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FÜR SIE! - HORNER Magazin

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MARX UND ENGELS IN BREMEN<br />

E<br />

s ist ein Mammutprojekt: 114<br />

Doppelbände (Originalschriften<br />

plus Erläuterungen) wird die erste<br />

historisch-kritische Gesamtausgabe<br />

der Schriften von Karl Marx und Friedrich<br />

Engels umfassen. Beteiligt an dem<br />

ehrgeizigen Vorhaben sind auch die Bremer<br />

Historiker Till Schelz-Brandenburg und Eva<br />

Görtz. Ihr Arbeitsgebiet ist die Herausgabe<br />

der Briefe.<br />

„Neu ist, dass wir wirklich versuchen, ein<br />

möglichst komplettes Bild der Korrespondenz<br />

von Marx und Engels zu erstellen“,<br />

sagt Schelz-Brandenburg. Dazu gehört, dass<br />

nicht nur die Briefe von, sondern auch diejenigen<br />

an die beiden Denker Eingang in die<br />

Gesamtausgabe finden. Ein ehrgeiziges Ziel<br />

und eine knifflige Arbeit, denn Marx und<br />

Engels waren alles andere als einfache Briefeschreiber.<br />

„Wir haben alleine fünf Sprachen,<br />

in denen die Korrespondenz abgefasst<br />

ist. Neben Deutsch und Englisch auch Französisch,<br />

Spanisch und Italienisch. Einige<br />

Briefe sind sogar auf Altdänisch. Engels<br />

hatte sich diese Sprache beigebracht, um<br />

eine Übersetzung der Edda-Gedichte anfertigen<br />

zu können“, erzählt Schelz-Brandenburg.<br />

Klassische Bildungsbürger<br />

Die beiden Autoren des Kommunistischen<br />

Manifests seien klassische Bildungsbürger<br />

22<br />

Detektivarbeit an Marx und Engels<br />

Zwei Bremer Historiker geben den Briefwechsel der beiden Philosophen heraus<br />

<strong>HORNER</strong> <strong>Magazin</strong> | Sommer 2011<br />

gewesen – und ein bisschen „bildungseitel“<br />

auch dazu. Engels werden alleine zwölf<br />

Fremdsprachen nachgesagt, die er aktiv beherrschte.<br />

Dazu kamen 20 passive. „Beide<br />

haben an Wissen gefressen, was es gab“,<br />

sagt Eva Görtz. Und fleißige Schreiber<br />

waren sie obendrein. Neben ihren umfangreichen<br />

theoretischen und philosophischen<br />

Schriften waren sie eifrige Briefeschreiber:<br />

Rund 440 sind es pro Jahr gewesen. „Das<br />

ist ein sehr umfangreiches Material, zumal<br />

das manchmal kleine Romane sind“, sagt<br />

Schelz-Brandenburg. Kein Wunder, dass<br />

die Tätigkeit nicht nur extrem aufwendig,<br />

sondern auch langwierig ist. Pro Band rechnen<br />

die Historiker mit einer Arbeitszeit von<br />

drei bis fünf Jahren.<br />

„Das ist über weite Strecken eine Detektivund<br />

Puzzlearbeit“, sagt Eva Görtz, während<br />

sich Till Schelz-Brandenburg an die peniblen<br />

Bemühungen eines Archäologen erinnert<br />

fühlt. „Das ist ein Riesenhaufen<br />

Schutt, unter dem man versucht, kleine<br />

Schätze zu bergen, ohne sie dabei zu zerstören“,<br />

sagt er. Inhaltlich sei dabei eine<br />

große Bandbreite an Themen zu finden.<br />

„Privates bis Philosophisches“, sagt der Historiker.<br />

„Da gibt es beispielsweise ganz<br />

private Schilderungen über Freunde, die<br />

Marx oder Engels irgendwann bei sich zu<br />

Hause aufgenommen haben.“ Zur Arbeit<br />

der Herausgeber gehört dann eben auch,<br />

diese Personen zu identifizieren, die Zusammenhänge<br />

mit Marx und Engels herauszufinden<br />

und die Beziehungen der<br />

Personen in ein zeitgeschichtliches Umfeld<br />

zu stellen. „Das bedeutet Recherche in ganz<br />

Europa und Nordamerika“, sagt Eva Görtz.<br />

Da ein guter Freund des Duos in die USA<br />

emigriert sei, seien auch dort Originalquellen<br />

zu finden. Dabei kommen unverhofft<br />

nach all den Jahren noch Schätze zutage.<br />

So entdeckten die Bremer Wissenschaftler<br />

bislang unveröffentlichte Briefe und Postkarten,<br />

die Friedrich Engels in Zürich geschrieben<br />

hatte. „Das sind natürlich<br />

spannende Momente. Insgesamt ist das<br />

keine stumpfe Kärrnerarbeit, sondern sehr<br />

abwechslungsreich“, erzählt Schelz-Brandenburg.<br />

Fast unleserliche Handschriften<br />

Wichtig ist für die beiden Wissenschaftler,<br />

die Originalquellen zu betrachten und nicht<br />

auf vorhandene Veröffentlichungen zurückzugreifen.<br />

„Nur so kommt man auf neue<br />

Fragestellungen und Probleme“, begründet<br />

Schelz-Brandenburg diese Haltung. Erschwert<br />

wird die Analyse der Briefe nicht<br />

nur durch inhaltliche Klippen und die fremden<br />

Sprachen, sondern auch – ganz schnöde<br />

– durch die fast unleserlichen Handschriften<br />

der Autoren. „Im Falle von Engels und<br />

meinetwegen August Bebel sind die sehr

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