FORUM WARE - DGWT
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WIRTSCHAFT – GESELLSCHAFT - NATUR 63<br />
ZU DEN BEITRÄGEN AUS DER FESTSCHRIFT FÜR<br />
PROF. DR. SEIFERT: „WIRTSCHAFT – GESELLSCHAFT – NATUR“<br />
Djordje Pinter*<br />
Diese Ausgabe von Forum Ware enthält drei Beiträge aus dem Bereich Evolution, Bio- und Umweltökonomie aus der<br />
Festschrift für Prof. Dr. Seifert „Wirtschaft-Gesellschaft-Natur – Ansätze zu einem zukunftsfähigen Wirtschaften“ 1 In<br />
dieser Festschrift wird verdeutlicht, dass in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen sowohl richtungsweisende<br />
Wahrnehmungen, als auch Lösungsvorschläge für nachhaltige Maßnahmen vorhanden sind, die jedoch teilweise noch<br />
weiterer Fundierungen bedürfen. Die Festschrift umfasst in sieben Bereichen insgesamt 40 Beiträge. Die Auswahl der<br />
drei hier aufgenommenen Beiträge, die im nächsten Heft fortgeführt werden soll, bietet eine evolutionsorientierte<br />
Erweiterung der Wissenschaften im Allgemeinen und ökonomische Theorie im Speziellen. Dabei wird die<br />
„Pfadabhängigkeit“ der menschlichen Zivilisation und Verbindung von Physis, Biologie und evolutionsbedingter<br />
Soziologie im Bereich der Wirtschaft hervorgehoben.<br />
In seiner für die (Wirtschafts-)Wissenschaften wissenschaftstheoretisch und methodisch grundlegenden Betrachtung<br />
der Anwendung evolutionärer Mechanismen auf verschiedenen Anwendungsebenen, unter der Annahme der veralteten<br />
Vorstellung einer universellen Evolution, stellt Erhard Oeser fest, dass dieser evolutionäre Mechanismus nicht nur die<br />
unterschiedlichen Phasen und Prozessstufen der präbiotischen, biotischen und postbiotischen Evolution verbindet,<br />
sondern auch trennt. Eine „Transformation“ in andere Wissensgebiete erfordert wissenschaftstheoretisch einen<br />
methodologisch geregelten Prozess der Begründung und Rechtfertigung, der stufenweise nach dem Grad der Präzision<br />
auf verschiedenen Vergleichsebenen erfolgen muss. Mit der Anwendung dieses Konzepts auf die<br />
Wirtschaftswissenschaften kann ein methodischer Paradigmenwechsel begründet werden, von der Mechanik zur<br />
biologischen Evolution (die auch die Mechanik enthält); d. h. an die Stelle der Wirtschaft als planbarem,<br />
deterministischem, geschlossenem und linearen System tritt die Vorstellung von einem „lebendigen“, offenen und<br />
komplexen System.<br />
Franz Wuketits hebt ebenfalls eine enge Beziehung von Ökonomie (als „Ökologie der Wechselwirkung von<br />
Menschen und Umwelt“) und Natur hervor, die evolutionär bedingt ist. Verdiensten Darwins in der Entwicklung von<br />
einem statischen zu einem evolutionären Weltbild stehen beharrlich Missinterpretationen, wie der Sozialdarwinismus,<br />
entgegen – aus der Evolutionstheorie könne aber nicht auf ein bestimmtes statisches Gesellschaftsmodell geschlossen<br />
werden. In historischer Perspektive stellt F. Wuketits fest, dass der prähistorische Mensch keine Form des<br />
Wirtschaftens i. e. S. zeigte, aber den Grundstein für ein „Schweineprinzip“ legte und immer effizientere Werkzeuge<br />
zur Nahrungsbeschaffung entwickelte, die in einer Entwicklung mündeten, welche die vermeintlich weise Spezies<br />
homo sapiens zu einer gewaltigen „Naturkatastrophe“ werden ließ. Die evolutionäre Entwicklung des Gehirns beruht<br />
auf dem Überleben und nicht auf erlangter Erkenntnis der „ganzen Wahrheit“. Dies lasse illusionäre Denkweisen, wie<br />
das permanente Wirtschaftswachstum oder eine kosmische Kolonialisierung, zu. Die Berücksichtigung der engen<br />
Wechselbeziehungen zwischen Ökonomie und Natur kann eine Lösung in Form einer Realwirtschaft, die den<br />
Grundbedürfnissen der Individuen und den begrenzten Ressourcen gerecht wird, ermöglichen.<br />
Ralf Isenmann untersucht verschiedene Positionen zur Sichtweise auf die Natur. Dabei entwickelt er eine Synthese,<br />
die das Spektrum der Naturverständnisse in den Wirtschaftswissenschaften von der etablierten Sicht einer „Natur als<br />
Objekt“ hin zur „Natur als Vorbild“ sinnvoll ergänzt. Auf einer historisch systematischen Betrachtung mit Bezug auf<br />
Arbeiten von Eberhard Seifert (Naturvergessenheit ökonomischer Theorien) aufbauend, wird die Idee einer Natur als<br />
Vorbild durch die gemeinsame Wortverwandtschaft (oikos) und stoffliche Austauschbeziehungen unterstützt. Im<br />
Bewusstsein der Einbindung des Wirtschaftens („Humanökologie“) in die Natur lassen sich sowohl Aspekte der<br />
Bewahrung und des Schutzes, als auch progressive Aspekte der Nutzung und des Lernens von der Natur ableiten.<br />
Diesen Paradigmenwechsel kann das junge Forschungsfeld der Industrial Ecology für einen weiterentwickelten<br />
Brückenschlag zwischen technisch-geprägten Ökonomiesystemen und der Ökologie i. S. natürlicher Ökosysteme<br />
nutzen. Empirische Befunde stützen diese Synthese und zeigen ihre reale Bedeutung, die den Weg für eine Umsetzung<br />
in das Management von Unternehmen ermöglicht.<br />
Wir wünschen Ihnen durch diese Beiträge einen interessanten Einblick in evolutionsorientierte Arbeiten und die<br />
Festschrift und freuen uns, wenn Ihr Interesse geweckt wurde. In der nächsten Ausgabe werden weitere Beiträge zum<br />
Spannungsfeld Wirtschaft – Gesellschaft - Natur folgen.<br />
* Djordje Pinter, Dipl.-Kfm., Beingasse 17 - 1/10, 1150 Wien, Austria, djordje.pinter@gmx.de<br />
1. Djordje Pinter, Uwe Schubert (Hg.), Wirtschaft – Gesellschaft – Natur, Ansätze zu einem zukunftsfähigen<br />
Wirtschaften, Festschrift für Eberhard K. Seifert, Marburg 2011, ca. 667 Seiten, 59,80 EUR, ISBN 978-3-89518-<br />
841-1<br />
<strong>FORUM</strong> <strong>WARE</strong> 38 (2010) NR. 1 - 4