BERLIN - Veranstaltungskalender für Körper Geist und Seele
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26<br />
Das Buch der<br />
Geheimnisse<br />
Das Vigyan Bhairav Tantra ist eine alte tantrische<br />
Schrift, die der indischen Mythologie zufolge von Gott<br />
Shiva der Welt überbracht wurde. Sie enthält nicht weniger<br />
als 112 Meditationstechniken. Diese bilden die<br />
Gr<strong>und</strong>lage aller Meditationstechniken überhaupt – so<br />
sagt Osho. Jeder wird unter diesen Techniken eine finden,<br />
die <strong>für</strong> ihn geeignet ist. Aus den 1.400 Seiten haben<br />
wir eine kleine, passende Passage herausgesucht - mit<br />
fre<strong>und</strong>licher Genehmigung des Verlages.<br />
Über das Schauen<br />
„Für das Kind ist das Essen das Gr<strong>und</strong>bedürfnis. Aber<br />
sollte einmal ein Kind zur Welt kommen, das selbstgenügsam<br />
wäre, das keine Nahrung brauchte, keinerlei<br />
äußere Hilfe, um zu überleben, würde es die Welt völlig<br />
links liegen lassen. Oder seid ihr anderer Meinung? Es<br />
wäre kein Bedürfnis da. Und ohne ein Bedürfnis setzt<br />
sich die Energie nie in Bewegung. Wir gehen nicht<br />
nach außen, weil wir Sünder sind; wir gehen nach außen,<br />
weil wir Bedürfnisse haben, die sich nur durch<br />
Objekte befriedigen lassen – Objekte, die nur erlangt<br />
werden können, indem wir uns in die Welt der Objekte<br />
hineinbegeben.<br />
Warum geht ihr nicht nach innen? Weil ihr noch<br />
nicht das Bedürfnis geweckt habt, nach innen zu gehen.<br />
Wenn das Bedürfnis erste einmal da ist, dann könnt ihr<br />
genauso leicht nach innen gehen wie nach außen. Was<br />
<strong>für</strong> ein Bedürfnis ist das?<br />
Dieses Bedürfnis hat mit Religion zu tun. Ihr könnt<br />
nicht religiös sein, es sei denn, dieses Besürfnis ist da.<br />
Wie wird dieses Bedürfnis geweckt? Durch welchen<br />
Vorgang wird man sich eines tiefen Bedürfnisses bewusst,<br />
das dir hilft, nach innen zu gehen?<br />
Da ist zuerst der Tod. Denkt daran: Alle Lebensbedürfnisse<br />
zwingen euch, nach außen zu gehen. Wenn<br />
ihr nach innen gehen wollt, muss der Tod zu einer<br />
Gr<strong>und</strong>sorge werden. Darum geschah es, dass sich ein<br />
Mensch wie Buddha, als er sich zutiefst des Todes<br />
bewusst wurde, nach innen kehrte. Erst wenn man sich<br />
des Todes bewusst wird, entwickelt man das Bedürfnis<br />
rückwärtszuschauen.<br />
Das Leben schaut nach vorn. Solange man sich nicht<br />
des Todes bewusst wird, ist Religion bedeutungslos<br />
<strong>für</strong> euch. Darum haben Tiere keine Religion. Sie sind<br />
lebendig – so lebendig wie der Mensch, wenn nicht gar<br />
mehr. Aber sie können sich nicht des Todes bewusst<br />
sein, sie können sich den Tod nicht vorstellen, sie<br />
können den Tod nicht auf sich zukommen sehen. Sie<br />
sehen zwar, wie andere sterben, aber es kommt keinem<br />
Tier in den Sinn, dass dieser Tod auch ein Hinweis auf<br />
seinen eigenen Tod ist.<br />
Für den Tierhorizont stößt der Tod immer nur anderen<br />
zu. Und solange <strong>für</strong> dich der Tod lediglich etwas ist,<br />
was nur anderen zustößt, lebst auch du noch mit dem<br />
Tierhorizont. Wenn du dir nicht des Todes bewusst<br />
bist, bist du noch nicht Mensch geworden. Das ist der<br />
Gr<strong>und</strong>unterschied zwischen Tier <strong>und</strong> Mensch: dass<br />
Tiere nichts vom Tod wissen können; das kann nur der<br />
Mensch. Wenn du dir nicht des Todes bewusst bist, dann<br />
bist du noch nicht Mensch. Nur der Mensch entwickelt<br />
das Bedürfnis, nach innen zu gehen.<br />
Für mich heißt Menschsein Todesbewusstsein. Damit<br />
sage ich nicht, ihr solltet Angst vor dem Tod haben. Da<br />
ist nicht Bewusstheit. Macht euch lediglich die Tatsache<br />
bewusst, dass der Tod immer näher rückt <strong>und</strong> ihr darauf<br />
vorbereitet sein müsst.<br />
Das Leben hat seine eigenen Bedürfnisse, der Tod<br />
erzeugt seine eigenen Bedürfnisse. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />
sind jüngere Gesellschaften unreligiös – weil jüngere<br />
Gesellschaften sich des Phänomens Tod noch nicht<br />
bewusst sind; es ist <strong>für</strong> sie noch kein dringliches Problem<br />
geworden. Eine ältere Gesellschaft, z.B. Indien,<br />
eine der ältesten Gesellschaften überhaupt, ist allzu<br />
todesbewusst. Wegen dieser Bewusstheit ist Indien tief<br />
im Inneren religiös.<br />
Das Erste also: Macht euch den Tod bewusst. Denkt<br />
über ihn nach, schaut ihn an, versenkt euch hinein. Habt<br />
keine Angst, lauft nicht vor der Tatsache davon. Er ist<br />
da, <strong>und</strong> ihr könnt ihm nicht entrinnen. Er ist zugleich<br />
mit euch in die Existenz getreten.“<br />
Osho: Das Buch der Geheimnisse – 112 Meditations-Techniken<br />
zur Entdeckung der inneren Wahrheit, arkana, München, 2.<br />
Au�age 2012, 1414 Seiten, 29,95 Euro<br />
KGSBerlin 11/2012<br />
Foto: © Pascaline Lopez - Fotolia.com