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Interview von Daniela Gysling mit Dr. med. Andreas ... - HLI-Schweiz

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Palliativ<strong>med</strong>izin macht Dignitas und Exit<br />

überflüssig <strong>Interview</strong> <strong>von</strong> <strong>Daniela</strong> <strong>Gysling</strong> <strong>mit</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Andreas</strong> Weber<br />

Die Gesetzgebung in der <strong>Schweiz</strong> verbietet eine aktive<br />

Sterbehilfe. Die Frage ist berechtig, wie lange das<br />

noch so bleibt. In anderen Ländern sind die gesetzlichen<br />

Bestimmungen gelockert. Namentlich in Holland ist es<br />

erlaubt, sogar unheilbare erkrankte Kinder und Jugendliche<br />

"aus dem Leben zu befördern". Experten wie z.Bsp.<br />

Prof. <strong>Dr</strong>. Robert Spaemann, der bei der <strong>HLI</strong>-Jubiliäumstagung<br />

in Einsiedeln am 11. November 2006 Gastreferent<br />

war, u.a. zum Thema „Beihilfe zum Suizid“, weist<br />

klar darauf hin, dass es naiv wäre zu glauben, <strong>mit</strong> Gesetzesbestimmungen<br />

zu verhindern, dass aus dem Recht auf<br />

Suizid nicht plötzlich eine Pflicht zum Suizid werden<br />

könnte, wenn nicht die Gesellschaft, und da<strong>mit</strong> jeder einzelne<br />

<strong>von</strong> uns bereit ist, sich <strong>mit</strong> dem Leiden und dem<br />

Tod als eine natürliche Begebenheit zu befassen. Die<br />

Frage stellt sich, welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung,<br />

sich für das Thema zu sensibilisieren und wer<br />

unterstützt den Patienten auf dem Weg des in Würde-<br />

Sterben-Könnens?<br />

Lichtblick im Herbst des Lebens<br />

Im persönlichen Gespräch <strong>mit</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Andreas</strong><br />

Weber, Facharzt für Anästhesie FMH, Spezialgebiet Palliative<br />

Medizin, Wetzikon, konnten wir über folgende<br />

Schwerpunkte sprechen:<br />

dg: Leiden ist in unserer Gesellschaft, so macht es den<br />

Anschein, fast ein Tabuthema, dem man <strong>mit</strong> allen Mitteln<br />

aus dem Weg geht. Viele Menschen in unserer Zeit<br />

fürchten sich vor Leid, Schmerz und der Herausforderung,<br />

das Leid anzunehmen. Der Zeitgeist driftet in eine<br />

Richtung, dass alles planbar ist, sogar der eigene Tod,<br />

vor allem dann, wenn man keine Heilung mehr erwarten<br />

darf. Eine gute Möglichkeit, dieser Konfrontationsscheue<br />

treu zu bleiben, bieten Sterbehilfeorganisationen<br />

wie die Dignitas und Exit an, die zwischenzeitlich<br />

schon mehrmals durch Schlagzeilen in den Fokus des<br />

öffentlichen Interesses gerückt sind. Kannst du<br />

persönlich nachvollziehen, weshalb solche Organisationen<br />

überhaupt Erfolg <strong>mit</strong> ihren „Angeboten“ haben?<br />

AW: Entsprechend dem aus der Aufklärung hervorgehenden,<br />

geistigen Emanzipationsprozess wollen viele<br />

Leute nicht nur ihr Leben, sondern auch das Lebensende<br />

selbst bestimmen. Sie fürchten sich nicht nur vor dem<br />

Leiden, sondern auch <strong>von</strong> der zum Schluss des Lebens<br />

einkehrenden, vollständigen Abhängigkeit <strong>von</strong> anderen.<br />

Ich kann gut nachvollziehen, dass Menschen, die ihr<br />

ganzes Leben selbst bestimmt haben – oder mindestens<br />

das Gefühl hatten, selbst zu bestimmen – ihre Lebensauffassung<br />

auch bei schwerer, zum Tode führender<br />

Krankheit nicht mehr ändern.<br />

dg: Weshalb hast du dich gerade auf das Fachgebiet der<br />

Palliativ<strong>med</strong>izin eingelassen?<br />

AW: Den sukzessiven Verlust der Selbständigkeit<br />

kann man meist nicht vermeiden. Der anderen Motivation<br />

für den Freitod, nämlich der Angst vor Leid und<br />

Schmerz kann man hingegen <strong>mit</strong> den heutigen <strong>med</strong>izinischen<br />

Möglichkeiten gut begegnen. Das war auch meine<br />

persönliche Motivation. Ich habe während meiner ärztlichen<br />

Tätigkeit im Spital, auf der Intensivstation und in<br />

der Praxis zu oft erlebt, dass Menschen, die ein gutes<br />

Leben hatten, zum Schluss auf fürchterlich quälende Art<br />

sterben mussten. Und ich habe auch erlebt, z.B. bei meinem<br />

Vater, dass man durch vorausschauende Planung,<br />

gute Organisation des Betreuungsteams und moderne<br />

Medizintechnik nicht alles, aber viel Leiden verhindern<br />

kann.<br />

„Als Ärzte sollten wir lernen, die<br />

Möglichkeiten, den Nutzen, aber<br />

auch die Grenzen und Risiken<br />

<strong>med</strong>izinischer Interventionen verständlich<br />

aufzuzeigen.”<br />

dg: Welches sind die Prioritäten bei einem Palliativ-<br />

Therapiekonzept?<br />

AW: Entscheidend ist, die individuellen und sich<br />

ändernden Wertvorstellungen, die psychischen, physischen<br />

und spirituellen Bedürfnisse eines Patienten zu<br />

kennen. Wie wichtig ist einem Patienten die Lebensqualität<br />

versus „Lebensquantität“? Als Ärzte sollten wir lernen,<br />

die Möglichkeiten, den Nutzen, aber auch die Grenzen<br />

und Risiken <strong>med</strong>izinischer Interventionen<br />

verständlich aufzuzeigen. Die PatientInnen sollten befähigt<br />

werden, aufgrund dieser Angaben und ihrer Wertvorstellungen<br />

zu entscheiden, welche Interventionen sie<br />

wollen oder eben nicht mehr wollen. Bei jeder fort-<br />

<strong>HLI</strong>-REPORT 2/2007 3

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