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Sweet about me

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GANZ NORMALE FREAKS<br />

UNSERE ELTERN KIFFEN MEHR ALS WIR: HAUSBESUCH BEI »KRAFTKLUB«<br />

Amoklauf, Psychopharmaka, Depressionen<br />

– auf ihrem Debütalbum<br />

, ,Mit K“ lassen die<br />

sächsischen Rap-Punks von<br />

Kraftklub kein extre<strong>me</strong>s Thema aus.<br />

Wie kommt es dann, dass ihre CD<br />

trotzdem Spaß macht? Und was haben<br />

Karl-Marx-Stadt und Berlin auf<br />

dem Werk zu suchen? Ultimo sprach<br />

mit d em Kraftklub-Songschreiber<br />

Till Brum<strong>me</strong>r (21) über H eimatverbundenheit,<br />

Alte-Männer-Rock und<br />

die Lust an der Ironie.<br />

Die H eimat vo n K raftklub ist<br />

Chemnitz. Ihr benutzt aber lieber<br />

den D DR-Na<strong>me</strong>n ,,Karl-Marx-<br />

Stadt“. Ostalgie?<br />

Till Bru m<strong>me</strong>r: W ir finden, Karl-<br />

Marx-Stadt klingt viel besser. Mit<br />

den alten Zeiten hat das nichts zu<br />

tun. Wir werden auch oft nach unserem<br />

Bandna<strong>me</strong>n gefragt. Kraftklub<br />

hört sich einfach gut an und hat<br />

nichts mit Kraftwerk zu tun. Die<br />

BILD-Zeitung hat uns mal mit denen<br />

verwechselt, als sie schrieb:<br />

,,Kraftwerk hat den fünften Platz<br />

beim Bundesvision Song Contest<br />

gemacht“. Sehr seltsam. Wer weiß,<br />

wer das geschrieben hat. Vielleicht<br />

ein Praktikant. Die BILD <strong>me</strong>inte<br />

auch, für unseren Song , ,Ich w ill<br />

Keine Lust aufs Ossi-Loserimage: Kraftklub aus Karl-Marx-Stadt<br />

nicht nach Berlin“ dürften wir nicht<br />

auf Punkte aus der Hauptstadt hoffen.<br />

Dann haben wir von dort aber<br />

10 Punkte bekom<strong>me</strong>n!<br />

In Berlin spielt h eute die M usik.<br />

Auch für Kraftklub?<br />

Nach Berlin w ollen wir auf keinen<br />

Fall ziehen. Wir fühlen uns wohl in<br />

der Hauptstadt, aber einer von uns<br />

ist in Berlin mal richtig depressiv<br />

geworden. W ir w ollen im<strong>me</strong>r zurück<br />

in unsere schöne, gemütliche<br />

Karl-Marx-Stadt.<br />

Wer sich traut, ein böses Lied über<br />

die Hauptstadt zu singen, braucht<br />

ganz sc hön viel Selbstbew usstsein.<br />

Ach, wir sind einfach komische Typen<br />

aus dem Osten. Ganz normale<br />

Freaks. Uns ist früher, als w ir als<br />

Steppkes mit der Familie im<strong>me</strong>r Urlaub<br />

in Polen gemacht haben, schon<br />

aufgefallen, dass wir für Wessi-Kinder<br />

automatisch die Loser w aren.<br />

Daraus hat sich dann eine Trotzhaltung<br />

entwickelt. Wir sind halt Ossis<br />

und trotzdem – beziehungsweise<br />

gerade deshalb – cool. Wir wollen<br />

gerade nicht nach Berlin ziehen. Ich<br />

finde, wer etwas auf die Beine stellen<br />

will, der kann das auch machen<br />

– ge rade in Karl-Marx-Stadt. Wir<br />

konnten unsere B andprojekte v or<br />

Kraftklub im<strong>me</strong>r prima in unserem<br />

Lieblingsclub ,,Atomium“ vor unseren<br />

Kumpels ausprobieren. Und anschließend<br />

sind wir woanders hingefahren,<br />

wo alle gesagt haben: Wie<br />

krass!<br />

Das Durchschnittsalter der Bandmitglieder<br />

liegt bei 21 Jahren. Wie<br />

ist das, wenn ma n di e DDR nur<br />

noch vom Hörensagen kennt?<br />

Nun, <strong>me</strong>in Vater hatte in der DDR<br />

eine Band, die hieß AG.Geige und<br />

machten ganz verrückte Dada-Musik.<br />

Man wusste nie, ob sie mit ihren<br />

Liedern das System kritisierten<br />

oder befürworteten. Das muss sehr<br />

lustig gewesen sein, aber die Musik<br />

hört sich eigentlich keiner von uns<br />

an. Mein Vater hat sicherlich auch<br />

unter dem System gelitten, aber davon<br />

erzählt er nicht viel. Das Gehirn<br />

ist ja so angelegt, dass es sich im<strong>me</strong>r<br />

nur die guten und lustigen Dinge<br />

<strong>me</strong>rkt. Unser Vater hatte zum Beispiel<br />

einen ziemlich verrückten<br />

Kumpel, der ist zur Stasi gegangen…<br />

Einer eu rer So ngs beh andelt das<br />

Thema Psychopharm aka. Kann<br />

Ritalin dabei helfen, schlum<strong>me</strong>rnde<br />

versteckte Talente in richtige<br />

INTERVIEW<br />

Bahnen zu l enken, da mit aus einem<br />

verkannten ei n beka nntes<br />

Genie wird?<br />

Ich selbst musste Ritalin über fünf<br />

Jahre regelmäßig neh<strong>me</strong>n. In der<br />

Schule hatten sie viele Proble<strong>me</strong> mit<br />

mir, weil ich sehr aufgedreht w ar.<br />

Einmal wollte man mich in die achte<br />

Klasse stecken, obw ohl ich eigentlich<br />

in der vierten war. Die dachten,<br />

ich wäre vielleicht hochbegabt und<br />

nur gelangweilt. Es stellte sich aber<br />

ganz schnell raus, dass dem nicht<br />

so ist. Irgendwann war ich bei einem<br />

Therapeuten, der dann bei mir<br />

ein Hyperaktivitätssyndrom festgestellt.<br />

,,Die Eltern kiffen <strong>me</strong>hr als w ir“,<br />

heißt es a ugenzwinkernd i n dem<br />

Lied ,,Jung“. Wie soll man heutzutage<br />

rebellieren, wenn die eigenen<br />

Eltern schon alles ausprobiert haben?<br />

Mit Kiffen kannst du deine Eltern<br />

nicht <strong>me</strong>hr schocken. Man müsste<br />

Fascho oder Banker w erden, das<br />

würde w ahrscheinlich funktionieren,<br />

aber da hat keiner von uns<br />

Bock drauf. Selbst wenn einem etwas<br />

selber einfällt, guckt man dann<br />

im Internet nach und irgendwer hat<br />

es auch schon gem acht, zum Beispiel<br />

ins Publikum pinkeln. Man<br />

kann eigentlich nur noch Tribut zol-<br />

len.<br />

Wer sind die Rock-Opas, die in<br />

dem iro nischen Video clip z um<br />

Song ,,Jung“ ma rodierend und<br />

prügelnd um die Häuser ziehen?<br />

Das sind unsere fünf Großväter.<br />

(lacht) Alte Männer, die endlich mal<br />

ein Auto kaputtmachen durften,<br />

ohne dafür Ärger zu kriegen. Ich<br />

glaube, bei der sogenannten Rockmusik<br />

von heute kräuseln sich bei<br />

<strong>me</strong>inem Opa die Nackenhaare.<br />

Heute gibt es viele Gruppen, die als<br />

Rockbands tituliert w erden, aber<br />

ganz grässliche Musik machen.<br />

Was darf man als Band nicht tun,<br />

wenn man cool sein will?<br />

Wir haben für uns ein paar kleine<br />

Regeln aufgestellt. Sie betreffen<br />

Hässlichkeiten und Alte-Männer-<br />

Rock. So wird man den ,,Duck Walk“<br />

niemals bei uns sehen, also zu einem<br />

krassen Gitarrensolo entenmäßig<br />

über die Bühne hüpfen. Der<br />

Bassist von Metallica macht zu einem<br />

b estimmten Song im<strong>me</strong>r so<br />

eine Art Knicks, das sieht auch ganz<br />

seltsam aus. Verboten sind bei uns<br />

auch Ventilatoren auf der Monitorbox.<br />

Erlaubt hingegen ist, das Publikum<br />

und uns gegenseitig mit Wasser<br />

voll zu spritzen. Tztztz, einmal<br />

glaubte ein Mädchen in der ersten<br />

Reihe, wir hätten sie angespuckt!<br />

Interview: Olaf Neumann<br />

HOLTE-STUKENBROCK,<br />

SERENGETI-FESTIVAL 20.-22.7.<br />

ULTIMO 17

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