1. Einleitung - Heiner Klug
1. Einleitung - Heiner Klug
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zung im Einklang stehe oder eventuell der Korrektur bedürftige Fehler enthalte,<br />
durch den Ausführenden notwendig oder einsichtig, ja nicht einmal mehr statthaft.<br />
Eine Veränderung des Notentextes beim Vortrag geriet zunehmend in den Ruch einer<br />
Respektlosigkeit gegenüber dem Komponisten und seinem Werk. Folglich<br />
wurde das uneingeschränkte Meistern aller Noten und Ausführungsanweisungen der<br />
Vorlage und die Bewältigung ihrer technischen Schwierigkeiten zur neuen Aufgabe<br />
und Meßlatte für die Qualität ausübender Musiker.<br />
Auch für die Musikerziehung boten die modernen drucktechnologischen Möglichkeiten<br />
neue Perspektiven. Die Bedeutung dieser Neuerungen für den Klavierunterricht<br />
lässt sich ermessen beim Vergleich des zeitlichen Aufwands für die Unterweisung<br />
eines Schülers vor etwa 1800 mit der Situation danach. Bis dahin war es noch<br />
Usus gewesen, einen Schüler fast täglich zu unterrichten, wie etwa bei DANIEL<br />
GOTTLOB TÜRK:<br />
"Wer das Klavier zum Vergnügen spielen lernt, der hat genug gethan, wenn er<br />
täglich zwey Stunden darauf verwendet; anfangs wöchentlich etwa vier, wenn<br />
es seyn kann sechs, und in der Folge zwey bis vier Stunden Unterricht mit eingerechnet:<br />
wer aber das Klavierspielen zu seinem Hauptgeschäfte machen will,<br />
für den sind täglich drey bis vier Stunden Uebung kaum hinreichend, und außer<br />
diesen ist wenigstens noch Eine [sic] Lectionsstunde nöthig." (TÜRK 1789,<br />
11)<br />
Auch LUDWIG VAN BEETHOVEN hielt einen nur "einige Male" pro Woche statt findenden<br />
Unterricht für unzureichend. Er äußerte sich gegenüber dem Freiherrn<br />
KÜBECK VON KÜBAU mit der Bitte, dieser möge ihm wegen seiner knappen Zeit bei<br />
der Betreuung einer Schülerin assistieren:<br />
"Ich unterrichte eine junge Person einige Male in der Woche. Öfter kann ich<br />
nicht und das ist unzureichend, um sie weiter zu bringen." (zit. nach LANDON<br />
1994, 52)<br />
Dass BEETHOVEN davon ausging, der Lehrer-Schüler-Kontakt habe täglich zu erfolgen,<br />
geht aus dem weiteren Verlauf des Textes unzweifelhaft hervor. KÜBECK VON<br />
KÜBAU übernahm daraufhin BEETHOVENS Assistenz im Unterricht dieser jungen<br />
Person und unterrichtete sie<br />
"[...] täglich von 5 bis 6 Uhr abends." (zit. nach LANDON 1994, 52)<br />
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