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22 ULTIMO<br />
Suche nach neuen Ausdrucksformen<br />
in die nächste Runde mit einer<br />
neun Stücke umfassenden Suite, in<br />
deren Zentrum das über 20 Minuten<br />
langen ,,SDSS1416 + 13“ thront<br />
– eine Art moderne Oper über zwei<br />
braune Zwergsterne im Kosmos,<br />
Attila und einen Mann, der über<br />
Stunden auf einem Flaggenmast<br />
sitzt. Andere Stücke behandeln die<br />
Erschießung des rumänischen Diktators<br />
Ceausecu, lassen Hannibal,<br />
Donald Rumsfeld, Ronald Reagan<br />
und Mikhail Gorbachow auftreten,<br />
reisen nach Hawaii und Dänemark<br />
sowie zurück in die Antike. Während<br />
,,The Drift“ von düsteren Orchesterklängen<br />
geprägt war, lässt<br />
Walker hier seinen melodramatischen,<br />
meist melodienlosen Gesang<br />
auf brachiale Gitarren und nervenzerreißende<br />
Geräusche treffen,<br />
plötzlich unterbrochen von verstörenden<br />
Momenten absoluter Stille.<br />
Wie die Vorgängerplatten ist auch<br />
,,Bish Bosch“ komplex, kompliziert<br />
und schwer zu erfassen. Wenn man<br />
sich indes darauf einlässt, wird<br />
man mit faszinierender Songkunst<br />
belohnt. Allerdings freut man sich<br />
nach dieser oft schmerzhaften<br />
,,Neuen Musik“ ganz besonders auf<br />
den alten Scott Walker, auf Songs<br />
wie ,,Joanna“, ,,It’s Raining Today“<br />
oder auch auf den alten Schmachtfetzen<br />
,,The Sun Ain’t Gonna Shine<br />
Anymore“… Volkard Steinbach<br />
GUS BLACK<br />
SPLIT THE MOON (LIVE AT LIDO)<br />
INDIA RECORDS / ROUGH TRADE<br />
Man kennt den Kalifornier als Verfasser<br />
feinfühliger Folk-Popsongs<br />
mit unüberhörbarer Nähe zu Leonard<br />
Cohen. Zudem ist Gus Black<br />
ein genialer Live-Performer, was<br />
der Mitschnitt aus dem ,,Lido“ in<br />
Berlin dokumentiert. Flankiert von<br />
seiner Band und der US-Singer/<br />
Songwriterin HT Heartache präsentiert<br />
Black einige der schönsten<br />
Songs seiner letzten drei Alben in<br />
teils neu arrangierten Versionen,<br />
sowie Interpretationen von Velvet<br />
Undergrounds ,,Femme Fatale“<br />
und Goffin/Kings ,,Will You Still<br />
Love Me Tomorrrow“. Dabei demonstriert<br />
er einmal mehr mit<br />
euphorischen Rock- und Popsongs<br />
sowie traumhaft schönen Liedern<br />
für melancholische Mitternachtsstimmungen,<br />
dass er für die Rolle<br />
eines ewigen Geheimtipps viel zu<br />
schade ist. Volkard Steinbach<br />
LAYORI<br />
REBIRTH<br />
AFROJAM MUSIC / GROOVE ATTACK<br />
Layori stammt aus Nigeria, verfügt<br />
über eine ausdrucksstarke Altstimme<br />
und ein reichhaltiges stilistisches<br />
Repertoire. Zusammen mit<br />
ihrer international besetzten Band<br />
mit dem ehemaligen Bassisten von<br />
Chet Baker, Rocky Knauer, dem Gitarristen<br />
Adrian Reiter, dem brasilianischen<br />
Flötisten Alberto Barreira<br />
und dem Callejon-Perkussionisten<br />
Humphrey Kairo wandelt die<br />
Sängerin, die vornehmlich in der<br />
Sprache ihrer Volksgruppe, Yoruba,<br />
singt, ganz selbstverständlich<br />
zwischen Afrika, Europa und Brasilien,<br />
zwischen Latin- und Barjazz,<br />
Soul, Kammer- und Afropop. Alles –<br />
Songs, Melodien, Arrangements –<br />
klingt hier äußerst geschmackvoll,<br />
allerdings: ein paar Ecken und<br />
Kanten anstatt des 20. Flötensolos<br />
hätten ,,Rebirth“ bestimmt nicht<br />
geschadet. Volkard Steinbach<br />
SINKANE<br />
MARS<br />
CITY SLANG / UNIVERSAL<br />
Das Label ,,City Slang“, Heimat von<br />
Calexico, Lambchop, Notwist, Get<br />
Well Soon und vielen anderen<br />
Bands mit Qualitätsgarantie, ist immer<br />
für Überraschungen gut. Die<br />
jüngste heißt Ahmed Abdullahi<br />
Gallab, ein Sudanese, der in Brooklyn<br />
lebt und dort als Sinkane mal<br />
im Alleingang, mal mit Musikern<br />
von Yeasayer, Twin Shadow, Shai<br />
Hulud oder der Afro-Beat Band<br />
Nomo seine vielseitigen Ideen umsetzt.<br />
Gallabs Debüt ,,Mars“ startet<br />
mit einer superben Retro-Dance-<br />
Nummer im funky 70er-Shaft-Stil,<br />
spielt dann mit polyrhythmischen<br />
Grooves afrikanischen Ursprungs,<br />
verweist auf Soul-Ikonen wie Curtis<br />
Mayfield und Steve Wonder, um<br />
dann nach halluzinogenen Electro-<br />
Acid-Klängen und Jazzrock-Übungen<br />
in hypnotischen Beat- und<br />
Sound-Orgasmen zu gipfeln, deren<br />
Vorbild in seligen Krautrock-Zeiten<br />
zu suchen ist. Hört man ,,Lovesick“<br />
mit seinen verdrehten Melodielinien,<br />
spacigen Flöten-Soli und<br />
komplexen Rhythmen, glaubt man,<br />
ein verschollenes Stück von Can<br />
entdeckt zu haben! Sehr seltsam<br />
das, wie auch der Albumausklang,<br />
der fast wie die frühen Roxy Music<br />
klingt. Volkard Steinbach