m/w - Engadiner Post
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Samstag, 1. März 2008 15<br />
Der Münstertaler Langläufer wurde in Schlinig/Mals zum dritten Mal U-23-Weltmeister<br />
Das grosse Heimspiel von Dario Cologna<br />
In Schlinig, hoch über Burgeis<br />
und Mals im Vinschgau und<br />
nahe seiner Heimat, war Dario<br />
Cologna am Donnerstag<br />
an der U-23-WM über 30 km<br />
nicht zu schlagen. Es war ein<br />
Heimrennen. Hunderte aus<br />
dem Münstertal und dem Engadin<br />
unterstützten den<br />
Schweizer Hoffnungsträger.<br />
Stephan Kiener<br />
Die grossen Kuhglocken dröhnten<br />
durch den Weiler Schlinig auf 1700<br />
Metern über Meer, unzählige Schweizer<br />
Fahnen wurden geschwenkt, vielerorts<br />
steckten sie im Schnee, der<br />
Südtiroler Speaker überschlug sich<br />
vor Begeisterung bei der Ankündigung<br />
des 30-km-Rennens an der U-23-<br />
WM im Vinschgau. Die Fankulisse war<br />
für eine Nachwuchs-Weltmeisterschaft<br />
der Langläufer eher ungewöhnlich.<br />
Vor allem sehr bündnerisch bestimmt.<br />
Da waren nicht nur Trainer, Betreuer<br />
und Swiss-Ski-Präsident Duri Bezzola,<br />
sondern vor allem viele, viele Münstertaler.<br />
Und zahlreiche junge Langläuferinnen<br />
und Langläufer aus dem<br />
Unterengadin, dem Institut Ftan, aber<br />
ebenfalls vom Stützpunkt Davos und<br />
sogar Fans aus dem Oberengadin. Sie<br />
alle freuten sich schon vor dem Höhepunkt<br />
über den stahlblauen Himmel,<br />
die wärmende Sonne im Hochtal und<br />
auf das, was kommen würde.<br />
Colognas «Coolness»<br />
Dario Cologna hiess das Zugpferd,<br />
das die Fans ins nordische Skizentrum<br />
Schlinig zog. Der U-23-Doppelweltmeister<br />
2007 und letztjährige Engadin-Skimarathon-Sieger<br />
war auch der<br />
grosse Favorit beim 30-km-Skating-<br />
Rennen mit Massenstart.<br />
Unter den Zuschauern waren die<br />
Familie von Dario Cologna, Verwandte<br />
und Freunde. Freundin Tatjana<br />
Stiffler, Mitglied des Schweizer Langlauf-Frauenteams<br />
in Schlinig und eine<br />
«waschechte» Davoserin, schaute vor<br />
dem Rennen amüsiert und begeistert,<br />
aber auch mit sichtlicher Anspannung<br />
auf die Szenerie. Nur einer liess sich<br />
scheinbar nicht aus der Ruhe bringen:<br />
Derjenige, um den sich der Rummel<br />
drehte: Dario Cologna unterhielt sich<br />
40 Minuten vor dem Rennen ruhig mit<br />
Duri Bezzola, nahm seine Skis und<br />
lief sich warm. Drei Minuten vor dem<br />
Start nahm er den vordersten Platz in<br />
der Reihe der 75 Läufer ein, getreu<br />
seiner Position als Weltmeister und als<br />
Bester des Feldes in der FIS-Punkteliste.<br />
Noch 30 Sekunden vor dem Start<br />
kontrollierte er seine Ausrüstung,<br />
während die anderen nervös und angespannt<br />
warteten. «Coolness» bescheinigten<br />
die Beobachter und Trainer<br />
stets schon. Duri Bezzola drückte<br />
es in Schlinig so aus: «Dario ist mental<br />
ausgesprochen stark.»<br />
Ein Dreier-Endkampf<br />
Letzteres sollte er beweisen. Von<br />
Beginn weg der bei grosser Wärme<br />
ausgetragenen 30 km zeigte sich der<br />
Münstertaler als Chef des Feldes, gab<br />
als grosser Favorit gleich den Tarif<br />
bekannt. Doch die Gegner waren auf<br />
der Hut, allen voran der letztjährige<br />
WM-Zweite Ilia Chernousov aus<br />
Russland und der starke Franzose<br />
Maurice Manificat. Angesichts der<br />
schweren Strecke wagte Cologna zudem<br />
kein allzu grosses Tempoforcing.<br />
«Ich wollte zuerst einfach vorne mitlaufen»,<br />
meinte er zur Taktik und zur<br />
Kontrolle des Rennens an der Spitze.<br />
Umso mehr er anfangs dieser Woche<br />
nach dem Weltcup in Falun von leichten<br />
Magenproblemen geplagt war.<br />
«Das Tempo war aber nicht so hoch,<br />
da habe ich in den Steigungen ein paar<br />
Mal versucht wegzukommen.» Dies<br />
gelang in der fünften Runde schliesslich<br />
dem Trio Chernousov, Manificat,<br />
Cologna.<br />
Der Entscheid auf der immer weicher<br />
werdenden Strecke fiel auf den<br />
letzten 300 Metern. Vor einer heiklen<br />
Abfahrt mit 180-Grad-Kurve im<br />
Langlaufstadion griff Cologna an und<br />
nur Chernousov vermochte zu folgen.<br />
Auf der Zielgeraden hatte der Russe<br />
gegen den Münstertaler keine Chance<br />
und unterlag wie schon letztes Jahr<br />
im Finish. «Bärenstark», meinte ein<br />
Münstertaler Fan anerkennend am<br />
Ziel. Und der Speaker sah sich in seiner<br />
während dem Rennen gemachten<br />
Sprint-Prognose bestätigt.<br />
Der Skiclub Sesvenna<br />
Eine der ersten Gratulantinnen am<br />
Ziel war Freundin Tatjana. Dann die<br />
ganze Verwandtschaft, die Freunde<br />
und die Mitglieder des lokalen Skiclubs<br />
Sesvenna, in dem Dario Cologna<br />
vor rund einem Dutzend Jahren<br />
mit dem Langlaufsport begonnen hat,<br />
wie Vater Remo gegenüber der EP/PL<br />
erklärte. Sesvenna hatte die Organisation<br />
der Nachwuchs-WM kurzfristig<br />
übernommen, nachdem die Rennen in<br />
Polen nicht möglich waren. «Auf die<br />
Reise nach Polen hätte ich wohl verzichtet»,<br />
meinte Dario Cologna zum<br />
Wechsel des Austragungsortes der<br />
U-23-WM. Fast vor der eigenen Haustüre<br />
wollte der Münstertaler jedoch<br />
unbedingt antreten und gewinnen.<br />
Der Druck war dabei gross: «Letztes<br />
Jahr kamen die WM-Titel überraschend,<br />
jetzt hat man den Sieg fast<br />
von mir erwartet.» Er sei gut in Form,<br />
darum habe er das Rennen zwischen<br />
zwei Weltcupeinsätzen in Skandinavien<br />
eingeplant.<br />
Gestern Freitag flog Dario Cologna<br />
nach Lahti (Finnland), wo er am Sonntag<br />
über 15 km im klassischen Stil gegen<br />
die Weltelite antritt. Dreimal ist er<br />
in diesem Winter im Weltcup schon in<br />
die Top Ten gelaufen und hat sich den<br />
Respekt der Allerbesten geholt. Das<br />
Ziel bis Ende Winter bleibt ein Platz<br />
in der «roten Gruppe», der besten 30<br />
der Welt. Zurzeit belegt Cologna in<br />
dieser Weltrangliste Platz 27. Mit Jahrgang<br />
1986 ein enorm starkes Zeichen<br />
seiner Klasse.<br />
Nach Lahti folgen die Titelverteidigung<br />
beim 40. Engadin Skimarathon<br />
und eine Woche später das Weltcup-<br />
Finale im nahen Bormio. Erneut zwei<br />
«Heimspiele» für Dario Cologna.<br />
Das Zugpferd<br />
Zurück nach Schlinig. Jubel, Trubel,<br />
Heiterkeit herrschte bei der Siegerehrung<br />
unmittelbar neben dem Gebäude<br />
des nordischen Skizentrums.<br />
Zufrieden betrachteten Reto Bachmann<br />
(Trainer Continentalcup, SC<br />
Bernina Pontresina) und Duri Bezzola<br />
die Szenen. «Wir sind sehr froh über<br />
die grossen Leistungen von Dario Cologna.<br />
Zusammen mit Seraina Mischol<br />
ist er das Zugpferd im Schweizer<br />
Langlaufsport geworden», meinte der<br />
Swiss-Ski-Präsident. Das gebe dem<br />
Sport in unserem Land den dringend<br />
benötigten Schub.<br />
Sein Ziel sei die Weltspitze, hatte<br />
Dario Cologna letztes Jahr nach dem<br />
Sieg beim Engadin Skimarathon (an<br />
seinem Geburtstag) den Medienleuten<br />
in die Mikrofone und Schreibblöcke<br />
diktiert. Bisher verlief die Karriere<br />
des Dario Cologna nach Plan, sie ging<br />
sogar schneller voran als erwartet.<br />
Das liegt gemäss den Trainern auch<br />
an der Robustheit des Modellathleten,<br />
der von schwereren Krankheiten und<br />
Verletzungen bisher verschont geblieben<br />
ist. Und das Umherreisen gut verkraftet.<br />
Von Saisonmüdigkeit war in Schlinig<br />
beim neuen Schweizer Langlaufstar<br />
nichts zu spüren. Dario Cologna,<br />
der am 11. März erst 22-jährig wird,<br />
präsentierte sich ruhig, cool, aber bis<br />
Die Entscheidung: Dario Cologna jubelt nach dem Überqueren der Ziellinie, der Russe Ilia Chernousov (Nr. 2) ist<br />
geschlagen. Auch der Dritte Maurice Manificat (Nr. 6) freut sich über die Bronzemedaille. Fotos: Stephan Kiener<br />
Schlinig fest in Münstertaler Hand: Jubelnde Fans bei der Siegerehrung.<br />
Gelöst geniesst Dario Cologna die<br />
Siegesfeiern im Zielgelände von Schlinig.<br />
in die Zehenspitzen motiviert. Verständlich,<br />
dass seine Möglichkeiten<br />
sehr hoch eingeschätzt werden. Dario<br />
Cologna habe noch «erhebliche Reserven»,<br />
sagte unlängst sein ehemaliger<br />
<strong>Engadiner</strong> Stützpunkt-Trainer<br />
Odd Kare Sivertsen gegenüber dem<br />
Fachmagazin «Fit for Life».<br />
Schlinig/Mals (It). U-23-WM Langlauf<br />
Männer 30 km, Massenstart, freie Technik:<br />
1. Dario Cologna (Sz) 1:07:22,6. 2. Ilja Chernusow<br />
(Russ) 0,8 Sekunden zurück. 3. Maurice<br />
Manificat (Fr) 2,6. 4. Sergej Scherepanow<br />
(Russ) 12,5. 5. Petter Eliassen (No)<br />
21,9. 6. Fredrik Karlsson (Sd) 38,8. Ferner:<br />
32. Charles Pralong 3:44,5. 45. Jöri Kindschi<br />
6:10,2. – 65 klassiert.<br />
Dario Cologna, angefeuert von einem Swiss-Ski-Trainer, unterwegs auf der anforderungsreichen<br />
30-km-Strecke hoch über dem Vinschgau.