MAGAZIN MUSEUM.DE
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Fotos: © Andrea Spiess<br />
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Die Ausstellungsarchitektur nimmt in<br />
Anbetracht des Irrationalen und des Grauens<br />
den Besucher fest bei der Hand und<br />
führt ihn auf gekonnt durchdachte Weise<br />
durch das Ausstellungshaus (Peichel-Bau),<br />
wie durch die Kapitel des zur Ausstellung<br />
erschienenen Ausstellungskataloges.<br />
Ausgehend von dem schwarz verspiegelten<br />
Foyer, dass dem Besucher kurz eine<br />
Reflexion mit sich selbst erlaubt, zieht sich<br />
ein schwarzer Rahmen um die beiden Etagen<br />
der Ausstellung. Der schwarze Sockel<br />
und die schwarzen Türleibungen verbinden<br />
die einzelnen Ausstellungsräume,<br />
deren Themen und Inhalte.<br />
Die Ausstellungsarchitektur, die Hängung<br />
und Präsentation der Exponate sind auf<br />
gelungene, harmonische Weise aufeinander<br />
abgestimmt.<br />
Die dezente Rhythmik der hell- und dunkelgrauen<br />
Wandfarben, die geschickte<br />
Anordnung der Räume mit eingestellten<br />
Wänden, elliptischen Räumen und Kabinetten<br />
bietet dem Besucher ein prachtvolles<br />
Seherlebnis.<br />
Als Premiere für das Städel Museum gibt<br />
es insgesamt vier Bereiche innerhalb der<br />
Ausstellung, in denen Filmausschnitte<br />
gezeigt werden, denn die Schwarze<br />
Romantik äußert sich nicht nur in Gemälden<br />
oder Skulpturen, sondern auch in<br />
filmischen Meisterwerken. Diese Bereiche<br />
sind im Gegensatz zu früheren Ausstellungen<br />
als eigenständige und mit den<br />
Ausstellungsräumen für die Kunstwerke<br />
gleichwertige Elemente in den Rundgang<br />
durch die Ausstellung integriert. Der<br />
Besucher muss die Filmkabinette durchschreiten,<br />
hat dabei aber jederzeit die<br />
Wahl, sich auf die Filme einzulassen, zu<br />
setzen und sich Zeit zu nehmen.<br />
Andreas Spiess | SPIESS Interior Design<br />
www.spiessinteriordesign.de<br />
Friedrichs Bilder sind von einer lastenden<br />
Stille durchdrungen. Eine Haltung,<br />
die in ihrer Kompromisslosigkeit Ideen<br />
des Symbolismus antizipiert, dem das<br />
folgende Kapitel des Ausstellungspanoramas<br />
gewidmet ist. Die Sprachlosigkeit<br />
wurde von diesen »Neuromantikern« zur<br />
Idealform menschlicher Kommunikation<br />
stilisiert, die zu tiefen, grundlegenden<br />
Einsichten führe. Odilon Redons Hauptwerk<br />
Geschlossene Augen formuliert<br />
diese Überzeugung eindrucksvoll. Auch<br />
in Gemälden von Böcklin, Ensor, Khnopff<br />
oder Munch wird diese Sichtweise manifest.<br />
Wie bei den Romantikern stehen<br />
diesen zurückhaltenden Werken Arbeiten<br />
gegenüber, die Ängste und unterdrückte<br />
Leidenschaften ungebremst zum Ausdruck<br />
bringen und in ihrer Radikalität noch heute<br />
irritieren. Während Gustave Moreau, Max<br />
Klinger, Franz von Stuck und Alfred Kubin<br />
zum kunstgeschichtlichen Kanon gehören,<br />
werden an dieser Stelle der Schau auch<br />
Künstler gezeigt, die es in Deutschland<br />
noch zu entdecken gilt: Jean-Joseph Carriès,<br />
Paul Dardé, Jean Delville, Julien-Adolphe<br />
Duvocelle, Léon Frédéric, Eugène<br />
Laermans und Lucien Lévy-Dhurmer.<br />
Den Abschluss der Präsentation markiert<br />
der von André Breton begründete<br />
Surrealismus. Breton motivierte Künstler<br />
wie Ernst, Brassaœä oder Dalì, aus dem<br />
Reservoir des Unbewussten ihre seltsamen<br />
Bildwelten zu schöpfen, die er als Sieg der<br />
Fantasie über die »faktische Welt« feierte.<br />
Vehement forderte Max Ernst, »die Grenzen<br />
zwischen der sogenannten Innenwelt<br />
und der Außenwelt« zu verwischen. Das<br />
Städel Museum zeigt in der Ausstellung<br />
vier Beispiele seiner Waldbilder, darunter<br />
das Hauptwerk Vom nächtlichen Anblick<br />
der Porte Saint-Denis ausgelöste Vision.<br />
Julien Adolphe Duvocelle (1873–1961)<br />
Totenschädel mit hervortretenden Augen, 1904<br />
Bleistift und Kohle auf Papier, 36 × 25 cm<br />
© Musée d’Orsay, Paris<br />
Der Kunsthistoriker Carl Einstein sah<br />
in den Surrealisten die Nachfolger der<br />
Romantiker und prägte den Begriff der<br />
»romantischen Generation«. Trotz dieser<br />
historischen Bezugnahme verharrten<br />
die Surrealisten keineswegs im Blick<br />
zurück: Keine andere Bewegung war so<br />
offen für die neuen Medien; Fotografie<br />
und Film waren absolut gleichberechtigt.<br />
Besonders der Film war im 20. Jahrhundert<br />
– neben der Literatur – zum zentralen<br />
Schauplatz der schwarzen Romantik<br />
geworden. Hier hatten das Böse, der<br />
Kitzel der Angst genau wie die Lust am<br />
Schrecken und Abgründigen ihr Zuhause<br />
gefunden. In Kooperation mit dem Deutschen<br />
Filmmuseum können erstmals<br />
innerhalb einer Ausstellung im Städel<br />
Ausschnitte von Filmklassikern wie Frankenstein<br />
(1931), Vampyr (1931/32) , Dracula<br />
(1931), Faust (1926), oder Der Fuhrmann<br />
des Todes (1921) gezeigt werden.<br />
Städel Museum<br />
Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt<br />
26. September 2012 bis 20. Januar 2013<br />
Kurator:<br />
Dr. Felix Krämer, Leiter der Kunst der<br />
Moderne, Städel Museum<br />
Projektleitung:<br />
Ingo Borges, Städel Museum<br />
Ausstellungsarchitektur:<br />
Andreas Spiess (Dresden)<br />
Öffnungszeiten:<br />
Dienstag, Freitag bis Sonntag 10–18 Uhr,<br />
Mittwoch und Donnerstag 10–21 Uhr<br />
Gefördert durch:<br />
Kulturfonds Frankfurt RheinMain im Rahmen<br />
des Schwerpunktprojektes »Impuls<br />
Romantik«, mit Unterstützung der Stadt<br />
Frankfurt am Main<br />
Medien- und Marketingpartner:<br />
Süddeutsche Zeitung, AD Architectural<br />
Digest, Brigitte Woman, Verkehrsgesellschaft<br />
Frankfurt am Main, Radio Bob,<br />
Wacker‘s Kaffee, Teehaus Ronnefeldt,<br />
Nerdindustries<br />
Das Projekt wird von einem umfassenden<br />
Rahmenprogramm begleitet.<br />
www.staedelmuseum.de<br />
Die Ausstellung »Schwarze Romantik.<br />
Von Goya bis Max Ernst« wird nach ihrer<br />
Präsentation in Frankfurt vom Pariser<br />
Musée d‘Orsay übernommen<br />
(4. März bis 9. Juni 2013).<br />
unten: Friedrich Wilhelm Murnau (1888–1931)<br />
Faust – Eine deutsche Volkssage, Deutschland 1926,<br />
Filmstill<br />
Stummfilm, schwarz-weiß, deutsche Zwischentitel<br />
© Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung<br />
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