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gemeinsamer Kampf - Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und ...

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6 GBM in Aktion<br />

Egon Krenz sprach im OV Berlin-Pankow<br />

Es war Zufall, dass just an dem Tag,<br />

an dem die GBM Pankow zu einer<br />

Versammlung mit Egon Krenz eingeladen<br />

hatte, in einer Berliner Zeitung<br />

Spekulationen darüber erschienen,<br />

ob der letzte Generalsekretär<br />

der SED <strong>und</strong> Staatsratsvorsitzende<br />

der DDR denn in die Linkspartei<br />

eintreten würde. Das wurde er natürlich<br />

auch in der Versammlung gefragt.<br />

Doch der Reihe nach: Thema<br />

der Zusammenkunft war eine Bilanz,<br />

was in den r<strong>und</strong> 20 Jahren seit<br />

der Wende passiert ist, welche Sicht<br />

Egon Krenz darauf hat <strong>und</strong> was dazu<br />

in seinem neuen Buch „Gefängnisnotizen“<br />

zu lesen ist.<br />

Die über 100 Anwesenden, Mitglieder<br />

der GBM <strong>und</strong> viele Gäste, erlebten<br />

einen Egon Krenz, der mit jenen,<br />

die heute an der DDR kein gutes<br />

Haar lassen, auf gewohnt kämpferische<br />

Weise abrechnete. Durch Begriffe<br />

wie „Unrechtsstaat“, durch antikommunistische<br />

Hetze wolle man<br />

humanistisches Denken gar nicht erst<br />

aufkommen lassen.<br />

„Ich bin dagegen“, so Egon Krenz,<br />

„das Leben in der DDR zu verteufeln.<br />

Heute gibt es so viele Sichten auf die<br />

DDR, wie es einst Bürger gegeben hat.<br />

Man sollte dieses Leben nicht verklären,<br />

aber auch nicht in Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Bo-<br />

Auf Einladung der Koordinierungsgruppe<br />

Suhler Verbände sowie des<br />

Stadtverbandes der Partei DIE LINKE<br />

sprach Prof. Dr. Ernst Bienert am 28. Januar<br />

auf einer gemeinsamen Veranstaltung<br />

zur Reform der Rentenversicherung<br />

<strong>und</strong> möglichen Alternativen.<br />

40 Änderungen zur Rentensenkung<br />

In seinem sachk<strong>und</strong>igen <strong>und</strong> interessanten<br />

Vortrag kennzeichnete er die gegenwärtige<br />

kontroverse Diskussion als<br />

harte Auseinandersetzung zwischen Befürwortern<br />

<strong>und</strong> Gegnern der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung. Seit 1996 haben<br />

alle Regierungen der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

– so Prof. Bienert – insgesamt mehr<br />

als vierzig Änderungen am geltenden<br />

Rentenrecht vorgenommen. Mit allen<br />

wurde die gesetzliche Rentenversicherung<br />

schrittweise abgebaut. Unter anderem<br />

zählen dazu die Rentenkürzungen<br />

durch Erhöhung der Altersgrenzen in<br />

allen Rentenarten, die Abschaffung der<br />

Anerkennung <strong>von</strong> Ausbildungszeiten<br />

bei der Rentenberechnung oder auch<br />

drastische Minderung der Dynamisierung<br />

<strong>von</strong> Renten. Gerade letzteres führte<br />

zu vier Jahren Nullr<strong>und</strong>en in Folge, mit<br />

einer anschließenden Rentenerhöhung<br />

<strong>von</strong> gerade mal 1,1 Prozent.<br />

Seit 2001 bestehe eine neue Qualität in<br />

der Rentenpolitik. Im Gr<strong>und</strong>satz geht es<br />

seither nicht mehr um einen Lohnersatz<br />

Egon Krenz bei der Pankower GBM-Versammlung<br />

Foto: Agentur Geisler-Fotopress<br />

den verdammen. Sehr viele Menschen<br />

haben ein glückliches Leben in der<br />

DDR geführt, <strong>und</strong> das nicht t r o t z,<br />

sondern i n dem System der DDR.<br />

Die heute Herrschenden spüren zunehmend,<br />

dass sie ihre antikommunis-<br />

tische Hetze überzogen haben, weil<br />

sie merken, dass viele Leute die Verteufelung<br />

ihres Lebens nicht mehr<br />

mitmachen <strong>und</strong> dagegen auftreten.“<br />

Ohne die DDR schönzureden, so<br />

Krenz, „es gibt kein Land auf der<br />

im Alter, sondern nur noch um die Verringerung<br />

<strong>von</strong> Beitragssätzen. Ein Teil der<br />

Parität in der Rentenfinanzierung wurde<br />

u.a. durch die Teilprivatisierung mithilfe<br />

der Riesterrente aufgelöst, Beschäftigte<br />

zahlen heute bereits 14 % an Rentenbeiträgen.<br />

Die Kopplung der Renten an<br />

die Einkommen wurde aufgehoben. Damit<br />

ist in den letzten Jahren nicht nur der<br />

Realwert der Renten gesunken, die Rente<br />

hat sich auch absolut verringert.<br />

Altersarmut vorprogrammiert<br />

Ausführlich befasste sich Prof. Bienert<br />

mit den Auswirkungen <strong>von</strong> Massenarbeitslosigkeit,<br />

Kurzarbeit, prekärer Beschäftigung,<br />

Teilzeitarbeit <strong>und</strong> Leiharbeit,<br />

die nicht nur zu enormen Mindereinnahmen<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

führen. Sie haben auch verheerende<br />

Auswirkungen auf die Höhe der zukünftigen<br />

Renten. So führten die bisherigen<br />

Reformen langfristig dazu, dass die gesetzliche<br />

Rente für etwa ein Drittel der<br />

Versicherten nur noch die Höhe der Sozialhilfe<br />

erreicht, bewies Prof. Bienert<br />

anhand einer DWI-Studie. Die alarmierenden<br />

Zahlen sind spätestens seit<br />

2004 bekannt, doch die Regierung igno-<br />

riere Alternativen in der Rentenpolitik<br />

<strong>und</strong> setze weiterhin auf die Eigenverantwortung<br />

der Beschäftigten. Dabei<br />

handelt es sich bei der Rentenversicherung<br />

für ca. 30 Millionen Beschäftigte<br />

in Deutschland um eine Pflichtversiche-<br />

Welt, das keine Probleme hat. Warum<br />

gesteht man das der DDR nicht<br />

zu? Dabei hat heute die BRD mehr<br />

Probleme, als man vor 20 Jahren vielleicht<br />

geahnt hat, wenn man nur an<br />

die Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise, die<br />

Massenarbeitslosigkeit, die soziale<br />

Ungerechtigkeit, die Milliarden-Euro-<br />

Verschuldung infolge der Krise <strong>und</strong><br />

vieles andere denkt. Und da soll der<br />

9. November als ‚Feiertag der Feiertage‘<br />

begangen werden?“<br />

Wie wird das Rentenproblem gelöst?<br />

2009 wollen wir das wissen!<br />

Prof. Dr. Bienert sprach auf einer Veranstaltung in Suhl<br />

rung. Allein daraus erwächst dem Staat<br />

die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass<br />

die Menschen im Alter auch in Würde<br />

leben können. Betroffen sind in erster<br />

Linie Menschen, die heute beschäftigt<br />

sind, also die Kinder <strong>und</strong> Enkel der heutigen<br />

Rentnerinnen <strong>und</strong> Rentner.<br />

Alternativen zur bisherigen Rentenpolitik<br />

der Regierung gebe es genug. Am wichtigsten<br />

ist dabei die Erhaltung <strong>und</strong> Stärkung<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung,<br />

<strong>zum</strong> Beispiel durch die Zuführung<br />

der 12,8 Milliarden Euro, die allein 2008<br />

zur Förderung der privaten Riesterrente<br />

ausgegeben wurden. Auf die 10 Punkte<br />

der Rentenkampagne der LINKEN eingehend,<br />

stimmte Prof. Bienert diesem<br />

Konzept gr<strong>und</strong>sätzlich zu. Er machte<br />

aber auch auf Probleme aufmerksam, die<br />

sich beispielsweise ergeben, wenn auch<br />

Beamte <strong>und</strong> Selbstständige in die gesetzliche<br />

Rentenkasse einzahlen sollen. Damit<br />

würde an den Gr<strong>und</strong>festen der <strong>Gesellschaft</strong><br />

gerüttelt, <strong>und</strong> Veränderungen<br />

in diesem Bereich seien ohne Änderung<br />

des Gr<strong>und</strong>gesetzes nicht möglich.<br />

Große Zustimmung bei den Zuhörern<br />

fand die Feststellung, dass die Menschen<br />

gerade im Superwahljahr 2009 wissen<br />

wollen, wie das Rentenproblem gelöst<br />

wird. Nachdem Prof. Bienert noch auf<br />

die erforderliche Angleichung der Renten<br />

im Osten an die im Westen eingegangen<br />

war, wies er nachdrücklich auf die<br />

noch immer bestehenden Rentenkür-<br />

Er habe, so Egon Krenz weiter, seine<br />

Sicht auf die Dinge in dem neuen<br />

Buch „Gefängnisnotizen“ dargelegt.<br />

„Es ist mehr als ein Buch über das<br />

r<strong>und</strong> vier Jahre dauernde Leben im<br />

Gefängnis, es ist meine Sicht auf den<br />

Umgang der BRD mit dem Leben<br />

<strong>und</strong> der Geschichte der DDR.“<br />

Wen w<strong>und</strong>ert es, dass dieses Buch<br />

dann, signiert vom Autor, wegging<br />

wie warme Semmeln. Viele der Anwesenden<br />

schöpften neuen Mut, gegen<br />

die Verfälscher der Geschichte<br />

auch aufzutreten. Selbst die vielen<br />

Fragen an Egon Krenz waren ein Zeichen<br />

dafür, sich nicht mehr abfinden<br />

zu wollen mit Vokabeln wie „SED-<br />

Diktatur“, „Stasi“ <strong>und</strong> so fort.<br />

Ach ja, selbstverständlich wurde<br />

auch gefragt, ob Egon Krenz nun Mitglied<br />

der Linkspartei werden wolle.<br />

Seine Antwort: Es war Mitglied der<br />

SED, wurde <strong>von</strong> dieser Partei ausgeschlossen.<br />

Seine Ideale, seine kommunistische<br />

Weltanschauung werde<br />

er aber niemals verleugnen. Er<br />

werde keiner anderen Partei mehr beitreten.<br />

An dieser Stelle kam ein Zwischenruf:<br />

Egon – parteiloser Kom-<br />

munist!<br />

Heinz Geisler,<br />

Mitglied des Sprecherrates<br />

des OV Pankow<br />

zungen aus politischen Motiven hin. Es<br />

wird wohl noch Jahre dauern, so Prof.<br />

Bienert, bis die auf diesem Gebiet noch<br />

bestehenden Probleme gelöst würden.<br />

Diskussion zeigt Brisanz des Themas<br />

Die anschließende Diskussion unterstrich<br />

noch einmal die Brisanz des Themas,<br />

vor allem die Notwendigkeit einer<br />

Zusammenarbeit der Sozialverbände mit<br />

den Gewerkschaften. Die Gefahr rapide<br />

wachsender Altersarmut hängt <strong>von</strong><br />

Lohnausfällen oder schlechten Löhnen<br />

in der Gegenwart ab, die dazu führen,<br />

dass die Menschen nicht genug in<br />

die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen<br />

können. Wie dramatisch die Situation<br />

für Langzeitarbeitslose ist, zeigt<br />

beispielsweise, dass 12 Jahre Einzahlun-<br />

gen der ARGE notwendig sind, um ge-<br />

rade mal einen Rentenpunkt zu erreichen.<br />

Auf eine Frage nach der Rentenversicherung<br />

in der Schweiz wies Prof. Bienert<br />

auf die Schwierigkeiten hin, die mit der<br />

Anwendung <strong>von</strong> Erfahrungen eines anderen<br />

Landes verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Eine bedeutende Rolle im Gespräch<br />

spielten Probleme der Angleichung der<br />

Renten zwischen Ost <strong>und</strong> West, handelt<br />

es sich doch um ein sehr komplexes Problem.<br />

Nicht vergessen dürfe man dabei<br />

auch, dass in den westlichen B<strong>und</strong>esländern<br />

die Renten nur 68 % der Alterseinkünfte<br />

ausmachen, während dieser Anteil<br />

in den östlichen Ländern 96 % ausmacht.<br />

So mancher Teilnehmer hat die Veranstaltung<br />

in Suhl mit größerer Nachdenklichkeit<br />

verlassen <strong>und</strong> vor allem mit der Bereitschaft,<br />

zur Aufklärung der Gefahren<br />

beizutragen, die ein Stillhalten der Menschen<br />

in der Rentenfrage in sich birgt.<br />

Karlheinz Walther

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