1. Einleitung - Heiner Klug
1. Einleitung - Heiner Klug
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sich mit dem bloßen Nachdruck dieser Kleinigkeiten begnügt." (zit. nach<br />
WEHMEYER 1983, 83f.)<br />
Mit der Trennung der Ausführung von der Produktion im Verlauf des 19. Jahrhunderts<br />
entstand eine veränderte Arbeitshaltung: Der Sinn der Übung als Selbstzweck<br />
wurde ersetzt durch den neuen der vorbereitenden Übung. Damit vollzog sich ein<br />
grundlegender Bedeutungswandel des Begriffs Üben. 7 Im 18. Jahrhundert hatte die<br />
Clavierübung noch für die gesamte Ausübung der Kunst am Instrument gestanden.<br />
Im Geist jener Zeit, die noch nicht trennte zwischen einem musikalischen Gedanken<br />
und seiner Ausführung, wäre es sinnlos erschienen, technische Probleme der Ausführung<br />
separat zu betrachten: Hier waren die Begriffe Üben und Ausüben noch<br />
Synonyme: Übung war jede Beschäftigung mit dem Instrument, jedes Spiel, unabhängig<br />
vom Niveau: vom Anfänger bis zum Meister, der Vortrag inbegriffen.<br />
ISABELLA AMSTER wies in einem Aufsatz über die Klavierübung im Alltag des Musizierens<br />
auf die Allgemeingültigkeit des Begriffes Clavierübung hin, die sich auch<br />
lexikologisch untermauern lässt:<br />
"Daher sucht man auch vergebens in den Lexica und theoretischen Schriften<br />
allgemeinen oder klavierpädagogischen Charakters dieser Zeit nach einer genauen<br />
Definition von 'Klavierübung'. Sie ist keine bestimmte Form, umfaßt<br />
vielmehr alle in der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts üblichen Formgattungen:<br />
Suiten, Fugen, Ricercare, Chaconne, Variationen, Sonaten usw. Da diese Formen<br />
den Umkreis des täglichen Musizierens ausmachten, so war eben jedes<br />
Musizieren am Klavier eine Klavier-Übung. Solche 'Übungen' bildeten also<br />
nicht eine Vorbereitung für einen außerhalb des täglichen häuslichen Musizierens<br />
liegenden Zweck repräsentativer Art (wie Vortrag im Konzertsaal), sondern<br />
waren Stoff für eine allgemein-musikalische Betätigung des Spielers mit<br />
besonderer sachgemäßer Berücksichtigung seines Instrumentes." (AMSTER<br />
1930, 173f.)<br />
Als Beispiel für eine solche Übung im ursprünglichen Sinn sei die Clavier-Übung,<br />
IV. Teil von JOHANN SEBASTIAN BACH angeführt, bekannt als Goldberg-Variationen:<br />
7 Eine grundlegende Abhandlung zum Begriff des (nicht nur musikalischen) Übens liegt von OTTO<br />
FRIEDRICH BOLLNOW (1991) vor.<br />
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