Taunus Zeitung - Frankfurter Neue Presse
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Seite 8 WIRTSCHAFT Samstag, 2. Oktober 2010<br />
KOMMENTAR<br />
Quoten-Frau als Chef?<br />
Viel diskutiert<br />
wurde in der<br />
letzten Zeit eine<br />
Quote für den<br />
Frauenanteil in<br />
der Führungsebene<br />
großer<br />
Unternehmen.<br />
Dass eine solche<br />
positiveDiskriminierung<br />
Sinn<br />
Caroline<br />
Schröder<br />
macht, ist anzuzweifeln. Will eine<br />
ehrgeizige, aufstrebende Frau die<br />
oberste Etageletztlich nur dank<br />
einer Quote erreichen? Eher nicht.<br />
Und angesichts des immer höheren<br />
Frauenanteils an Universitäten und<br />
der besseren Noten, die sie im Vergleich<br />
zu männlichen Kommilitonen<br />
erhalten, sollte es eh nur eine<br />
Frageder Zeit sein, bis sie sich von<br />
selbst nach oben gearbeitet haben.<br />
Zumal in der heutigen Generation<br />
viel mehr Frauen die Chance<br />
haben, in einem emanzipierteren<br />
Umfeld aufzuwachsen. Das ist<br />
wichtig, denn eine Quote, die jetzt<br />
in Kraft träte, würde zudem wenig<br />
bewirken, weil sich nicht nur in<br />
den Köpfen der Männer so einiges<br />
ändern muss, sondern eben genauso<br />
beiden Frauen.<br />
Wirtschaft basiert auf Leistung.<br />
Und eine Quote würde sich anmaßen,<br />
im Voraus festlegen zu<br />
können, wie viel Prozent der<br />
Frauen das nötigeWissen und die<br />
Durchsetzungskraft haben, um<br />
nicht nur in die oberste Etage<br />
hineinzugelangen, sondern dort<br />
auch zu bestehen und das Unternehmen<br />
weiterzubringen. Ein<br />
solcher Zwang hätte negativeAuswirkungen<br />
auf das Verhältnis<br />
zwischen den weiblichen und<br />
männlichen Beschäftigten: Er<br />
würde dem Arbeitsklima schaden<br />
und das Thema „Frauals Chefin“<br />
für nachfolgende Generationen zu<br />
Unrecht vergiften.<br />
Eine Quote ist nicht der einzige<br />
Weg, auf dem ein Umdenken erfolgen<br />
kann. In vielen ausländischen<br />
Unternehmen kennt man<br />
männerdominierte Chefzirkel<br />
nicht. Und dass in der Folgedie<br />
Gesprächspartner deutscher Bosse<br />
oft weiblich sind, wirdlangsam<br />
aber sicher auch hierzulande<br />
Fragen aufwerfen. Und zögerlich<br />
wirdder Gedankeentstehen, dass<br />
es einem innovativen Unternehmen<br />
sehr gut stehen könnte, von<br />
einer aufgeweckt-dynamischen<br />
Frau repräsentiert zu werden.<br />
„Behutsame“<br />
Veränderungen bei<br />
Karstadt<br />
Essen. Kunden von Karstadt werden<br />
auch nach der Übernahme der<br />
Kaufhäuser durch den Investor Nicolas<br />
Berggruen keine Revolution<br />
erleben: Laut Geschäftsführer Fox<br />
werde Karstadt nur „behutsam“ verändert.<br />
Mitarbeiter hoffen nun auf<br />
sicherere Zukunft. Karstadt will<br />
sich beim Sortiment künftig auf<br />
„Fashion“, „Home“, „Personality“<br />
und „Sport“ konzentrieren. Zu den<br />
Veränderungen gehören auch Investitionen<br />
in die Verkaufsflächen<br />
und eine Stärkung der Filialleiter<br />
vor Ort –deren Erfahrungen sollen<br />
mehr berücksichtigt werden.<br />
In den nächsten Jahren sollen<br />
400 Millionen investiert werden,<br />
welche aus dem Geschäft erwirtschaftet<br />
werden sollen. „Frisches<br />
Geld“ von Berggruen habe esnur<br />
dafür gegeben, Verbindlichkeiten<br />
von Karstadt aus dem Insolvenzverfahren<br />
zu tilgen. Berggruen hatte<br />
70 Millionen Eurobereit gestellt.<br />
Das Insolvenzverfahren gegen<br />
die Kaufhauskette wurde aufgehoben,<br />
als ein letzter Gläubiger seinen<br />
Einspruch zurückzog. afp<br />
KURZ NOTIERT<br />
ZUMWINKEL muss im Prozess<br />
nicht aussagen. In einem Schreiben<br />
sagt er, ermache von seinem AuskunftsverweigerungsrechtGebrauch.<br />
Der Ex-Postchef hingegen<br />
werdeals Zeugeaussagen.<br />
ÖL-KATASTROPHE Nach dem<br />
BP-Unglück, welches schon 11,2<br />
Milliarden Dollar kostete, legt die<br />
USA nun neue Sicherheits-Regeln<br />
für Tiefseebohrung fest.<br />
DACHDECKER erhalten ab sofort<br />
eine Lohnerhöhung von 2,1 Prozent.<br />
Die geforderten 4,8 Prozent<br />
waren wegen ungewisser Konjunkturaussichten<br />
nicht machbar.<br />
VOLKSBANKER bekommen ab<br />
März 2011 eine Lohnerhöhung von<br />
2,0 Prozent und eine Einmalzahlung<br />
vonmaximal 430 Euro.<br />
ZUR PERSON<br />
Walter Scheurle<br />
Walter Scheurle (58) ist seit zehn Jahren Personalvorstand<br />
der Deutschen Post und damit der Dienstälteste<br />
im Bonner Konzern. Der gebürtigeSchwabe ist ein<br />
Eigengewächs der Post, hat sein gesamtes Berufsleben<br />
im Unternehmen verbracht. 1967 begann er eine Lehre<br />
als Jungpostbote beim Postamt in Schwäbisch Gmünd.<br />
Schon wenigeJahrespäter wechselte er als Funktionär<br />
zur Deutschen Postgewerkschaft, einer Vorgänger-<br />
Organisation vonVer.di, wo er aufstieg. Im Jahr 2000<br />
kürten ihn die Post-Arbeitnehmerzum Personalvorstand<br />
der mittlerweile privatisierten Deutschen Post<br />
–das Mitbestimmungsgesetz machte es möglich.<br />
Gesprächsrunde im Post-Tower zu Bonn.<br />
Fotos: Sven-Sebastan Sajak<br />
Keiner kennt die Deutsche Post so gut wie<br />
ihr langjähriger Personalvorstand Walter<br />
Scheurle –der etwasandereVorstand.<br />
Einer,der keine Uni besucht und nicht<br />
als Unternehmensberater tätig war, aber<br />
Ver.di-Mitglied ist. Im Post-TowerinBonn<br />
Herr Scheurle, schreiben Sie noch traditionelle<br />
Briefe?<br />
Ich schreibe noch viele Briefe. Da habe<br />
ich eine Gewohnheit als alter Postler.<br />
Verwandte, Freunde sowie enge jetzige<br />
und ehemalige Kollegen bekommen<br />
von mir zum Beispiel zum Geburtstag<br />
einigehandgeschriebene Zeilen.<br />
Und die werfen Sie dann auch noch<br />
selbst ein?<br />
Nein, die gebe ich, nachdem ich eine<br />
Briefmarke draufgeklebt habe, ehrlich<br />
gesagt einfach in die Hauspost.<br />
In einem Interview sagten Sie auf die<br />
Frage„Welches Profil hat der ideale Kandidat<br />
für eine Führungsposition bei der<br />
Post?“ unter anderem: Er hat schnell<br />
und überdurchschnittlich erfolgreich<br />
studiert, bringt möglichst auch Erfahrungen<br />
aus dem Ausland mit, spricht<br />
neben Deutsch mindestens sehr gut<br />
Englisch. Dieses Profil hat auf Sie nicht<br />
zugetroffen, als Sie in den Vorstand berufen<br />
wurden. Wie sind Sie trotzdem<br />
Post-Vorstand geworden?<br />
Die wichtigste Voraussetzung, um dahin<br />
zu kommen, bleibt die eigene Leistung<br />
und eine gesunde Zielstrebigkeit. Ohne<br />
einen weiteren Faktor ist eine erfolgreiche<br />
Karriere aber nicht möglich –und<br />
das ist Glück. Wenn ich in meinem Umfeld<br />
nicht besonders aufmerksame Vorgesetzte<br />
gehabt hätte, die mich gefördert<br />
haben, dann wäre ich jetzt vielleicht in<br />
einer anderen Position.<br />
Aber wie sind Sie nun konkret Vorstand<br />
geworden?<br />
Der damalige Finanzminister Hans Eichel,<br />
der Post-Vorstandschef Klaus Zumwinkel<br />
und der Gewerkschaftsvorsitzende<br />
Kurt van Haaren haben sich beraten.<br />
Dann bekam ich einen Anruf, und das<br />
Angebot Personalvorstand zu werden.<br />
Nach einmal tief Durchatmen habe ich<br />
gern zugesagt.<br />
Glauben Sie, es ist heute noch möglich,<br />
dass jemand mit Ihrer Biografie in den<br />
Vorstand dieses oder eines anderen Dax-<br />
Konzerns gelangt?<br />
Nach wie vor: ja. Wir sind gerade dabei,<br />
interne Karrierepfade zu entwickeln und<br />
damit allen Mitarbeitern den Aufstieg<br />
zu ermöglichen. Daran sollte einem Unternehmen<br />
auch gelegen sein. Das ist betriebswirtschaftlich<br />
gut und fördert die<br />
Motivation.<br />
Fühlen sie sich dennoch<br />
mit ihrem<br />
Hintergrund als Außenseiter<br />
im Vorstand?<br />
Gibt es Reibungen<br />
mit den<br />
McKinsey-geschulten<br />
Kollegen?<br />
Ich bin hier kein Außenseiter.Unter<br />
uns Vorständen, die übrigens<br />
nicht alle von McKinsey kommen,<br />
gibt es keine von Vorurteilen geprägten<br />
Wertunterschiede. In der Führungsverantwortung<br />
ist der gegenseitige<br />
Respekt immens wichtig. In der Sache<br />
gibt es Diskussionen, oftmals kontroverse.<br />
Ich gebe meine Biografie ja nicht an<br />
der Garderobe ab. Ich bringe meine Erfahrungen<br />
ein, die anderen die ihren.<br />
Die gilt es dann zusammenzuführen. Ich<br />
bin überzeugt, dass Vielfalt ein Vorteil<br />
ist –das gilt für den Konzern insgesamt<br />
genauso wie für den Vorstand.<br />
Empfinden Sie als Gewerkschafter eine<br />
besondere Verpflichtung gegenüber den<br />
Arbeitnehmern?<br />
Als Vorstandsmitglied muss ich auf wirtschaftlichen<br />
Erfolg achten. Dabei bin<br />
ich unseren Mitarbeitern gegenüber genauso<br />
verpflichtet wie unseren Aktionären.<br />
Der Punkt ist aber,wie man das Interesse<br />
von Mitarbeitern und Aktionären<br />
imSinne des Unternehmens zusam-<br />
sprachen die Schüler EikeFlechsig, Lucas<br />
Televantos und Fabian Salger mit Scheurle<br />
über seine ungewöhnliche Karriere, seine<br />
Rolle als Vorstand und Gewerkschafter<br />
und den zunehmenden Druck auf die<br />
Post-Beschäftigten.<br />
„Ich gebe meine Biografie<br />
nicht an der Garderobe ab“<br />
Walter Scheurle<br />
menbringt. Ich habe mich stets dafür<br />
eingesetzt, dass soziale Härten vermieden<br />
werden und wir anständige Löhne<br />
zahlen.<br />
2011 wird die Hälfte der Konzern-Auszubildenden<br />
zu Bedingungen der First<br />
Mail beschäftigt sein, die ihre Mitarbeiter<br />
nur nach dem gesetzlichen Mindestlohn<br />
bezahlt. Soll die First Mail über das<br />
Ruhrgebiet hinaus expandieren?<br />
Das würden wir<br />
rechtzeitig ankündigen.<br />
First Mail ist ein<br />
Tochterunternehmen<br />
der Deutschen Post,<br />
mit dem wir Kunden<br />
ein Angebot machen<br />
können, für die unter<br />
anderem der<br />
Preis wichtig ist. So<br />
können wir Sendungsmengen<br />
in den Konzern holen,<br />
die früher bei Wettbewerbern gelandet<br />
sind. Damit schaffen wir vernünftig bezahlte<br />
Arbeitsplätze.<br />
Sie haben hier in<br />
Deutschland vehement<br />
für den Mindestlohn gekämpft<br />
mit dem Argument,<br />
dass jeder Arbeitnehmer<br />
von seiner Arbeit<br />
leben können muss. Aber<br />
in den Niederlanden, wo<br />
Sie nicht Marktführer<br />
sind, bleiben sie doch<br />
selbst unter dem dort geltenden<br />
Mindestlohn?!<br />
Das stimmt so nicht. Unsere<br />
Mitarbeiter werden<br />
dort zum Teil nach der<br />
Zahl der zugestellten Sendungen<br />
bezahlt. Die Bezirke<br />
sind so geschnitten,<br />
dass die Mitarbeiter<br />
grundsätzlich auf den<br />
Mindestlohn kommen.<br />
junge zeitung<br />
„Ich bin hier kein Außenseiter“<br />
Mit der wachsenden Zahl der<br />
Hartz-IV-Empfänger boomen<br />
die Sozialkaufhäuser.Sie<br />
schließen die Lückezwischen<br />
normalem Kaufhaus und<br />
Flohmarkt. Immer öfter auch<br />
in Frankfurt.<br />
� Von Caroline Schröder<br />
Frankfurt. Der Familien-Markt in<br />
der Freiligrathstraße in Frankfurt-<br />
Bornheim ist eigentlich ein Kaufhaus<br />
wie jedes andere auch. Unterschiedliche<br />
Abteilungen für Männer-,<br />
Frauen- und Kinderbekleidung,<br />
Heimtextilien und Geschirr.<br />
Und doch gibt es große Unterschiede<br />
zum normalen Kaufhaus: Alle<br />
Waren sind gebraucht, die Angestellten<br />
keine richtigen Angestellten,<br />
sondern Langzeitarbeitslose,<br />
die hier eine Aufgabe und Beschäftigung<br />
finden, und wer ander Kasse<br />
steht, muss als Kunde den Frankfurt-Pass<br />
vorlegen, um nachzuweisen,<br />
dass man nur über ein geringes<br />
Einkommen verfügt. Empfängern<br />
von Arbeitslosengeld Iund II wird<br />
mit dem Frankfurt-Pass ermöglicht,<br />
trotz eines finanziell engen Rahmens<br />
am gesellschaftlichen Leben<br />
teilzunehmen. So ist die Benutzung<br />
der Stadtbibliothek kostenlos, und<br />
Attraktionen wie Schwimmbad,<br />
Walter Scheurle,<br />
der langjährige<br />
Personalvorstand<br />
der Deutschen<br />
Post AG<br />
Können Sie es nachvollziehen, wenn<br />
Briefträger, die schon länger dabei sind,<br />
sagen, der Job macht ihnen keinen Spaß<br />
mehr?<br />
Wenn ich meine Tätigkeit damals mit<br />
der von Briefträgern heute vergleiche,<br />
sind die Arbeitsbedingungen sicherlich<br />
spürbar härter geworden. Die Bezirke<br />
sind größer und damit die Anforderungen<br />
anjeden Einzelnen gestiegen. Aber<br />
unter dem Strich bieten wir immer<br />
noch sichere und vernünftig bezahlte<br />
Arbeitsplätze.<br />
Das heißt auch zeitlich stehen die Mitarbeiter<br />
heute unter höheren Druck?<br />
Ein Briefträger heute muss in gleicher<br />
Zeit mehr Arbeit bewältigen als ich damals.<br />
Wie lange sehen Sie sich noch in Ihrer<br />
aktuellen Position?<br />
Ich bin jetzt im elften Jahr im Vorstand<br />
und damit der dienstälteste Kollege im<br />
Team. Ich werde meinen Vertrag, der in<br />
drei Jahren ausläuft, auf jeden Fall erfüllen.<br />
Wasdanach kommt, werden wir sehen.<br />
Grundsätzlich kann ich mir auch<br />
vorstellen, meine Erfahrungen in eine<br />
ehrenamtliche Tätigkeit einzubringen.<br />
Vielen Dank für das Gespräch, Herr<br />
Scheurle.<br />
„Die Arbeitsbedingungen der Briefträger sind spürbar<br />
härter geworden.“<br />
Wenn man keinen Gewinn machen darf<br />
Sozialkaufhäuser sollen Bedürftigen helfen und wirtschaftlich arbeiten –eine Gratwanderung<br />
Theater oder Kino kosten nur die<br />
Hälfte des regulären Preises. Und<br />
natürlich erlaubt ihnen der Frankfurt-Pass,<br />
in Sozialkaufhäusern für<br />
weniger Geld ihren Bedarf an Kleidung<br />
und Möbeln zu decken.<br />
Würde bewahren<br />
Was dahintersteckt? Im Jahr 2000<br />
haben die Diakonie und die Caritas<br />
es sich zum Ziel gesetzt, die Kleiderkammern<br />
durch etwas Würdevolleres<br />
zu ersetzen. Auch jemand<br />
mit wenig Geld soll das Gefühl haben,<br />
sich etwas leisten zu können,<br />
und nicht immer als Bittsteller auftreten<br />
zu müssen. Das war die Geburtsstunde<br />
des Familien-Marktes<br />
in der Freiligrathstraße in Frankfurt,<br />
in dem –neben den Festangestellten<br />
der Caritas und der Diakonie<br />
– 65 Langzeitarbeitslose als<br />
„Teilnehmer“ zum einen arbeiten,<br />
darüber hinaus aber auch betreut<br />
werden und zum Beispiel in der<br />
Schuldenberatung Unterstützung<br />
finden können. Sie machen es den<br />
Kunden leichter, zum Einkaufen<br />
dorthin zu gehen.<br />
Sieht das nicht sehr nach Zwei-<br />
Klassen-Gesellschaft aus? Auf den<br />
ersten Blick vielleicht, aber Caritas<br />
und Diakonie haben nur reagiert.<br />
Als Hartz IV und die Wirtschaftskrise<br />
einen regelrechten Boom von<br />
Sozialkaufhäusern in ganz Deutschland<br />
ausgelöst haben, sind sie ihren<br />
moralischen Überzeugungen gefolgt.<br />
Vordem besagten Boom waren<br />
Sozialkaufhäuser nur selten Beschäftigungsbetriebe.<br />
Gegenwärtig<br />
gibt es in ganz Deutschland rund<br />
400 Sozialkaufhäuser, viele davon<br />
in christlicher Trägerschaft. Es gehört<br />
zu den Grundlagen der Ökumene,<br />
Bedürftigen zu helfen und<br />
sie zudem würdevoll zu behandeln.<br />
Vordiesem Hintergrund stellt sich<br />
die Frage erst gar nicht, ob es nicht<br />
vielleicht ausschließlich Sache des<br />
Staates sein sollte, sich um seine Bedürftigen<br />
zu kümmern.<br />
Qualität muss sein<br />
Zur würdevollen Behandlung zählt<br />
auch eine gewisse Qualität, die bei<br />
aller Dankbarkeit den Spendern gegenüber<br />
gehalten werden muss. Bei<br />
Möbelspenden gibt es beispielsweise<br />
die Kriterien, dass das Möbelstück<br />
nicht älter als zehn Jahre und<br />
noch nicht allzu oft auf- und abgebaut<br />
worden sein darf. Umhier zu<br />
gewährleisten, dass auch die Teilnehmer<br />
im Umgang mit den Spendern<br />
den richtigen Tontreffen, umfasst<br />
die Betreuung auch eine Schulung<br />
in Kundenkommunikation.<br />
Zum Sortiment des Kaufhauses<br />
gehören neben Möbeln auch Klei-<br />
dung für Männer, Frauen und Kinder<br />
sowie Geschirr und Heimtextilien.<br />
Die Auswahl der Kleidung<br />
wird der aktuellen Saison angepasst,<br />
und zu Ostern und Weihnachten<br />
gibt es, wie auch überall<br />
sonst, besondere Angebote. Etwa<br />
5000 Kunden sind zurzeit in der<br />
Kartei des Familien-Marktes, Tendenz<br />
steigend.<br />
Die Qualität ist wichtig zur Abgrenzung<br />
zu Discounter-Ketten,<br />
denn sonst droht auch einer sozialen<br />
Einrichtung, im Konkurrenz-<br />
kampf zu unterliegen. So ist es<br />
durchaus möglich, beim Stöbern<br />
im Familien-Markt auf einen Hugo-<br />
Boss-Anzug zu stoßen. Auch in<br />
einem Sozialkaufhaus spiegeln sich<br />
die unterschiedlichen Preissegmente<br />
wider, nur eben auf einem niedrigeren<br />
Niveau. Dieser Anzug kostet<br />
zehn oder 15 Euro, während ein<br />
durchschnittlicher Damen-Pullover<br />
drei Eurokostet.<br />
Schwierige Null-Nummer<br />
Der Familien-Markt darf selbstver-<br />
Familien-Markt-Leiterin Petra Spöck passt die angebotene Kleidung der aktuellen<br />
Saison an. Foto: Caroline Schröder<br />
ständlich keinen Gewinn machen,<br />
aber die Gehälter der Festangestellten,<br />
die Miete und der Unterhalt<br />
der drei Fahrzeuge, mit denen im<br />
Raum Frankfurt Möbelspenden abgeholt<br />
werden, müssen bezahlt werden.<br />
Und am Ende des Jahres bei<br />
null herauszukommen, ist ein<br />
durchaus gutes Ergebnis, denn Verluste<br />
würden von den Trägern ausgeglichen<br />
werden müssen. Es ist<br />
auch einer sozialen Einrichtung erlaubt,<br />
auf kurze Sicht in einem gewissen<br />
Umfang Gewinne zu machen,<br />
um damit beispielsweise trotz<br />
eventueller Spendenausfälle im<br />
nächsten Jahr weiterhin die Miete<br />
bezahlen zu können. „Wir können<br />
nicht kalkulieren, wann wie viele<br />
Spenden zur Verfügung stehen“,<br />
bekräftigt Petra Spöck, Festangestellte<br />
des Caritasverbandes Frankfurt.<br />
Denn Hartz-IV und die Wirtschaftskrise<br />
haben nicht nur die Bedürftigkeit<br />
erhöht, sondern gleichzeitig<br />
auch ein Umdenken bei den<br />
potenziellen Spendern bewirkt, die<br />
ihre Winterjacke nun lieber noch<br />
eine Saison länger selbst tragen,<br />
statt sich eine neue zu kaufen. Und<br />
wirtschaften, ohne etwas erwirtschaften<br />
zu dürfen und noch nicht<br />
einmal zu wissen, mit was man<br />
wirtschaften kann, ist nun einmal<br />
schwer.