Ersti-Info - GWDG
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otation g Bundestagswahl<br />
den Schluß zu, dass viele SPD-WählerInnen aus<br />
Unterstützung für Rot-Grün Grüne gewählt<br />
haben. Angesichts der häufigen Spekulationen<br />
über Rot-Gelb oder große Koalition war ein<br />
solch taktisches Verhalten verständlich.<br />
Die FDP beweist vor allem die Heruntergekommenheit<br />
des Parteiliberalismus in Deutschland.<br />
Eine irgendwie liberale Positionierung haben<br />
die beiden Leitwölfe der FDP nicht versucht.<br />
Stattdessen hat Westerwelle den Weg einer<br />
Steuerprotestpartei versucht, Möllemann<br />
den einer, nun, „antiisraelischen“ Protestpartei.<br />
Das ganze wurde mit 18% Selbstsuggestion angereichert.<br />
Unerfolgreich war das ganze nicht,<br />
immerhin ein deutlicher Zuwachs, besonders in<br />
NRW. Gescheitert ist die FDP gemessen an<br />
ihren eigenen Erwartungen, die viele Medien<br />
gerne hochgeschrieben haben. Gescheitert ist sie<br />
natürlich vor allem aus einem Grund: Sie ist<br />
nicht an der Macht. Schade ist das nicht, da ihr<br />
Programm reiner Neoliberalismus war. Halt<br />
machte er nur vor eigenen Klientel wie z. B. der<br />
Pharmaindustrie, Apothekern oder Handwerksmeistern<br />
(nicht Gesellen!).<br />
g Schwache Argumente,<br />
schwache Personen<br />
Das Scheitern der PDS lässt sich am besten<br />
durch ihren eigenen Slogan erklären. Wer Stoiber<br />
nicht wolle und Schröder nicht traue, solle PDS<br />
wählen. Die sei nämlich für den Frieden. Mit<br />
anderen Worten, Schröder hatte schon die richtigen<br />
Positionen, aber man konnte ihm nicht<br />
trauen. Die größere Vertrauenswürdigkeit der<br />
PDS – ein schwaches Argument. Die andere<br />
Standardfigur der PDS, der gute alte Jammerossi,<br />
hatte sich auch etwas abgebraucht. Noch<br />
dazu trat die PDS mit einem Viererteam an,<br />
dessen Mitglieder wahrscheinlich keine 2% der<br />
BürgerInnen aufzählen konnten.<br />
Was aber wird Rot-Grün nun mit seiner<br />
Mehrheit anfangen? Daß sie sich auch mit einer<br />
knappen Mehrheit an der Macht wird halten<br />
können, ist wohl relativ sicher. Die Leitlinien<br />
in den letzten vier Jahren waren Neue-Mitte-Neoliberalismus<br />
im Inneren und die unumgängliche<br />
Intervention der internationalen Ge-<br />
Seite 35<br />
meinschaft in der Außenpolitik. Die internationale<br />
Gemeinschaft waren die USA und ihre Verbündeten,<br />
die dann auch festlegten wer gerade<br />
der Diktator war.<br />
g Was macht Rot-Grün<br />
daraus?<br />
Beide Leitbilder wurden im Wahlkampf offen<br />
oder versteckt aufgegeben. An Interventionen<br />
der USA muß sich Deutschland nicht mehr<br />
per Sachzwang beteiligen. Der schon aufgegebene<br />
Pazifismus der 80er wurde wiederbelebt.<br />
Nachdem die eigene Anhängerschaft damit angesprochen<br />
wurde, kann er nicht umstandslos<br />
wieder aufgegeben werden. Ebenso sollte der<br />
„deutsche Weg“ auch den Sozialstaat gegen amerikanische<br />
Verhältnisse verteidigen. Zu dieser<br />
guten alten Sozialstaatsrhetorik steht das Hartz-<br />
Papier mit seiner „Die Arbeitslosen wollen nur<br />
nicht arbeiten“-Ideologie in einem harten Widerspruch.<br />
Besonders deutlich wird der Unterschied<br />
bei den Grünen, wo der Oberneoliberale<br />
Metzger verschwunden ist, der grüne Anachronismus<br />
Ströbele hingegen wieder dabei ist.<br />
Die SPD-Linke zieht schon den voreiligen<br />
Schluß, weil ans sozialdemokratische Gemüt<br />
appelliert wurde, müsste jetzt auch automatisch<br />
wieder klassisch linke sozialdemokratische Politik<br />
betrieben werden. Das gibt es mit Schröder<br />
denn nun doch nicht. Dennoch wird jede Regierung,<br />
die nur einige disparate Einzelaktionen,<br />
getrieben vom Augenblick durchführt, scheitern.<br />
Im Wahlkampf mag das funktionieren, aber auf<br />
Naturkatastrophen und andere Zufälle kann sich<br />
eine Regierung nicht verlassen.<br />
Hoffentlich gibt es eine wirklich friedliche<br />
und multilaterale Außenpolitik und nicht nur<br />
eine im Worten schöne, in Taten opportunistische.<br />
Möglicherweise kann der Sozialstaat wirklich<br />
weiterentwickelt anstatt schrittweise ausgehöhlt<br />
zu werden. Und nicht zuletzt ist eine Bildungspolitik<br />
denkbar, die wirklich gleiche Bildungschancen<br />
ermöglicht, und nicht die Studierenden<br />
mit Studiengebühren zu Sündenböcken<br />
und Milchkühen zugleich macht.<br />
Dann - und nur dann - hätte die knappe Rettung<br />
von Rot-Grün einen Sinn.