergehen lassen, als sie Schande anzurichten imstande sind. Nur einige wenige kommen in den Genuss einer echten Zuwendung, indem zum Beispiel eine Straße, ein Platz oder ein Boulevard nach ihnen benannt wird. Unsere Recherchen zeigen ein sehr uneinheitliches Bild, was diese Art der Ehrung betrifft. Oft werden wenig bedeutende Politiker auf bedeutenden Plätzen verewigt, dann wieder echte Heroen <strong>mit</strong> kleinen Stiegen in Außenbezirken belohnt oder es gehen wichtige Schicksalslenker überhaupt ganz leer aus. Der berühmte Wiener Hassprediger <strong>und</strong> Antise<strong>mit</strong> des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts, der „Kommissar zur Ordnung der Israelitischen Angelegenheiten“ Johann Arnezhofer muss sich trotz seiner Wortgewalt, die von Anderen folgsam in körperliche Gewalt gegen Juden umgemünzt wurde, <strong>mit</strong> einer kleinen Gasse zufrieden geben. Zumindest darf er sich aber darauf verlassen, dass die Wiener Politik sein Gässlein <strong>mit</strong> Zähnen <strong>und</strong> Klauen gegen alle Wünsche auf Umbenennung verteidigt. Besser getroffen hat es ein anderer Antise<strong>mit</strong>, der Bürgermeister Karl Lueger. Er wurde für sein Wirken <strong>mit</strong> einem großen Innenstadtplatz <strong>und</strong> einem Abschnitt der Ringstraße belohnt. So steht er jetzt in einer Reihe <strong>mit</strong> Schubert, der Oper <strong>und</strong> den Schotten. Lebende Politiker werden in diesen demokratischen Zeiten kaum <strong>mit</strong> einer Straße gewürdigt. Erstaunlicherweise hält sich sogar der Freistaat Kärnten an diese Usance. Die Lippitzbachbrücke wurde erst nach dem Tod 34 theaterWal des Landeshauptmanns in Jörg Haider-Brücke umbenannt. Vermutlich werden weitere Verkehrswege folgen. Manche Politiker wiederum sind bereits bei Amtsantritt in Besitz einer Straßenbezeichnung. Die ÖVP hat derzeit in Wien eindeutig die Nase voran. Der inzwischen abgetretene Spezialist für das Rabattwesen im Schuhhandel ist nahe dem Rathaus <strong>mit</strong> der Bartensteingasse verewigt. Der <strong>mit</strong> wenigen Aufgaben belastete Wissenschaftsminister der Republik, der auch ÖVP-Chef <strong>mit</strong> einer ebenso geringen Anzahl an Parteigängern <strong>und</strong> Wählern ist, kann zwei Straßen für sich reklamieren. Die Johannesgasse in der Wiener Innenstadt <strong>und</strong> die Hahngasse im neunten Bezirk fügen sich harmonisch zum kleinen Schwarzen. Seine Schattenministerin von der SPÖ muss sich hingegen trotz Bildung, Kunst <strong>und</strong> Kultur <strong>mit</strong> der Schmiedgasse in Wiener Neustadt begnügen. Proletarisch korrekt, aber doch ein wenig entfernt vom Wiener Machtzentrum. Immerhin kann sie sich da<strong>mit</strong> trösten, dass es keine Neugebauergasse in Österreich gibt. Die Erste Nationalratspräsidentin verfügt hingegen über eine Straße am Alsergr<strong>und</strong>, die Pram(m)ergasse. Für den Dritten Präsidenten gibt es bei uns absolut keinen Platz. Eine bereits ältere Konstruktion in Wien ist nach dem amtierenden B<strong>und</strong>espräsidenten benannt. Die Fischerstiege ist gut gebaut, hat erfolgreich den Stürmen der Zeit getrotzt <strong>und</strong> hält sicherlich noch eine weitere Amtsperiode. Das führt uns zu den Prölls. Unweit der Erzbischofgasse im 13. Bezirk von Wien liegt sie, kolumne spielraum Von straßen, brücken <strong>und</strong> boulevards Oder: wo bitte liegt die menassegasse? die Pröllgasse. Ohne jetzt allzu verschwörungstheoretisch zu denken, muss doch erwähnt werden, dass aus diesem Wiener Gemeindebezirk der ehemalige B<strong>und</strong>eskanzler Wolfgang Schüssel stammt, dem im Übrigen keine Ortsbezeichnung gewidmet ist. Welchem Pröll nun die kleine Gasse in Hietzing gehört, ist noch nicht geklärt. Hier haben wir einen spannenden Wettlauf um die Ämter B<strong>und</strong>espräsident <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eskanzler zu erwarten. Wer zuerst ankommt, dem gehört die Straße. In unserer, keine Vollständigkeit für sich beanspruchende Aufzählung sei noch die Gussenbauergasse in Wien Alsergr<strong>und</strong> erwähnt. Sucht man im Internet nach einer Faymanngasse wird man allerdings enttäuscht. Hier schlägt das Suchsystem die in Wieden gelegene Faulmannstraße vor. Davon aber distanzieren wir uns hier in aller Form <strong>und</strong> <strong>mit</strong> Bedauern. Sprachlich am Schönsten wäre die Benennung eines Straßenzuges in Menassegasse. Und ob meiner Verdienste um den theaterWal auch höchst gerechtfertigt. Foto: Peter Rigaud
Foto: Gabriele Seethaler, 2009; Selbstportrait aus der Serie AnGEL LAnDinG. VOrschAu die liebe in madagaskar von peter Turrini, regie: peter patzak rettet euham Jubileumsshow Affront-Theater salzburg 15 Jahre österreich in der eu theaterWal www.stadttheater.org theaterWal 35