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nicht entgegenstehen und im übrigen Privatsache der Teilnehmer<br />
sind. Denn allen Regiowährungen ist gemeinsam, daß sie<br />
nur für Mitglieder gültig sind, somit stellen sie nicht einmal ein<br />
öffentliches System dar.<br />
Historische Freigeldprojekte<br />
Damit wurde das Freigeld aber beileibe nicht erfunden.<br />
Schon um 1900 führte man in Bielefeld freies Geld ein — und<br />
zwar an den Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld den<br />
„Bethel“ bzw. die „Bethel-Mark“. Seit es den Euro gibt, hat<br />
man in Bielefeld den „Bethel-Euro“. Seit 70 Jahren gibt es in<br />
der Schweiz das WIR-System, zu dem etwa sechzigtausend<br />
Firmen gehören, die ihre Geschäfte untereinander mit dem<br />
Buchgeld „WIR“ verrechnen. Dabei handelt es sich strenggenommen<br />
jedoch nicht um Freigeld, denn der WIR wird verzinst.<br />
Das bedeutendste historische Beispiel ist die österreichische<br />
Erfolgsgeschichte von Wörgl. 1932 wurde auf Basis der<br />
Konzepte von Silvio Gesell in dem kleinen Tiroler Städtchen<br />
ein Freigeldprojekt begonnen — mit gewaltigem Erfolg. Das<br />
Freigeld bestand in „Arbeitsbestätigungen“ zu 1, 5 und 10<br />
Schilling. Während der Wirtschaftskrise senkte man damit die<br />
Arbeitslosigkeit um 16%, während sie in Österreich um 19%<br />
stieg.<br />
In den 13 1 /2 Monaten vom Beginn des Versuchs bis zu seinem<br />
Verbot durch Bundesregierung und Verwaltungsgericht<br />
setzte jeder Freischilling ein Sozialprodukt im Gegenwert von<br />
73 Schilling um. Rechnet man jedoch nur mit den wirklich in<br />
Umlauf gewesenen Arbeitsbescheinigungen, lag der Hebel<br />
noch wesentlich höher. Der „richtige“ Schilling bewegte im selben<br />
Zeitraum nur 8,55 Schilling an Waren und Dienstleistungen.<br />
Während die Nationalwirtschaft aufgrund der Krise<br />
gelähmt war, sprang das Freigeld von einem Projekt zum nächsten,<br />
über der Gemeinde ging ein warmer Regen aus Steueraußenständen<br />
nieder. Dies sind keine theoretischen Überlegungen,<br />
sondern historische Fakten, die belegt und nachprüfbar<br />
sind. Zumindest die Beflügelung des örtlichen Wirtschaftstreibens<br />
dürfte auch heute noch funktionieren.<br />
Das Freigeld bestand in „Arbeitsbestätigungen“ zu 1, 5 und<br />
10 Schilling. Insgesamt gab es pro Einwohner nur 7,5 Ersatzschilling.<br />
Während der dreizehn Monate dieses Projekts errichtete<br />
die Gemeinde eine Schischanze, eine Betonbrücke, eine<br />
Kanalisation und ein Gemeinde- und Schulhaus, asphaltierte<br />
mehrere Straßen und führte viele Reparaturarbeiten an öffentlichen<br />
Anlagen durch. Mit den 32.000 Schilling Freigeld, von<br />
denen nur ein paar tausend wirklich umliefen, wurden insgesamt<br />
Investitionen in Höhe von 14,816.000 Schilling getätigt.<br />
Während das Wörgeler Projekt auf Druck der Österreichischen<br />
Nationalbank verboten wurde, machte das Beispiel in<br />
den Vereinigten Staaten von Amerika Schule. Mehrere hundert<br />
Gemeinden und Städte führten zwischen 1932 und 1937<br />
Freigeldvarianten ein, sogenannte „Scips“. Diesmal war es<br />
Franklin D. Roosevelt, der auf Druck großer Finanzinstitute<br />
die erfolgreichen Projekte untersagte. In Deutschland wurden<br />
zwischen 1929 und 1931 diverse Freigeldprojekte begonnen,<br />
unter anderem in Berlin, Gera, Schwanenkirchen und Ulm.<br />
Was akzeptiert wird, gilt<br />
Alle wurden nach kurzer Frist durch die Reichsregierung<br />
untersagt. Die Gegenwart, ebenfalls krisengebeugt, sieht allerorten<br />
neue Freigeldprojekte entstehen. Illegal sind sie nicht:<br />
Solange jeder brav seine Steuern bezahlt, ist es Privatsache, ob<br />
man sich in Yen, Euro, Schweizer Franken oder Zwirnrollen<br />
bezahlen läßt. Der Staat hat das Monopol, kursfähiges Geld<br />
auszugeben, aber die Entscheidung, in welcher Währung eine<br />
Wirtschaftsleistung vergütet wird, ist Angelegenheit der Vertragspartner.<br />
Damit nicht der Verdacht entstehen kann, die Freigelder<br />
könnten als kursfähige Neuros gedacht sein, sind praktisch alle<br />
Freigeldinitiativen im Rahmen regionaler Vereine konstituiert.<br />
Das bedeutet, daß die Gutscheine überhaupt nur für Mitglieder<br />
gelten. Wer mitmachen will, muß beitreten — zumeist<br />
ist dies aber kostenlos. Bezahlen muß man lediglich, wenn man<br />
Freigeld zurückwechseln will. Wer den Gutschein gleich wieder<br />
ausgibt, hat keinen Verlust.<br />
Allein in der Bundesrepublik sind bereits zwölf Regiowährungen<br />
in Betrieb, in Österreich gibt es nur zwei oder drei.<br />
Mit dem „Waldviertler“ entstand allerdings vor einigen Monaten<br />
das im deutschen Sprachraum größte Projekt dieser Art<br />
seit Wörgl. In Bremen, Gießen, Berlin, an der Triesting, in<br />
Wolfratshausen und der Hallertau, in Kiel und anderswo kann<br />
man bereits mit Regiogeld einkaufen gehen. Gemeinsames<br />
Ziel ist es, geschlossene Wirtschaftskreisläufe zu etablieren<br />
und die Wirtschaft vor Ort zu fördern, um nicht zuletzt zur<br />
Sicherung der Arbeitsplätze beizutragen.<br />
Heini Staudinger von der österreichischen Erfolgsfirma<br />
GEA, zu der jene Fabrik gehört, in der die „Waldviertler<br />
Schuhe“ hergestellt werden, braucht seine soziale Verantwortung<br />
nicht zu beteuern, da er sie bereits seit Jahrzehnten lebt. Er<br />
stieg mit seinem Gesamtunternehmen in das Waldviertler Regiogeldprojekt<br />
ein und verpaßte ihm damit einen kräftigen<br />
Schub. Daß aber das neue Geld genauso heißt wie sein Produkt,<br />
kommt ihm dabei sicher sehr zupaß und kann kaum Zufall sein.<br />
Neue Kunden für Unternehmen<br />
money trend NEUE SAMMELGEBIETE<br />
Ob sich heutzutage durch Regiogeldprojekte mehr erreichen<br />
läßt als ein kurzfristiger Umsatzschub, wird sich erst herausstellen.<br />
Gerd Seliger (Name geändert), der im Waldviertel eine kleine<br />
Dienstleistungsfirma betreibt, sieht das System optimistisch:<br />
„Ich habe mich sofort bereiterklärt, die Waldviertler zu akzeptieren.<br />
Durch den Verein werden Leute, die das Regiogeld benutzen,<br />
auf mich aufmerksam, und dadurch kann ich Kunden gewinnen,<br />
die ich sonst vielleicht nicht gewonnen hätte.” Seliger<br />
nimmt dafür den fünfprozentigen Rücktauschabschlag gerne in<br />
Kauf. „Ein Auftrag zu 95% ist besser als keiner. Außerdem kann<br />
ich den Waldviertler ja auch wieder ausgeben.“<br />
Als Konkurrenz zum Euro stehen bereits Konzepte in der<br />
Tür, mit denen Regionalgeld ohne Schwundeffekt geschaffen<br />
werden könnte. In Saarbrücken und in Delitzsch-Eilenburg<br />
(Sachsen) arbeitet man bereits daran. Auch das islamische<br />
Bankensystem, das ganz ohne Zinswirtschaft funktioniert,<br />
stellt eine Alternative dar. Der „Terra“ schließlich, eine Geldutopie,<br />
die sich am Welthandelswarenkorb orientiert und deshalb<br />
für alle Regionen gelten könnte, wird sogar von Spitzenfunktionären<br />
der Finanzwirtschaft ernsthaft diskutiert. Ihr Argument:<br />
Die Erde braucht ein allgemeingültiges Weltgeld, das<br />
von den Konstruktionsfehlern des heutigen Geldsystems befreit<br />
ist.<br />
Gegenwärtig laufen in Deutschland und Österreich noch<br />
unter 130.000 Regioeinheiten um. Wie die Süddeutsche Zeitung<br />
herausfand, sieht die Bundesbank derzeit keine Gefahr<br />
für den Euro und geht nach Auskunft eines Sprechers nicht gegen<br />
die Regio-Initiativen vor. Solange die Zwergwährungen<br />
Vereinssache sind und sich im Mikrorahmen bewegen, kann sie<br />
das auch gar nicht. In den nächsten Jahren werden noch viele<br />
weitere Regioprojekte entstehen, die alle zusammengenommen<br />
einen beachtlichen Nebeneffekt haben: Nämlich die praxisbezogene<br />
Unterrichtung breiter Bevölkerungskreise über<br />
die Art und Funktionsfähigkeit desjenigen Geldes, das nach<br />
dem Kollaps der heutigen Finanzsysteme eingeführt werden<br />
könnte. Wie wahrscheinlich das ist, zeigt sich beispielsweise an<br />
dem Beschluß der japanischen Regierung, Barvermögen besteuern<br />
zu wollen. Dieser Schritt würde den Yen schlagartig zu<br />
Freigeld machen, bei regulierter Umsetzung könnte die Wirtschaft<br />
damit auf Steigflug gehen.<br />
mt 9/2005 173