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Karin Daecke GESTALTTHERAPIE QUO VADIS Auf „spirituellen ...

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<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong><br />

<strong>GESTALTTHERAPIE</strong> <strong>QUO</strong> <strong>VADIS</strong><br />

<strong>Auf</strong> Ñspirituellen Wegenì in die Evolution der Menschheit?<br />

Ein Beispiel, das anschaulich macht,<br />

was auch in anderen humanistischen Psychotherapieverfahren geschieht.<br />

‹ber die spirituellen Evolutions-, Selbst-, Grundkonzepte gleiten die emanzipativen Basiskonzepte der aufkl‰rungsverankerten<br />

Gestalttherapie - der gesellschaftskritischen Avantgarde der Humanistischen Psychologieverfahren<br />

- in die glaubens-, ideologie- und wissenschaftsgeschichtliche Irrationalismustradition, aus der<br />

auch die NS-Ideologie entstand.<br />

Die Gr¸nder der Gestalttherapie, Fritz und Lore Perls, haben dieser Tradition gegen¸ber bereits in der ersten<br />

Grundlagenschrift der Gestalttherapie, ÑDas Ich, der Hunger und die Aggressionì, klar Position bezogen.<br />

Diese Schrift ist auf der Flucht vor den Nazis entstanden - in einer klaren Distanzposition zur NS-Diktatur<br />

in Deutschland. In ihr bewahrten sie Konzepte der Entwicklung von F‰higkeiten, Ichfunktionen und Selbstprozessen,<br />

deren Umsetzung den Menschen in der Heimat W¸rde, Leben und Freiheit gekostet haben.<br />

Eine ‰hnlich klare Position auch gegen¸ber den modernen Evolutionsbewegungen und deren zunehmenden<br />

Einfluss auf die Psychotherapieentwicklung und damit auf die in der Psychotherapie statt findenden, individuell<br />

kurativ orientierten Bewusstseinsver‰nderungsarbeit zu tun, ist heute mein Anliegen.<br />

Dies geschieht aus den Ressourcen heraus, die uns ein Leben in der Demokratie sichert.<br />

Die modernen Evolutionsbewegungen - wie z.B. die New-Age-Bewegung oder Scientologys New-Era-<br />

Bewegung - nutzen diese Demokratie und beziehen sich auf ihre Menschenrechte, um sie zugunsten einer<br />

Ñhˆheren Ordnungì auf n‰chst hˆherer Evolutionsstufe grundlegend abzuschaffen. F¸r die Realisierung dieses<br />

Paradigmenwechsels ver‰ndern die Vertreter dieser Bewegungen ¸ber Ñpolitisch entheikeltì ausgestaltete<br />

Ñspirituelle Evolutionsidealeì und Ñspirituelle Stufenentwicklungswegeì zunehmend die ganzheitlichen<br />

Psychotherapieverfahren und so auch die Gestalttherapie.<br />

An letzterer wird die psycho- und soziodynamische Reichweite dieses Prozesses besonders anschaulich, denn hier<br />

hebelt die Ñspirituelle Wendeì unverkennbar das emanzipatorisch gesellschaftskritische, kurativ ethische und rationalwissenschaftliche<br />

Potenzial dieses Verfahrens aus.<br />

Ich habe seit 2003 nahezu alle Gestalttherapiekongresse persˆnlich besucht und konnte so vor Ort miterleben, wie<br />

dieser Prozess fortschreitet und welcher Mittel er sich bedient. Ab 2007 begann ich selbst Vortr‰ge auf eben diesen<br />

Gestalttherapiekongressen zu halten. In diesen versuchte ich, etwas mehr ¸ber den zeitgeschichtlichen Hintergrund<br />

dieses Geschehens zu erz‰hlen und so nicht nur das kritische Bewusstsein der Anwesenden zu st‰rken, sondern<br />

auch an die ethisch emanzipativen und wissenschaftstheoretischen <strong>Auf</strong>kl‰rungswurzeln der Gestalttherapie<br />

zu erinnern.<br />

Nachfolgender Vortrag entstand auf einer dieser Tagungen in Frankfurt 2009. Sie hatte den denkw¸rdigen<br />

Arbeitstitel ÑApokalypsoì. Mein Beitrag wurde entgegen den ge‰uflerten Interessebekundungen nicht wie vorgesehen<br />

in der Fachzeitschrift abgedruckt, womit er nun den Diskursen in der Gestalt-Community leider nicht zur<br />

Verf¸gung steht.<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 1 -


VORBEMERKUNG<br />

Das Thema der Frankfurter Gestalttherapie-Tagung ÑApokalypso - Weltunterg‰nge und Paradiese. Gestalttherapie<br />

im Umgang mit Optionen der Zukunftì fordert mich zu einer Positionskl‰rung auf.<br />

Warum? Es ruft zur Betrachtung von Krisen, Umbr¸chen und Neuerungen in der Gesellschaft und im persˆnlichen<br />

Lebensumfeld auf und r¸ckt hierf¸r gleichzeitig eine Wahrnehmungsstruktur in den Vordergrund,<br />

die dualistische Bewertungen nach dem Raster ÑWeltunterg‰nge - Paradieseì oder Ñparadiesische - apokalyptische<br />

Zukunftsoptionenì herauf beschwˆrt und hierzu eine esoterische Urwurzel- oder ÑMutter-Erdeì-<br />

Bezugnahme auf ÑGaiaì.<br />

Diese Optionen und Bezugnahmen fˆrdern irrationale Wahrnehmungsprozesse mit polarisierender Entdifferenzierung<br />

oder bezeugen den Nachvollzug von Kulturfolien, wie sie stets von dualistischen Glaubens- und<br />

spirituell-politischen Ideologiebewegungen mit Urkultur- und Evolutionsparadigma hervor gebracht werden.<br />

Und - eine solche Ideologiebewegung bereitete der NS-Diktatur einst den Boden. Denn diese konnte aus den<br />

irrationalistischen Verarbeitungsweisen gesellschaftlicher Krisen, Strukturbr¸che und Notlagen und aus der<br />

damit einher gehenden Entdifferenzierung, Spaltungs- und Polarisierungsbereitschaft im Bewusstsein der<br />

Menschen politisch Profit schlagen, d.h. genau diese Psychodynamiken programmatisch instrumentalisieren.<br />

Und diese Entwicklung wurde schon einmal von einer bis in die Humanwissenschaften hineinreichenden Irrationalismusstrˆmung<br />

salonf‰hig gemacht.<br />

Bei der Entdifferenzierung dominieren individuelle, psycho-, soziomentale und vom limbischen System dominierte<br />

Abwehr- und Verarbeitungsprozesse, die von Verunsicherungen, traumatischen Ereignissen, defizit‰ren<br />

Entwicklungen, sogartig entgrenzenden Soziodynamiken, Sehns¸chten und ƒngsten herr¸hren oder<br />

verst‰rkt werden.<br />

Bei den Kulturfolien aus dualistischen Glaubenslehren - wie z.B. denen aus der Theosophie, Ariosophie etc.<br />

- oder aus Ideologietraditionen - wie z. B. der NS-Ideologie - handelt es sich dagegen um feldkollektive und<br />

kollektive Ausgestaltungsvorlagen, in denen dann diese individuellen Verarbeitungsprozesse ihre feldkollektiven<br />

oder kollektiven Ausdrucksformen finden kˆnnen.<br />

Und wie ich in einer Zeitgeschichtsstudie zu diesem Thema zeigen konnte (<strong>Daecke</strong> ÑModerne Erziehung zur Hˆrigkeit?<br />

(...), 2. <strong>Auf</strong>lage 2008, 2009), ragen diese Kulturfolien oftmals in subtiler und zeitgeistnah ausgestalteter<br />

Form bis in die heutige Wissenschafts- und Psychomarktentwicklung hinein oder kˆnnen in Form eines spirituellesoterischen<br />

Ph‰nomens wahrgenommen werden 1 .<br />

Doch ragt dieses Irrationalismusph‰nomen tats‰chlich bis in die Gestalttherapie hinein - passt dies doch<br />

¸berhaupt nicht mit deren Basiskonzepten zusammen? Denn diese sind emanzipatorisch, d.h. kurativ-ethisch<br />

und wissenschaftlich im Geist der <strong>Auf</strong>kl‰rung verankert.<br />

Mit diesen Fragen will ich einen Diskursprozess in der Gestalt-Community anstoflen.<br />

ERSTER ‹BERBLICK - SOZIALGESCHICHTLICHER HINTERGRUND<br />

Die Frage, ob diese irrationalistische Altlast ¸ber die modernen Evolutionsmissionen und ihre Psychomarktprojekte<br />

in die GT hineinragen, muss leider mit ÑJa, seit Perlsë Abschied von Esalen und seinem Todì beantwortet<br />

werden. 1970 begann die Ñspirituelle Wendeì ins Neue Bewusstsein der modernen Evolutionsbe-<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 2 -


wegungen (New-Age-, New-Era-, Neue Lichtreich Bewegung) und mit ihr der evolution‰r-spirituelle Zugriff<br />

auf die GT und ihre Umdeutung. Denn 1970 startete von New York aus eine Evolutionsmission, deren psychotechnologisch-spirituelles<br />

Ver‰nderungskonzept von drei Anh‰ngern des russischen Theosophen Gurdieff<br />

(Ichazo, Prestera, Naranjo) und 50 Esalen-Therapeuten in Arica (Chile) ausgearbeitet worden war.<br />

Die psychospirituelle Erziehung zum Neuen Menschen<br />

Sie hatten eine auf Bewusstsein, Psyche und Leib gerichtete Diagnostik (Trialektik) und gruppendynamische<br />

Entgrenzungs- bzw. EGO-<strong>Auf</strong>bruchmethoden entwickelt, um die Ñalte Weltì im Inneren des Menschen zu zertr¸mmern<br />

und aus den Tr¸mmern eine Neue Welt und Neue Menschen mit Neuem Bewusstsein zu bauen 2 .<br />

Hierzu wurden Gurdieffs Enneagramm- und Evolutionsideale mit einem Lehranspruch vermittelt, der f¸r sich<br />

in Anspruch nahm, alle mystischen Traditionen, esoterischen Schulen, spirituellen Wege und Heilsysteme des Ostens<br />

und Westens zu einem riesigen, in sich abgeschlossenen Lehrengeb‰ude zusammengefasst und mit modernen<br />

Psychologien vereint zu haben (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 93 - 128).<br />

Die vom Arica-Gr¸nder Ichazo formulierte Apokalypso-Paradies-Programmatik lautete damals so:<br />

ÑDie Menschheit hat etwa noch 10 Jahre; entweder sie arbeitet sich aus dem Schlamassel heraus oder sie<br />

stirbt. Die Zeit dr‰ngt, dass sie ihr Bewusstseinsniveau ver‰ndert. (...) Es gibt (hierzu) einen spezifisch<br />

menschlichen Entwicklungsprozess, der f¸r alle gleich ist. (...) die Schule ist hierf¸r der Beweis. Sie demonstriert<br />

die Mˆglichkeit, eine Metagesellschaft zu verwirklichen, indem sie eine Gruppe von Individuen<br />

ausbildet, die mit Klarheit und Einheit wie ein einziger Kˆrper zu funktionieren vermag, um einer grˆfleren<br />

Anzahl von Menschen die Mittel zu lehren, ebenfalls diesen Zustand zu erreichen. (..) Ihr habt jetzt das<br />

notwendige Niveau erlangt, um euch dem Kˆrper der Schule einzugliedern. Eure Mission ist die, das Modell<br />

der Metagesellschaft zu verwirklichen und zu verbreiten. Ihr m¸sst (...) die Methoden von Arica in der ganzen<br />

Welt lehren (...) gem‰fl den Richtlinien des Mutterhauses in New Yorkì (Naslednikov 1987).<br />

Die Neuen Menschen bzw. Agenten der Arica-Mission sollten in nur 40 Tagen entstehen, d. h. eine spirituelle<br />

Evolution durchlaufen, die alte Persˆnlichkeit (EGO) zur¸ckgelassen und das vorgegebene Gotteskriegerideal<br />

auf geistiger, emotionaler und leiblicher Ebene verinnerlicht haben.<br />

Und obwohl ein Forcieren der Entwicklungsprozesse (Perlsë ÑDí ont push the riverì) und deren Manipulation<br />

s‰mtlichen Basiskonzepten von Gestalttherapie (GT) und Humanistischen Psychologie (HP) zutiefst widersprach,<br />

wurde Aricas ÑFourty-Day-Programì von 50 Esalenern in die Welt hinaus getragen, um einen kollektiven Evolutionierungs-<br />

und Gleichschaltungsprozess zu initiieren. Hierbei kamen etliche Elemente der Arica-Mission auch<br />

nach Esalen und fielen dort auf fruchtbaren Boden (a.a.O.).<br />

Esalen - Ashram und Ausgangspunkt der spirituellen Wende<br />

Esalen war nicht nur ein Zentrum der humanistischen Psychologieentwicklung, das nachhaltig vom Ruf des<br />

Ortes als Zentrum der Hippies und Friedensbewegten aus den 60er Jahren profitierte. Es war in erster Linie<br />

von Murphy und Price (1962) als ÑAshramì konzipiert worden, in dem westliche und ˆstliche Spiritualit‰t<br />

mit Ans‰tzen und Techniken der HP verschmolzen werden sollte.<br />

Als ihr Mitbegr¸nder Maslow die Transpersonale Psychologie entwickelte, dominierte zum Leidwesen<br />

Perlsë (1981) diese Richtung endg¸ltig. Unter Grofs Leitung expandierte die TP dann transatlantisch, denn<br />

die HP- und GT-Entwicklung in den USA und in Europa waren mit Esalen verbunden, wobei die Aura dieses<br />

Ortes nach wie vor gesellschaftskritische Menschen aus aller Welt anzog.<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 3 -


So begann die evolution‰r-spirituelle Wende der GT von Esalen aus, wobei der letzte Arica-Einfluss auf Deutschlands<br />

Gestaltszene in Form von Cl. Naranjos Buch ÑGestalt. Pr‰senz, Gewahrsam, Verantwortungì 1996 auftaucht.<br />

Darin wurde die Einbindung der Gestalttherapeuten ins Neue Bewusstsein der New-Age- und Scientologys<br />

New-Era-Bewegung anzukurbeln versucht; denn Naranjo (1996, 150) behauptete, Perls sei ein Schamane, Sufi<br />

etc. gewesen und h‰tte seine Ideen 3 von Scientology-Gr¸nder Hubbard. Im Vergleich dazu verhielt sich Esalens<br />

Pr‰sident Wheeler auf der Hohenrodaer Gestalttagung 2006 subtiler, indem er Perls und Freud pauschal im Sexualit‰ts-<br />

und Aggressionsbezug abwertete und unspezifisch zu einem Neuen Bewusstsein aufrief. Dies fehlt allerdings<br />

im Text der Tagungsbrosch¸re.<br />

Dass die existenzialistische HP und die emanzipatorische Gestalt Therapie von Esalen aus bis nach Europa<br />

expandierte, wirkt bis heute als perfekter Blendbezug f¸r die Rekrutierung in das spirituelle Bewusstsein der<br />

modernen Evolutionsmissionen.<br />

Perls Abgrenzung vom spirituellen Holismus, Awareness- und gˆttlichen Selbstbezug<br />

Perls hatte den in Esalen zunehmenden Irrationalismustrend erkannt und sich ein Jahr vor seinem Tod von<br />

dieser Entwicklung und ihrem hierarchisch autorit‰ren F¸hrungs- und Organisationsstil zur¸ckgezogen (Perls<br />

1981), um in Kanada mit Gleichgesinnten einen Gestaltkibbuz zu gr¸nden. Esalens spirituellen Holismus<br />

und den damit verbundenen Irrationalismus hatte er schon in seiner ersten Schrift (Perls 1944/89, 31 f) in<br />

Bezug auf den von Smuts entschieden abgegrenzt. Vor dessen totalit‰rer Konsequenz und Evolutions-, Selektionshybris<br />

unter Hitler war er damals nach S¸dafrika und dann in die USA geflohen. Mit seinem Kibbuz<br />

setzte er dieser sich erneut spirituell-holistisch und evolutionsutopisch anbahnenden Hybris einen letzten, an<br />

Egalit‰t ausgerichteten Kontrapunkt entgegen. Zuletzt hatte er in seiner letzten Schrift (Perls, Hefferline,<br />

Goodman 1969) den Selbstbezug der GT dann nochmals vom Ñabsoluten Awarenessbezugì des Zazen und<br />

seinem absoluten bzw. vergˆttlichten Selbstbezug mit dem Hinweis abgegrenzt: ÑWir schreiben das Selbst<br />

kleinì 4 .<br />

Damit hatte er eine durchgehende und gut nachvollziehbare Abgrenzungslinie gezogen.<br />

Mit der initiatischen (evolution‰r-spirituellen) bzw. transpersonalen Psychologie und der emanzipatorischen<br />

GT stehen sich n‰mlich nicht nur zwei unvereinbare Theoriebildungsfelder, Therapiekonzepte, Menschenbilder<br />

und Entwicklungsmodelle sondern auch zwei unvereinbare soziale bzw. soziotherapeutische Entwicklungsmodelle<br />

mit kontr‰rem sozialgeschichtlichem Identifikations- und Bewegungshintergrund gegen¸ber (Bocian 2000, <strong>Daecke</strong><br />

2007).<br />

Der Ñspirituellen Erziehung ins Neue Bewusstseinì geht es n‰mlich, wie schon einmal, um die Heranbildung<br />

ÑNeuer Menschenì als F¸hrer in eine Neue Weltordnung auf hˆherer zivilisatorischer Evolutionsstufe, f¸r<br />

die Katastrophen, Kriege und Krisen als Ñinitiatisches Durchgangstorì dienen (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 1). Entwicklungsfˆrderung<br />

bedeutet hier stets Opferung der Identit‰t f¸r das <strong>Auf</strong>gehen im absolut gesetzten Ganzheits-,<br />

Einheits-, theokratisch-kosmischen Ordnungsideal der Mission. Das hier entstehende Menschen-, Welt- und<br />

Entwicklungsbild mit gˆttlichem Urgrund-, Selbstbezug gehˆrt sozialgeschichtlich der rechten Tradition an.<br />

Geschichte und Verantwortung<br />

Das aktuelle <strong>Auf</strong>leben dieser Tradition erinnert uns daran, dass die Demokratie und mit ihr die von der <strong>Auf</strong>kl‰rung<br />

vorbereiteten und nach Ende des zweiten Weltkriegs gesellschaftsvertraglich institutionalisierten<br />

Grundlagen von Freiheit, Rechtssicherheit und sozialer Gerechtigkeit - Egalit‰tsbezug und Menschenrechte<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 4 -


- nur solange wirksam sind, solange die Menschen diese wertsch‰tzen und auf der Basis ihrer Autonomieentwicklung<br />

auch verlebendigen kˆnnen. Dies gilt auch noch nach 60 Jahren Grundgesetz.<br />

Dies unterstreicht auf dem Hintergrund der NS-Diktatur den kurativ- und demokratisch-ethischen Wert der<br />

emanzipatorisch ausgerichteten Gestalttherapiepotenziale mit ihrer Ankerung in der Tradition der <strong>Auf</strong>kl‰rung<br />

und in einem rationalwissenschaftlich wahrnehmungspsychologischen Ganzheits- und Strukturph‰nomenologiebezug.<br />

Diese Potenziale fˆrdern nicht nur die Ichfunktionen sondern auch die Autonomieentwicklungs- und Diskurspotenziale,<br />

die Selbst- und Mitverantwortlichkeitsentwicklung im menschlichen Reifungsprozess und<br />

hierzu die Integration von abgespaltenen und auf andere projizierten Unliebsamkeiten.<br />

Vor dem Geschichtshintergrund sind diese Potenziale besonders kostbar. Sie fˆrdern dann nicht nur den Erhalt<br />

und die Wiederherstellung psychischer Gesundheit, sondern auch die Orientierung an der eigenen Realit‰t,<br />

am konkreten Geschichtsbezug, an einem differenzierten Wahrnehmungs- und authentischen Kontaktbezug im<br />

Miteinander und so die Voraussetzungen f¸r die Verlebendigung und Erhaltung demokratischer Errungenschaften,<br />

Freiheiten und Entwicklungschancen.<br />

Diese Potenziale werden durch die ‹bernahme transpersonaler Basiskonzepte ausgehebelt.<br />

DIE WEGBEREITER DER SPIRITUELLEN WENDE<br />

In Esalens Angebotsentwicklung ¸berlebten nicht nur Facetten des Fourty-Day-Programs (Enlightment<br />

etc.), sondern von hier aus expandierte ab 1970 auch Maslows TP, welche eine ÷ffnung f¸r die Programmatik<br />

und Esoterik der New-Age- und New-Era-Bewegung einleitete. Mit letzterer teilte Maslow den Vorwurf,<br />

die Psychologie mache aus dem Menschen eine andere Art von triebgeleiteter Ratte. Sein Ansatz setzte<br />

sich hiervon ¸ber Ñinstinktoideì, ¸ber den kˆrperlichen Gesundheits-/ Krankheitszustand entscheidende<br />

Ñhˆhere Bed¸rfnisseì aus 5 , auf die sich auch sein Entwicklungs- und Verantwortungsbegriff bezog.<br />

Diese Ausrichtung bewirkte erst in der HP eine spirituelle Welle, die ¸ber eine ‹berbewertung bestimmter Elemente<br />

wie z. B. Bubers Einfluss auf die Perls (Frambach 1994, 1999) auch die GT ergriff. Der mit dem Ñintentionalen<br />

Selbst-Glaubenì der HP verbundene Positiv- oder Entwicklungsglaube liefl dann im Zuge der Spiritualisierung<br />

des Selbst- und Awareness-Konzeptes auch am evolution‰r-spirituellen Entwicklungs- und Evolutionsglauben<br />

der New-Age- und New-Era-Bewegung ankn¸pfen (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2).<br />

Der WEG ins Neue Bewusstsein der New-Age-Bewegung<br />

1980 erschien das von Grof (Esalen) und Halifax verfasste Buch ÑBegegnung mit dem Todì 6 , das ein breites<br />

Interesse f¸r den theosophischen Reinkarnationsglauben weckte und auf dem deutschsprachigen Psychomarkt<br />

eine ÑRebirthingoffensiveì initiierte. Grofs auf Hyperventilationseffekten beruhende Ñholotropeì Initiations-<br />

bzw. Nahtod-Erfahrungspraxis expandierte in Europa von R¸tte aus und stiefl ein zunehmendes Interesse<br />

an R¸tte-Angeboten an.<br />

Umgekehrt nahm Esalen auch Elemente aus der schon 1950 entstandenen deutschen TP aus R¸tte auf, insbesondere<br />

D¸rckheims Zazen-Rezeption, seine Initiatische Therapie (IT) und seinen Lehrbezug auf Evola,<br />

dem einstigen Berater Mussolinis und Okkultisten (Wehr 1996). R¸tte nahm etliche Elemente aus Esalen<br />

auf wie z. B. neoschamanistische Angebote, Sheldrakes morphogenetische Felder, die Chakren-, Mandala-, Tarot-Karten-Arbeit<br />

etc 7 .<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 5 -


Damit agierten seit Beginn der 70er Jahre der Ashram Esalen und die Mysterienschule R¸tte als transatlantische<br />

Achse der Ñspirituellen Wendeì ins Neue Bewusstsein der New-Age-Bewegung und lieflen den spirituellen<br />

Psychomarkt und eine transpersonale GT-Entwicklung entstehen, die heute von Wheeler (von Esalen aus) und<br />

Chu, Gremmler-Fuhr, Hartmann-Kottek, Dreitzel u. a. (von Deutschland aus) fortgesetzt wird.<br />

Dieser Trend stellt in der GT-Entwicklung bis heute die Weichen in Richtung eines spirituellen Selbst-, Einheits-,<br />

Grundbezugs. Und dieser kann von Evolutionsprogrammatiken nur allzu leicht weiter geformt werden.<br />

Dabei wird, wie z. B. 2008 in Z¸rich durch Frau Hartmann-Kottek, auf der Basis von ÑMaslow- und<br />

Buberbezugnahmenì ein Wiederverzauberungswunsch bzw. eine Sehnsucht nach der Verschmelzung mit<br />

dem Ñallgˆttlichen Grundì im parzivalschen Gnosis- und gˆttlichen Selbstbezug R¸ttes 8 oder wie in V.<br />

Chus ÑScham und Leidenschaftì (1994) ein spiritueller Urwurzel-, Heilbezug als Selbstbezug einzuf¸hren<br />

versucht.<br />

So expandiert ein Selbst- und Grundkonzept mit kosmisch-gˆttlichem Evolutions- und Spiegelungsbezug in<br />

der GT, der ihren organismischen Selbstprozessbezug mitsamt seinem sozial- bzw. gesellschaftsgeschichtlich<br />

geankerten Grund-/ Hintergrund- und Interessenbezug aushebelt und ¸ber sein F¸hrungskonzept ihr<br />

dialogisches Prinzip und ihren Egalit‰tsbezug verdr‰ngt. Damit wird eine Ñtranspersonale GTì mit spirituell-hierarchischen<br />

Entwicklungsstufen und absoluten Autorit‰ts- und Gewissensbezugnahmen, Ichopfer- und<br />

WEGfolge-/ WEGleibidealen einzuf¸hren versucht.<br />

Wie aktuell dieser R¸tte-Esalen-Einfluss gerade in den deutschen Gestaltinstituten ist, zeigte mir eine Internet-<br />

Recherche:<br />

In Deutschland ¸berwiegen inzwischen die R¸tte-Elemente wie D¸rckheims Zazen mit initiatischem WEGleib-<br />

und WEGf¸hrungsansatz, Hippiusë anthroposophischer Esoterikbezug (vgl. Salmann, Hohenroda<br />

2006), Loomans spiritueller WEGleibansatz. Aber auch der in R¸tte von den Systemikern ¸bernommene<br />

Hellingeransatz mit seinem autorit‰r-patriarchalen Familienordnungs- und Sippengewissensbezug auf<br />

Krankheit, Ungl¸ck oder Gesundheit, gelingendes Leben. Ich fand Grofs Ñholotrope Initiationì mit ihrem<br />

Entgrenzungsansatz (Hyperventilation, gef¸hrte Trance), Crowleys neosatanistischen Tarotkartenansatz<br />

und Wilbers spirituelles Evolutionsmodell mit Ñabsolutem Geschichts- und Entwicklungsbezugì auf ein<br />

chakrenorientiertes, achtstufiges Entwicklungsmodell etc. Es fielen aber auch einige Esalenelemente auf wie<br />

z. B. Maslows intentionaler / transpersonaler Selbstentwicklungsansatz, neotantrische, neoschamanistische<br />

und astrologische Elemente aus der Arica-Mission und aus Swift Deers Medizinrad-Imperium, Naranjos<br />

Enneagrammbezug und Wheelers Ansatz zur Herstellung eines Neuen Bewusstseins im Initiationsbezug auf<br />

Gaia 9 .<br />

Der WEG ins Neue Bewusstsein der New-Era-Bewegung<br />

Ab 1970 versuchte auch der angloamerikanische Psychokonzern Scientology Einfluss zu gewinnen (<strong>Daecke</strong><br />

2006, Bd 2, 313 - 403), der ‰hnliche wenn auch noch krassere Strukturen, wie die gerade beschriebenen, entwickelte.<br />

Sein Ziel war es, Deutschland gem‰fl den New-Era-Missionsstrategien zu Ñreinigenì (International-<br />

Citiy-/ Clear-Planet-Mission).<br />

Hierf¸r spielte der ungarische Psychiater und Mitbegr¸nder von Scientologys Psychomarkt-Frontgroup KVPM,<br />

Th. Szasz, eine wichtige Rolle, der sein Bewusstseinswendeprojekt in Deutschland 1972 startete (ebda. 404<br />

- 574). Hier trat er je nach Zielgruppe als Ñradikaler Antipsychiaterì oder Ñwahrer Humanistì, ÑKirchen-<br />

und Medizinkritikerì oder ÑSozialstaatskritiker und radikaler Neoliberalerì auf und erwarb ¸ber Seriosit‰tsanleihen<br />

bei Erickson oder bei den Semantikern auch das Vertrauen einiger GTler, die ohne Kenntnis<br />

seines Kontextes seine Strategien imitierten 10 .<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 6 -


So demontierte er stets die Gr¸nderfiguren der jeweiligen Ansprechgruppe und ihre Lehren nach narzisstischen<br />

<strong>Auf</strong>- und Abwertungsrastern, um anschlieflend ihre zentralen Begriffe und Konzepte analog zur New-<br />

Era-Programmatik umzudefinieren und so zu punkten. Um die ÑKonkurrenzì mit ihrer spirituellen Offensive<br />

Ñabzuholenì, lobte er C.G. Jung, um eine spirituelle Therapieentwicklung zu fordern, die er Iatrologik nannte.<br />

Den existenzialistischen Humanisten warf er Heuchelei vor (J. Zeig 1991) und empfahl ihnen als Ñwahrer<br />

Humanistì seine autorit‰re ÑZuckerbrot-und-Peitschen-Haltungì 11 , wor¸ber er allerdings lediglich Hellinger<br />

den Boden bereitete. F¸r seine <strong>Auf</strong>tritte nutzte er n‰mlich die Evolutionskonferenzen der Systemischen Therapie,<br />

die Hellinger bis heute lukrativ vermarkten.<br />

ÑDer Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ‰ndern kannì<br />

Text eines 80er Jahre Plakats<br />

Damit hatten die New-Age- und die New-Era-Mission in den 80er und 90er Jahren einen jeweils eigenen<br />

Blend- und Eroberungsbezug, mit dem sie die Ver‰nderungsfreudigen aus den Emanzipations- und Reformbewegungen<br />

und aus der GT direkt der Bewusstseinswende der Evolutionsmissionen und ihrem Autorit‰ts-,<br />

Hierarchie- und Ordnungsidealen zuf¸hrten. Heute wabern die verschiedenen esoterischen Bewegungen ineinander.<br />

Lediglich die New-Era-Mission bleibt organisatorisch abgegrenzt. Alle Richtungen haben jedoch<br />

internationale Verwebungen mit der esoterischen Rechten (Gugenberger, Petri, Schweidlenka 1998).<br />

Trotz der sich ausdehnenden esoterischen Einfl¸sse in den GT-Instituten fehlen bis heute Diskussionen ¸ber<br />

die Unvereinbarkeit der spirituell evolutionsgl‰ubigen und emanzipatorisch aufkl‰rungsorientierten Ausrichtung.<br />

Das unkommentierte Nebeneinander beider Richtungen (wie z. B. in den Tagungs- und Institutsprogrammen)<br />

bildet von je her die Ausgangsbasis f¸r ein unmerkliches Hin¸bergleiten ins Neue Bewusstsein und<br />

seine Evolutionsideologie.<br />

R‹TTES POLITISCH IRRATIONALISTISCHE ALTLAST<br />

Da in der deutschen GT-Entwicklung die Einfl¸sse aus R¸tte ¸berwiegen, d. h. aus D¸rckheims Ansatz der<br />

Initiatischen Therapie und den damit vermengten Ans‰tzen von Hippius, Loomans, Grof, Hellinger, Wilber, soll<br />

eigens auf diesen Ansatz und seine Altlast eingegangen werden.<br />

Diese stammt aus D¸rckheims spirituell holistischem Selbst- und Grundbezug, aus der irrationalistischen<br />

Gestaltpsychologie der Grazer und Leipziger Schule und deren Konfluenz mit der NS-Diktatur. Diese<br />

Struktur wiederholt sich in der Konfluenz der Initiatischen Therapie mit den modernen spirituell-politischen<br />

Evolutionsparadigmen. Denn D¸rckheims Definition des Therapeuten als WEG, WEGf¸hrer f¸r seine<br />

Klienten, Sch¸ler und sein Individuationsbezug auf den erbrachten Nachvollzug der ÑNeuen Wegeì setzte<br />

ab den 70er Jahren den Evolutionsglauben der New-Age-Bewegung (Wehr 1996) in die Lehrpraxeologie<br />

von R¸tte um.<br />

R¸ttes schillerndes Marktprofil ¸berblendete D¸rckheims f¸hrerschafts-gefolgschaftsbezogenen Ansatz<br />

zeitgem‰fl.<br />

Dieser ist nicht nur dem dialogisch prozessorientierten Prinzip der GT, seinem Leibsubjekt- und Individuationsbezug<br />

vˆllig entgegengesetzt, sondern transportiert auch noch Introjektaltlasten aus D¸rckheims Identifizierung<br />

mit der NS-Ideologie und die damit verbundenen Strukturfolien aus der Grazer und Leipziger Gestaltpsychologie.<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 7 -


Vom spirituellen zum arisch-vˆlkischen Ur-, Selbst-, Einheits- und Grundbezug<br />

Der Entwicklung der Grazer und Leipziger folgend hatte sich D¸rckheim ¸ber den mit ihnen geteilten Glauben<br />

an ein Ñmystisches All-Eins-Sein mit dem gˆttlich-kosmischen Ursprung, Grundì f¸r die vˆlkischrassischen<br />

Ganzheits- und arischen Selbst- bzw. Urmensch-/ ‹bermenschkonstrukte der Nationalsozialisten<br />

geˆffnet. Ab 1932 war er NSDAP-Mitglied und trat in dieser Funktion f¸r die ganzheitlich ergreifenden Kampf-<br />

und Wehrsporterziehungsideale der NS-Diktatur in der Lehrerbildung ein. An diesen Idealen hielt er bis Ende<br />

der NS-Diktatur begeistert fest, - zuletzt als Japanforscher, der im <strong>Auf</strong>trag des SS-B¸ro Ribbentrop beim japanischen<br />

B¸ndnispartner und seinen Samurai-Orden Bausteine f¸r eine spirituell-politische Volkserziehung<br />

bzw. vˆlkische Psychagogik sammelte.<br />

Diesen <strong>Auf</strong>trag leugnete er, als er in Japan von den Alliierten inhaftiert wurde. Er brachte seine Unterlagen<br />

noch in Haft in eine Ñpolitisch entheikelte Fassungì 12 . Sie gingen in seine Initiatische Therapie ein, die er ab<br />

1950 entwickelte und in R¸tte im Mysterienschulenstil etablierte (Wehr 1996).<br />

Sein Initiationsbezug beruhte auf seinen Kriegstraumata (1. Weltkrieg), die er - analog zu Aricas Ansatz -<br />

als EGOaufbruch und ÷ffnung f¸r gˆttliche Weisungen definierte. Diesen entsprechend entwickelte er einen<br />

absoluten Gewissensbezug auf eine hˆchste F¸hrungsebene und damit einen Gefolgschafts-/ Weisungsbezug,<br />

der alle anderen Autorit‰ts- und Verantwortungsinstanzen aushebeln darf. Diese spirituelle Verarbeitungsfolie<br />

hatte ihn einst von der Milit‰rlaufbahn erlˆst und in den absoluten Weisungs-, Gefolgschaftsbezug der<br />

NS-Diktatur gef¸hrt.<br />

Sie bestimmte auch seine Rezeption des japanischen Zen-Buddhismus, dessen Samurai- bzw. Kampfideal,<br />

das er im parzivalíschen Gnosisbezug Hitlers aufgriff, um es sp‰ter f¸r eine arisch-vˆlkische Religion weiterzugestalten.<br />

Diese hˆchste Weisungs- und Gewissensstruktur bestimmte auch seine Erziehung zum Neuen Menschen in<br />

der IT.<br />

Die fehlende Auseinandersetzung mit der NS-Identifikation und die fehlende Abgrenzung von dieser als<br />

Lehrengr¸nder lieflen ihn sein Initiationskonzept auch noch viele Jahre sp‰ter von Evola 13 , dem Vordenker<br />

der Neuen Rechten, absegnen. Mit ihm teilte er lange Zeit das Evolutionsideal eines Ñeurop‰ischen Satoriì,<br />

das er erst an seinem Lebensende dem theosophischen Christusbezug der New-Age-, New-Era- und Lichtreich-Bewegung<br />

unterstellte. So entstanden expansionsrelevante Synergien im ÑChristus Maitreyaì-Bezug (Baileys<br />

Theosophie), an die auch die rechtsgerichtete DUR 14 im Ñeurop‰ischen Einheitsidealì ankn¸pfen konnte.<br />

All diese programmatischen Bewegungen fˆrdern einen Ñhˆheren Weisungs-Gefolgschaftsbezugì als<br />

Problemlˆsungs- und Entwicklungsweg nie jedoch einen Selbst- und Mitverantwortlichkeitsbezug auf der<br />

Grundlage eines Diskurses im eigenen Inneren oder mit anderen, wie er durch die GT gefˆrdert wird. Die<br />

Potenziale hierzu verk¸mmern.<br />

Dies verst‰rkt die introjektive und ideologische Altlast aus der Geschichte. D¸rckheim sah zur Umsetzung<br />

der von R¸tte ausgehenden Identifikationen seine Lehrtherapeuten sogar erneut an Ñvorderster Frontlinie<br />

stehenì (Wehr 1996). Das hˆchste Ziel seiner Ganzheitspsychagogik war wieder ein Evolutionsideal, dem<br />

eine ganzheitliche Ergreifung und Umformung des Menschen zum Neuen Menschen diente. Sein spirituelles<br />

WEGleibbewusstsein zielte erneut auf ein grandioses St‰rkeideal 15 . Die IT transportierte - wie ich in meiner<br />

Studie zeigen konnte - zahlreiche strukturelle Analogien zu Elementen aus der NS-Erziehung (D¸rckheim<br />

1996, 169, 176 f).<br />

Was stellt die Gestalttherapie dem spirituellen Paradigmenwechsel entgegen?<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 8 -


Dies alles und die programmatische Ausrichtung von Therapie widerspricht den Basiskonzepten der GT und<br />

wird von den Ethikrichtlinien (Punkt 10.3) und der Satzung der DVG ausgeschlossen (Satzung der DVG,<br />

Punkt III).<br />

Denn ¸ber die spirituell programmatische Beseelung des Therapeuten und seiner Therapie werden trotz persˆnlich<br />

guter Absichten die persˆnliche Spiritualit‰t oder der Atheismus des Klienten, dessen Krisen, Traumata,<br />

Defizite, Sehnsucht, Entgrenzbarkeit, Angst instrumentalisierbar, - zu Objekten der Ver‰nderungsw¸nsche<br />

des Therapeuten.<br />

Diesem in die GT einstrˆmenden Einfluss aus R¸tte und seiner strukturell aufschimmernden Altlast aus der<br />

NS-Ideologie (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2155- 312) antwortet die Gestalttherapie mit ihren konzeptionellen und<br />

praxeologischen Konzepten eindeutig. Sie setzt dem politischen Irrationalismus der alten und neuen Evolutionsideologien<br />

und deren Dualismen nicht nur einen kategorial rationalwissenschaftlichen Wahrnehmungsbezug<br />

auf reale Prozesse (Goldstein) sondern auch ihr antithetisches Differenzierungsprinzip (Friedl‰nder) entgegen.<br />

Sie antwortet dem spirituell-politischen Weisungsbezug und seiner in Gef¸hl und Leib hineinragenden irrationalistischen<br />

Altlast aber auch mit ihrem Kontakt- und Beziehungskonzept, mit Empathie, mit Wahrnehmen<br />

und Benennen von dem, was ist.<br />

R¸ttes im spirituell-kosmischen Weltengrund- (Grofle Mutter) und Harasinnbezug zentrierten Kampfleib und<br />

seinem oder Aricas Samurai-Ideal bzw. dem darauf fixierten, spirituell entfremdeten Leibselbst (Haltungsgewissen,<br />

innere Hara-Christus-Weisung) aber auch allen anderen spirituellen WEGleibkonzepten aus den New-<br />

Age-, New-Era-, TP- und Esoterikmarkt-Ans‰tzen antwortet die GT mit einem persˆnlichen Leibselbstprozess.<br />

Dieser bleibt in einem individuellen organismischen Gleichgewichtsstreben und hierbei stets psychosozial eingebettet,<br />

wobei der Grund- und Kontaktbezug stets dynamisch bzw. ein situativ-feldbezogener, subjektiver Interessenbezug<br />

bleibt. Diesem wird ein Recht auf Widerspruch zu gesellschaftlichen Forderungen einger‰umt und Gesundheit<br />

nicht an einem Evolutions- und Einheitsideal bzw. Ñhˆheren Bed¸rfnissenì festgemacht. Im Gegensatz<br />

hierzu fˆrdert die GT ein Wahr- und Ernstnehmen der eigenen Gef¸hle, Bed¸rfnisse, Empfindungen (Awareness)<br />

und der kreativen Entwicklungsprozesse.<br />

Diese offene Awareness der GT stellt der im neugnostischen LEERE-Idealzustand (D¸rckheim, Wilber) angestrebten<br />

Ñabsoluten Awarenesì bzw. ihrer Ñesoterischen Weisungskapselì etwas sehr Lebendiges entgegen. Der<br />

psychospirituellen Arbeit an ÑFehlhaltungenì bzw. Abweichungen vom Stufenentwicklungsideal, an den hierzu in<br />

Verbindung gebrachten energetischen Blockaden, Aurastˆrungen und fehlenden Metaleibbezugnahmen (ÑHarasinnì)<br />

stellt sie die Fˆrderung einer situativ und persˆnlich erfahrbaren und stets selbstbestimmten Sinnbezogenheit<br />

gegen¸ber. Hierzu wird die Wahrnehmung auf den eigenen Selbstprozess im dazugehˆrigen psychosozialen<br />

Feld / Kontext gest‰rkt und der Kontakt zu sich und zum Anderen als Anderen gefˆrdert. Was diese Prozesse blockiert,<br />

wird in der Arbeit an den neurotischen Abwehrstrukturen dem Bewusstsein und dem eigenen Verantwortungsbezug<br />

zug‰nglich gemacht.<br />

Diese Arbeit an der neurotischen Abwehr findet im statischen Figur-Grundbezug der TP / IT und der davon beeinflussten<br />

GT gar nicht mehr statt. Hier werden die neurotischen Abwehrfunktionen spirituell bzw. esoterisch-narzisstisch<br />

ausgestaltet (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 636 f, 640; dies. 2007, 257 - 456, 481 - 661). Dies unterst¸tzt<br />

die Einbindung in den Evolutionsglauben, in seinen Dualismus, Konfluenz- und Idealbezug. Dieser<br />

schw‰cht die Ichfunktionen und n‰hrt den symbiotischen Verschmelzungswunsch mit seinen Fixierungen<br />

bzw. den gesamten regressiven Abwehrkomplex 16 .<br />

So wird die Konfluenz auf dem evolution‰r-spirituellen Psychomarkt aktiv hergestellt. Ziel ist ein Verschwimmen<br />

der Ich- und Kontaktgrenzen und die emotionale Missionseinbindung (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 32 -<br />

80, 639; dies. 2007, 339 ff, 373 - 509). Hierzu liefert M. Gremmler-Fuhr einen Ñgestalttherapeutischenì<br />

Blendbezug, wenn das Kontaktphasenverst‰ndnis ihrer zunehmend an K. Wilbers Evolutionsidealen orientierten<br />

GT-Rezeption aus der konfluenten Abwehr eine prozessuale ÑKontaktfunktion mit den Polen Verschmel-<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 9 -


zung und Abgrenzungì macht (1999, 367 ff). Nach Perls ist die Konfluenz eine neurotische Kontaktstˆrung.<br />

DER THEOSOPHISCHE EVOLUTIONSGLAUBE UND SEINE INTROJEKTLAST<br />

Diese Spiritualit‰t und ihr Evolutionsglaube, seine alten und neuen Programmatiken f¸hren uns zu H. Blavatskys<br />

Theosophie und der daraus entstandenen Theosophiebewegung (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 1, 121 - 307).<br />

Denn diese bestimmt die Spiritualit‰t, die ¸ber den transpersonal-psychologischen Einfluss aus Esalen und<br />

R¸tte und aus den modernen Evolutionsmissionen in die GT einstrˆmt.<br />

Die Theosophiebewegung erhebt den Anspruch, die neue Weltreligion zu verbreiten, welche die Menschheit auf<br />

die n‰chst hˆhere Evolutions- und Zivilisationsstufe f¸hren wird, da sie alle Religionen, Philosophien, Esoterik-<br />

und Heiltraditionen der Welt in sich vereinen und den Menschen so Erlˆsung und Weltfrieden bringen kˆnne.<br />

Ihre Chefin Ferguson erkl‰rte 1980 die TP zum modernsten Werkzeug dieser Mission, wor¸ber ein gegenseitiger<br />

Nutzbezug entstand. Die theosophischen Anleihen bei Buddhismus, Sufismus, Hinduismus, christlichem<br />

Glauben f¸hren aus den traditionellen Religionen heraus. Dasselbe gilt auch f¸r die benutzten psychotherapeutischen<br />

Verfahren.<br />

Die manich‰ische Gnosis und ihr Dualismus<br />

Statt der angek¸ndigten Friedensausrichtung tradiert der in allen Theosophielehren enthaltene Glaubenskern<br />

aus der Manich‰ismuslehre einen asketischen Gnosis- und gˆttlichen Urmenschenglauben mit absolutem<br />

Reinheits- und Gotteskriegerbezug (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 1, 130 - 162). Es geht n‰mlich darum, die gˆttliche<br />

Weisung mˆglichst Ñreinì zu empfangen, damit Ñeinsì zu werden und die Macht des Dunkels f¸r immer zu<br />

bannen. Identifiziert sich der Adept mit dieser Totalit‰t, werden zunehmend mehr inner- und auflerweltliche<br />

Bereiche in den kosmisch-spirituellen Krieg der M‰chte des Lichts gegen die M‰chte der Finsternis (Dualismus)<br />

der manich‰ischen Glaubenslegende verstrickt. Nach dieser wurde der Urmensch n‰mlich eigens als<br />

Instrument zur Austragung dieses Kriegs von den gˆttlichen Eltern (ÑVater der Grˆfleì, ÑMutter des Lebensì)<br />

mitsamt der Erde als Kampfb¸hne erschaffen. Er und die an ihren gˆttlichen Ursprung erinnerten<br />

Menschen sollen die Sch‰ndung, Verunreinigung der gˆttlichen Welt und ihrer Lichtwesen durch die D‰monen<br />

der Gˆttin der Finsternis, durch Abspaltung (Selektion) aller Dunkelelemente und R¸ckeroberung aller<br />

Lichtelemente und deren Sicherung im kosmisch-spirituellen Reich (Evolution) ungeschehen machen 17 .<br />

Da sich darin der Lebenssinn von Urmensch, Mensch und Erde erschˆpft, setzt diese Gnosis eine apokalyptische<br />

Dynamik mit totalem Licht-/ Reinheitsideal- und Opferbezug frei.<br />

Dieser in allen Theosophievarianten enthaltene Glaubenskern initiiert mit seinem Licht-Finsternis-Kampf und<br />

alles Lebendige aufzehrenden Totalit‰t auf psychodynamischer Ebene die Struktur einer narzisstischen Spirale,<br />

die den Verlust des in der GT so wichtigen differenzierenden und damit Koexistenz sichernden Kontakt- und<br />

Abgrenzungsbezugs bewirkt. Sein SELBST-Ausdehnungsanspruch ist endlos und n‰hrt sich aus einer Vernichtungshaltung,<br />

Abwertung gegen¸ber allem vom neugnostischen Reinheits- und Lichtevolutions- bzw.<br />

gnostischen Weisungsideal Abweichenden im Inneren und im <strong>Auf</strong>len. Er fordert den authentischen Selbstprozess<br />

bis in die Ichfunktions- und Leibebene hinein als Opfer ein. Diese manich‰istische Kulturfolie ist die<br />

glaubensgeschichtlich ‰lteste Totalit‰t und Dualismus tradierende Introjektionsstruktur. Ihre Tradierung erfolgt<br />

¸ber f¸nf Identifikationsstufen (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 1)).<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 10 -


Die arische Evolutions- und Wuzrelrasselehre<br />

Diese Dualismus- und Identit‰tsbildungsfolie vermengte die Theosophiegr¸nderin Blavatsky noch mit esoterisch<br />

ausgestalteten Elementen aus dem Hinduismus 18 und aus Darwins Evolutionslehre, womit sie die manich‰ische<br />

Urmenschenlegende zu einer Ñarischen Evolutions- und Wurzelrassenlehreì ausgestaltete.<br />

Diese lehrt das ‹berleben Ñhˆherwertiger arischer Rassenì (Lichtevolution) und das notwendige Aussterben<br />

unreiner, weniger hoch entwickelter Rassen (Selektion der Dunkelelemente). Damit beg¸nstigt der theosophische<br />

Evolutionsbezug bis heute die Entstehung und Tradierung sozialdarwinistischer Haltungen und<br />

Evolutionsideologien (Strohm 1997). Sein gˆttlicher bzw. absoluter Selbst-, Grund- und Evolutionsbezug 19<br />

verspricht stets eine Teilhabe an der Evolutionselite und einen mit Anpassungs- / Selbstopferleistungen verbundenen<br />

narzisstischen Gewinn.<br />

Blavatsky konstruiert eine f¸nfstufige Evolutionspyramide aus Ñreinen Wurzelrassenì. Ihr Entwicklungsweg zur<br />

hˆchsten Evolutionsstufe verlangt stets die Selektion aller Dunkelelemente bzw. die Durchsetzung der geforderten<br />

Reinheits- und Entwicklungsideale im Inneren (EGO¸berwindungsmission) und im <strong>Auf</strong>len (Welt-<br />

Reinigungsmission). So entsteht ein Ausdehnungsanspruch im hˆheren Selbst-, Reinigungs-, Missionsbezug.<br />

Dies l‰sst an Perlsë Narzissmusdefinition als Selbstausdehnung in den Anderen, in die Welt und an seine<br />

Ausf¸hrungen ¸ber den Ñidealfixierten Gruppenholismusì denken (Perls 1944/ 89, 147, 154, 164, 167).<br />

Von der f¸nften zur sechsten arischen Wurzelrasse<br />

Diese Entwicklungsfolie tradieren alle Theosophielehren, wobei die Ariosophie (Liebenfels, List) Blavatskys<br />

Rassenelitebezug auf eine Ñhˆchste f¸nfte nordische Wurzelrasseì erstmals zu einem zucht- und selektionsorientierten<br />

Weltherrschafts- und arischen Herrenmenschenglauben weiter gestaltete. Dieser ging in die Glaubenswelt<br />

von Hammerbund, Germanenorden, Thule Orden und ¸ber die Zugehˆrigkeit der NS-Propagandisten zu<br />

diesen Okkultgruppen unmittelbar in die NS-Ideologie ein (Haack 1983). Ihre Vertreter w‰hnten sich auf Blavatskys<br />

hˆchster Rassenevolutionsstufe und machten die Totalit‰t und den Dualismus des gˆttlichen Reinheits-<br />

und Selektionskampf-auftrags am Ñarisch-reinen Blutì als ÑTr‰gerì der ÑArtgemeinschaftì und an<br />

der Ñrechten Gesinnungì fest. Damit wird sehr deutlich, in welche politische Tradition die Spiritualit‰t der<br />

Evolutionsmissionen und der Transpersonalen Psychologie die GT f¸hrt.<br />

Die Anthroposophen 20 ordnen die New-Age- und New-Era-Bewegung einer Ñsechsten arischen Wurzelrasseì<br />

zu. Deren Entwicklungsglauben nach kann das gnostische Reinheitsideal und damit auch die Teilhabe<br />

an der hˆchsten spirituellen Rasse auf spirituell-psychotechnologischen ‹bungswegen Ñerarbeitetì werden.<br />

Ihr psycho-spiritueller Eliten-, Einheits- bzw. Rassebezug kn¸pft an der angloamerikanischen Theosophie (A.<br />

Bailey) und deren Leistungs- und Verwertungsidealen an. Er spiritualisiert die moderne Kapitalismusentwicklung,<br />

ihren Selfmademan- und Marktglauben und eine Kapitalmehrung zeigt den freien Fluss spiritueller<br />

Energie an. Die Selektion im <strong>Auf</strong>len wird atomaren Katastrophen, Kriegen etc. ¸bertragen, die als notwendige<br />

Transformations- und Reinigungsvorg‰nge hingenommen werden.<br />

Hier wird fest geglaubt, dass der arische F¸hrungs-, Reinigungsanspruch der Ñf¸nften, nordischenì Wurzelrasse<br />

mittels esoterischer Manifestationen und psychospiritueller Arbeit Ñgelˆschtì werden kann. Das Einheitsstreben<br />

im leistungsorientierten Hˆherwertigkeits- und spirituell-merkantilen Elitenbezug soll die Altlast<br />

Ѹberwinden lassenì. Diese Ñevolution‰r hinter sich lassenì zu kˆnnen, stellt eine spiritualisierende<br />

Abwehr dar. Auch wissen die wenigsten, dass Diktatoren wie Hitler, Stalin in der Bailey-Theosophie als<br />

Ñgel‰uterte, spirituelle F¸hrerì gelten.<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 11 -


Diesmal ist Ausrichtungsideal, gnostisch-telepathische Eingaben, Weisungen meditativ zu empfangen oder<br />

sich ¸bermitteln zu lassen, was ÑHˆherentwickelte sehenì oder Ñmedial Begabtenì von aufgestiegenen<br />

Meistern, Geistf¸hrern empfangen. Der esoterische Psychomarkt quillt von Psychagogen, spirituellen WEGf¸hrern,<br />

Meistern und Gurus ¸ber. Hier wird die spirituell-narzisstische Ausgestaltung der neurotischen<br />

Abwehrstrukturen wie Konfluenz, Projektion, Spaltung, Retroflexion mit ihren Idealfixierungen und abh‰ngigkeitsfˆrdernden<br />

Ichfunktionsverlusten 21 und allo-/ autoplastische (Perls 1944/1989, 51) Abwehrkollusionen<br />

zu Einkommen sichernden Ressourcen.<br />

Evolution‰r-spiritueller und emanzipatorischer Individuationsbezug<br />

Dieser modernen Evolutionsmission dient die ÑFreilegung des gˆttlich reinen Seinsì als innerweltlicher Evolutions-<br />

und Grundbezug, der das Erarbeiten der Teilhabe an der Ñhˆchsten Entwicklungsstufeì zum auflerweltlichen<br />

Evolutions- bzw. spirituell-weltlichen Grundbezug weitet. Hierf¸r wird der neugnostische<br />

F¸hrerschafts-Gefolgschaftsbezug zum inner- und auflerweltlich wirksamen Introjektions- und Individuationsentwicklungsbezug<br />

(z. B. D¸rckheims, Hubbards etc. Individuations-, Feldkarrierebezug etc.).<br />

Dagegen liegt der emanzipatorischen GT an einer prozessorientierten St‰rkung der individuellen Selbstwahrnehmung<br />

und -entwicklung und an einer hierzu fˆrderlichen Arbeit an den genannten pathologischen<br />

Abwehrstrukturen, wobei der Klient in seiner Person, Lebensausrichtung etc. freigelassen bleibt.<br />

Hierbei wird auf eine konfliktverarbeitungsorientierte Zur¸cknahme der ausgelagerten Selbstanteile (bei<br />

Projektion und Spaltung) und hierf¸r<br />

- auf die Entwicklung eines auf selbstst‰ndigem, realit‰tsorientiertem Wahrnehmen, Zuordnen, differenzierendem<br />

Denken (ÑDurchkauenì) beruhenden Assimilations- und Abgrenzungsvermˆgens und<br />

- auf die Fˆrderung einer gesundheitsfˆrderlichen Gegenwehr im Selbstverantwortungsbezug geachtet.<br />

So lˆsen sich auch die von der neurotischen Abwehr gespeisten Dualismen und die im spirituellen Idealfixierungsbezug<br />

entstandenen retroflexiven Abwehr- und Abh‰ngigkeitssymptome, w‰hrend die zu schwach<br />

entwickelten oder verk¸mmerten Ichfunktionen erstarken.<br />

<strong>Auf</strong> diese Weise antwortet die Gestalttherapie den evolution‰r-spirituell evozierten oder verst‰rkten Schw‰chen<br />

aber auch der neu ausgestalteten ideologischen Altlast und ihren Folgen. Sie kann dies mit ihren konzeptionell-praxeologischen<br />

Basiskonzepten nicht nur emanzipatorisch sondern auch ethisch-kurativ verantwortungsbewusst<br />

(vgl. Ethikrichtlinien). Hierbei setzt sie dem erneut politisch spirituell ausgreifenden Irrationalismus und<br />

dessen statischen Dualismus ihr dialektisch und antithetisches Wahrnehmungs- und Differenzierungsprinzip<br />

entgegen (<strong>Daecke</strong> 2007, 49 - 57), zumal es der GT von jeher darum geht, die Gegens‰tze mehr vom dynamischen<br />

Aspekt her aufzufassen als von ihren statischen Klassifikations- und Bewertungsrastern (Lewin<br />

1931).<br />

Diese wertvollen Potenziale gehen der GT mit der Dominanz des spirituellen Selbst-/ Holismusbezugs verloren.<br />

SPIRITUELLER VERSUS STRUKTURELLER GANZHEITSBEZUG<br />

In die GT dringt der spirituelle Selbst- und Grundbezug meist ¸ber die Anlehnung an die Gestalttheorie des<br />

Brentano-/ Meinong-Sch¸lers und Begr¸nders der Grazer Gestaltpsychologie Chr. Ehrenfels (1890) und seinen<br />

kosmogenen Einheits- und Ordnungsbezug ein.<br />

Dieser liefl einen irrationalistischen Ganzheitsbezug entstehen, der dem radikalen nationalistisch antisemitischen<br />

Programmatikeinfluss der P‰dagogen Lagarde und Langbehn (1851-1907) entgegenkam, wobei Letzterer<br />

auch ein Anh‰nger der f¸r die Systemiker bis heute wichtigen hypnotisch intuitiven Heilmethode war.<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 12 -


Sein Holismus erleichterte es beiden P‰dagogen, eine erste Form der Vermengung von politischem Irrationalismus<br />

und radikal dualistischem ÑNotwehr-ì bzw. Selektions- und ‹berlebens- bzw. Zukunftsbezug in die<br />

P‰dagogik und Psychologie hinein zu tragen. Beide taten sich mit dem bis heute in psychospirituellen Evolutionsglaubenskontexten<br />

noch ¸blichen Ñoperationalen Herzens-, Ethik- und Willensbezugì und der Abwertung<br />

andersdenkender Lehrengr¸nder zum Zwecke der eigenen Lehrenaufwertung hervor (Ewald 1996,<br />

<strong>Daecke</strong> 2007).<br />

Irrationalistischer Selbst-, Grund- und Ganzheitsbezug<br />

Diese Einflussgewinnung in der Grazer und Leipziger Gestaltpsychologie 22 basierte auf Ehrenfelsë(1890)<br />

gestalttheoretischer Wahrnehmung im Grundbezug auf ein Ñmystisches All-Einssein mit dem gˆttlich kosmischen<br />

Ursprungì. Dieser Holismus bot dem vˆlkisch-rassischen Holismus und den arischen Urkultur- bzw.<br />

‹bermenschgespinsten der Nationalsozialisten Einlass.<br />

Dieses ideologische Abdriften war vom Leipziger Gestaltpsychologen Kr¸ger (1903) mitgebahnt worden. Denn<br />

dieser wollte die Psychologie wieder zu einer ÑSeelenwissenschaftì machen und wandelte hierf¸r Diltheys ÑStrukturzusammenhang<br />

des Seelischenì zu einer Vorstellung des Seelischen als Ñrelativ ¸berdauerndes Gef¸geì von<br />

Anlagen und Funktionen ab. Diese Vorstellung vom Ñseelischen Seinì wurde f¸r ihn zum ÑTr‰gerì von Erleben<br />

und Entwicklung.<br />

Diese Annahme lebt im Ñintentionalen Selbstbezugì der Transpersonalen Psychologie und ihrem Evolutions-<br />

bzw. Entwicklungsglauben fort und verstrickt die Menschen bis heute in die damit verbundenen theosophischen<br />

Selbst- und Stufenentwicklungsgespinste der Evolutionsmissionen 23 , - ein Ph‰nomen, das inzwischen<br />

tief in die heutige Gestalttherapieentwicklung hineinragt.<br />

Wie dies geschieht, wird wieder an M. Gremmler-Fuhrs (1999) GT-Rezeption mit dreifachem Selbstbezug<br />

(relationales, personales und transpersonales Selbst) anschaulich, wenn sie von der Transzendenz aller im<br />

Ѹberdauernden Selbstbezug gespeicherten Identifikationenì spricht und zuletzt bei einem Ѹberpersˆnlichen<br />

Selbsterleben als Verkˆrperung universeller und kosmischer Ordnungen des Seins im mittleren Modusì<br />

landet.<br />

F¸r sein irrationalistisches Seins-, Ganzheits- und Grundkonzept bezog sich Kr¸ger auf den Begriff ÑKomplexqualit‰tì.<br />

Mit diesem definierte er das Besondere des gef¸hlsartigen Erlebens Ñvom Grundì 23 und nicht von der<br />

Ñseelischen Gestalt eines Ereignissesì her, was bis heute den konkreten Situations- und sozialen Hintergrundbezug<br />

ausblenden l‰sst.<br />

Mit Kr¸gers Seins- und Grundbezug kamen bald Ñabsolute Grund- und Entwicklungsbezugnahmenì auf,<br />

die zu einem Ñvˆlkisch absoluten Ganzheits- und Evolutionsbezugì und schon bald zu einem Ñarischen Seelen-,<br />

Grundbezugì und Ñvˆlkischen Holismusì weitergestaltet wurden. Damit hatte Kr¸gers Grundbezug<br />

den Anfang zur Ñgenetischen Ganzheitspsychologieì der Leipziger Schule gemacht.<br />

Ehrenfelsë Gestaltgesetze, Gestaltqualit‰ten und sein kosmogener Einheitsbezug lassen den irrationalistischen<br />

Seins-, Grund- und Ganzheitsbezug der Leipziger Schule bis heute m¸helos Ñprogrammatisch transponierenì.<br />

D¸rckheims zeitgeistorientierte Anpassungsleistungen zeigen, wie so erst an die NS-Programmatik<br />

und dann an die New-Age-Programmatik angepasste Seins-, Einheits- und Grundbezugnahmen entstanden.<br />

Rationalwissenschaftlicher Selbst-, Figur-Grund- und Ganzheitsbezug<br />

Die Frankfurter / Berliner Gestaltpsychologie 24 schlieflt dies aus, denn hier entstand ein rationalwissen-<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 13 -


schaftlicher Ganzheits- und Grundbezug mit sozial hintergrundorientierter Wahrnehmungspsychologie<br />

(Wertheimer 1931).<br />

Ihr Figur-/ Grundbezug war vom Neurologen und Gehirnforscher Goldstein beeinflusst, um den sich etliche<br />

Berliner Gestaltpsychologen scharten.<br />

Perls lernte diese ¸ber seine Mitarbeit am Goldstein-Institut und damit beide Theoriebildungsfelder kennen.<br />

Beide gaben der GT-Entwicklung ebenso wichtige Impulse wie die ebenfalls miteinander in Kontakt stehenden<br />

Theoriebildungsfelder der umweltbezogenen Psychoanalyse und der Frankfurter Schule.<br />

Die Perls hatten zu allen vier Theoriebildungsfeldern Kontakt, doch der organismisch leibbezogene und feldsituative<br />

Figur-Grund- und Selbstprozessbezug der GT ist stark von Goldstein und von zwei mit ihm in Austausch<br />

stehenden Berliner Gestaltpsychologen inspiriert. Hinter dem Selbstprozessansatz der GT stehen<br />

Wertheimers wahrnehmungs-, denk- und erinnerungspsychologischen Fragestellungen und Beobachtungen<br />

sowie empirisch wahrnehmungsexperimentelle und motivationsforschungsorientierte ‹berlegungen von zwei<br />

Lewinsch¸lern (Bocian 2000).<br />

Im Kontext der genannten Theoriebildungsfelder interessierte die Realit‰t, wie sie ist mit ihren Wechselwirkungsdynamiken<br />

und Auswirkungen auf den Menschen. Dies liefl in der GT einen rationalwissenschaftlich<br />

differenzierungsorientierten Ganzheitlichkeitsbezug entstehen, der das irrationalistische Ganzheitlichkeitsinteresse<br />

an evolution‰r-spirituellen Selbst-, Grund- und (Stufen-)Entwicklungsbezugnahmen genauso klar<br />

abgrenzen l‰sst wie die daraus entstehenden Wahrnehmungsverzerrungen und dualistischen Metawelten.<br />

Zudem hat sich die GT dem Menschen, dem Zwischenmenschlichen und Problemhaften zwischen Mensch<br />

und Gesellschaft von je her dialektisch und antithetisch auslotend sowie konkret hintergrund- und situativ<br />

umfeldbezogen und damit distanz- und differenzierungsorientiert zu n‰hern versucht. Dies bezeugen ihre<br />

Denk-, Sprach- und Theoriebildungstradition sowie ihre emanzipatorischen Basiskonzepte (Perls 1942/44,<br />

Perls et. al 1951, Bocian 2000)<br />

Der Figur-/ Grundbezug der GT grenzt sich vom spirituellen Holismus auch ¸ber einen Ñstrukturellen Holismusì<br />

und die Wahrnehmung struktureller Holoide (Perls 1944/ 1989, 31) ab, der durch Perls Abgrenzung<br />

von Smuts Holismus- und Strukturbezug eindeutig darlegt bleibt: ÑIch persˆnlich stimme mit der Bezeichnung<br />

Ñstruktureller Holismusì (...) ¸berein, und begr¸fle auch die Unterscheidung zwischen Ganzheiten und<br />

Holoiden (Gebilden, die Ganzheiten ‰hneln); (...) wenn die menschliche Persˆnlichkeit ein Ganzes ist, kˆnnen<br />

wir Komplexe und Wiederholungsmuster Holoide nennen. In dem Konzept von Smuts ist jedoch die Gefahr<br />

der Vergˆttlichung enthalten, und ich bin nicht geneigt, ihm in dem zu folgen, was ich einen idealistischen<br />

oder sogar theologischen Holismus nennen w¸rdeì. Perlsë struktureller Ganzheitsbezug fokussiert individuumzentriert<br />

feldsituativ und im gesellschaftlichen Hintergrundbezug.<br />

Der Grundbezug der GT hat aber auch noch statt des starren Idealentwicklungs- oder Stufen- und Gestaltordnungsbezugs<br />

eine Bed¸rfnis-, Interessenausrichtung und damit ein Interesse an der Vervollst‰ndigung der<br />

Ichfunktionen. Ziel ist nicht WEGfolge und spirituelle WEGleibentwicklung sondern ein selbstverantworteter<br />

Individuationsprozess. Auch ist nicht ein Licht-Dunkel-Fokus von zentraler Bedeutung sondern ein Dynamischbleiben<br />

von dem, was situations- bzw. interessen- und selbstprozessgebunden f¸r den Menschen in<br />

den Vordergrund oder Hintergrund tritt.<br />

Differenzierungsorientierter Grund- und Gesellschaftshintergrundbezug<br />

Diese Ausrichtung ermˆglicht einen differenzierungsorientierten Blick auf situative Interessendurchsetzungs-<br />

und Abwehrdynamiken im Sog kultureller und konkret historischer Gesellschaftseinfl¸sse. Die GT<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 14 -


hat hier eine strukturelle Perspektive auf das Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichem Realit‰ts- und Interessenhintergrund<br />

und bed¸rfnisorientiertem Grundbezug.<br />

Dies geht ebenfalls auf Goldsteins Vordergrund-Hintergrundbezug (Votsmeier 1995) bzw. kategorialen<br />

Wahrnehmungsbezug zur¸ck, den die Perls (1944/ 89) ¸bernahmen. Seinen Verlust sahen sie als Vorstufe<br />

pathologischer Entwicklungen mit verh‰ngnisvollen Folgen f¸r das Zuordnen und Handeln der Menschen<br />

(ebda. 32).<br />

Sie verdeutlichten dies im gesellschaftlichen Hintergrundbezug an der im NS-Holismus betriebenen politischen<br />

Nutzung der oralen Abwehrdynamiken, insbesondere der introjektiven, retroflexiven und narzisstischen<br />

Abwehr. Sie zeigten, wie leicht die Ichfunktionen im Sog gruppenholistischer Prozesse mit starker<br />

Idealfixierung verloren gehen kˆnnen und wie raffiniert sich Hitler der hierbei entstehenden gegenl‰ufigen<br />

oralen Psychodynamiken zur Herstellung des kollektiven NS-Holismus und seiner Ausdehnung zu bedienen<br />

wusste (ebda. 147, 159 f).<br />

Diese differenzierungsorientierte Wahrnehmung mit gesellschaftlichem Hintergrundbezug aber auch die<br />

Orientierung an den ethischen Richtlinien der DVG schlieflen klar ein Abgleiten ins Irrationalistische, Spirituell-<br />

Programmatische und den dar¸ber strukturell entstehenden Machtmissbrauch aus (vgl. DVG Satzung, Punkt III,<br />

Ethikrichtlinien Punkt 10.3).<br />

Trotzdem droht der kategoriale und differenzierungssorientierte (Goldstein) Wahrnehmungsbezug der GT<br />

mit seinem sozialpsychologisch gesellschaftskritisch (Wertheimer / Fromm / Frankfurter Schule) und antithetisch<br />

auslotenden (Friedl‰nder) Potenzial zugunsten eines gl‰ubigen Zur¸ckfallens in evolution‰rspirituelle<br />

Dualismen und absolute Geschichts- und Entwicklungsmodelle (Wilber 1995) verloren zu gehen.<br />

<strong>Auf</strong> die potenziell ideologische Gleitfunktion dieses irrationalistischen Holismus und seiner Absolutheitskonstrukte<br />

verweist uns die in der GT von Anfang an angelegte, konkret historische Zeitgeschichtsperspektive.<br />

Sie l‰sst uns auf das sich zu rasch Ver‰ndernde, Strukturbr¸chige im Grund- / Gesellschaftshintergrund<br />

achten und wahrnehmen, wie sich dieses individuell und feldsituativ auswirkt.<br />

Dies l‰sst uns auch die faktischen Auswirkungen und irrationalistischen Verarbeitungsweisen der aktuellen<br />

Wirtschaftskrise mit ihrer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft einschliefllich der transgenerationellen<br />

Themen im Wahrnehmungs- und Konfliktverarbeitungshintergrund unserer Klienten wie bei uns selbst<br />

mitsehen.<br />

Diese Potenziale der GT sind f¸r ihre Weiterentwicklung richtungsweisend. Nutzen wir sie.<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 15 -


Anmerkungen<br />

1<br />

Vgl. www.tradierungsstudie.de<br />

2<br />

Das war kurz vor Pinochets Machtergreifung; zur Missionseinbindung diente eine zwischen Euphorie und<br />

Angst wechselnde Gruppendynamik, die das Ich auf leiblicher, psychischer und mentaler Ebene entgrenzen,<br />

aushebeln und nach Gurdieffs Enneagramm-Idealen umformen lassen sollte. Hilfsmittel: Astrologie, esoterische<br />

Chakrenarbeit, Schamanismus-, Sufismus-, Tantraelemente und Gestalttherapietechniken (Ch.T. Tart,<br />

1975).<br />

3<br />

Dies ist schon rein zeitlich nicht mˆglich. Hubbards ÑDianetikì erschien erst 1951. Naranjo trug Gurdieffs<br />

Enneagramm bis in amerik. Kirchenkontexte. Es dominiert auch das Kellerkinder-Projekt.<br />

4<br />

Perls/Hefferline/Goodman 1969, 13: ÑThe Zen idea of absolute awareness in my opinion is nonsense. Absolute<br />

awareness can not possibly exist because as far as I know, awareness always has content. One is always aware of<br />

something.ì<br />

Zum spirituellen Selbstbezug heiflt es (ebda. 6 ff): ÑBasically, we call the egobundary the differentiation between<br />

the self and the otherness, and in Gestalt Therapy we write the self with a lower case s. I know that many people<br />

psychologists like to write the self with a capital S, as if the self would be something precious, something etxtraordinarily<br />

valuable. They go to a discovery of the self like a treasure-digging. The self means nothing but this thing<br />

as it is defined by otherness. ÑI do it myselfì means that nobody else is doing it, it is this organism that does itì. Er<br />

definiert das Selbst (in Anlehnung an Goldstein) damit nicht im spirituellen Absolutheits- / Grundbezug sondern<br />

prozesshaft und Ñleibhaftigì: ÑHealth is an appropriate balance of the coordination of all what we are (..) the very<br />

moment we say we have an organism or we have the body, we introduce a split - as if thereís an I that is in possession<br />

of the body or the organism. We are a body, we are somebody. So itís the question of being rather than<br />

having. This is why we call our approach the existential approachì (vgl. hierzu auch Fromms ÑSein und Habenì<br />

und Petzolds aus Perls Leibbezug hervorgegangenes Leibselbst, biopsychosoziales Selbst).<br />

5<br />

ÑDie hˆheren menschlichen Bed¸rfnisse sind also biologisch. (...) Wenn diese Bed¸rfnisse nicht erf¸llt<br />

werden, resultiert Pathologieì (Maslow 1982, 24). Auch in Scientology bezeugt Krankheit minderwertige<br />

psychische Entwicklungsleistungen.<br />

6<br />

J. Halifax folgte dem Rat der Theosophiechefin A. Besant und liefl sich - wie der Pr‰sident der HP und<br />

Geomant Keyserling (<strong>Daecke</strong> Bd 1, 2006, 325 - 333) - in das neoschamanistische Medizinrad-Network des<br />

H. R. Swift Deer einweihen, was die TP-Expansion antrieb (<strong>Daecke</strong>, Bd 2, 30 f, 70, 83 - 93, 129, 131, 404,<br />

419, 490, 499)<br />

7<br />

<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, S. 155 - 312: vgl. hier auch R¸tte-Ans‰tze wie die von Hippius, Loomans, Hellinger,<br />

Wilber;<br />

8<br />

<strong>GESTALTTHERAPIE</strong> 1, Nr. 23, 2009, 30 ff, 36 (Memento-Mori-Tagung in Z¸rich)<br />

9<br />

Zur Gaia-Initiation der New-Age-Bewegung: <strong>Daecke</strong> 2006, Bd 1, 205, 259, 303; Bd 2, 227, 299; zu Capras<br />

Tiefenˆkologie (Esalen): <strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 144 - 154; zu Grof, Wilber und Capra im Kontext des<br />

ÑHolon-Networksì und seinen Holakratie-, ÑIntegrale Politikì-Konzepten siehe auch D. Federlein (2003)<br />

10<br />

Seine Demontagestrategie beruht bis heute auf pauschalen Behauptungen und Entwertungen gegen¸ber<br />

Freud und Perls (vgl. auch Wheeler (Esalen), Hohenrodaer GT-Tagung 2006), denen meist Neudefinitionen<br />

zentraler Begriffe und Konzepte folgen.<br />

11<br />

Szasz hieb in ÑZuckerbrot- und Peitschenmanierì auch auf die Emanzipations- und Friedensbewegten, die<br />

Psychiatriereformer und die Vertreter von Demokratie und Sozialstaat, auf Obdachlose, Bed¸rftige, Kranke,<br />

ƒrzte, Rechtsanw‰lte, Psychologen und Sozialberufler ein (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 404 - 574).<br />

12<br />

Weitere Grundlagen der IT waren: die Experimente/ Konzepte aus dem ÑQuadratì (4 Leipziger u. Grazer<br />

Gestaltpsychologen), Elemente aus Drieschs und Steiners esoterisch-energetischen Heilslehren, Heilp‰dagogik<br />

und aus Jungs Analyse.<br />

13<br />

Zu Verquickungen mit Evola vgl. <strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 9, 31, 37, 97, 122 f, 156, 160 f, 166 f, 197, 199 f,<br />

208, 213, 219, 243, 302, 349, 384, 388, 480, 554, Anm. (489)<br />

14<br />

Zu den Programmatiken mit Ñeurop‰ischem Satori-Bezugì: vgl. <strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 78, 167, 171, 187,<br />

193, 203 f, 216, 218, 227, 293, 302, 498; zur DUR (europ. Religion, Neue Rechte) 17, 37, f, 68 f, 78, 149<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 16 -


f, 160, 194 - 203, 302, 488 f, 506, 549, Anm. (179)<br />

15<br />

Dieses St‰rkeideal spiegelt auch eine gesellschaftssystemische Omnipotenz wieder, die auf industriellwissenschaftlicher<br />

Ebene entstand. Omnipotenz taucht bei D¸rckheim in Form einer grandiose Kr‰fte verleihenden<br />

Partizipation an einem inner- und auflerweltlichen Divinit‰tsbezug und im konfluent-magischen<br />

Seinskontext auf (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 223).<br />

16<br />

<strong>Daecke</strong> 2007, 324 - 456, 485 - 497; 2006, Bd 2, 1, 8, 45, 49 f, 86, 106 f, 119, 133, 138, 152, 177, 179 f, 207,<br />

211 f, 221, 224, 227 f, 233 f, 255, 268, 286, 290 f, 293, 300, 339, 346, 359, 385, 541, 569, 640, Anm. (17),<br />

(288)<br />

17<br />

Strukturelle Analogien im Evolutionsbezug mit zunehmendem ÑH‰rtegradì sind z. B. Wilbers (1996) ÑHyrophantische<br />

Opferì, George Sessions (Vertreter der ÑIntegralen Politikì des Holon-Networks) Ñdrastische Reduktion<br />

der Weltbevˆlkerungì (Ideen) und die Kriegspolitik, Holocaust, Muspili (real) unter Hitler<br />

18<br />

Ihr F¸hrungs-, Elitenbezug lehnt sich an hinduistischen Wiedergeburts-, Zeitalter-, Kastenlehren, Reinheits-/ Unreinheitsdogmen<br />

und eine Ñarische Priesterkasteì an.<br />

19<br />

Vgl. Wilbers Ñabsoluter Grund-, Seins- und Geschichtsbezugì (<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 261 - 313)<br />

20<br />

Steiner sah die Rassenvermischung als Entwicklungschance. Er bezieht sich aber auch auf Rassenentwicklungsstufen.<br />

21<br />

<strong>Daecke</strong> 2007, 49 - 57, 710 - 719, 735; Perlsë Darlegung der retroflexiven Abwehr (1944/ 89, 51) im<br />

Idealfixierungs- und Gruppenholismuskontext ist f¸r die Arbeit an den krank machenden Introjekten aus<br />

dem Evolutionsideologiekontext hilfreich.<br />

22<br />

<strong>Daecke</strong> 2006, Bd 2, 639; <strong>Daecke</strong> 2007, 728, 731, 739, 747. Die Grazer Gestaltpsychologie vertreten Chr.<br />

von Ehrenfels, Meinong, Benussi, Weinhandl und die Leipziger Gestaltpsychologie Krueger, Sander,<br />

D¸rckheim, Volkelt, Rudert und Wellek.<br />

23<br />

Maslow definierte das ÑIntentionale Selbstì als universell entwicklungswirksamen, humangenetischen Anteil<br />

am Spirituell-Evolution‰ren in der zivilisatorischen Menschheitsentwicklung und wertete Psychologien<br />

ohne Bezug auf Ñhˆhere Bed¸rfnisseì als Mastdarmpsychologien ab. Dies tradiert evolution‰r-ideologische<br />

Strukturelemente der Ñgenetischen Gestaltpsychologieì in der TP.<br />

24<br />

Ihre Vertreter sind Wertheimer, Koffka, Kˆhler, Lewin, Heider und Metzger. Sie emigrierten 1933.<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 17 -


Literatur<br />

BOCIAN, B. (2000): Von der Revision der Freudíschen Theorie und Methode zum Entwurf der Gestalttherapie<br />

in BOCIAN, B. / STAEMMLER, F.-M. (Hg), Gestalttherapie und Psychoanalyse (Gˆttingen)<br />

DAECKE, K. (2006, 2007/ 2009): Moderne Erziehung zur Hˆrigkeit? Die Tradierung strukturellfaschistischer<br />

Ph‰nomene in der evolution‰ren Psychologieentwicklung und auf dem spirituellen Psychomarkt.<br />

Ein gestalttherapeutisch inspirierter Beitrag zur zeitgeschichtlichen Introjektforschung in drei B‰nden<br />

(Neuendettelsau).<br />

DAECKE, K. (Bd 1, 2006): Der Tradierungsgrundbestand und seine Ausgestaltung in den wichtigsten Pilotprojekten<br />

der New-Age-Bewegung und auf dem Psychomarkt<br />

DAECKE, K. (Bd 2, 2006): Die evolution‰re Psychologieentwicklung nach dem zweiten Weltkrieg und ihre<br />

Bedeutung f¸r die New-Age- und New-Era-Bewegung<br />

DAECKE, K. (Bd 3, 2007 / 2009): Strukturell-ph‰nomenologische Grundlagen einer ideologiekritischen<br />

Psycho- und Soziotherapieforschung im Mehrgenerationenfeld. Methoden und Ergebnisse<br />

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GREMMLER-FUHR, M. (1999): Grundkonzepte und Modelle der Gestalttherapie. (Ebda.)<br />

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(Osterwieck-Harz)<br />

ZEIG, J (Hrsg, 1991): Psychotherapie, Entwicklungslinien und Geschichte (T¸bingen)<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 18 -


Zur Autorin:<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> (Mag. Soz., Pol., P‰d.), Gestalttherapeutin und integrative Bewegungstherapeutin.<br />

Seit Anfang der 90er Jahre: Arbeit mit Gesch‰digten aus den modernen Evolutionsmissionen und ihren Meditations-<br />

und Psychomarktprojekten, deren Eltern, Grofleltern etc. oftmals einen NS-<br />

Identifikationshintergrund hatten.<br />

Wissenschaftliche Verarbeitung und Auswertung dieser Erfahrungen in: ÑModerne Erziehung zur Hˆrigkeit?<br />

Die Tradierung strukturell-faschistischer Ph‰nomene in der evolution‰ren Psychologieentwicklung und auf<br />

dem spirituellen Psychomarktì (3 B‰nde).<br />

Zum strukturell-ph‰nomenologischen Untersuchungsansatz der Studie siehe: www.tradierungsstudie.de<br />

<strong>Karin</strong> <strong>Daecke</strong> © - 19 -

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