Interview von Daniela Gysling mit Dr. med. Andreas ... - HLI-Schweiz
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Loslassen<br />
dg: Viele Menschen haben Angst vor Schmerzen und<br />
Leiden und möchten eine möglichst schmerzfreie und<br />
kurze Sterbensphase, verständlicherweise. Auf welche<br />
Art und Weise kannst du den Kranken auf diesem Weg<br />
unterstützen?<br />
AW: Mit den heute verfügbaren Medikamenten, z.B.<br />
den Opiaten und anderen Schmerz<strong>mit</strong>teln kann man die<br />
meisten Schmerzen gut kontrollieren. In schwierigen<br />
Situationen und oft nur wenige Tage oder Wochen vor<br />
dem Tod sind manchmal auch Techniken nötig, die man<br />
in der Anästhesie verwendet. Dazu gehören programmierbare<br />
und vom Patienten oder den Angehörigen steuerbare<br />
Pumpen, die Morphin und andere Medikamente<br />
intravenös, unter die Haut oder direkt in den Rückenmarkskanal<br />
verabreichen. Solche Techniken können<br />
auch zu Hause angewendet werden.<br />
dg: In deiner täglichen Arbeit als Palliativarzt und<br />
Begleiter <strong>von</strong> unheilbar Kranken begegnest du Menschen<br />
und deren Angehörigen, die sich <strong>mit</strong> der Tatsache<br />
des Sterbens auseinandersetzen müssen. Welches sind<br />
deine persönlichen Argumente für „ein Sterben dürfen<br />
zuhause“ und gegen den planbaren Tod <strong>mit</strong> Hilfe <strong>von</strong><br />
Exit oder Dignitas?<br />
AW: Meine Erfahrung ist, dass das Festlegen eines<br />
Termins für den Freitod die Patienten extrem stresst. Einerseits<br />
möchten sie noch nicht gehen. Andererseits<br />
möchten sie den Zeitpunkt nicht verpassen, wo sie das<br />
Medikament noch selbst einnehmen können. Auch die<br />
Angehörigen fühlen sich bei der Konfrontation <strong>mit</strong> der<br />
„Guillotine“ meist äusserst unwohl und bevorzugen den<br />
natürlichen Sterbevorgang, der ihnen Zeit gibt, Abschied<br />
zu nehmen. Ich versuche den Patienten zu erklären, dass<br />
es die Angehörigen bei guter Unterstützung und guter<br />
Schmerzkontrolle nicht belastet, sondern bereichert,<br />
wenn sie den Sterbenden betreuen können. Man sollte<br />
das Vertrauen und die Gelassenheit finden, sich in die<br />
Hände <strong>von</strong> Familie und Freunden zu begeben, als Kapitän<br />
das Steuer loszulassen, sich irgendwo auf das Deck<br />
zu legen und sich überraschen zu lassen, wohin nun das<br />
Schiff treibt.<br />
dg: Wer hilft und unterstützt den Wunsch des Patienten,<br />
zuhause sterben zu können?<br />
Wieweit hilft in diesem Fall eine Patientenverfügung?<br />
Adressen <strong>von</strong> Palliativ<strong>med</strong>iziner/Innen?<br />
Eine Patientenverfügung ist hilfreich. Oft sind diese<br />
aber zu allgemein verfasst. Die persönlichen Wertvorstellungen<br />
und Handlungsanweisungen bei konkret eintreffenden<br />
Situationen bleiben unklar. Wichtig scheint<br />
mir deshalb, je nach Krankheit, mögliche Verlaufsszenarien<br />
<strong>mit</strong> einem Arzt zu besprechen und die gewünschten<br />
Massnahmen festzuhalten. In der <strong>Schweiz</strong> hat es fast in<br />
jedem Kanton eine Vereinigung <strong>von</strong> Fachleuten, die sich<br />
für Palliative Betreuung interessiert und engagiert. Die<br />
kantonalen und regionalen Vereinigungen sind unter der<br />
<strong>Schweiz</strong>erischen Gesellschaft für Palliative Medizin,<br />
Pflege und Begleitung zusammengeschlossen. Über<br />
deren Homepage www.palliative.ch oder die Geschäftsstelle<br />
Tel. 044 240 16 21 können die einzelnen Sektionen<br />
gefunden werden.<br />
<strong>HLI</strong>-REPORT 2/2007 5<br />
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