Innovatives Gemisch: Alleskönner offenbaren unbekannte ... - Tuv
Innovatives Gemisch: Alleskönner offenbaren unbekannte ... - Tuv
Innovatives Gemisch: Alleskönner offenbaren unbekannte ... - Tuv
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
30 Tradition kontakt 2.06 kontakt 2.06 Tradition 31<br />
Fisch-Pforte: Der Kölner Hafen war im späten Mittelalter Zentrum des Heringshandels.<br />
8Wirtschaftskriminalität<br />
ist beileibe<br />
kein Phänomen<br />
unserer Tage. Skrupellose Produktpiraten<br />
trieben schon vor Jahrhunderten<br />
mit gefälschten Brandeisen<br />
auf Kosten des Bürgerwohls ihr<br />
Unwesen.<br />
Welche finanziellen Konsequenzen<br />
und welchen Imageschaden etwa<br />
„untüchtige Fische“ verursachten,<br />
macht die „Kölner Wurmkrise“ von<br />
1582 deutlich: Der Ratsherr Hermann<br />
Weinsberg (1518 – 1597) berichtet<br />
in seinen Aufzeichnungen<br />
von beanstandeten Heringen, in<br />
denen man „sclenglin“ (Schlänglein)<br />
gefunden habe. Rasch breitete<br />
sich die Kunde aus. Und obwohl<br />
die ehrbaren Kölner Kaufleute<br />
glaubhaft versicherten, „die herink<br />
mit den figuren der sclenglin were<br />
nit bois“ (böse = schlecht), denn<br />
viele hätten sie gegessen, verfiel der<br />
Preis für die begehrte Fastenspeise<br />
innerhalb kürzester Zeit. Die Folge:<br />
Der rheinische Heringshandel geriet<br />
in arge Absatznöte. Brachte zu<br />
Jahresbeginn eine Tonne Hering<br />
noch zwölf bis 15 Taler ein, sank<br />
der Preis Mitte März auf vier. Doch<br />
schon wenige Monate später war<br />
der Skandal vergessen. Was auch<br />
immer sich hinter den kleinen<br />
„Schlangen“ verborgen haben mag<br />
– harmlose deformierte Schwimmblasen<br />
oder aber tatsächlich Würmer<br />
–, die Antwort bleibt uns der<br />
Chronist leider schuldig. Die Deutschen<br />
ließen sich jedenfalls die Kölner<br />
Heringe bald wieder schmecken.<br />
Ist der Lebensmittelskandal<br />
erst einmal aus dem Sinn und den<br />
Schlagzeilen, greifen die Verbraucher<br />
erneut zu. Damit sie dennoch<br />
vor Fisch-Schlänglein bewahrt bleiben,<br />
sorgen heute wie dazumal<br />
Qualitätssiegel. Und das sichert<br />
letztlich auch den Handel.<br />
Denn der Hering gehörte einst zu<br />
Köln wie der Dom – zumindest<br />
vom späten Mittelalter bis ins 17.<br />
Jahrhundert. Dank der strategisch<br />
günstigen Lage am Unterlauf des<br />
Rheins blühten Handel und Gewerbe<br />
in der für damalige Verhältnisse<br />
gewaltigen, rund 30 000 Köpfe zählenden<br />
Metropole. Hochseeschiffe<br />
löschten ihre Fracht direkt vor der<br />
Haustür. Und aufgrund des 1259<br />
eingeführten Stapelrechts kam an<br />
den Domstädtern auf dem Wasserweg<br />
niemand vorbei. „Dieses Privileg<br />
besagte, dass alle Güter, die<br />
Köln passierten, dort drei Tage lang<br />
zum Weiterverkauf angeboten werden<br />
mussten“, weiß Rita Wagner,<br />
Gekrönte Heringe<br />
Frischer Fisch ist gefragt – bereits im späten Mittel alter. Deshalb ersannen<br />
findige Kölner Kaufleute eine ausgeklügelte Qualitätskontrolle für<br />
die begehrte, aber leicht verderbliche Ware<br />
Historikerin im Kölnischen Stadtmuseum.<br />
Doch mit fetten, feuchten und<br />
leicht verderblichen Produkten wie<br />
Fisch, Käse oder Tran – so genannter<br />
Ventware – war das seinerzeit<br />
ein kniffliges Unterfangen. Damit<br />
sich für die cleveren Kölner der gut<br />
florierende Heringshandel mit den<br />
Niederlanden und anderen Nordsee-Anrainern<br />
lohnte, ersannen sie<br />
eine ganz spezielle Form von frühem<br />
Qualitätsmanagement. Bei<br />
diesen Lebensmittelkontrollen<br />
nahm die Stadt für sich das Recht<br />
in Anspruch, Ventgüter wie gesalzene<br />
Heringe, die im Stapelhaus lagerten,<br />
zu überprüfen, umzupacken,<br />
mit dem Kölner Dreikronen-<br />
Siegel, dem Brandstempel, zu versehen<br />
und bis ins „Oberland“ (Oberrhein)<br />
zu exportieren.<br />
„Der Kölner Wirtschaftshistoriker<br />
Bruno Kuske betrachtet den Stapel<br />
deshalb als eine Art Anwalt für Verbraucher“,<br />
erklärt Rita Wagner,<br />
„denn der weit entfernte Kunde<br />
wäre bei verdorbener Lieferung leer<br />
ausgegangen, hätte keinen direkten<br />
Zugriff auf den Übeltäter gehabt.“<br />
Der Kölner Brand hingegen garantierte<br />
als frühe Form von Umtauschrecht<br />
und Produkthaftung in<br />
der Regel die einwandfreie Qualität<br />
der Ware. Und fand sich dennoch<br />
mal ein faules Flossentier im Fass,<br />
konnte der Käu fer die schlechte<br />
Charge beziehungsweise<br />
den Boden<br />
mit den<br />
Bränden<br />
zurückschicken. Die Kölner wiederum<br />
leiteten diese an den Ursprungsort<br />
weiter, wo dann meist<br />
der Steuermann des Kutters den<br />
Kopf hinhalten musste.<br />
Die Bezeichnung „Brand“ geht auf<br />
das Kennzeichnen der Heringstonnen<br />
mit zahlreichen Brandstempeln<br />
zurück. Die lange Prozedur der<br />
Qualitätssicherung begann bereits<br />
beim Fassmacher. Dieser attestierte<br />
mit seinem Zeichen die Güte des<br />
Eichenholzes und die korrekte Größe<br />
der Tonne. Die betrug seit dem<br />
Jahr 1375 exakt 135,7 Kilogramm<br />
und fasste 1000 bis 1200 Heringe.<br />
Der Schiffssteuermann drückte dem<br />
Fass anschließend seinen Stempel<br />
mit dem Zeitpunkt des Fangs auf<br />
Fett, feucht und verderblich:<br />
Heringe zählten zur so genannten<br />
Ventware.