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FORUM WARE - DGWT

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NACHHALTIGKEIT 9<br />

Funktionalität, die einerseits nur im Kontext der individuellen Lebens- und Güterwelt steht und andererseits<br />

ganz klar von der vollständigen Verfügbarkeit abhängt, die wiederum an das Eigentum gebunden ist.<br />

4. Zusammenfassung: Nachhaltiger Konsum zwischen kaufen, haben, nutzen<br />

4.1 Kaufen und Wegwerfen - die Logik der industriellen Massenproduktion<br />

Die Massenproduktion der Industrialisierung beruht auf dem Gesetz des Größeneffektes (economy of scale),<br />

wonach die Stückkosten sinken, je mehr Stück eine Anlage, ein Betrieb produziert. Der nahezu alle Märkte<br />

dominierende Preiswettbewerb führt zu einer sich selbst beschleunigenden Spirale. Unter den gegebenen<br />

Rahmenbedingungen (niedrige Rohstoff- und Transportkosten, steigende Kosten der menschlichen Arbeit) ist<br />

es ökonomisch sinnvoll, immer größere Anlagen zu errichten. Die Automatisierung der Anlagen nimmt zu, die<br />

Anlagen werden somit komplexer und teurer und – können nicht gekündigt werden (wie Menschen), ein Stillstand<br />

kostet somit viel Geld. D. h., es muss dafür gesorgt werden, dass die Anlagen ausgelastet sind. Dies führt<br />

notwendigerweise dazu, dass die Nachfrage zumindest gleich bleiben, wenn nicht sogar erhöht werden muss.<br />

In ungesättigten Märkten ist dies kein Problem, in gesättigten Märkten aber sinkt die Nachfrage auf das Maß<br />

der Ersatzinvestitionen – damit wären viele Anlagen nicht ausgelastet (vgl. Stahel and Giarini 2000: 48f.), die<br />

Stückkosten würden wieder steigen, die Wettbewerbsfähigkeit sinken. Da sich Kosten nicht unendlich reduzieren<br />

lassen, Standorte sich nicht unendlich in billigere Regionen verlagern lassen, müssen marktseitige Initiativen<br />

ergriffen werden. In gesättigten Märkten muss die Nachfrage nach Gütern sozusagen künstlich erhalten<br />

oder gar erhöht werden, dies mit technischen als auch mit nicht-technischen Strategien. Als technische Strategien<br />

erfolgreich sind z. B. immer kürzere Innovationszyklen, die Verkürzung der Produktlebensdauer oder die<br />

Erhöhung der Gütervielfalt.<br />

Als nicht-technische Strategien werden Güter mit Wünschen, Visionen und Träumen verknüpft präsentiert<br />

und so symbolisch aufgeladen. Damit soll Gütern mit viel Aufwand Bedeutung verliehen werden, etwas, das<br />

möglicherweise in früherer Zeit durch längere Herstell- und Nutzungszeiten anders oder gar von selbst entstand.<br />

Die durch die industrielle Produktion verursachte Entfremdung des Menschen von seinen vergegenständlichten<br />

Ideen und die dadurch verloren gegangene Möglichkeit, sich mit der Herstellung materieller Güter<br />

zu identifizieren, soll im Konsumprozess wieder wettgemacht werden. Zu den Gütern sollen Beziehungen<br />

entstehen, das menschliche Selbst soll sich, wenn schon nicht in der Produktion, dann wenigstens im Konsum<br />

(im weiteren Sinn von Kaufen, Haben oder Nutzen) wiederfinden und entfalten können. Je kurzlebiger Güter<br />

sind, umso weniger Identifikationspotenzial bieten sie jedoch, umso weniger ist vielleicht das Haben und Nutzen<br />

von Relevanz. Was bleibt ist das Kaufen und die relativ bald nicht mehr gewollten, genutzten oder nutzbaren<br />

Güter sollen weder den einzelnen noch die Gesellschaft belasten, eine gut funktionierende Abfallwirtschaft<br />

nimmt die Sorgen um das Danach ab („ent-sorgen“). Dieses linear-industrielle System hat kein Interesse an<br />

einem nachhaltigeren Umgang mit Gütern, der zu einem Weniger an Ressourcenverbrauch führen soll. Nach<br />

der industriellen Logik haben wirtschaftliche Systeme in Wohlstandsländern (in gesättigten Märkten) immer<br />

weniger Interesse, die Gesellschaft mit wichtigen und qualitativ hochwertigen Gütern zu versorgen. Stattdessen<br />

wird zunehmend mehr Geld in die Herstellung von Bedeutung der Güter investiert, um das bestehende<br />

System, basierend auf dem Paradigma eines immerwährenden Wachstums, zu erhalten. Die eigentliche Herausforderung<br />

in gesättigten Märkten besteht somit darin, Produkte, Pfade, Wege zu entwickeln, um eigentlich<br />

bedeutungslosen Dingen Bedeutung – und damit Identifikationsmöglichkeiten – zu verleihen.<br />

4.2 Bedeutung – kommt und geht – das Problem eines nachhaltigen Umgangs mit<br />

Waren<br />

Was aber ist Bedeutung und wie entsteht sie? Bedeutung steckt nicht in den Dingen „wie ein Keks in einer<br />

Schachtel“ (documenta, Besucherschule d7/d6, Kassel 1982). Man kennt das vielleicht aus der modernen bzw.<br />

abstrakten Kunst, also jener Art von Kunst, bei welcher man von außen oft nicht vermuten kann, welche<br />

Bedeutung in ihr steckt. Man sucht nach der Bedeutung des Kunstwerks – was drückt es aus? Was will der<br />

Künstler damit sagen? Anhand von allfälligen Beschreibungen oder Erklärungen wird verständlich, was der<br />

Künstler/die Künstlerin an Bedeutungen in ihre Objekte „hineinbugsieren“. Ähnlich ist es mit den Dingen des<br />

Alltags. Funktionalität, Aussehen, Haptik und Informationen (z. B. Gebrauchsanweisung, Werbung, Image)<br />

schaffen eine unendliche Vielfalt an Bedeutungsmöglichkeiten, die erst durch das Aufgenommen sein in die<br />

konkrete Lebenswelt eines Individuums praktisch bedeutsam und spezifisch, also einzig werden. Um das<br />

bestehende industrielle Wirtschaftssystem aufrechtzuerhalten, genügt es nun aber nicht, dass Dinge genügend<br />

Bedeutungspotenzial erhalten um Individuationsprozesse zu unterstützen.<br />

Mindestens genauso wichtig in dem „Schnellersatz-System“ der Industrie (siehe oben) ist es, dass die<br />

Gegenstände des Alltags ihre Bedeutung auch wieder relativ rasch verlieren, weil ja Bedeutung durch andere,<br />

neuere Güter realisiert werden soll. Wenn immer kürzere Innovationszyklen und eine steigende Produktvielfalt<br />

<strong>FORUM</strong> <strong>WARE</strong> 38 (2010) NR. 1 - 4

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