SCHRIFTLICHE ARBEIT ZUR 2. DIPLOMPRÜFUNG - Filmton Rösner
SCHRIFTLICHE ARBEIT ZUR 2. DIPLOMPRÜFUNG - Filmton Rösner
SCHRIFTLICHE ARBEIT ZUR 2. DIPLOMPRÜFUNG - Filmton Rösner
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Universität für Musik und darstellende Kunst Wien<br />
Institut für Komposition und Elektroakustik<br />
<strong>SCHRIFTLICHE</strong> <strong>ARBEIT</strong> <strong>ZUR</strong><br />
<strong>2.</strong> <strong>DIPLOMPRÜFUNG</strong><br />
EMPIRISCHER VERGLEICH VON SURROUND-<br />
HAUPTSYSTEMEN ANHAND EINER<br />
ORCHESTERAUFNAHME<br />
Peter <strong>Rösner</strong><br />
Studienrichtung Tonmeister<br />
Matrikelnummer: 0273028
Wien, 5. Januar 2010<br />
Hiermit erkläre ich, PETER RÖSNER (Tonmeisterstudent an der Universität für<br />
Musik und darstellende Kunst Wien, Matrikelnummer 0273028), die vorliegende<br />
schriftliche Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen<br />
Hilfsmittel verwendet zu haben. Die Arbeit wurde in dieser oder ähnlicher Form<br />
noch keiner Prüfungskommission vorgelegt.<br />
Peter <strong>Rösner</strong><br />
II
Vorwort<br />
Besonderer Dank gilt:<br />
Ulrich Treutwein, Florian Mayerhoffer, und Sergey Martynyuk für die Hilfe bei<br />
dem Aufbau des Test-Setups im großen Saal des Wiener Musikvereins.<br />
Josef Schütz für die Ermöglichung der Aufnahme im großen Saal des Wiener<br />
Musikvereins, die Bereitstellung einer großen Anzahl von Mikrofonen sowie<br />
weitere Unterstützung.<br />
Thomas Lang für die kurzfristige Zurverfügungstellung der Mikrofon-<br />
Vorverstärker und A/D-Wandler.<br />
Ruth und Sascha Rathey, Benedikt David und Ina Nikolow für das<br />
Korrekturlesen dieser Arbeit.<br />
Prof. Ulrich Vette und Dipl. Ing. Hermann Freiberger für die Beratung und die<br />
anregenden Gespräche.<br />
III
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort ............................................................................................................. III<br />
1 Einleitung ....................................................................................................... 1<br />
1.1 Erklärung von häufig verwendeten Begriffen in dieser Arbeit ...................... 2<br />
2 Beschreibung der zu vergleichenden Hauptsysteme ................................ 4<br />
<strong>2.</strong>1 Trinnov SRP ....................................................................................................... 4<br />
<strong>2.</strong>1.1 Grundgedanke des Trinnov-SRP ..................................................................... 4<br />
<strong>2.</strong>1.2 Vermeidung parasitärer Abbildungen durch hohe Richtwirkung ............. 5<br />
<strong>2.</strong>1.3 Optimale Anpassung des Mikrofonsignals an ein Surround-<br />
Wiedergabesystem nach ITU. .................................................................................... 7<br />
<strong>2.</strong>1.4 Generierung der erforderlichen Richtcharakteristiken 5. Ordnung<br />
mittels Mikrofon-Array und FIR-Filtermatrix ......................................................... 10<br />
<strong>2.</strong>1.5 Vertikale Veränderbarkeit der Richtcharakteristik ..................................... 12<br />
<strong>2.</strong>2 Mikrofon-Array nach Michael Williams et al. ................................................. 13<br />
<strong>2.</strong><strong>2.</strong>1 Aufbau eines WMA ........................................................................................... 14<br />
<strong>2.</strong><strong>2.</strong>2 Theoretische Grundlagen des WMA ............................................................. 16<br />
<strong>2.</strong>3 Jecklin-Scheibe (Surround-Version) .............................................................. 21<br />
<strong>2.</strong>3.1 Anordnung der getesteten Surround-Scheibe nach Jecklin .................... 22<br />
<strong>2.</strong>3.2 Theoretische Grundlagen der Surround-Aufnahmetechnik nach Jecklin<br />
....................................................................................................................................... 23<br />
<strong>2.</strong>4 Surround-Mikrofonierung des ORF im Großen Saal des Wiener<br />
Musikvereins ......................................................................................................... 25<br />
<strong>2.</strong>4.1 Aufbau des Surround-Hauptsystems ........................................................... 25<br />
<strong>2.</strong>4.2 Decca Tree-ähnliche Anordnung als Front-Triplet ..................................... 26<br />
<strong>2.</strong>4.3 Hamasaki-Square-ähnliche Aufstellung als Raumsystem ........................ 27<br />
3. Versuchsanordnung .................................................................................. 29<br />
3.1. Aufnahmeort: Der Große Saal des Wiener Musikvereins ............................ 29<br />
3.2 Technik............................................................................................................. 31<br />
3.3 Positionierung der Hauptsysteme .................................................................. 31<br />
3.4 Vorbereitung des Vergleichsmaterials für den Hörvergleich ....................... 33<br />
3.5 Die Abhörsituation .......................................................................................... 34<br />
3.6 Zu bewertende Parameter ............................................................................... 35<br />
3.6.1. Erklärung der gewählten Parameter ............................................................ 36<br />
3.7 Ablauf der Testreihe ........................................................................................ 38<br />
4. Testergebnisse ........................................................................................... 39<br />
4.1 Auswertung und Statistik ............................................................................... 39<br />
4.1.1 Berechnung des arithmetischen Mittelwertes............................................. 39<br />
IV
4.1.2 Berechnung des Konfidenzintervalls P über die Varianz σ² .................... 39<br />
4.2 Fehlerbalkendiagramme ................................................................................. 40<br />
4.3 Interpretationsmöglichkeiten der Ergebnisse ............................................... 45<br />
4.3.1 Klangfarbe .......................................................................................................... 45<br />
4.3.<strong>2.</strong> Abbildung .......................................................................................................... 45<br />
4.3.3 Tiefenstaffelung ................................................................................................ 46<br />
4.3.4 Räumliche Umhüllung ..................................................................................... 46<br />
4.3.5 Verbindung vorne-hinten ................................................................................ 47<br />
4.3.6 Gesamteindruck ................................................................................................ 47<br />
5. Zusammenfassung und Ausblick ............................................................. 50<br />
Literaturverzeichnis ....................................................................................... 52<br />
Abbildungsverzeichnis .................................................................................. 54<br />
Anhang A: Fragebogen .................................................................................. 56<br />
Anhang B: Histogramme ............................................................................... 57<br />
Anhang C: Fotos des Mikrofon-Setups ........................................................ 61<br />
V
1. Einleitung 1<br />
1 Einleitung<br />
Vorliegende Arbeit befasst sich mit vier verschiedenen Möglichkeiten einer<br />
Surround-Haupt-Mikrofonierung. Den untersuchten Mikrofon-Systemen liegen<br />
verschiedene Methoden der Erzeugung von wiedergabeseitigen<br />
Hörereignisrichtungen zugrunde. Bei der Summenlokalisation von<br />
Phantomschallquellen können Laufzeit-, Intensitäts- und Spektraldifferenzen<br />
richtungsbestimmend sein. Die im Folgenden behandelten Systeme arbeiten<br />
mit einem oder mehrerer dieser Faktoren.<br />
Für den empirischen Vergleich der Mikrofon-Systeme wurde mit einem Trinnov-<br />
SRP, Williams-Array, einer Version von einer Jecklin-Surroundscheibe und<br />
einem ABC mit Raumsystem und Stützmikrofonierung zunächst eine<br />
Orchesteraufnahme erstellt. Dabei wurden die Signale der verschiedenen<br />
Systeme zeitgleich aufgezeichnet.<br />
Die erhaltenen Signale wurden, so wie es für die verschiedenen Mikrofon-<br />
Systeme vorgesehen ist, digital bearbeitet und den richtigen<br />
Wiedergabekanälen zugeordnet.<br />
21 Testhörer werteten das so gewonnene Tonmaterial, mittels eines vom Autor<br />
entworfenen Testbogens, in einer Surround-Abhör-Umgebung aus.<br />
Da der technische Aufwand für einen Vergleichstest, bei denen alle<br />
Testsysteme zeitgleich eingesetzt werden, mit der Anzahl der verglichenen<br />
Systeme steigt, wurden nur vier Möglichkeiten untersucht. Sie stellen jedoch<br />
lediglich einen kleinen Bruchteil der heute vorhandenen, von<br />
Tonverantwortlichen anerkannten Verfahren dar. Trotzdem wurde die<br />
Möglichkeit, vier verschiedene Systeme mit demselben Tonmaterial testen zu<br />
können, von der Mehrheit der Testhörer als sehr interessant empfunden. Der<br />
gezielte Einsatz von Mikrofonierungs-Methoden für bestimmte musikalische und<br />
akustische Begebenheiten kann, nach Meinung des Autors, besonders gut mit<br />
solchen Hörvergleichen geübt werden.
1. Einleitung 2<br />
Dieser Vergleichstest befasst sich nicht mit dem Low-Frequency-Effect-Kanal,<br />
da keines der verglichenen Surround-Mikrofon-Systeme ein dezidiertes LFE-<br />
Signal erzeugt.<br />
1.1 Erklärung von häufig verwendeten Begriffen in dieser<br />
Arbeit<br />
1. In dieser Arbeit werden ausschließlich Mikrofon-Konfigurationen<br />
behandelt, die für die Wiedergabe über ein 5.0-Lautsprecheranordnung nach<br />
ITU 1 -Norm (ITU-R BS.775-1) vorgesehen sind. Erforderlich hierfür sind fünf<br />
identische Breitbandlautsprecher, die zum Hörer äquidistant angeordnet sind.<br />
Die Winkelanordnung der Lautsprecher aus dem Blickwinkel des Hörers sind:<br />
Center 0°, Front ± 30°, Surround ± 110°<br />
110°<br />
Abb. 1 Lautsprecheranordnung nach ITU-R BS.775-1<br />
<strong>2.</strong> Der ideale Abhörpunkt ist jener, der von allen Lautsprechern dieselbe<br />
Entfernung aufweist. Er wird im Folgenden „Sweet Spot“ genannt.<br />
3. Die Lautsprecherkanäle dieser Anordnung werden mit L, R, C, LS und<br />
RS für Links, Rechts, Center, Links Surround und Rechts Surround abgekürzt.<br />
4. Druckempfänger werden mit dem Begriff „Kugel“ abgekürzt,<br />
Druckgradientenempfänger mit dem Feldübertragungsfaktor � � � � �� � ��� �<br />
1 International Telecommunication Union<br />
30°<br />
Sweet Spot
1. Einleitung 3<br />
mit dem Begriff „Acht“, sowie Druckgradientenempfänger mit dem<br />
Feldübertagungsfaktor � � � � �� � �1 � ��� �� mit dem Begriff „Niere“. 2<br />
5. Der Begriff „Mikrofonarray“ bezeichnet eine Mikrofonkonstellation mit<br />
festgelegten Abständen und/oder Winkeln.<br />
6. Als „Triplet“ oder „Front-Triplet“ werden die Mikrofone oder Lautsprecher<br />
für die vorderen Kanäle L, R und C bezeichnet.<br />
7. Als „Aufnahmewinkel“ wird jener maximale Ausschnitt des Schallfeldes<br />
bezeichnet, der in einer stereophonen Lautsprecherbasis annähernd<br />
richtungsgetreu abgebildet wird; als „Abdeckungswinkel“ jedoch wird jener<br />
maximale Ausschnitt eines Schallfeldes bezeichnet, der zwischen zwei<br />
benachbarten Lautsprechern einer Mehrkanalanlage annähernd<br />
richtungsgetreu abgebildet wird.<br />
8. Der „Öffnungswinkel“ bezeichnet den Winkel zwischen zwei Mikrofon-<br />
Hauptachsen eines Mikrofonsystems.<br />
9. „Parasitäre Phantomschallquellen“ entstehen aufgrund von<br />
Übersprechen in nicht benachbarte Mikrofone eines Surround-Systems, was zu<br />
Mehrfachabbildungen zwischen benachbarten und nicht benachbarten<br />
Lautsprechern führt.<br />
2 ��� ist der Feldübertragungsfaktor bei senkrechtem Schalleinfall auf die Membran, � ist der<br />
Schalleinfallswinkel. Siehe [Boré et al. 1999]
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 4<br />
2 Beschreibung der zu vergleichenden Hauptsysteme<br />
<strong>2.</strong>1 Trinnov SRP<br />
Die Firma Trinnov Audio, mit Sitz in Bry-sur-Marne in Frankreich, spezialisiert<br />
sich seit dem Jahr 2000 auf die Entwicklung von digitalen Filtersystemen, die<br />
aufgrund von akustischen Messungen am Abhörplatz Frequenz- und<br />
Phasengang der Wiedergabekette optimieren. Neben den so genannten<br />
„Optimizern“ 3 hat Trinnov auch ein Surround-Aufnahmesystem konzipiert, das<br />
Trinnov SRP (Surround-Recording-Platform). Dieses System wurde erstmals<br />
2004 im Rahmen der 116. AES-Convention in Berlin vorgestellt.<br />
<strong>2.</strong>1.1 Grundgedanke des Trinnov-SRP<br />
Das Trinnov-SRP bildet das Schallfeld ausschließlich über Intensitäts-<br />
Differenzen ab. Die Entwickler begründen diesen Ansatz im AES-Convention-<br />
Paper 6116 4 mit folgenden Argumenten:<br />
� Die psychoakustischen Grundlagen für die Wiedergabe über zwei<br />
Lautsprecher, die Schallereignisse über Laufzeit- und Intensitäts-Differenzen<br />
(ITD und ILD) 5 abbilden, sind ausreichend erforscht, während dies für die<br />
Mehrkanal-Wiedergabe nicht der Fall ist. Die Erforschung der Abbildung des<br />
Schallfeldes über eine Kombination von ITD und ILD für die Mehrkanal-<br />
Wiedergabe kann derzeit nur über Hörversuche vorgenommen werden. Die<br />
hierbei annähernd unendlichen Möglichkeiten, Richtcharakteristiken, Abstände<br />
und Winkel der Mikrofone zu kombinieren, stellen ein großes Hindernis für die<br />
systematische Erforschung dar.<br />
� Für die optimale Abbildung von Phantom-Schallquellen über ILD durch<br />
ein Surround-Abhörsystem nach ITU-Norm sind mehrere sogenannte Panning-<br />
Laws entwickelt worden 6 . Es handelt sich hierbei um mathematische<br />
Funktionen, die, abhängig von der zu erzielenden Hörereignisrichtung, für die<br />
jeweiligen Surroundkanäle die Schallintensität bestimmen.<br />
3<br />
Siehe hierzu http://www.trinnov-audio.com/en/optimization/concept<br />
4<br />
Siehe: [Laborie et al. 2004]<br />
5<br />
ITD: interaural time difference, ILD: interaural level difference<br />
6 Siehe: [Craven 2003]
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 5<br />
<strong>2.</strong>1.2 Vermeidung parasitärer Abbildungen durch hohe Richtwirkung<br />
Für die Abbildung eines Schallereignisses werden nur zwei benachbarte<br />
Lautsprecher angesteuert. Diese schließen jenen Winkel ein, aus welchem das<br />
Schallereignis abgebildet werden soll:<br />
TRINNOV-SRP<br />
Abb. 2 Phantomschallquellen generiert von Trinnov-SRP und herkömmlicher<br />
Surround-Mikrofonierung<br />
Herkömmliche Arten der Surround-Mikrofonierung mit Mikrofonen, deren Richt-<br />
charakteristiken zwischen 0. und 1. Ordnung liegen (also zwischen Kugel und<br />
Acht), erfahren Übersprechen und reproduzieren daher das Schallfeld nicht<br />
ohne parasitäre Phantomschallquellen.<br />
Damit ein Übersprechen in nicht benachbarte Mikrofone vermieden wird, bedarf<br />
es Mikrofon-Richtcharakteristiken höherer Ordnung. Die Entwickler von Trinnov<br />
haben sich für Jene 5. Ordnung entschieden. Diese hohe Richtwirkung hat zur<br />
Folge, dass Punktschallquellen ausschließlich von zwei benachbarten<br />
Lautsprechern wiedergegeben werden. Die hohe Richtwirkung bezeichnen die<br />
Entwickler im Übrigen als hohe räumliche Auflösung.<br />
Herkömliche Surround-Hauptmikrofone<br />
bestehend aus Richtcharakteristika<br />
0. bis 1. Ordnung
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 6<br />
Front-Triplet Trinnov-SRP:<br />
2 Schnittpunkte des Schalleinfall-Richtungsvektors:<br />
Kein Übersprechen in den linken Kanal. Wiedergabe<br />
ausschließlich über 2 LS.<br />
Richtcharakteristik 5. Ordnung.<br />
270<br />
300<br />
240<br />
Abb. 3 Schalleinfall-Richtungsvektoren und deren Schnittpunkte bei Systemen<br />
mit Richtcharakteristiken 5. und 1. Ordnung<br />
Die erforderlichen Richtcharakteristiken 5. Ordnung haben folgende<br />
Eigenschaften:<br />
330<br />
210<br />
1.00<br />
0.80<br />
0.60<br />
0.40<br />
0.20<br />
0.00<br />
0.20<br />
0.40<br />
0.60<br />
0.80<br />
1.00<br />
180<br />
30<br />
150<br />
270<br />
� Hohe räumliche Auflösung (HSR: High Spatial Resolution)<br />
300<br />
240<br />
60<br />
120<br />
90<br />
Front-Triplet INA 5:<br />
3 Schnittpunkte des Schalleinfall-Richtungsvektors:<br />
Übersprechen in den linken Kanal; Wiedergabe der<br />
Schallquelle über mehr als 2 LS<br />
Richtcharakterisik 1. Ordnung.<br />
� Asymmetrie der Richtcharakteristik: Im Vergleich zur Richtcharakteristik<br />
des Center-Kanals sind alle anderen asymmetrisch. Asymmetrische<br />
330<br />
210<br />
0<br />
0<br />
1.00<br />
0.80<br />
0.60<br />
0.40<br />
0.20<br />
0.00<br />
0.20<br />
0.40<br />
0.60<br />
0.80<br />
1.00<br />
180<br />
30<br />
150<br />
60<br />
120<br />
90
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 7<br />
Richtcharakteristiken und solche höherer Ordnung sind mit heutigen,<br />
herkömmlichen Mikrofonen ohne digitale Signalverarbeitung nicht herstellbar.<br />
� Vollkommene Ergänzung: die Summe aller Kanäle (L, C, R, SL, SR)<br />
ergibt eine omnidirektionale Richtcharakteristik.<br />
Am Beispiel der vorderen drei Kanäle einer INA-5 7 -Mikrofonierung (siehe Abb.<br />
3) lässt sich erkennen, warum Richtcharakteristiken höherer Ordnung<br />
notwendig sind, um Übersprechen in weitere Kanäle zu vermeiden: Der Schall-<br />
Einfallsvektor verursacht bei einem Winkel von 30° im Polardiagramm 3<br />
Schnittpunkte. Der Schnittpunkt des Polardiagramms des linken Mikrofons<br />
(grüne Linie) repräsentiert ein Übersprechen des Schallereignisses auch in das<br />
linke Mikrofon: dies bedeutet eine Abbildung des Schallereignisses mittels ILD<br />
zwischen:<br />
� Center und Rechts (erwünscht)<br />
� Links und Rechts (parasitär)<br />
� Links und Center (parasitär)<br />
Die Überlagerung dieser drei Abbildungen führt zu einer Unschärfe der<br />
Richtungs-wiedergabe des Schallereignisses.<br />
<strong>2.</strong>1.3 Optimale Anpassung des Mikrofonsignals an ein Surround-<br />
Wiedergabesystem nach ITU.<br />
Die Entwickler von Trinnov haben sich entschieden das Surround-Mikrofon-<br />
System so zu entwickeln, dass die Richtcharakteristiken der Surround-Kanäle<br />
den Übertragungsfunktionen des Panning-Laws 5. Ordnung gleichen. Erst eine<br />
räumliche Auflösung 5. Ordnung hat zur Folge, dass Punktschallquellen<br />
ausschließlich über zwei benachbarte Lautsprecher des ITU-Setups<br />
wiedergegeben werden. Bei Betrachtung der mathematischen Beschreibung<br />
der einzelnen Kanäle wird ersichtlich, warum von Richtcharakteristiken 5.<br />
Ordnung gesprochen wird. Jede Übertragungsfunktion hat 5 winkelabhängige<br />
7 INA: Ideale Nieren Anordnung nach Hermann/Henkels: Diplomarbeit an der FH Düsseldorf 1998,<br />
Version 5 der Konfiguration.
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 8<br />
Summanden. Desweiteren weisen die Faktoren des Schalleinfallswinkels φ der<br />
Terme den Betrag 0 bis 5 auf:<br />
“Center:<br />
0.08333 + 0.16286*cos(φ) + 0.15187*cos(2*φ) + 0.13485*cos(3*φ) + 0.11360*cos(4*φ) +<br />
0.09024*cos(5*φ)<br />
Left:<br />
0.15278 + 0.19053*cos(φ) - 0.20492*sin(φ) - 0.00799*cos(2*φ) - 0.21249*sin(2*φ) -<br />
0.08529*cos(3*φ) - 0.09837*sin(3*φ) - 0.05832*cos(4*φ) - 0.03253*sin(4*φ) - 0.04284*cos(5*φ)<br />
- 0.02502*sin(5*φ)<br />
Right:<br />
0.15278 + 0.19053*cos(φ) + 0.20492*sin(φ) - 0.00799*cos(2*φ) + 0.21249*sin(2*φ) -<br />
0.08529*cos(3*φ) + 0.09837*sin(3*φ) - 0.05832*cos(4*φ) + 0.03253*sin(4*φ) -<br />
0.04284*cos(5*φ) + 0.02502*sin(5*φ)<br />
Left Surround:<br />
0.30556 - 0.27196*cos(φ) - 0.30007*sin(φ) - 0.06794*cos(2*φ) + 0.06337*sin(2*φ) +<br />
0.01786*cos(3*φ) + 0.08685*sin(3*φ) + 0.00152*cos(4*φ) - 0.02502*sin(4*φ) -<br />
0.00228*cos(5*φ) + 0.00152*sin(5*φ)<br />
Right Surround:<br />
0.30556 - 0.27196*cos(φ) + 0.30007*sin(φ) - 0.06794*cos(2*φ) - 0.06337*sin(2*φ) +<br />
0.01786*cos(3*φ) - 0.08685*sin(3*φ) + 0.00152*cos(4*φ) + 0.02502*sin(4*φ) -<br />
0.00228*cos(5*φ) - 0.00152*sin(5*φ)”<br />
[Laborie et al. 2004]<br />
Die Gleichungen der Feldübertragungsfaktoren von Mikrofonen mit<br />
Richtcharakteristiken 0. und 1. Ordnung weisen analog die Faktoren für den<br />
Schalleinfallswinkel φ 0 bis 1 auf:<br />
� � � � �� � �1 � ��� φ� � � �� � � �� � cos φ<br />
� � �� � cos�0 � φ� � � �� � ��� �1 � φ� (Beispiel Niere)<br />
� � � 1 � � �� � ����0 � φ� (Beispiel Kugel)<br />
� �… Feldübertragungsfaktor.<br />
� ��… Feldübertragungsfaktor bei senkrechtem Schalleinfall auf die Membran.<br />
φ… Schalleinfallswinkel in Grad [°]
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 9<br />
270<br />
300<br />
240<br />
Abb. 4 Polardiagramm des Intensitäts-Panning-Gesetzes 5. Ordnung<br />
Genaugenommen besitzen die rückwärtigen Kanäle LS und RS<br />
Richtcharakteristiken 3. Ordnung; aufgrund der Aufstellungsnorm des<br />
Wiedergabesystems nach ITU bedarf es rückwärtig keiner höheren räumlichen<br />
Auflösung.<br />
330<br />
210<br />
1.00<br />
0.80<br />
0.60<br />
0.40<br />
0.20<br />
0.00<br />
0.20<br />
0.40<br />
0.60<br />
0.80<br />
1.00<br />
30<br />
150<br />
60<br />
120<br />
90
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 10<br />
<strong>2.</strong>1.4 Generierung der erforderlichen Richtcharakteristiken 5. Ordnung<br />
mittels Mikrofon-Array und FIR-Filtermatrix<br />
Die Mikrofon-Halterung hält die Mikrofone in vorgesehene Abstände. Die<br />
nachgeschaltete Filtermatrix kann im Grunde als ein ∆T/∆I-Konverter 8<br />
verstanden werden. Die Parameter der Filter sind so gewählt, dass das<br />
Schallfeld über das Wiedergabesystem gemäß dem Intensitäts-Panning-Gesetz<br />
5. Ordnung abgebildet wird.<br />
Um das Schallfeld auf diese Art und Weise für beliebige Lautsprechersetups zu<br />
vermessen, wären wesentlich mehr Mikrofone notwendig 9 . Da die<br />
Lautsprecher-Aufstellung jedoch bekannt ist, ist die Filtermatrix so<br />
implementiert, dass sie mit acht Kugel-Signalen auskommt.<br />
8 Zeitdifferenzen (∆T) werden in Pegeldifferenzen (∆I) umgewandelt.<br />
9 Siehe: [Laborie et al. 2004]<br />
7 FRONT 8<br />
4<br />
Abb. 5 Trinnov-SRP Mikrofon-Array<br />
Trinnov-SRP Mikrofon-Array<br />
(Schematisch)<br />
5<br />
3<br />
1 2<br />
6
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 11<br />
Blockdiagramm der Filtermatrix:<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
Abb. 6 Trinnov-SRP Signalverarbeitung: FIR-Filter-Matrix<br />
Die Bestimmung der Filterparameter basiert auf eine Fourier-Bessel-<br />
Erweiterung 10 . Die Filter arbeiten mit einem FFT-Algorithmus 11 . Um die<br />
10 Siehe: [Laborie et al. 2003]<br />
11 FFT: Fast-Fourier-Transformation: Berechnet das Frequenzspektrum eines zeitlich begrenzten<br />
Audiosignales.<br />
FIR FIR FIR FIR FIR<br />
FIR FIR FIR FIR FIR<br />
FIR FIR FIR FIR FIR<br />
FIR FIR FIR FIR FIR<br />
FIR FIR FIR FIR FIR<br />
FIR FIR FIR FIR FIR<br />
FIR FIR FIR FIR FIR<br />
FIR FIR FIR FIR FIR<br />
SL L C R SR
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 12<br />
Arbeitsweise der Filtermatrix zu beschreiben bedarf es höherer Mathematik,<br />
welche zu erläutern den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.<br />
<strong>2.</strong>1.5 Vertikale Veränderbarkeit der Richtcharakteristik<br />
Wie bereits beschrieben, ergibt die Summe der Richtcharakteristiken aller<br />
Surround-Signale Aufnahmeseitig eine omnidirektionale Richtcharakteristik.<br />
Erfordert eine Aufnahmesituation, dass Reflexionen von Boden und Decke<br />
gedämpft werden müssen, stellt das SRP die Möglichkeit bereit, die Gesamt-<br />
Richtcharakteristik anzupassen. Die resultierende Gesamt-Richtcharakteristik<br />
bekommt eine ovale Form.<br />
Diese wird von den Entwicklern des Trinnov-SRP als „Oblate“ bezeichnet. Die<br />
Filtermatrix in Kombination mit dem Mikrofon-Array ist also auch in der Lage, in<br />
vertikaler Richtung aufzulösen.<br />
Abb. 7 Trinnov-SRP-Signalflow<br />
7 8<br />
4<br />
5<br />
3<br />
1 2<br />
FULL MATRIX<br />
FILTERING<br />
6
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 13<br />
<strong>2.</strong>2 Mikrofon-Array nach Michael Williams et al.<br />
Konzepte der Mikrofonierung für Mehrkanalzwecke veröffentlichte Michael<br />
Williams bereits 1991, im Zuge der 91. AES-Convention in New York. Hier<br />
behandelte er erstmals die Berechnung sogenannter Mikrofon-Arrays. Da es zu<br />
dieser Zeit noch keine Standardisierung der Surround-Lautsprecheraufstellung<br />
seitens der ITU gab 12 , waren die Mikrofonarrays zunächst für kreisförmig<br />
aufgestellte Setups von 4, 5 und 6 Lautsprechern vorgesehen.<br />
Mikrofonarrays für das ITU-Lautsprechersetup beschrieb Williams erstmals<br />
1999 bei der 107. AES-Convention in New York, und 2000 anlässlich der 108.<br />
AES-Convention in Paris in seinen Convention-Papers 4997 (“Microphone<br />
Array Analysis for Multichannel Sound Recording”) und 5157 (“Multichannel<br />
Microphone Array Design”). Hierbei handelt es sich nicht um festgelegte<br />
Konfigurationen, sondern vielmehr um Prinzipien, nach denen man ein<br />
Surround-Hauptmikrofon optimal an die Gegebenheiten der Aufnahmesituation<br />
und des Klangkörpers anpassen kann.<br />
Das für diesen Vergleich verwendete Mikrofonarray ist dem AES-Convention-<br />
Paper 5336 („The Quick Reference Guide to Multichannel Microphone Arrays<br />
Part 1: Using Cardioid Microphones“) entnommen. In diesem Paper sind 220<br />
WMA-Konfigurationen beschrieben, die ausschließlich mit Nieren arbeiten. Der<br />
Vorteil dieser Auflistung von Arrays liegt darin, dass für bestimmte<br />
Aufnahmesituationen ein geeignetes Array ausgesucht werden kann, ohne<br />
dieses erst berechnen zu müssen.<br />
Das Mikrofonarray nach Michael Williams wird in Folge mit WMA abgekürzt.<br />
12 Die Lautsprecheraufstellung und die Anzahl der Kanäle für Surround-Wiedergabe wurden durch die<br />
ITU 1992 standardisiert.
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 14<br />
<strong>2.</strong><strong>2.</strong>1 Aufbau eines WMA<br />
<strong>2.</strong><strong>2.</strong>1.1 Prinzipieller Aufbau<br />
Ein WMA kann aus Mikrofonen beliebiger Richtcharakteristik bestehen. Dabei<br />
können die Arrays aus Mikrofonen gleicher Richtcharakteristik, oder aus<br />
Kombinationen aufgebaut werden. Die Berechnungsprinzipien von Williams<br />
ergeben Winkel, Abstände, sowie elektronische Offsets 13 der Mikrofone des<br />
Mikrofonarrays. Die Parameter können in Abhängigkeit der verwendeten<br />
Richtcharakteristiken und der Ausdehnung des Klangkörpers so gewählt<br />
werden, dass eine homogene Abbildung des Schallfeldes über 360° erzielt und<br />
der frontale Aufnahmebereich der Aufnahmesituation angepasst werden kann.<br />
ABSTAND<br />
Abb. 8 Prinzipieller Aufbau eines WMA<br />
WINKEL<br />
RICHTCHARAKTERISTIK<br />
13 ETO („Electrical Time Offset“) und EIO („Electrical Intensity Offset“) werden später beschrieben.
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 15<br />
<strong>2.</strong><strong>2.</strong>1.2 Aufbau des untersuchten Arrays<br />
Das in dieser Arbeit untersuchte Array besteht ausschließlich aus Nieren. Der<br />
Aufnahmebereich der vorderen Triplets beträgt 144°. Die Wahl dieses Winkels<br />
wurde aufgrund der Ausdehnung des Orchesters und dem Abstand des Arrays<br />
zum Klangkörper gewählt.<br />
315,00 mm<br />
50,00°<br />
730,00 mm<br />
320 mm<br />
Abb. 9 Technische Daten des untersuchten WMA<br />
40,00°<br />
320,00 mm<br />
Dieses Array weist keine elektronischen Offsets auf. Laufzeit- und<br />
Intensitätsunterschiede in den Kanälen sind rein physikalischen Ursprungs.
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 16<br />
<strong>2.</strong><strong>2.</strong>2 Theoretische Grundlagen des WMA<br />
<strong>2.</strong><strong>2.</strong><strong>2.</strong>1 Einteilung des zu reproduzierenden Schallfeldes in Segmente<br />
Williams unterteilt das zu reproduzierende Schallfeld in fünf Segmente:<br />
LLS<br />
FLS<br />
Abb. 10 Fünf Segmente des Schallfeldes<br />
� FLS (Front Left Segment)<br />
� FRS (Front Right Segment)<br />
� LLS (Lateral Left Segment)<br />
� LRS (Lateral Right Segment)<br />
� und RS (Rear Segment)<br />
Dabei wird jedes Segment von zwei benachbarten Mikrofonen als<br />
eigenständiges Äquivalenz-Stereosystem abgebildet. Williams führt für den<br />
Aufnahmewinkel der Mikrofonpaare, die ein Segment abbilden, den Begriff<br />
„Coverage-Angle“, also Abdeckungswinkel ein.<br />
RS<br />
FRS<br />
LRS
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 17<br />
<strong>2.</strong><strong>2.</strong><strong>2.</strong>2 Critical Linking<br />
Aus der Stereophonie ist bekannt, dass der Aufnahmebereich, je nach<br />
Kombination von Abstand und / oder Winkel der Mikrofone des Stereosystems,<br />
nicht dem Öffnungswinkel der Mikrofone gleichen muss:<br />
Abb. 11 Öffnungswinkel ≠ Aufnahmewinkel<br />
Für einen nahtlosen Übergang der Abbildung zwischen zwei Segmenten wäre<br />
daher z. B. eine Anordnung aus 2 ORTF-Stereosystemen nicht geeignet. Der<br />
Abdeckungsbereich wäre dem Öffnungswinkel ungleich und der Segment-<br />
Übergang würde in diesem Fall ein Abbildungs-Loch aufweisen.<br />
Aufnahmebereich 96°<br />
Öffnungswinkel 110°<br />
Stereosystem ORTF<br />
Aufnahmebereich: 96°<br />
Öffnungswinkel: 110°<br />
Abb. 12 Critical Linking ist ohne elektronischem Offset mit 2 ORTF-Systemen<br />
als Front-Triplet nicht möglich<br />
17 cm<br />
Loch im Aufnahmebereich:<br />
Kein Critical Linking<br />
Aufnahmebereich 96°<br />
Öffnungswinkel 110°
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 18<br />
Die Kombination von beispielsweise zwei EBS 14 -Stereosystemen jedoch würde<br />
ein „Critical Linking“ erlauben, da der Öffnungswinkel der Mikrofonhauptachsen<br />
dem Aufnahmebereich gleicht:<br />
Abb. 13 Critical Linking gewährleistet: Öffnungswinkel der<br />
Mikrofonhauptachsen = Aufnahmebereich<br />
Der umgekehrte Fall würde auch ein Problem darstellen: Wählte man eine<br />
Mikrofonkonfiguration, deren Abdeckungswinkel größer als der Aufnahmewinkel<br />
ist, ergäbe dies eine Überlappung an dem Segment-Übergang. Die Folge wäre<br />
eine Konzentration der Abbildung im Segment-Übergang und somit eine<br />
Verzerrung des Abbildes.<br />
<strong>2.</strong><strong>2.</strong><strong>2.</strong>3 Drehung der stereofonen Aufnahmewinkel durch Verschieben von<br />
Laufzeit und Intensität<br />
Aufnahmebereich: 90°<br />
Öffnungswinkel: 90°<br />
Critical Linking:<br />
Aufnahmebereich kontinuierlich.<br />
Um „Critical Linking“ für alle Segmentübergänge zu erreichen, müssten also alle<br />
benachbarten Mikrofone eines WMA aus Stereosystemen bestehen, dessen<br />
Öffnungswinkel gleich dem Abdeckungswinkel sind. Damit dieses Surround-<br />
Aufnahmesystem jedoch den Anforderungen verschiedener<br />
Aufnahmesituationen gerecht werden kann, müssen die Abdeckungswinkel<br />
unabhängig vom Öffnungswinkel der Mikrofone sein. Um diese Flexibilität zu<br />
erhalten, können durch die Einführung von elektronischen Versätzen sowie<br />
Positionsversätzen die symmetrischen stereofonen Abdeckungswinkel der<br />
14 EBS: Stereo-System nach Eberhard Sengpiel: Abstand der Kapseln 25cm, Öffnungswinkel der<br />
Mikrofonhauptachsen 90°. Besonderheit des Systems: Aufnahmebereich = Öffnungswinkel<br />
25 cm<br />
25 cm<br />
Aufnahmebereich: 90°<br />
Öffnungswinkel: 90°
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 19<br />
Mikrofonpaare gedreht werden. Hierbei unterscheidet Williams zwischen vier<br />
möglichen Arten, die Abdeckungswinkel zu manipulieren 15 :<br />
� EIO (Electronic Intensity Offset)<br />
� ETO (Electronic Time Offset)<br />
� MPIO (Microphone Position Intensity Offset)<br />
� MPTO (Microphone Position Time Offset)<br />
Williams führt zur Vereinheitlichung folgende Konvention ein: ein positiver<br />
Offset ergibt eine Rotation des Abdeckungswinkels im Uhrzeigersinn, ein<br />
negativer Offset eine Rotation gegen den Uhrzeigersinn.<br />
Graphisches Beispiel eines negativen EIO:<br />
Kein Offset<br />
Abb. 14 Stereosystem ohne Offset und Stereosystem mit elektrischer<br />
Anhebung des Pegels des linken Mikrofons<br />
Ein negativer Offset ist z.B. gegeben, wenn die Verstärkung des rechten<br />
Mikrofones relativ zum linken Mikrofon angehoben wird: Die Intensitätsachse<br />
wird nach rechts gedreht; die graphische Addition mit der Zeitachse ergibt den<br />
Betrag der Drehung der gesamten Abbildung.<br />
„Zeitachse und Intensitätsachse können addiert werden unter der Annahme,<br />
dass bei breitbandigen Signalen die Hörereignisrichtung b in % von der Mitte<br />
aus - bei gleichsinnigem Auftreten von Pegel- und Laufzeitdifferenz - durch eine<br />
15 Aus: [Williams et al 1999]<br />
Intensitäts-Achse<br />
Zeit-Achse<br />
EIO-Electrical Intensity Offset<br />
Intensitäts-Achse<br />
Zeit-Achse
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 20<br />
lineare Addition der Einflüsse beider Größen zustande kommt. Für die<br />
Lautsprecher-Stereofonie gilt dann folgende Gleichung:“ [Sengpiel 1994]<br />
��∆�, ∆�� � � � �∆�, �� � � ���, ∆��<br />
�… Hörereignisrichtung in %<br />
∆� … Intensitätsdifferenz<br />
∆�… Laufzeitdifferenz<br />
Graphisches Beispiel eines negativen MPTO:<br />
Abb. 15 Negativer Offset mit MPTO<br />
Dieselbe Rotation der Abbildung kann auch durch Veränderung der Position<br />
des Mikrofons erreicht werden: In Abb. 15 verursacht das linke, nach hinten<br />
verschobene Mikrofon einen Laufzeitunterschied: Dieser bewirkt eine nach links<br />
gedrehte Zeitachse, die in der graphischen Addition mit der Intensitätsachse<br />
eine Drehung der gesamten Abbildung nach links bewirkt.<br />
Williams empfiehlt bei der Berechnung eines WMA eher MPTO und MPIO, die<br />
„natürlichen“ Offsets durch Positionierung, anzuwenden. Er warnt insbesondere<br />
vor einem Einsatz von EIO:<br />
„Any use of electronic intensity offset must be done with caution, as this may<br />
affect the smooth energy distribution around the system” 16 [Williams 1999]<br />
16 Aus: [Williams, 1999], S. 6<br />
MPTO-Microphone Position Time Offset<br />
Zeit-Achse<br />
Intensitäts-Achse
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 21<br />
<strong>2.</strong>3 Jecklin-Scheibe (Surround-Version)<br />
Jürg Jecklin, ehemals Schweizer Rundfunktonmeister und gegenwärtig<br />
Lehrbeauftragter an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, hat<br />
ein Mikrofonsystem entwickelt, welches zur stereophonen Abbildung Laufzeit-<br />
und Spektraldifferenzen 17 verwendet. Für die Erzeugung der<br />
Spektraldifferenzen wird ein Trennkörper zwischen zwei Kugeln positioniert.<br />
Abb. 16 OSS-Scheibe mit technischen Daten.<br />
Diese sog. OSS-Scheibe (Optimal Stereo Signal) hat mittlerweile zahlreiche<br />
Adaptierungen an das 5.0-Format erfahren.<br />
So gibt es z.B. die Version OSIS 321 (Optimal Sound, Image, Space), welche<br />
zusätzlich zu den Kugeln für den Center-Kanal ein Richtrohr vorsieht. Für die<br />
Signalgewinnung der rückwärtigen Lautsprecher wird eine zusätzliche „Space-<br />
Scheibe“ aufgestellt, die mit zwei parallel nach hinten ausgerichteten Nieren<br />
bestückt ist. 18<br />
320,00 mm 360,00 mm<br />
Die in dieser Arbeit getestete Version besteht aus einer einzigen Scheibe.<br />
17 Spektraldifferenzen: Frequenzabhängige Pegeldifferenzen<br />
18 Siehe: [Jecklin 2003], Paper „Surrround Sound Aufnahmetechnik OSIS 321“<br />
60,00°
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 22<br />
<strong>2.</strong>3.1 Anordnung der getesteten Surround-Scheibe nach Jecklin<br />
Abb. 17 OSIS-Scheibe mit vier Nierenmikrofonen seitlicher Einsprache.<br />
Grundlage für die Surround-Scheibe nach Jecklin ist die oben beschriebene<br />
stereophone Aufnahmetechnik: Zu den Kugeln werden koinzident pro Seite<br />
jeweils zwei Nieren mit seitlicher Einsprache hinzugefügt. Hierbei werden ein<br />
Mikrofon mit der Auslöschung nach vorne, und ein Mikrofon mit der<br />
Auslöschung nach hinten gerichtet.<br />
Um die klanglichen Vorteile der Kugeln voll auszuschöpfen, jedoch trotzdem die<br />
vordere und hintere Hemisphäre getrennt aufzunehmen, werden den vorderen<br />
Lautsprecher-Kanälen L und R zu den jeweiligen kugelcharakteristischen<br />
Signalen jene der nach hinten gerichteten Nierenmikrofone phasengedreht<br />
beigemischt. So entstehen zwei nach vorne gerichtete Nierencharakteristiken<br />
mit dem vollen Frequenzgang einer Kugel. Auf dieselbe Art und Weise wird das<br />
Signal für die hinteren Lautsprecher-Kanäle aufbereitet.
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 23<br />
<strong>2.</strong>3.2 Theoretische Grundlagen der Surround-Aufnahmetechnik nach<br />
Jecklin<br />
Für die Beurteilung von Aufnahmen hat Jecklin eine Systematik entwickelt, die<br />
er nun auch für die Entwicklung eines Surround-Mikrofonsystems anwendet.<br />
So teilt er Faktoren für das zu simulierende 19 Schallfeld in vier Unterkategorien<br />
ein:<br />
� IMAGE: Beschreibt den Direktschall-Eindruck, den eine Aufnahme<br />
vermittelt: Ausdehnung des Klangkörpers sowie Positionen einzelner<br />
Schallquellen.<br />
� SPACE: Beschreibt den Eindruck der Räumlichkeit einer Aufnahme:<br />
enthält also akustische Informationen über die Raumgröße (z.B. erste<br />
Reflexionen, Nachhall), und Raumbeschaffenheit (z.B. Diffusionsgrad 20 ,<br />
Frequenzgang des Nachhalls).<br />
� Trennung von IMAGE und SPACE: die Trennung von Image und<br />
Space ist notwendig, um bei der Nachbearbeitung des Tonmaterials die<br />
Mischung beider Faktoren bestimmen zu können. Da Mikrofon-Anordnungen für<br />
die Gewinnung des Image- und Space-Signals sich in der Regel im selben<br />
Raum befinden, lässt es sich schwer vermeiden, dass auch das Space-System<br />
Direktschallinformationen enthält. Die so entstehenden, verschiedenen<br />
Abbildungen des Klangkörpers im Image- und Space-Signal können in der<br />
Kombination zu Unschärfen in der Abbildung und Klangverfärbungen führen.<br />
Typische Problematik bei der Surround-Wiedergabe ist z.B. auch das „nach<br />
hinten Schwappen“ der Direktschall-Signales. Daher Jecklins Forderung: „No<br />
Space in Image, no Image in Space!“<br />
� SOUND: Beschreibt die Klangfarbe einer Aufnahme, die so natürlich wie<br />
möglich ausfallen soll.<br />
Zentrale Punkte für die Entwicklung eines Surround-Mikrofonsystems sind also,<br />
nach Jecklin, eine optimale Abbildung des Klangkörpers mit der bestmöglichen<br />
19 Die Reproduktion des Schallfeldes ist nach Jecklin über ein 5.1 Lautsprechersystem schon deshalb<br />
nicht möglich, da nur es nur horizontal, also nur 2-dimensional wiedergegeben werden kann. Daher ist die<br />
korrekte Terminologie „Simulation“. Siehe: [Jecklin 2003]<br />
20 Diffusionsgrad = 1 bedeutet die völlig gleichmäßige Verteilung der reflektierten Schallstrahlen,<br />
Diffusionsgrad = 0 die Bündelung der reflektierten Schallstrahlen. Siehe [Willems 2008]
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 24<br />
Klangfarbe, sowie die Simulation der Räumlichkeit mittels Signalen, die<br />
möglichst keinen Direktschallanteil haben.<br />
Die im Rahmen dieser Arbeit getestete Surround-Scheibe ist zur Erfüllung<br />
dieser Forderungen entwickelt worden:<br />
� Die Abbildung des Direktschalls wird mittels Laufzeit- und<br />
Spektraldifferenzen realisiert. Da zur Phantomschalquellenbildung keine<br />
Intensitätsdifferenzen notwendig sind, wird der Einsatz von Kugeln möglich,<br />
deren Frequenzgänge bauartbedingt sehr linear sein können. Dies ist<br />
Voraussetzung für das Erzielen einer guten Klangfarbe der Aufnahme.<br />
� Die phasengedrehten Signale der nach hinten gerichteten Nieren werden<br />
mit den Kugelsignalen zusammengemischt und in die Kanäle L und R geroutet.<br />
Die phasengedrehten Signale der nach vorne gerichteten Nieren werden mit<br />
den Kugelsignalen gemischt und in die Kanäle SL und SR geroutet. So wird für<br />
die Aufnahme die vordere Hemisphäre des Schallfeldes von der hinteren<br />
getrennt, gleichzeitig aber das ausgewogene Frequenzgangverhalten der<br />
Kugeln für alle Kanäle beibehalten. Dies ist Jecklins Ansatz zur Trennung von<br />
Image- und Space-Signal.<br />
� Eine koinzidente Anordnung der vorderen und hinteren Mikrofonsysteme<br />
(in diesem Fall ein XY mit 180° Öffnungswinkel) wei st nach Jecklin ein<br />
unproblematisches Verhalten für die Kopplung der vorderen und hinteren<br />
Hemisphäre auf:<br />
“For the lateral information the use of angle dependent arrival time and spectral<br />
differences between front and surround channels makes no sense. It is<br />
sufficient and reasonable to use just intensity differences between the front and<br />
surround channels. This can be realized with two lateral XY.” [Jecklin 2008]<br />
X1 X2<br />
Y1 Y2<br />
Abb. 18 Zwei XY für eine laterale Abbildung auf Intensitätsbasis
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 25<br />
<strong>2.</strong>4 Surround-Mikrofonierung des ORF im Großen Saal des<br />
Wiener Musikvereins<br />
Der österreichische Rundfunk sendet seit dem 13. Februar 2005<br />
Konzertmitschnitte aus dem Großen Saal des Wiener Musikvereins in Stereo<br />
und 5.1 Surround. Hierfür wurde die Hauptmikrofonierung adaptiert.<br />
Die Wahl der Mikrofonierungsart wurde durch mehrere Faktoren bestimmt:<br />
� Die zusätzlichen Kosten für die Erweiterung auf das Surround-Format<br />
mussten so gering wie möglich gehalten werden.<br />
� Das Konzerterlebnis sollte so wenig wie möglich optisch durch das<br />
Hängen von zusätzlichen Mikrofonsystemen gestört werden.<br />
� Das Stereo-Signal musste aus dem Surroundsignal generiert werden<br />
können, und zwar möglichst ohne klangliche Einbußen.<br />
<strong>2.</strong>4.1 Aufbau des Surround-Hauptsystems<br />
1,2m<br />
2,5m<br />
2,5m<br />
Abb. 19 Surround-Hauptmikrofonierung im Großen Saal des Wiener<br />
Musikvereins<br />
1,2m<br />
2,5m
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 26<br />
<strong>2.</strong>4.2 Decca Tree-ähnliche Anordnung als Front-Triplet<br />
Die Decca Tree-Mikrofonkonstellation wurde von den Toningenieuren der<br />
Decca in den 50er Jahren entwickelt. Die Anordnung wurde empirisch gefunden<br />
und hat keine mathematisch-psychoakustischen Berechnungsmethoden zur<br />
Grundlage.<br />
Ursprünglich wurde das Neumann M50 verwendet, ein Mikrofon mit<br />
Kugelcharakteristik. Das Kleinmembran-Mikrofon wurde durch den Einbau der<br />
Kapsel in eine Plexiglas-Kugel mit 4cm Durchmesser diffusfeldentzerrt.<br />
Die Abstände der Mikrofone des Decca Trees hängen von der<br />
Aufnahmesituation und dem musikalischen Werk ab. Prinzipiell gibt es jedoch<br />
eine Faustregel, die besagt, dass die Abstände der Mikrofone zueinander<br />
mindestens 1m betragen müssen. Außerdem kann man von einer missglückten<br />
Aufstellung ausgehen, wenn das Mikrofon im Center mehr als 3dB gegenüber<br />
den anderen Mikrofonen abgesenkt werden muss. 21<br />
Das Decca Tree-Hauptsystem hat viele Tonschaffende zu Variationen inspiriert.<br />
Auch der ORF verwendet im Musikvereins-Saal eine Decca Tree-ähnliche<br />
Konstellation. Der Vorteil für die Stereo-Surround-Kompatibilität liegt nahe: Das<br />
Center-Mikrofon kann entweder in den Center-Kanal eines Surround-<br />
Lautsprecher-Systems geroutet werden oder, wie es die Decca-Ingenieure auch<br />
taten, in die Mitte einer Stereoabhöre panoramisiert werden.<br />
Abb. 20 Decca Tree mit typischen Mikrofonabständen<br />
21 Siehe: [Sengpiel 2007]<br />
45,00°<br />
2,0m<br />
1,5m
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 27<br />
<strong>2.</strong>4.3 Hamasaki-Square-ähnliche Aufstellung als Raumsystem<br />
Hamasaki schlägt zur Wiedergabe der Räumlichkeit ein Mikrofonarray vor, das<br />
aus vier Mikrofonen mit Achter-Charakteristik besteht:<br />
2m-3m<br />
Abb. 21 Hamasaki-Square<br />
Er geht aufgrund umfangreicher Hörtests 22 davon aus, dass die vier<br />
Lautsprecher L, R, SL, und SR vollkommen ausreichen, um den räumlichen<br />
Eindruck einer Aufnahmesituation wiederzugeben. Hierfür ordnet er die<br />
vorderen beiden Mikrofone L und R zu, die hinteren SL und SR.<br />
Die Auslöschung der Achtercharakteristik ist auf die Schallquelle ausgerichtet.<br />
Hierdurch soll bei der Mischung die Räumlichkeit unabhängig vom Direktschall<br />
geregelt werden können.<br />
Bühne<br />
2m-3m<br />
Die vier Mikrofone nehmen so primär seitliche Reflexionen des<br />
Aufnahmeraumes auf. Zwar schlägt Hamasaki auch Varianten des Hamasaki-<br />
Squares vor, bei denen das hintere Mikrofonpaar aus Nieren besteht, jedoch<br />
warnt er vor möglichen Rückwürfen (Echos) der Rückwand 23 :<br />
22 Aus: [Hamasaki et al. 2002] S. 3.<br />
23 Hierbei wird von einem quaderförmigen Konzertsaal ausgegangen.<br />
2m-10m
<strong>2.</strong> Beschreibung der verglichenen Hauptsysteme 28<br />
„If these reflections are very noticeable, the feed to rear loudspeakers causes<br />
an annoying delay between front loudspeakers and rear loudspeakers.“ 24<br />
[Hamasaki et al. 2002]<br />
Die Abstände der Mikrofone bestimmt Hamasaki rechnerisch und empirisch:<br />
Zunächst stellt er in Messungen fest, dass zwei Kugeln bei einem Abstand von<br />
2m schon ab 100Hz keine Kreuzkorrelation mehr aufweisen:<br />
Abb. 22 Kreuzkorrelation von 2 Kugeln abhängig vom Abstand<br />
Mit Hilfe von 11 Toningenieuren, die als Testpersonen verschiedene Abstände<br />
im Vergleich hörten, ermittelte er die für die räumliche Wiedergabe am besten<br />
geeigneten Abstände der vier Achten. Diese liegen im Bereich zwischen 2m<br />
und 3m.<br />
Das Raumsystem des ORF weist ca. 2,5m Kantenlänge auf und liegt somit<br />
innerhalb des Bereichs der von Hamasaki vorgeschlagenen Abstände. Das<br />
vordere Mikrofonpaar besteht aber davon abweichend aus Nieren, die zwar in<br />
Richtung der Rückwand des Musikvereinsaals gerichtet sind, jedoch laut ORF-<br />
Tonmeister Josef Schütz, aufgrund der terrassenartigen Architektur der<br />
Rückwand keine Echos aufnimmt, sondern einen für die Wiedergabe der<br />
Räumlichkeit geeigneten Diffusschall des rückwärtigen Raumteiles.<br />
Ein weiterer Unterschied zu dem ursprünglichen Hamasaki-Square besteht in<br />
der Zuordnung der Signale: Die des vorderen Mikrofonpaares (Nieren) werden<br />
zwischen L und SL und R und SR panoramisiert, während das Signal des<br />
hinteren Paares (Achten) in SL und SR geroutet werden.<br />
24 Aus: [Hamasaki et al. 2002] S. 3.
3. Versuchsanordnung 29<br />
3. Versuchsanordnung<br />
Für einen Surround-Hauptmikrofon-Test ist ein Orchester nach Meinung des<br />
Autors ein angemessener Klangkörper. Diese Entscheidung wurde aus<br />
folgenden Gründen getroffen:<br />
� Da ein Orchester ein ausgedehnter Klangkörper ist, lassen sich die<br />
Qualitätsmerkmale eines Mikrofonsystems hinsichtlich horizontaler Abbildung<br />
und Tiefenstaffelung gut prüfen.<br />
� Von der großen Trommel bis zur Triangel decken die Instrumente eines<br />
Orchesters ein sehr breites Frequenzspektrum ab. Daher ist das Orchester<br />
auch zur Beurteilung des Frequenzverhaltens eines Mikrofonsystems gut<br />
geeignet.<br />
� Die von einem Orchester abgestrahlte Schallenergie reicht i.A.<br />
vollkommen aus, um einen Konzertsaal anzuregen. Somit kann die Qualität des<br />
Mikrofonsystems auch hinsichtlich der Übertragung der Räumlichkeit untersucht<br />
werden.<br />
Daher wurde für den Vergleich die Generalprobe des Webern-Symphonie-<br />
Orchesters am 15. Mai 2009 im Großen Saal des Wiener Musikvereins<br />
aufgenommen.<br />
Programm:<br />
� Anton Bruckner: 7. Symphonie<br />
� Alban Berg: Violinkonzert; Solistin: Patricia Kopatchinskaja<br />
Dirigent: Ralf Weikert<br />
3.1. Aufnahmeort: Der Große Saal des Wiener Musikvereins<br />
Leo Beranek schreibt in seinem Werk „Concert Halls and Opera Houses”:<br />
“The superior acoustics of the Hall are due to its rectangular shape, its relatively<br />
small size, its high ceiling with resulting long reverberation time, the irregular
3. Versuchsanordnung 30<br />
interior surfaces, and the plaster interior. Any Hall built with these<br />
characteristics would be an excellent hall, especially for symphonic music of the<br />
Romantic and Classical periods.” 25 [Beranek 2003]<br />
Abb. 23 Großer Saal des Wiener Musikvereins<br />
V 15.000m³ Gesamtes Raumvolumen<br />
Sa 690m² Sitzfläche<br />
SA 955m² Sitzfläche und Zwischenräume<br />
S0 163m² Fläche der Bühne<br />
ST 1118m² ST=Sa+SA+S0<br />
N 1680 Sitze<br />
H 17,4m durchschnittliche Raumhöhe<br />
W 19,8m durchschnittliche Raumbreite<br />
L 35,7m durchschnittliche Raumlänge<br />
D 40,2m weitester Abstand zwischen Bühne und Hörer<br />
V/ST 13,4m Raumvolumen zu ST<br />
V/SA 15,7m Raumvolumen zu SA<br />
V/N 8,93m³ Raumvolumen pro Hörer<br />
SA/N 0,57m² Sitzfläche mit Zwischenraum pro Hörer<br />
Sa/N 0,41m² Sitzfläche pro Hörer<br />
H/W 0,88 durchschnittliche Raumhöhe zu durchschnittlicher Raumbreite<br />
L/W 1,8 durchschnittliche Raumlänge zu durchschnittlicher Raumbreite<br />
ITDG 12msec Initial-time-delay-gap: Zeit in ms zwischen Direktschall und 1. Reflexion 26<br />
25 Aus: [Beranek 2003], S. 173<br />
26 Aus: [Beranek 2003], S. 176
3. Versuchsanordnung 31<br />
3.2 Technik<br />
Für einen neutralen Vergleich ist es unumgänglich so viele technische<br />
Parameter wie möglich gleichwertig zu gestalten:<br />
� Alle im Test verwendeten Mikrofone sind von derselben Marke und des<br />
gleichen Typus: Es wurden ausschließlich Schoeps MK2S, MK4 und MK6<br />
verwendet.<br />
� Fast alle Kanäle wurden durch den gleichen Vorverstärker / A/D-Wandler<br />
digitalisiert: Für die Anordnungen Trinnov SRP, WMA und Jecklin-Surround-<br />
Scheibe wurden alle Kanäle mit RME-Mixtasy vorverstärkt und gewandelt; ABC,<br />
Hamasaki-Square und Stützmikrofone wurden von Studer D950 Vorverstärkern<br />
und A/D-Wandlern prozessiert. Dies stellt eine Diskontinuität in der Signalkette<br />
dar. Die qualitativen Unterschiede dieser Geräteeinheiten dürften aber nach<br />
Meinung des Autors marginal ausfallen und die Ergebnisse des Testes nicht<br />
beeinflussen.<br />
3.3 Positionierung der Hauptsysteme<br />
Die gleichwertige Positionierung der Hauptsysteme stellte eine besondere<br />
Herausforderung dar. Hier sieht der Autor die größtmögliche Fehlerquelle für<br />
die gerechte Beurteilung der Mikrofonsysteme:<br />
� Aufgrund der Unterschiede des Bündelungsfaktors 27 der von den<br />
Systemen verwendeten Mikrofone (WMA: Mikrofone mit Nierencharakteristik,<br />
Trinnov SRP: Charakteristik bis 5. Ordnung, ABC: Mikrofone mit<br />
Kugelcharakteristik) müssen die Systeme in verschiedenen Abständen zum<br />
Klangkörper aufgestellt werden, um ein gleich empfundenes Verhältnis<br />
zwischen Direkt- und Diffusschall zu erreichen.<br />
� Um dieselbe Balance zwischen den Instrumenten zu erhalten, müssten<br />
sich die Systeme (abhängig vom Bündelungsfaktor) auf derselben Höhe<br />
befinden. Dies ist aber nicht möglich, da der Platz auf einer Ebene begrenzt ist.<br />
Desweiteren sollten sich die physischen Ausmaße der Systeme klanglich nicht<br />
27 Der Bündelungsfaktor gibt an, wie viel mal größer der Besprechungsabstand eines Mikrofons mit<br />
gerichteter Charakteristik gegenüber dem eines Mikrofons mit kugelförmiger Richtcharakteristik sein<br />
kann, um das gleiche D/R-Verhältnis zu erhalten (D = Direktschall, R = Reflektierter Schall). Auf<br />
Englisch heißt er DSF = distance factor.
3. Versuchsanordnung 32<br />
gegenseitig beeinflussen (z.B. durch Platzieren eines Trennkörpersystems in<br />
die Nähe eines Systems basierend auf Äquivalenz).<br />
Alle Mikrofonsysteme wurden nach subjektiv gleich empfundenem Direkt-<br />
Diffusschall-Verhältnis aufgestellt. die Systeme wurden hierfür während des<br />
Einspielens des Orchesters in der ORF-Tonregie des Musikvereins abgehört.<br />
ABC und Hamasaki-Square<br />
KM<br />
Trinnov-SRP<br />
OSIS<br />
VL 2<br />
730 ,00 mm<br />
7 8 A B<br />
Abb. 24 Position der Hauptsysteme (qualitativ)<br />
730,00 mm<br />
730,00 mm<br />
C<br />
5<br />
4<br />
6<br />
3<br />
1 2<br />
VC<br />
Vla I<br />
SR1L SR1R<br />
SR2L SR2R<br />
730,00 mm<br />
730,00 mm<br />
WMA
3. Versuchsanordnung 33<br />
3.4 Vorbereitung des Vergleichsmaterials für den Hörvergleich<br />
Im Wesentlichen galt es bei der Vorbereitung des Audiomaterials zu<br />
garantieren, dass alle Kanäle in den richtigen Lautsprechern wiedergegeben<br />
und die Signale richtig dekodiert werden:<br />
� Trinnov SRP: Die Signale der acht Mikrofone des Arrays wurden mittels<br />
der SRP-Signal-Prozessor-Einheit dekodiert. Die hierbei möglichen<br />
wiedergabe-seitigen Eingriffe (oblatenförmige Gesamt-Richtcharakteristik oder<br />
Dämpfung der rückwärtigen Kanäle) wurden außer Acht gelassen. Die Gesamt-<br />
Richtcharakteristik des Systems war für den Test kugelförmig.<br />
� WMA: Die Signale des WMA bedurften keiner Nachbearbeitung. Die<br />
Signale wurden den entsprechenden Wiedergabekanälen zugeordnet.<br />
� OSIS: Die Signale der nach vorne und hinten gerichteten Nieren wurden<br />
phasengedreht den Signalen der Kugeln beigemischt:<br />
Abb. 25 Signalflow für OSIS
3. Versuchsanordnung 34<br />
� ABC und Hamasaki-Square: Das ABC wurde nach Ermessen des Autors<br />
mit den Signalen der Stützmikrofone und dem Hamasaki-Square gemischt.<br />
ABC und Hamasaki-Square können nach Meinung des Autors ohne<br />
Stützmikrofonie nicht als eigenständiges System betrachtet werden, da die<br />
angemessene Lokalisierungsschärfe der Instrumentengruppen und die als<br />
richtig empfundene Balance von Direkt- und Diffusschall erst mit der<br />
Beimischung der Stützmikrofone erreicht wird. Unter dem Autor bekannten<br />
Tonmeistern ist diese Vorgehensweise üblich. Nur in wenigen Ausnahmefällen<br />
werden Kugel-Hauptsysteme nicht mit Stützmikrofonen kombiniert.<br />
Die auf diese Art und Weise gewonnenen Surround-Signale wurden nun für den<br />
Test auf gleiche Lautheit eingestellt.<br />
Hierbei ist dem Autor aufgefallen, dass programmabhängig (also im Wechsel<br />
zwischen lauten und leisen Stellen der Musik) die Lautheit der vier<br />
Surroundsysteme variiert: Wurde die Lautheit beispielsweise an einer leisen<br />
Stelle der Testmusik angeglichen, konnte sie sich an einer lauten Stelle wieder<br />
erheblich unterscheiden. Dies deutet darauf hin, dass die Systeme<br />
verschiedene Wirkungsgrade der Schallwandlung aufweisen.<br />
Bei der Anpassung der Lautheit wurde daher versucht, den besten Kompromiss<br />
zu finden. Um die Systeme perfekt aufeinander anzupassen, wäre eine<br />
Lautstärken-Automation erforderlich gewesen, die wiederum die Dynamik der<br />
Systeme verfälscht hätte.<br />
Den vier Systemen wurden Mute-Gruppen zugeordnet, so dass die<br />
Testpersonen mit einem Knopfdruck zwischen den Systemen wechseln<br />
konnten. Die Systeme wurden auf Mischpult sowie Fragebogen mit Nummern<br />
versehen.<br />
3.5 Die Abhörsituation<br />
Als Testumgebung wurde Studio 2 des Institutes für Komposition und<br />
Elektroakustik der Wiener Musikuniversität gewählt. Dieses Studio stellt einen<br />
gewohnten Arbeitsplatz der Wiener Tonmeisterstudenten dar. Da die<br />
Testpersonen ausschließlich aus Studenten und Lehrenden des Tonmeister-<br />
Institutes bestanden, geht der Autor davon aus, dass diese in der gewohnten
3. Versuchsanordnung 35<br />
akustischen Umgebung in der Lage waren, ein genaues Urteil über das<br />
Audiomaterial zu fällen.<br />
Die Lautsprecher wurden vor dem Test kalibriert. Abstände zum Sweetspot und<br />
Winkel wurden gemessen und die Lautsprecherposition gegebenenfalls<br />
korrigiert.<br />
Zum Einstellen der Pegel wurde ein Schallpegelmessgerät verwendet, dessen<br />
Messmikrofon im Sweet-Spot etwa auf Ohr-Höhe platziert wurde. Laut<br />
Empfehlungen des „Producers and Engineers Wing“ 28 wurden dann die<br />
Lautsprecher mit rosa Rauschen bespielt und auf 85dB SPL eingepegelt. Das<br />
Schallpegelmessgerät wurde hierfür auf C-Gewichtung und die Zeitbewertung<br />
auf „langsam“ gestellt.<br />
3.6 Zu bewertende Parameter<br />
Als Grundlage für die Festlegung der zu bewertenden Parameter diente die in<br />
Kapitel <strong>2.</strong>3.2 erwähnte Systematik Jecklins zur Beurteilung von Aufnahmen. Die<br />
zu bewertenden Merkmale einer Aufnahme Sound (Klangfarbe), Image<br />
(Abbildung) und Space (Räumlichkeit), hat der Autor mit Unterkategorien<br />
versehen und um die Kategorie der persönlichen Präferenz der Probanden<br />
erweitert:<br />
1. Klangfarbe<br />
<strong>2.</strong> Abbildung<br />
a. natürlich – verfärbt<br />
b. satt – dünn<br />
a. klar – undefiniert<br />
b. stabil – instabil<br />
3. Tiefenstaffelung<br />
a. plastisch – flach<br />
4. Räumliche Einhüllung<br />
28 Siehe: [Ainlay et al. 2004], S. 35
3. Versuchsanordnung 36<br />
a. gut – schwach<br />
5. Verbindung vorne – hinten<br />
a. kontinuierlich – aufgerissen<br />
6. Gesamteindruck<br />
a. glaubwürdig – artifiziell<br />
b. gefällt mir – gefällt mir nicht<br />
3.6.1. Erklärung der gewählten Parameter<br />
� Klangfarbe: Die Unterkategorien „natürlich - verfärbt“ und „satt - dünn“<br />
beschreiben eigentlich das Verhalten zweier Frequenzbänder des<br />
Audiomaterials. Wird eine Verfärbung empfunden, so bezieht sich dieser<br />
Ausdruck nach Meinung des Autors auf einen nicht linearen Frequenzgang im<br />
Bereich der Formanten, während die Begriffe „satt“ bzw. „dünn“ eher eine<br />
Aussage über die Eigenschaften des Frequenzverlaufs im Bereich der Mitten<br />
und tiefen Mitten repräsentieren. Was die Begrifflichkeit betrifft, gibt es hierfür<br />
keine genau definierten Konventionen.<br />
� Abbildung: Unter einer „klaren“ Abbildung versteht sich das Ausmaß der<br />
horizontalen Lokalisierungsschärfe: Ist bei der Wiedergabe einer Aufnahme der<br />
Hörer in der Lage, einzelnen Instrumenten eine Richtung, bzw.<br />
Instrumentengruppen eine Dimension und Richtung zuzuordnen, so kann man<br />
von einer klaren horizontalen Abbildung sprechen. Das Gegenteil hiervon wäre<br />
eine „undefinierte“ horizontale Abbildung.<br />
Selbst wenn eine klare Abbildung erreicht ist, kann es vorkommen, dass<br />
Schallquellen (insbesondere Soloinstrumente oder Gesangssolisten) innerhalb<br />
der Lautsprecherbasis nicht „stabil“ aus einer Richtung abgebildet werden,<br />
sondern sich im Verlauf der Wiedergabe horizontal zu bewegen scheinen 29 . In<br />
der Praxis hat sich gezeigt, dass solche Effekte bei einer Wiedergabe als<br />
„geisterhaft“ empfunden werden und daher nicht erwünscht sind. 30<br />
29 Bei im Sweetspot befindlichem, nicht bewegtem Kopf des Hörers.<br />
30 Im Rahmen der Vorlesung „Aufnahmeanalyse“ hat Jecklin von Versuchen berichtet, Opernaufnahmen<br />
mit bewegten Sängern zu produzieren. Aufnahmen mit bewegten Phantomschallquellen waren jedoch,<br />
nach Jecklin, unter den Hörern nicht besonders beliebt.
3. Versuchsanordnung 37<br />
� Tiefenstaffelung: Ist die Tiefenstaffelung plastisch, können Schallquellen<br />
aus verschiedenen, virtuellen Ebenen der Lautsprecherbasis geortet werden.<br />
Jecklin teilt diese Dimension in folgende Unterkategorien auf:<br />
„Layer 0<br />
Die Schallquellen werden raumlos in der Ebene der Wiedergabelautsprecher<br />
abgebildet. […]<br />
Layer 1<br />
Schallquellen oder Schallquellengruppen sind in einem beim direkten Hören als<br />
angenehm empfundenen Abstand hinter der Lautsprecherebene abgebildet.[…]<br />
Layer 2<br />
Schallquellengruppen werden in einem der Gruppengröße angemessenen<br />
Abstand hinter der Lautsprecherebene abgebildet. […]<br />
Layer 3<br />
Zweite Ebene eines tiefengestaffelten, großen Klangkörpers. Die Akustik des<br />
Aufnahmeraumes ist deutlich wahrnehmbar. […]<br />
Layer 4<br />
Deutlich entfernt platzierte Schallquellen, die im Raum, oder sogar außerhalb<br />
des Raumes abgebildet erscheinen. Beispiel: Fernorchester“ […]<br />
[Jecklin 2003]<br />
Wird also ein Orchester z.B. nur in einer Ebene (Layer) abgebildet, kann man<br />
von einer „flachen“, also praktisch nicht vorhandenen Tiefenstaffelung<br />
sprechen.<br />
� Räumliche Umhüllung: „Das Gefühl, sich mitten im Klang zu befinden -<br />
von Klang umgeben zu sein.“ [Meindl 2006]<br />
Dieser Begriff steht für das Ausmaß des Gefühls, durch die<br />
Mehrkanalwiedergabe in das ursprüngliche Schallfeld der Aufnahme<br />
zurückversetzt zu sein. Eine gute räumliche Umhüllung dürfte entstehen, wenn<br />
ein Mikrofonsystem erste Reflexionen und Nachhall eines Raumes annähernd<br />
unverzerrt und richtungstreu wiedergibt. Hierbei ist auch der korrekte relative<br />
Pegel zwischen Direkt- und Diffusschall ausschlaggebend.
3. Versuchsanordnung 38<br />
� Eine besondere Herausforderung stellt die psychoakustische Verbindung<br />
zwischen vorderem und hinterem Schallfeld durch die Lautsprecher einer<br />
Surroundanlage dar, zumal die Abbildung des Schallfeldes lateral nicht so<br />
unproblematisch funktioniert wie vorne und hinten:<br />
„Unsere Ohren stehen zu den beiden seitlichen Lautsprechern (hiermit sind SL<br />
und SR gemeint) sehr ungünstig. Schon leichte Kopfbewegungen lassen das<br />
lokalisierte Hörereignis seitlich nach vorn und hinten springen, weil sich dabei<br />
die Laufzeitdifferenzen und die Pegeldifferenzen stark ändern - was irritierend<br />
ist. Die Seitenschallquellen sind also leicht flüchtig.“ [Sengpiel, 2000]<br />
Daher ist es ebenfalls eine positive Eigenschaft eines Surround-<br />
Mikrofonsystems, wenn sich dieses in der lateralen Abbildung unproblematisch<br />
verhält, also eine Kontinuität des Klangbildes auch seitlich erzeugt.<br />
� Eine Unterkategorie der persönlichen Präferenz fordert den Probanden<br />
dazu auf, die Aufnahme hinsichtlich der Glaubwürdigkeit zu prüfen. Mit der<br />
Frage nach der „Glaubwürdigkeit“ einer Aufnahme möchte der Autor evaluieren,<br />
ob das Aufnahmesystem das Schallfeld so aufzeichnen kann, dass das<br />
Tonmaterial bei der Wiedergabe einen realitätsnahen Eindruck hinterlässt.<br />
Hierbei gilt es nicht, dies nach einzelnen Parametern zu untersuchen, sondern<br />
den Gesamteindruck zu beschreiben. Der Autor geht davon aus, dass sich die<br />
Testhörer bei der Frage nach einem Gesamteindruck nicht mehr auf einzelne,<br />
oben genannte Parameter beziehen, sondern jenes Gefühl dokumentieren,<br />
welches die Summe der Parameter hervorbringt.<br />
3.7 Ablauf der Testreihe<br />
Den insgesamt 21 Probanden wurden die Parameter des Fragebogens und die<br />
Bedienung des Mischpultes erklärt. Die Testpersonen hatten dann die<br />
Möglichkeit das Probematerial selbständig zu beurteilen. Hierfür gab es keine<br />
zeitlichen Limitierungen.<br />
In der Regel benötigten die Testpersonen zwischen 20 und 30, in seltenen<br />
Fällen bis zu 45 Minuten zur Beurteilung des Audiomaterials.
4. Testergebnisse 39<br />
4. Testergebnisse<br />
4.1 Auswertung und Statistik<br />
Zur Auswertung der Untersuchungen wurde der Mittelwert aller Parameter,<br />
sowie das Konfidenzintervall von 95% berechnet. Dieses gibt einen Bereich der<br />
Mittelwerte des jeweiligen Parameters für eine Gesamtheit aller möglichen<br />
Stichproben an, die unter denselben Bedingungen entstehen. Bei dem<br />
Konfidenzniveau von 95% bleibt eine Wahrscheinlichkeit von 5% bestehen,<br />
dass bei der Gesamtheit aller möglichen Stichproben der Mittelwert nicht<br />
innerhalb des Konfidenzintervalls liegt 31 .<br />
Für psychoakustische Tests ist das Konfidenzintervall deshalb sehr interessant,<br />
weil die Aussagekraft (Signifikanz) einer Stichprobe direkt abgelesen werden<br />
kann. War die Streuung in der Beurteilung eines Parameters groß, so<br />
vergrößert diese Tatsache das Konfidenzintervall; je breiter dieses ist, desto<br />
geringer ist die Aussagekraft (Signifikanz) des mittels einer Stichprobe<br />
ermittelten arithmetischen Mittelwertes.<br />
4.1.1 Berechnung des arithmetischen Mittelwertes<br />
��……..Mittelwert des Parameters<br />
�……..Wert des Parameters<br />
�……..Anzahl der Testergebnisse<br />
�……..Ordnungszahl der Testergebnisse<br />
�<br />
�� � 1<br />
� � �� ���<br />
4.1.2 Berechnung des Konfidenzintervalls P über die Varianz σ²<br />
� � � � ∑�� ����� �<br />
�����<br />
� � �� � � �<br />
σ……..Standardabweichung P……..Konfidenzintervall<br />
σ²……..Varianz<br />
31 Aus: [Wikipedia 2009], Stand: 16.1<strong>2.</strong>2009<br />
√�<br />
; � � 1,96<br />
z……..Standardnormalverteilung für Konfidenzintervall<br />
95%: 1,96
4. Testergebnisse 40<br />
4.2 Fehlerbalkendiagramme<br />
Die Fehlerbalkendiagramme bieten eine gute Übersicht und<br />
Vergleichsmöglichkeit der einzelnen Test-Parameter:<br />
natürlich verfärbt<br />
Obere Grenze des Konfidenzintervalls<br />
Arithmetischer Mittelwert<br />
Untere Grenze des Konfidenzintervalls<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
KLANGFARBE: natürlich - verfärbt<br />
ABC TRINNOV-SRP WMA JECKLIN<br />
Abb. 26 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Klangfarbe“: natürlich -<br />
verfärbt
4. Testergebnisse 41<br />
satt dünn<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
ABC TRINNOV-SRP WMA JECKLIN<br />
Abb. 27 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Klangfarbe“: satt - dünn<br />
klar undefiniert<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
KLANGFARBE: satt - dünn<br />
ABBILDUNG: klar - undefiniert<br />
ABC TRINNOV-SRP WMA JECKLIN<br />
Abb. 28 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Abbildung“: klar - undefiniert
4. Testergebnisse 42<br />
stabil instabil<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
ABC TRINNOV-SRP WMA JECKLIN<br />
Abb. 29 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Abbildung“: stabil - instabil<br />
plastisch flach<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
ABBILDUNG: stabil - instabil<br />
TIEFENSTAFFELUNG: plastisch - flach<br />
ABC TRINNOV-SRP WMA JECKLIN<br />
Abb. 30 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Tiefenstaffelung“: plastisch -<br />
flach
4. Testergebnisse 43<br />
gut schwach<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
ABC TRINNOV-SRP WMA JECKLIN<br />
Abb. 31 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „räumliche Umhüllung“: gut -<br />
schwach<br />
kontinuierlich aufgerissen<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
RÄUMLICHE UMHÜLLUNG: gut - schwach<br />
VERBINDUNG VORNE-HINTEN:<br />
kontinuierlich - aufgerissen<br />
ABC TRINNOV-SRP WMA JECKLIN<br />
Abb. 32 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Verbindung vorne - hinten“:<br />
kontinuierlich - aufgerissen
4. Testergebnisse 44<br />
glaubwürdig artifiziell<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
ABC TRINNOV-SRP WMA JECKLIN<br />
Abb. 33 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Gesamteindruck“:<br />
glaubwürdig - artifiziell<br />
gefällt gefällt nicht<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
GESAMTEINDRUCK: glaubwürdig - artifiziell<br />
GESAMTEINDRUCK: gefällt - gefällt nicht<br />
ABC TRINNOV-SRP WMA JECKLIN<br />
Abb. 34 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Gesamteindruck“: gefällt –<br />
gefällt nicht
4. Testergebnisse 45<br />
4.3 Interpretationsmöglichkeiten der Ergebnisse<br />
Im Folgenden wird versucht, die Testergebnisse mit den technischen<br />
Eigenschaften der Systeme in Beziehung zu bringen. Hierbei handelt es sich<br />
um Interpretationsversuche des Autors.<br />
4.3.1 Klangfarbe<br />
Der Parameter Klangfarbe weist, abgesehen vom Gesamteindruck, die größten<br />
Differenzen zwischen den Mikrofonsystemen auf. ABC hat in beiden<br />
Unterkategorien klar die besten Ergebnisse erzielt. Was den Klang betrifft, ist<br />
die Kugelcharakteristik aufgrund des linearsten Frequenzganges im Vergleich<br />
zu anderen Richtcharakteristiken am meisten zu empfehlen. Dass die Jecklin-<br />
Scheibe, die ebenfalls mit Kugeln arbeitet, klanglich den 3. Platz erhält, könnte<br />
damit zusammenhängen, dass gewisse Einfärbungen durch den Trennkörper<br />
entstehen. Am erstaunlichsten ist das relativ schlechte Ergebnis für das Trinnov<br />
SRP. Wahrscheinlich erhalten die Kugelsignale bei der aufwändigen, digitalen<br />
Signalverarbeitung durch die Filtermatrix eine nicht vorteilhafte Einfärbung. Für<br />
die Tatsache, dass das WMA ausschließlich aus Nieren besteht, schneidet es<br />
klanglich mit dem <strong>2.</strong> Platz hervorragend ab. Der entfernungsabhängige<br />
Frequenzgang der Nieren scheint, was die Wiedergabe tiefer Frequenzen<br />
betrifft, in diesem Fall nicht so stark ins Gewicht zu fallen.<br />
4.3.<strong>2.</strong> Abbildung<br />
Was die Lokalisierungsschärfe betrifft, lassen sich am Ergebnis des ABC klar<br />
die Nachteile eines auf Laufzeitdifferenz basierten Mikrofonsystems erkennen,<br />
auch wenn diese durch den Einsatz von Stützmikrofonen verbessert wurde.<br />
Das aufwändig generierte Signal vom Trinnov SRP zeichnet sich jedoch trotz<br />
theoretisch perfekter Phantomschallquellen nicht deutlich in der<br />
Lokalisierungsschärfe vom ABC ab. Die genaueste Abbildung wurde beim<br />
WMA erzielt. Hier scheinen die Berechnungen der Segment-<br />
Abdeckungsbereiche gute Wirkung zu erzielen. Die Richtwirkung der Nieren<br />
des Systems tragen sicherlich zu diesem Ergebnis bei, da so die Abbildung<br />
nicht nur auf Laufzeit- sondern auch Pegelunterschieden basiert. Die<br />
Problematik der parasitären Phantomschallquellen behandelt Williams in seinen
4. Testergebnisse 46<br />
Dokumentationen über das WMA nicht. Die Testhörer haben dem Ergebnis<br />
zufolge keine Verschlechterung der Abbildung durch parasitäre<br />
Phantomschallquellen festgestellt.<br />
Die Jecklin-Scheibe bewegt sich in dieser Kategorie auf der gleichen Ebene wie<br />
das Trinnov SRP, bildet also als System, das Laufzeit- mit Spektraldifferenzen<br />
kombiniert, etwas besser ab als das ABC.<br />
Für die Stabilität der Abbildung scheint das Konzept des Trinnov SRP<br />
aufzugehen. Die restlichen Systeme wurden etwas schlechter bewertet,<br />
verhalten sich untereinander jedoch annähernd gleich, was diesen Parameter<br />
betrifft.<br />
4.3.3 Tiefenstaffelung<br />
Das WMA scheint auch die Tiefenstaffelung am besten zu beherrschen, gefolgt<br />
vom ABC. Obwohl das ABC vorsichtig gestützt wurde (was für die vom<br />
Hauptsystem entfernteren Instrumentengruppen eine geringe Erhöhung des<br />
Direktschallpegels bedeutet), wurde die Tiefenstaffelung besser bewertet als<br />
bei der Jecklin-Scheibe. Das Klangbild des Trinnov SRP wurde als das am<br />
wenigsten tiefengestaffelte wahrgenommen.<br />
4.3.4 Räumliche Umhüllung<br />
Die beste räumliche Umhüllung bot das WMA. Nach Meinung des Autors spielt<br />
auch hierfür die Tatsache eine Rolle, dass das WMA jedes Segment mit einem<br />
passend gestalteten Stereosystem abbildet und somit den Raum „logisch“<br />
wiedergibt – und das nicht, wie das Trinnov SPR, nur auf Intensitätsdifferenzen<br />
basierend, sondern Laufzeit- und Intensitätsdifferenzen kombinierend. Das ABC<br />
an zweiter Stelle ist sicherlich gut, was räumliche Umhüllung betrifft, da das<br />
hinzugefügte Hamasaki-Square die hierfür notwendigen dekorellierten<br />
Raumsignale liefert:<br />
„In order to reproduce the spatial impression of a concert hall, it is necessary to<br />
have four uncorrelated feeds to the left, right, rear left and rear right<br />
loudspeakers.” [Hamasaki et al. 2002, S. 1]<br />
Die Jecklin-Scheibe weist keine besonders großen Mikrofonabstände auf; die<br />
für eine gute räumliche Umhüllung notwendigen dekorellierten Signale kann das<br />
System daher anscheinend nicht im ausreichenden Ausmaß herstellen.
4. Testergebnisse 47<br />
4.3.5 Verbindung vorne-hinten<br />
Dem Hamasaki-Square kann man wahrscheinlich auch die gute Verbindung<br />
zwischen vorne und hinten zuschreiben. Die dekorellierten Signale scheinen<br />
sich gut zu eignen, Stabilität zwischen vorne und hinten zu gewährleisten und<br />
auch unempfindlich auf Kopfbewegungen der Probanden zu reagieren.<br />
Allerdings ist keine richtungstreue Abbildung der 1. Reflexionen zu erwarten,<br />
wie sie das WMA bietet.<br />
Das WMA schneidet in dieser Kategorie schlechter ab; die laterale Abbildung<br />
verlangt eine genaue Ausrichtung des Hörers und reagiert flüchtiger auf<br />
Variationen der Kopfposition.<br />
Da Trinnov-SRP und Jecklin-Scheibe beide lateral auf Intensitätsdifferenzen<br />
basieren, kann es sein, dass diese Tatsache für die Verbindung zwischen vorne<br />
und hinten nicht hilfreich ist. In diesem Test führten anscheinend eine<br />
Kombination aus Intensitäts- und Laufzeitdifferenzen auch lateral zu einem<br />
besseren Ergebnis.<br />
4.3.6 Gesamteindruck<br />
Das ABC wurde als bestes System gewählt- hier zeigt sich, dass der Klang<br />
einer Aufnahme ausschlaggebend ist. Die gute Klangfarbe ist den Kugeln<br />
zuzuschreiben. Überraschenderweise überragt das ABC, laut Testergebnis,<br />
auch in Bezug auf Realismus das WMA. Das ist ein interessantes Ergebnis, da<br />
das ABC, mit der Dekka-Tree-ähnlichen Konfiguration und dem Hamasaki-<br />
Square, kein System ist, welches genaue, richtungstreue Phantomschallquellen<br />
bilden kann.<br />
Auf dem <strong>2.</strong> Platz der Präferenz ist das WMA; auch dieses Ergebnis ist für ein<br />
Hauptsystem, das ausschließlich aus Nieren besteht und daher nicht den Klang<br />
von Kugeln bieten kann, überraschend.<br />
Auch war zu Beginn des Tests nicht zu erwarten, dass das technisch<br />
aufwändigste und in der Anschaffung teuerste System, das Trinnov-SRP, mit<br />
deutlichem Abstand die schlechtesten Beurteilungen erhalten sollte. Der Autor<br />
vermutet zwei wesentliche Gründe für dieses Ergebnis:<br />
1. die offensichtliche Klangverfärbung, wahrscheinlich durch die aufwendige<br />
Filterung der Dekodierungseinheit verursacht.
4. Testergebnisse 48<br />
<strong>2.</strong> die Simulation des Schallfeldes ausschließlich durch Intensitäts-<br />
differenzen.<br />
Koinzidente Anordnungen sind heutzutage selbst als stereophone<br />
Hauptmikrofone kaum mehr üblich. Mikrofon-Systeme, die mehrere<br />
psychoakustische Parameter 32 kombinieren, werden, nach Meinung des Autors,<br />
allgemein vorgezogen, da sie ein realistischeres Klangbild erzeugen.<br />
Auch stellt sich die Frage, ob das Intensitäts-Panning-Gesetz 5. Ordnung das<br />
geeignetste für eine intensitätsdifferenzbasierte Wiedergabe ist.<br />
Beispielsweise kommt Peter Craven in seinem AES-Conference-Paper, nach<br />
zahlreichen Hör-Tests, zu dem Ergebnis, dass ein Intensitäts-Panning-Gesetz<br />
4. Ordnung subjektiv am besten geeignet ist, ein Schallfeld über 360°<br />
abzubilden. 33<br />
270<br />
300<br />
240<br />
330<br />
210<br />
Abb. 35 Polardiagramm des Intensitäts-Panning-Gesetzes 4. Ordnung nach<br />
Peter Craven<br />
Aus diesem Polardiagramm ist jedoch ersichtlich, dass es Schnittflächen der<br />
Richtcharakteristiken gibt, die von drei Kanälen gebildet werden: Dies bedeutet<br />
wiederum, dass bei dem Intensitäts-Panning-Gesetz 4. Ordnung parasitäre<br />
32 Z.B. Laufzeit- Intensitäts- und Spektraldifferenzen.<br />
33 Siehe: [Craven 2003], S. 4: “Subjective Evaluation”, Stand: Juni 2003<br />
1.00<br />
0.80<br />
0.60<br />
0.40<br />
0.20<br />
0.00<br />
0.20<br />
0.40<br />
0.60<br />
0.80<br />
1.00<br />
30<br />
150<br />
60<br />
120<br />
90
4. Testergebnisse 49<br />
Phantomschallquellen entstehen. Laut des von Craven beschriebenem Test<br />
verursacht dies jedoch subjektiv keine Abbildungs-Unschärfe:<br />
„Panning a sound across the front gives a smooth transition. It's clearly better<br />
compared to constant-power panning, both timbrally and spatially. There's<br />
hardly any change in quality as a sound passes through C and only a little bit<br />
more as a sound is panned beyond L and R. The sound image remains stable<br />
for about ±40 to 45 degrees (perceived angle.)“ [Craven 2003]<br />
Dies könnte nach Meinung des Autors ein Indiz dafür sein, dass bei<br />
Audiosystemen die physikalisch am saubersten anmutende Lösung subjektiv<br />
nicht automatisch als Schönste empfunden wird.<br />
Das Netzdiagramm bietet einen guten Überblick über alle Ergebnisse:<br />
Gesamteindruck2<br />
Gesamteindruck1<br />
Verbindung vornehinten<br />
Umhüllung<br />
Klangfarbe1<br />
10 =schlecht<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1 =gut<br />
Abb. 36 Netzdiagramm aller Mittelwerte<br />
Klangfarbe2<br />
Tiefenstaffelung<br />
Abbildung1<br />
Abbildung2<br />
ABC<br />
Trinnov<br />
WMA<br />
Jecklin
5. Zusammenfassung und Ausblick 50<br />
5. Zusammenfassung und Ausblick<br />
Diese Arbeit behandelte den Vergleich von vier Surround-Mikrofon-Systemen:<br />
Trinnov-SRP: Phantomschallquellen werden durch Intensitätsdifferenzen<br />
erzeugt; durch rechnerische Simulation von Richtcharakteristiken 5. Ordnung<br />
werden parasitäre Phantomschallquellen vermieden.<br />
WMA: Phantomschallquellen werden durch Laufzeit-und Intensitätsdifferenzen<br />
erzeugt. Jedes Segment erhält ein der Aufnahmesituation angepasstes<br />
stereophones Mikrofonsystem.<br />
Jecklin-Surround-Scheibe: Phantomschallquellen frontal und retrograd werden<br />
durch Laufzeit- und Spektraldifferenzen erzeugt. Die laterale Abbildung wird<br />
durch eine koinzidente Anordnung realisiert.<br />
ABC+Raum+Stützmikrofonie: Eine empirisch gefundene Mikrofonaufstellung.<br />
Die frontale Abbildungsschärfe wird durch Stützmikrofonierung erhöht.<br />
Die Systeme wurden technisch beschrieben und anhand einer<br />
Orchesteraufnahme und einem nachfolgenden Hörtest miteinander verglichen.<br />
Hierbei kam es zu folgenden wesentlichen Ergebnissen:<br />
ABC + Raum- + Stützmikrofonierung wird als klanglich bestes System bewertet,<br />
obwohl diese Anordnung empirisch entwickelt wurde und ihr keine<br />
psychoakustischen Berechnungen zugrunde liegen.<br />
Das WMA erhält den <strong>2.</strong> Platz der Gesamtbewertung und sticht als besonders<br />
gutes System, was die Abbildung und Tiefenstaffelung betrifft, heraus. Die<br />
Klangfarbe wird trotz der Tatsache, dass bei diesem System ausschließlich<br />
Nieren zum Einsatz kommen, kommt auf den <strong>2.</strong> Platz in der Bewertung.<br />
Die Jecklin-Scheibe, erzielt gute Bewertungen für die horizontale<br />
Abbildungsschärfe, fällt aber für die restlichen Bewertungen auf den 3. Platz.<br />
Dies ist für den Klang-Aspekt besonders bemerkenswert, da für die Jecklin-<br />
Scheibe Kugeln verwendet werden. Die Implementierung von<br />
Spektraldifferenzen scheint sich positiv auf die horizontale Abbildungsschärfe<br />
auszuwirken, gleichzeitig negativ auf die Klangfarbe des Systems.
5. Zusammenfassung und Ausblick 51<br />
Die Simulation eines koinzidenten Surround-Mikrofons mit Richtcharakteristiken<br />
höherer Ordnung durch ein Mikrofonarray und nachfolgender digitaler<br />
Signalverarbeitung hat ein relativ unspektakuläres Klangbild zur Folge. Das<br />
errechnete Surround-Signal wird von den Testhörern als verfärbt empfunden.<br />
Das Trinnov-SRP konnte allein für den Aspekt „Stabilität der Abbildung“ ein<br />
gutes Ergebnis erzielen.<br />
Es zeigt sich, dass das Aufnehmen von Musik völlig berechtigt als Kunstform<br />
gehandhabt wird. Die empirisch gefundene Mikrofon-Anordnung hat die besten<br />
Ergebnisse erzielt.<br />
Desweiteren zeichnet sich ab, dass die Entwicklung von Mikrofon-Anordnungen<br />
nach psychoakustischen Gesichtspunkten dann mehr Erfolg hat, wenn<br />
möglichst viele psychoakustische Parameter kombiniert werden. Die genau<br />
berechnete Kombination von Laufzeit- und Intensitätsdifferenzen des WMA hat<br />
gute Ergebnisse erzielt, während die Abbildung des Schallfeldes lediglich über<br />
Intensitätsdifferenzen des Trinnov-SRP keine große Akzeptanz erfuhr.<br />
Bei den Recherchen für die vorliegende Arbeit hat der Autor bemerkt, dass für<br />
die Problematik der lateralen Abbildung des Schallfeldes 34 in einer 5.X<br />
Abhöranordnung anscheinend bislang sehr wenig Forschung betrieben wurde.<br />
Die psychoakustischen Erkenntnisse für die frontale Abbildung lassen sich<br />
offensichtlich nicht auf die laterale Abbildung übertragen. Es stellt sich auch die<br />
Frage, ob die 5.1-Lautsprecheranordnung nach ITU für die seitliche Abbildung<br />
überhaupt gut geeignet ist.<br />
Diesbezüglich gibt es noch viel Forschungsbedarf.<br />
Der Hörtest wurde von den Probanden in nachfolgenden Gesprächen als sehr<br />
lehrreich empfunden. Für das Tonmeisterstudium sieht der Autor einen großen<br />
Bedarf an solchen Studien. Durch die direkte Vergleichsmöglichkeit von<br />
Mikrofonanordnungen können Erkenntnisse entstehen, die die Entscheidung für<br />
oder wider bestimmte Mikrofonierungstechniken erleichtern.<br />
34 Gemeint ist die laterale Abbildung des Schallfeldes mit nach vorne orientiertem Kopf; denn wird der<br />
Kopf zur Seite gedreht, gelten wieder die psychoakustischen Prinzipien für die frontale Abbildung.
Literaturverzeichnis 52<br />
Literaturverzeichnis<br />
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Filipetti, Leslie Ann Jones, Rory Kaplan, Jeff Levison, Bob Ludwig, George<br />
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surround sound production, © 2004 The National Academy of Recording Arts &<br />
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Edition, Springer-Verlag 2003<br />
[Boré et al. 1999] Gerhard Boré / Stephan Peus: “Mikrophone”, Stand: 1999<br />
[Craven 2003] Peter Craven: AES-Conference-Paper 9: “Continuous Surround-<br />
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[Hamasaki et al. 2002] Kimio Hamasaki und Koichiro Hiyama: ”Reproducing<br />
Spacial Impression with Multichannel Audio”, Stand: April 2002<br />
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www.mdw.ac.at/I101/iea/tm/scripts/jecklin/tt10aufnahmen.pdf, Stand: Mai 2003<br />
[Jecklin 2003] Jürg Jecklin: „Paper Surround Sound Aufnahmetechnik OSIS<br />
321“, www.mdw.ac.at/I101/iea/tm/scripts/jecklin/special/osis321.pdf ,Stand: Mai<br />
2003<br />
[Jecklin 2008] Jürg Jecklin: “One Spot Surround with the OS Surround Disc”,<br />
preliminary Paper, Stand: August 2008<br />
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Literaturverzeichnis 53<br />
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AES-Convention-Paper 6116, Stand: Mai 2004<br />
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darstellende Kunst Wien<br />
[Sengpiel 1994] Eberhard Sengpiel: „Die Wirkung gleichsinniger Pegel- und<br />
Laufzeitdifferenz von Lautsprechersignalen auf die Hörereignisrichtung“,<br />
www.sengpielaudio.com/WirkungGleichsinniger.pdf, Stand: Mai 1994<br />
[Sengpiel 2000] Eberhard Sengpiel: „Seitliche Phantomschallquellen gibt es<br />
nicht – Wirklich?“, www.sengpielaudio.com/SeitlichePhantomschallquellen.pdf,<br />
Stand: Februar 2000<br />
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www.sengpielaudio.com/Decca-Tree-Tutorium.pdf, Seite 1, Stand: November<br />
2007<br />
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Statistische Operationen, Stand: Dezember 2009<br />
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Grundlagen des Schallschutzes. www.ruhr-uni-bochum.de/bauko/downloads<br />
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Dezember 2009<br />
[Williams et al. 1999] Michael Williams, Guillaume le Dû: AES-Convention-<br />
Paper 4997: “Microphone Array Analysis for Multichannel Sound Recording”<br />
Stand: Mai 1999<br />
[Williams et al. 2001] Michael Williams, Guillaume le Dû: AES-Convention-<br />
Paper 5336 „The Quick Reference Guide to Multichannel Microphone Arrays<br />
Part 1: using Cardioid Microphones“, Stand: Mai 2001
Abbildungsverzeichnis 54<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1 Lautsprecheranordnung nach ITU-R BS.775-1 .................................. 2<br />
Abb. 2 Phantomschallquellen generiert von Trinnov-SRP und<br />
herkömmlicher Surround-Mikrofonierung ..................................................... 5<br />
Abb. 3 Schalleinfall-Richtungsvektoren und deren Schnittpunkte bei<br />
Systemen mit Richtcharakteristiken 5. und 1. Ordnung ............................... 6<br />
Abb. 4 Polardiagramm des Intensitäts-Panning-Gesetzes 5. Ordnung ....... 9<br />
Abb. 5 Trinnov-SRP Mikrofon-Array ............................................................. 10<br />
Abb. 6 Trinnov-SRP Signalverarbeitung: FIR-Filter-Matrix ......................... 11<br />
Abb. 7 Trinnov-SRP-Signalflow ..................................................................... 12<br />
Abb. 8 Prinzipieller Aufbau eines WMA ........................................................ 14<br />
Abb. 9 Technische Daten des untersuchten WMA ...................................... 15<br />
Abb. 10 Fünf Segmente des Schallfeldes ..................................................... 16<br />
Abb. 11 Öffnungswinkel ≠ Aufnahmewinkel ................................................ 17<br />
Abb. 12 Critical Linking ist ohne elektronischem Offset mit 2 ORTF-<br />
Systemen als Front-Triplet nicht möglich .................................................... 17<br />
Abb. 13 Critical Linking gewährleistet: Öffnungswinkel der<br />
Mikrofonhauptachsen = Aufnahmebereich .................................................. 18<br />
Abb. 14 Stereosystem ohne Offset und Stereosystem mit elektrischer<br />
Anhebung des Pegels des linken Mikrofons ............................................... 19<br />
Abb. 15 Negativer Offset mit MPTO .............................................................. 20<br />
Abb. 16 OSS-Scheibe mit technischen Daten. ............................................. 21<br />
Abb. 17 OSIS-Scheibe mit 4 Nierenmikrofonen seitlicher Einsprache. ..... 22<br />
Abb. 18 Zwei XY für eine laterale Abbildung auf Intensitätsbasis ............. 24<br />
Abb. 19 Surround-Hauptmikrofonierung im Großen Saal des Wiener<br />
Musikvereins ................................................................................................... 25<br />
Abb. 20 Decca Tree mit typischen Mikrofonabständen .............................. 26<br />
Abb. 21 Hamasaki-Square ............................................................................. 27<br />
Abb. 22 Kreuzkorrelation von 2 Kugeln abhängig vom Abstand ............... 28<br />
Abb. 23 Großer Saal des Wiener Musikvereins ........................................... 30<br />
Abb. 24 Position der Hauptsysteme (qualitativ) .......................................... 32<br />
Abb. 25 Signalflow für OSIS .......................................................................... 33
Abbildungsverzeichnis 55<br />
Abb. 26 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Klangfarbe“: natürlich -<br />
verfärbt ............................................................................................................ 40<br />
Abb. 27 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Klangfarbe“: satt - dünn<br />
......................................................................................................................... 41<br />
Abb. 28 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Abbildung“: klar -<br />
undefiniert ....................................................................................................... 41<br />
Abb. 29 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Abbildung“: stabil -<br />
instabil ............................................................................................................. 42<br />
Abb. 30 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Tiefenstaffelung“:<br />
plastisch - flach .............................................................................................. 42<br />
Abb. 31 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „räumliche Umhüllung“:<br />
gut - schwach ................................................................................................. 43<br />
Abb. 32 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Verbindung vorne -<br />
hinten“: kontinuierlich - aufgerissen ............................................................ 43<br />
Abb. 33 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Gesamteindruck“:<br />
glaubwürdig - artifiziell .................................................................................. 44<br />
Abb. 34 Fehlerbalkendiagramm des Parameters „Gesamteindruck“: gefällt<br />
– gefällt nicht .................................................................................................. 44<br />
Abb. 35 Polardiagramm des Intensitäts-Panning-Gesetzes 4. Ordnung<br />
nach Peter Craven .......................................................................................... 48<br />
Abb. 36 Netzdiagramm aller Mittelwerte ....................................................... 49
Anhang A: Auswertungsbogen 56<br />
Anhang A: Fragebogen<br />
SYSTEM 1 SYSTEM 2<br />
KLANGFARBE KLANGFARBE<br />
natürlich verfärbt natürlich verfärbt<br />
satt dünn satt dünn<br />
ABBILDUNG ABBILDUNG<br />
klar undefiniert klar undefiniert<br />
stabil instabil stabil instabil<br />
TIEFENSTAFFELUNG TIEFENSTAFFELUNG<br />
plastisch flach plastisch flach<br />
RÄUMLICHE EINHÜLLUNG RÄUMLICHE EINHÜLLUNG<br />
gut schwach gut schwach<br />
VERBINDUNG VORNE-HINTEN VERBINDUNG VORNE-HINTEN<br />
kontinuierlich aufgerissen kontinuierlich aufgerissen<br />
GESAMTEINDRUCK GESAMTEINDRUCK<br />
glaubwürdig artifiziell glaubwürdig artifiziell<br />
gefällt mir gefällt mir nicht gefällt mir gefällt mir nicht<br />
SYSTEM 3 SYSTEM 4<br />
KLANGFARBE KLANGFARBE<br />
natürlich verfärbt natürlich verfärbt<br />
satt dünn satt dünn<br />
ABBILDUNG ABBILDUNG<br />
klar undefiniert klar undefiniert<br />
stabil instabil stabil instabil<br />
TIEFENSTAFFELUNG TIEFENSTAFFELUNG<br />
plastisch flach plastisch flach<br />
RÄUMLICHE EINHÜLLUNG RÄUMLICHE EINHÜLLUNG<br />
gut schwach gut schwach<br />
VERBINDUNG VORNE-HINTEN VERBINDUNG VORNE-HINTEN<br />
kontinuierlich aufgerissen kontinuierlich aufgerissen<br />
GESAMTEINDRUCK GESAMTEINDRUCK<br />
glaubwürdig artifiziell glaubwürdig artifiziell<br />
gefällt mir gefällt mir nicht gefällt mir gefällt mir nicht
Anhang B: Histogramme<br />
Anhang B: Histogramme<br />
57
Anhang B: Histogramme<br />
58
Anhang B: Histogramme<br />
59
Anhang B: Histogramme<br />
60
Anhang C: Fotos des Mikrofon-Setups 61<br />
Anhang C: Fotos des Mikrofon-Setups<br />
WMA und Trinnov-SRP<br />
Hauptsysteme und Vorverstärker (rechts unten)