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1. Einleitung - Heiner Klug

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Wort jenen negativen Beigeschmack, den es vielfach noch heute besitzt, wenn etwa<br />

unter Musikern der Satz fällt: "Ich muss üben." "Übung macht den Meister" bedeutet<br />

nun: "Fleiß und Entbehrungen liegen auf dem Weg zur Meisterschaft."<br />

Aus den beiden Klassen musikbezogener Medien des 18. Jahrhunderts, Clavierschule<br />

als theoretische Abhandlung in verbaler Form und Clavierübung in Notenform,<br />

wurden vier: Aus den Clavierschulen des 18. Jahrhunderts ging einerseits die<br />

so genannte Praktikerliteratur 8 hervor, die theoretische Betrachtungen über das Klavierspiel<br />

beinhaltet und sich mit der künstlerischen und technischen Problemlösung<br />

der Interpretation befasst. Sie besteht vorwiegend aus verbalem Text und spielt bis<br />

heute in der Ausbildung von Instrumentalpädagogen eine wichtige Rolle. Der Terminus<br />

Klavierschule andererseits wurde im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts<br />

mit völlig neuem Inhalt gefüllt und bezeichnet seitdem ein Unterrichtsmedium, das<br />

sukzessive im Schwierigkeitsgrad ansteigende Spielstücke für Anfänger enthält.<br />

Die Clavierübung als Sammelbegriff für die ausübende Praxis des 18. Jahrhunderts<br />

spaltete sich auf in Werke, deren Interpretation Ziel aller Bemühungen wurde und<br />

hierauf vorbereitende Übungen (vgl. AMSTER 1930, 174). Dabei entstand eine neue<br />

musikalische Gattung: die Etüde (vgl. AUGUSTINI 1986). Deren erste Exemplare<br />

erschienen im Jahr 1804 in Form der Études pour le pianoforte en 42 exercices...<br />

von JOHANN BAPTIST CRAMER. Beispielhaft für die neue Bedeutung der vorbereitenden<br />

Übung bzw. Etüde sei hier der Artikel Essercizi aus Dizionario e Bibliografia<br />

della Musica, erschienen in Mailand 1826, zitiert, den ISABELLA AMSTER folgendermaßen<br />

übersetzte:<br />

"Es sind Musikstücke, komponiert für eine technische Schwierigkeit der<br />

Stimme, für eine besondere und schwierige Art, das Instrument zu spielen,<br />

welche sich auf alle Stufen der Tonleiter und auf alle Lagen erstreckt... Da die<br />

Übungen nur zum Studium im Zimmer bestimmt sind, um den Schüler mit den<br />

Schwierigkeiten aller Art in den Arbeiten berühmter Komponisten vertraut zu<br />

machen, so gebe man sich keine Mühe, sie angenehm fürs Ohr zu machen<br />

[...]." (AMSTER 1930, 174)<br />

Der Hinweis auf die sekundäre Rolle des Ohres bei einer musikbezogenen Tätigkeit<br />

wäre noch wenige Jahrzehnte zuvor als absurd abgetan worden und kennzeichnet<br />

einen entscheidenden Wandel der Kommunikationsebene: die Abkehr von der Unterhaltungsfunktion<br />

des Musikers (vgl. WÖRNER 1993, 454), von dem Primat der<br />

"Ergötzung" des Publikums unter alleiniger Referenz des Klangeindrucks und statt<br />

dessen die Hinwendung zur Betrachtung spieltechnischer Probleme bei der Übertra-<br />

8 Zum Begriff vgl. SCHMIDT-BRUNNER (1982, 15).<br />

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