Zehnter Tätigkeitsbericht - 2011 (PDF, 5MB, Datei ist nicht - BStU
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4 Verwendung von Unterlagen auf Antrag<br />
oder Ersuchen<br />
Die Auskunfts- und Herausgabetätigkeit der <strong>BStU</strong> war im<br />
Berichtszeitraum in besonderer Weise von drei Ereignissen<br />
gekennzeichnet und beeinflusst: Einem neuen aktuellen<br />
Höchststand bei den Antragseingängen im Bereich<br />
der persönlichen Akteneinsicht, dem unerwartet erstarkten<br />
Interesse an der Überprüfung politischer Mandatsund<br />
Amtsträger sowie dem 20. Jahrestag der Friedlichen<br />
Revolution.<br />
Die Zahl der Eingänge im Bereich der Bürgeranträge überstieg<br />
im Jahr 2009 erneut die Grenze von 100 000. Hiervon<br />
entfielen über 65 000 auf Erstanträge. 2010 gingen mehr<br />
als 87 000 Anträge ein, wobei mehr als 54 000 Bürger erstmals<br />
einen Antrag auf Akteneinsicht stellten.<br />
Die öffentliche Diskussion über die frühere Verstrickung<br />
von Mandats- und Amtsträgern hatte zum wesentlichen<br />
Teil ihren Ursprung in der politischen Entwicklung im<br />
Bundesland Brandenburg, wo 20 Jahre nach dem Ende<br />
des SED-Regimes ein später Aufarbeitungsprozess an<br />
Dynamik zu gewinnen begann. Damit im Zusammenhang<br />
steigerten sich allein die Überprüfungsersuchen zu parlamentarischen<br />
und kommunalen Mandatsträgern um mehr<br />
als 150 Prozent. Auch die Diskussion über eine Novellierung<br />
des StUG wurde <strong>nicht</strong> zuletzt vor diesem Hintergrund<br />
durch Forderungen nach einer Verlängerung der<br />
Überprüfungsmöglichkeiten über das Jahr <strong>2011</strong> hinaus<br />
ausgelöst.<br />
Der 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution beflügelte<br />
naturgemäß in besonderer Weise die Forschung und die<br />
Medien, was sich sowohl quantitativ als auch thematisch<br />
im Antragsaufkommen in diesem Bereich niederschlug.<br />
In den Jahren 2009 und 2010 konnten mit 1 930 bzw.<br />
1 486 Anträgen die höchsten Eingangszahlen seit 15 Jahren<br />
verzeichnet werden. Die Zahl eingehender Forschungs-<br />
und Medienanträge pro Mitarbeiter hat sich so<br />
seit 2005 praktisch verdoppelt. Bemerkenswert <strong>ist</strong> auch<br />
das zu beobachtende zunehmende Interesse an Filmdokumenten.<br />
So waren etwa MfS-Schulungsfilme Gegenstand<br />
gesonderter Veranstaltungen und fanden sogar Aufnahme<br />
in ein Kurzfilmfestival.<br />
Die bereits im Neunten <strong>Tätigkeitsbericht</strong> (siehe dort<br />
S. 10) dargestellte Problematik der den Auskunftsbereich<br />
stark überproportional treffenden Nachbesetzungssperre<br />
(siehe auch Kapitel 2.3) hat sich – verstärkt durch das anhaltend<br />
hohe Arbeitsaufkommen – weiter verschärft. Obwohl<br />
die Erledigungszahl pro Mitarbeiter unter anderem<br />
durch verschiedene organisatorische Maßnahmen nochmals<br />
gesteigert werden konnte, ließ sich eine Verkürzung<br />
der maximalen Wartezeiten im Bereich der persönlichen<br />
Akteneinsicht daher <strong>nicht</strong> erreichen.<br />
Die im Zusammenhang mit der Herausgabe von MfS-Unterlagen<br />
getroffenen Entscheidungen hatten bislang in der<br />
ganz überwiegenden Zahl der Fälle bei der – nach wie vor<br />
sehr selten eingeklagten – rechtlichen Überprüfung durch<br />
Gerichte Bestand. Dies gilt auch für den Berichtszeitraum.<br />
Von grundsätzlicher Bedeutung für die Aufarbeitung<br />
eines speziellen Bereichs des Einflusses der ehemaligen<br />
DDR auf die Bundesrepublik war das Urteil des<br />
– 50 –<br />
Verwaltungsgerichts Berlin, das sich erstmals mit dem<br />
Komplex der sogenannten Gruppe Ralf Forster, einer<br />
militärischen Untergrundorganisation der DKP, und in<br />
diesem Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Kategorisierung<br />
von Unterlagen als solche zu einem Begünstigten<br />
befasst hat.<br />
Der Erfahrungsaustausch zu Fragen der Verwendung von<br />
Stasi-Unterlagen mit den Partnerorganisationen der östlichen<br />
Nachbarstaaten sowie im Rahmen internationaler<br />
Kongresse wurde im Berichtszeitraum fortgesetzt und intensiviert.<br />
Intensiv waren die Kontakte insoweit besonders<br />
mit der bulgarischen Partnerinstitution COMDOS.<br />
Großes Interesse an den Erfahrungen mit der Verwendung<br />
der Stasi-Unterlagen bestand aber auch bei Vertretern aus<br />
Ländern, die bisher noch über keine institutionalisierte<br />
Aufarbeitung verfügen (hierzu siehe auch Kapitel 7).<br />
4.1 Anträge von Bürgerinnen und Bürgern<br />
auf Auskunft, Einsicht in und Herausgabe<br />
von Unterlagen sowie auf<br />
Bekanntgabe von Namen ehemaliger<br />
Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes<br />
4.1.1 Antragsaufkommen, Erledigungen,<br />
Bearbeitungszeiten<br />
Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der persönlichen<br />
Einsicht in die Stasi-Unterlagen <strong>ist</strong> im Berichtszeitraum<br />
im Vergleich zu den Vorjahren unverändert hoch<br />
geblieben. Im Jahr 2009 gingen mit 102 658 Anträgen<br />
noch einmal rund 15 000 Anträge mehr ein als im Vorjahr.<br />
Im Jahr 2010 lag der Antragseingang mit 87 514 Anträgen<br />
in etwa wieder auf dem Niveau des Jahres 2008.<br />
Insgesamt konnte die <strong>BStU</strong> bis zum 31. Dezember 2010<br />
rund 2,75 Millionen Anträge verzeichnen (siehe Anhang<br />
5; zur Verteilung der Antragseingänge auf die Bundesländer<br />
siehe Anhang 6).<br />
Die Steigerung im Jahr 2009 <strong>ist</strong> sicher im Zusammenhang<br />
mit dem 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution zu sehen.<br />
Dass sich jedoch die Antragszahlen insgesamt 20 Jahre<br />
nach Gründung der Behörde noch auf einem derart hohen<br />
Niveau bewegen würden, <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> zu erwarten gewesen.<br />
Dabei sind es <strong>nicht</strong> überwiegend Wiederholungsanträge,<br />
die diese große Menge ausmachen, sondern im Gegenteil:<br />
Nach Abzug von Anträgen auf Decknamenentschlüsselungen<br />
bzw. auf das Erstellen von Kopien nach erfolgter<br />
Akteneinsicht, die in der Gesamtzahl enthalten sind, beträgt<br />
seit dem Jahr 2003 der Anteil der Erstanträge konstant<br />
etwa 75 Prozent.<br />
Vereinzelt wird die Vermutung geäußert, zu diesen erst so<br />
spät gestellten Anträgen seien bestimmt keine Erfassungen<br />
vorhanden, denn die Bürgerinnen und Bürger, die im<br />
Fokus des MfS standen, hätten ihre Unterlagen doch<br />
längst gesehen. Auch das <strong>ist</strong> keineswegs der Fall: Ebenfalls<br />
seit dem Jahr 2003 ergeben die Recherchen konstant<br />
lediglich bei einem Anteil von 35 Prozent der Anträge<br />
keine Erfassung. Weitere fast gleichbleibende ca. 22 Prozent<br />
der Recherchen führen zu Karteierfassungen, die<br />
keine Hinweise auf weitere Unterlagen ergeben. Zu ebenfalls<br />
über die Jahre konstant bleibenden ca. 40 Prozent