BB 26.2008.pdf - Notar Dr. Tobias Hausch in Düsseldorf

hh) Spätere Beendigung von Kollektivnormen
Teilweise wird in der Literatur 158 die Auffassung vertreten, dass die in
Individualarbeitsrecht transformierten Ansprüche aus einer Kollektivvereinbarung
wieder entfielen, wenn die transformierte Kollektivvereinbarung
ihrerseits ohne Nachwirkung endet. Selbst im Falle einer
Nachwirkung hat die Beendigung der Kollektivvereinbarung gemäß
§ 613a Abs. 1 S. 4 BGB zur Folge, dass eine ¾nderung der ins Individualrecht
transformierten Rechte vor Ablauf der Jahresfrist des
§ 613a Abs. 1 S. 2, 2. Hs. BGB möglich ist. Auch diesbezüglich kann
sich daher ein Informationsinteresse des Erwerbers ergeben, welchem
durch eine Unterrichtungspflicht im Unternehmenskaufvertrag Rechnung
getragen werden kann.
ii) Sonstige Garantien
Darüber hinaus sind vielfältige weitere Garantien denkbar. So kann
der Veräußerer dem Erwerber das Vorhandensein eines bestimmten
Know-hows der Arbeitnehmer – konkretisiert durch bestimmte Qualifikationen,
Kenntnisse oder Fertigkeiten – garantieren. Ebenso kann
er garantieren, dass keine Arbeitsverhältnisse mit dem Veräußerer nahe
stehenden Personen (etwa Verwandten) bestehen. 159 Schließlich ist
etwa auch eine Garantie dahin denkbar, dass keiner der Arbeitnehmer
gegenüber dem Veräußerer rückständige Ansprüche nach dem Gesetz
über Arbeitnehmererfindungen 160 hat. 161
2. Haftung des Veräußerers (Abs. 2, Abs. 3)
Der Veräußerer haftet als bisheriger Arbeitgeber gemäß § 613a Abs. 2
S. 1 BGB für die Verpflichtungen aus den Arbeitsverhältnissen, soweit
diese vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstanden sind und
innerhalb eines Jahres nach 162 Betriebsübergang fällig werden. Bei
Fälligkeit nach Betriebsübergang haftet der Veräußerer indes nur zeitanteilig
entsprechend dem Bemessungszeitraum bis zum Betriebsübergang
(§ 613a Abs. 2 S. 2 BGB). Soweit den Veräußerer nach
§ 613a Abs. 2 BGB eine Haftung neben dem Erwerber trifft, haften
beide als Gesamtschuldner. 163
Haftungsvereinbarungen zwischen Veräußerer und Erwerber im Außenverhältnis
sind nicht möglich. Zulässig sind allerdings von § 426
Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Vereinbarungen über die Haftung im
Innenverhältnis. 164 Da strittig ist, ob bei rückständigen Vergütungsansprüchen
von einer stillschweigenden Haftungsverteilung zu Lasten
des Veräußerers auszugehen ist, 165 ist diesbezüglich eine klarstellende
Regelung im Unternehmenskaufvertrag zweckmäßig. Aber auch im
Hinblick auf Ansprüche, für die der Erwerber und der Veräußerer gemäß
§ 613a Abs. 2 S. 2 BGB jeweils nur ratierlich haften, können klärende
Abreden anzuraten sein. 166
3. Kündigungsverbot (Abs. 4)
§ 613a Abs. 4 S. 1 BGB statuiert ein Verbot der Kündigung von Arbeitsverhältnissen
wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils.
167 Um dem Erwerber eine eigene Prüfung der Wirksamkeit einer
beabsichtigten Kündigung zu ermöglichen, könnte der Veräußerer
verpflichtet werden, vor Ausspruch einer Kündigung dessen Zustimmung
einzuholen.
Für den Erwerber ergibt sich allerdings zudem das Risiko, dass bereits
vor dem Abschluss des Unternehmenskaufvertrages vom Veräußerer
ausgesprochene Kündigungen wegen Verstoßes gegen § 613a Abs. 4
S. 1 BGB unwirksam sein können. Er hat daher ein Interesse daran,
zu erfahren, ob es im Zusammenhang mit dem Unternehmenskauf
Arbeitsrecht
Hausch · Gestaltungsmittel im Asset Deal-Unternehmenskaufvertrag im Hinblick auf § 613a BGB
bereits zum Ausspruch von Kündigungen gekommen ist und ob diesbezüglich
bereits Klagen von Arbeitnehmern rechtshängig gemacht
worden sind. Insoweit können entsprechende Unterrichtungen und
ggf. Garantien seitens des Veräußerers angezeigt sein. Darüber hinaus
bietet es sich – wie auch in den sonstigen Fällen gekündigter Arbeitsverhältnisse
168 – an, Vereinbarungen über die Art und Weise der Prozessführung
sowie über die Verteilung der Risiken unwirksamer Kündigungen
im Unternehmenskaufvertrag zu treffen.
4. Unterrichtungspflicht (§ 613a Abs. 5 BGB)
Gemäß § 613a Abs. 5 BGB 169 hat der Veräußerer oder der Erwerber
die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer über bestimmte Umstände
zu unterrichten. 170
a) Unterrichtungsverpflichteter
Die Erfüllung der Unterrichtungspflicht durch den einen befreit den
anderen. 171 Vor diesem Hintergrund ist eine Vereinbarung anzuraten,
ob der Veräußerer, der Erwerber oder beide gemeinsam im Wege
eines koordinierten Informationsschreibens die Arbeitnehmer unterrichten
sollen. 172 Hierdurch kann insbesondere auch der Gefahr
sich widersprechender Informationen von Veräußerer und Erwerber
begegnet werden. 173 Nach einer in der Literatur 174 vertretenen Ansicht
trifft die Parteien des Unternehmenskaufvertrages eine vertragliche
Nebenpflicht, dem Vertragspartner die für eine ordnungsgemäße
Unterrichtung notwendigen Informationen zur Verfügung zu
stellen.
PRAXISTIPP: Es ist indes zweckmäßig, eine entsprechende Verpflichtung
jedenfalls aus Gründen der Klarstellung ausdrücklich in den Unternehmenskaufvertrag
aufzunehmen. 175
b) Zeitpunkt der Unterrichtung
Für die Praxis ist eine frühzeitige Information wenigstens einen Monat
vor dem Betriebsübergang anzuraten, um noch vor diesem Klarheit
über Anzahl und Personen der übergehenden Arbeitnehmer zu
158 Henssler/Willemsen/Kalb/Willemsen/Müller-Bonanni (Fn. 1), BGB § 613 a, Rn. 266b; a. A. Moll, RdA 1996,
275, 284.
159 Vgl. Holzapfel/Pöllath (Fn. 2), Rn. 504, S. 368.
160 Zum Übergang der Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung wegen einer Arbeitnehmererfindung
gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB siehe Haesemann/Gennen/Bartenbach/Bartenbach/Schaub, Festschrift
für Kurt Bartenbach zum 65. Geburtstag, 2005, S. 229, 238 f.
161 Vgl. Knott/Mielke/Scheffler/Knott (Fn. 1), Rn. 997, S. 299.
162 Über den Wortlaut des § 613 a Abs. 2 S. 1 BGB hinaus haftet der Veräußerer auch für Ansprüche, die
bereits vor dem Betriebsübergang entstanden und fällig geworden sind [Hölters/Bauer/v.Steinau-Steinrück
(Fn. 1), Rn. 257 S. 571].
163 BAG v. 18.8.1976 – 5 AZR 95/75, NJW 1977, 1168; Beisel/Klumpp/Klumpp (Fn. 1), Rn. 48, S. 202.
164 Vgl. Beisel/Klumpp/Klumpp (Fn. 1), Rn. 52, S. 203.
165 So Hölters/Bauer/v.Steinau-Steinrück (Fn. 1), Rn. 266, S. 575; a. A. Schreiber, RdA 1982, 137, 148.
166 Vgl. Holzapfel/Pöllath (Fn. 2), Rn. 705, S. 445.
167 Wegen eines Betriebsübergangs wird eine Kündigung nur dann ausgesprochen, wenn dieser den tragenden
Grund, nicht nur einen äußeren Anlass für die Kündigung bildet [BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/
02, BB 2003, 2180, 2181; BAG v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93, 99; BAG v. 13.11.1997 – 8
AZR 295/95, BB 1998, 319 f.; BAG v. 18.7.1996 – 8 AZR 127/94, BB 1996, 2305, 2306]. Das Kündigungsverbot
ist hingegen dann nicht einschlägig, wenn es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen
Grund gibt, der aus sich heraus die Kündigung zu rechtfertigen vermag. [BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/
02, BB 2003, 2180, 2181; BAG v. 18.7.1996 – 8 AZR 127/94, BB 1996, 2305, 2306].
168 Siehe hierzu vorstehend unter III. 1. f) gg).
169 Vgl. hierzu die Begründung im „Entwurf eines Gesetzes zur ¾nderung des Seemannsgesetzes und anderer
Gesetze“, BT-Drucks. 14/7760, S. 19.
170 Zum Umfang der Unterrichtungspflicht vgl.: BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 303/05, NJW 2007, 244, 245 f.;
BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 305/05, BB 2006, 2583, 2584 ff.
171 Hölters/Bauer/v.Steinau-Steinrück (Fn. 1), Rn. 124, S. 515; Meyer, BB 2003, 1010, 1011; Willemsen/Lembke,
NJW 2002, 1159, 1162.
172 Hölters/Bauer/v.Steinau-Steinrück (Fn. 1), Rn. 124, S. 515; vgl. Gaul/Otto, DB 2002, 634, 635; Knott/Mielke/Scheffler/Knott
(Fn. 1), Rn. 968, S. 292; Liebs (Fn. 29), S. 26; vgl. Meyer, BB 2003, 1010, 1011.
173 Meyer, BB 2003, 1010, 1011; vgl. Picot/Schnitker (Fn. 35), Teil III, Rn. 65, S. 525.
174 Meyer, BB 2003, 1010, 1011; Picot/Schnitker (Fn. 35), Teil III, Rn. 65, S. 525; Willemsen/Lembke, NJW
2002, 1159, 1162.
175 Vgl. Meyer, BB 2003, 1010, 1011.
Betriebs-Berater // BB 26.2008 // 23.6.2008 1401