Programmheft herunterladen - Münchner Philharmoniker
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Neues aus dem „Land ohne Musik“<br />
Die Uraufführung der „Enigma Variations“ am<br />
19. Juni 1899 wird in der englischen Musikgeschichtsschreibung<br />
wie eine „Stunde Null“ oder<br />
ein Tag der Wiedergeburt gefeiert. Seit über 200<br />
Jahren, seit Purcells Tod, hatte England keinen<br />
wirklich bedeutenden Komponisten von europäischem<br />
Rang hervorgebracht. Erst Edward Elgar<br />
vermochte den Bann zu brechen, der auf dem<br />
„Land ohne Musik“ zu lasten schien. Sein Leben<br />
und sein Werk verbinden sich im Bewusstsein<br />
der Landsleute untrennbar mit der „English Musical<br />
Renaissance“. „Als ich die ‚Enigma-Variationen‘<br />
hörte“, erinnerte sich George Bernard<br />
Shaw, „sprang ich auf und rief: ,Whew !‘ Ich<br />
wusste, dass wir es endlich geschafft hatten.“<br />
England war mit diesem Geniestreich der Orchestermusik<br />
in die Geschichte der Kompositionskunst<br />
zurückgekehrt.<br />
Am 3. Dezember 1908 spielte das Hallé Orchestra<br />
unter seinem Chefdirigenten Hans Richter in Manchester<br />
die Uraufführung der 1. Symphonie Elgars<br />
– auch dies eine historische Premiere. „Eine englische<br />
Symphonie existierte bis dahin überhaupt<br />
nicht, jedenfalls keine von Format, die den Vergleich<br />
mit den Symphonien Beethovens oder<br />
Brahms’ auch nur im Entferntesten gerechtfer -<br />
tigt hätte und in Konzerten neben anerkannten<br />
Meisterwerken nicht sofort in Bedeutungslosigkeit<br />
versunken wäre“, schreibt der berühmte<br />
Musikkritiker Sir Neville Cardus, Zeuge dieser<br />
Edward Elgar: Komponisten-Portrait<br />
Musikalische Tagträume einer fernen Epoche<br />
Wolfgang Stähr<br />
bahnbrechenden Uraufführung. „Es erscheint mir<br />
hoffnungslos, heute noch etwas von dem Stolz<br />
vermitteln zu wollen, mit dem sich die jungen<br />
englischen Studenten in jener fernen Epoche für<br />
Elgar begeisterten.“ Hans Richter, der Weggefährte<br />
Wagners und Brahms’, studierte Elgars 1. Symphonie<br />
As-Dur op. 55 auch in London ein, und bei<br />
dieser Gelegenheit sprach er zu den Musikern<br />
des London Symphony Orchestra die denkwürdigen<br />
Worte: „Gentlemen, lassen Sie uns nun<br />
die größte Symphonie unserer Zeit proben, geschrieben<br />
vom größten lebenden Komponisten<br />
– und zwar nicht nur dieses Landes.“<br />
Späte Anerkennung eines<br />
Außenseiters<br />
Diese mit höchster Autorität vorgetragene Anerkennung<br />
bedeutete für den mittlerweile 51-jährigen<br />
Edward Elgar eine späte Genugtuung. Als<br />
katholischer Kleinbürgersohn und Autodidakt<br />
aus der englischen Provinz hatte er jahrelang<br />
gegen Widerstände ankämpfen müssen: gegen<br />
religiöse Vorurteile der anglikanischen Mehrheit,<br />
gegen den spätviktorianischen Standesdünkel,<br />
gegen den snobistischen Hochmut des<br />
musikalischen Establishments in der Metropole<br />
London. Das Gefühl der Außenseiterschaft hat<br />
Elgar nie überwinden können, eine misanthropische<br />
Neigung trübte sein Selbstbewusstsein<br />
bis zuletzt, insbesondere aber ein argwöhnisches<br />
und irrationales Misstrauen gegenüber der britischen<br />
Öffentlichkeit: „Sie wollen mich nicht