1. Anna Amelina: 2. Achim Brosziewski: 3. Richard Münch: 4 ...
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Schimank, Uwe<br />
Differenzierung – Ungleichheit – Kultur: Die Dreifaltigkeit soziologischer Theorien der modernen Gesellschaft<br />
Universität Bremen, Institut für Soziologie<br />
uwe.schimank@uni-bremen.de<br />
Plenarveranstaltung: Soziale Differenzierungen, mannigfaltige Wirklichkeiten und kulturelle<br />
Orientierungsinstanzen<br />
Eine Sichtung der soziologischen Theorien der modernen Gesellschaft von den Klassikern bis zu aktuellen<br />
Angeboten zeigt, dass diese Theorien in einem Raum positioniert sind, der von drei Eckpunkten bestimmt wird:<br />
• funktionale Differenzierung in etwa ein Dutzend gesellschaftlicher Teilsysteme bzw. „Wertsphären“;<br />
• marktvermittelte Ungleichheiten sozialer Lagen;<br />
• eine auf die Fortschrittsidee fixierte Kultur der Moderne.<br />
Bei genauerem Hinsehen erweist sich, dass es zwar durchaus Theorieangebote gibt, die die Moderne von einem<br />
und nur einem dieser drei Pole her zu erschließen versuchen. Die meisten Angebote basieren allerdings –<br />
zumeist ausgehend von einem der Pole - auf mehr oder weniger starken Beimischungen von Ingredienzien, die<br />
von den jeweils anderen beiden Polen stammen. So kann man insbesondere Max Weber zwar bescheinigen,<br />
dass er nahezu gleichermaßen Kultur-, Ungleichheits- und Differenzierungstheoretiker der Moderne ist; doch eine<br />
theoretisch stringente Verknüpfung dieser drei Perspektiven liefert er nicht. Und auch Ulrich Beck- um einen<br />
Gegenwartsdiagnostiker zu nennen – bedient sich zwar relativ ausgeglichen bei allen drei Perspektiven; aber die<br />
Schnittstellen werden lediglich ad hoc angesprochen.<br />
Der Vortrag soll vor dem Hintergrund dieser Theorielage ein Verständnis der modernen Gesellschaft skizzieren,<br />
das diese als Überlagerung dreier Ordnungen versteht. Gleichsam quer zur funktionalen Differenzierung von<br />
Teilsystemen, und darin eingehängt, finden sich marktvermittelte Ungleichheiten sozialer Lagen vor; und beide<br />
werden überhöht durch die kulturelle Leitidee von Gesellschaftsgeschichte als Fortschritt. Alle drei Ordnungen der<br />
Moderne sind bereits in sich dauerhaft umkämpft; und die Überlagerung dieser drei Kampfzonen führt erst recht<br />
zu unübersichtlichen gesellschaftlichen Verhältnissen und Dynamiken. Das lässt sich an vielen gesellschaftlichen<br />
Phänomenen aufzeigen. Das Gesamtbild gesellschaftlicher Dynamik, das sich aus der Kombination der drei<br />
Perspektiven ergibt, läuft somit nicht auf eine übergreifend gerichtete „große Linie“ – weder Niedergang noch<br />
Aufstieg – hinaus, sondern auf kontingente Bewegungen im Rahmen der Randbedingungen, die durch alle drei<br />
Ordnungen gesetzt werden.