Flu ssg e b ie tsm a n a g e m e n t - SWV
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<strong>Flu</strong><strong>ssg</strong>eb<strong>ie</strong><strong>tsm</strong>anagement<br />
Lebensraumverbund Fl<strong>ie</strong><strong>ssg</strong>ewässer:<br />
D<strong>ie</strong> Bedeutung der Vernetzung<br />
Silke Werth, Denise Weibel, Maria Alp, Julian Junker, Theresa Karpati, Armin Peter, Christoph Scheidegger<br />
Zusammenfassung<br />
D<strong>ie</strong> funktionelle Vernetzung von <strong>Flu</strong><strong>ssg</strong>eb<strong>ie</strong>ten sp<strong>ie</strong>lt eine wichtige Rolle für aquatische und terrestrische Lebensgemeinschaften. S<strong>ie</strong><br />
erlaubt eine Bes<strong>ie</strong>dlung der Habitate, den genetischen Austausch zwischen Populationen und führt zu einer zeitlichen Verknüpfung der<br />
Lebensräume zu untersch<strong>ie</strong>dlichen Jahreszeiten, Tageszeiten oder Lebensphasen. D<strong>ie</strong> strukturelle Vernetzung von Lebensräumen kann<br />
mit Erhebungen zur Ökomorpholog<strong>ie</strong> des Fl<strong>ie</strong><strong>ssg</strong>ewässers und einer Analyse des Vorhandenseins von künstlichen Barr<strong>ie</strong>ren erhoben<br />
werden. Der Grad der funktionellen Vernetzung kann mit drei Methoden quantifiz<strong>ie</strong>rt werden – Fang mark<strong>ie</strong>rter Individuen, Radiotelemetr<strong>ie</strong>,<br />
oder mit Daten von genetischen Markern. Versch<strong>ie</strong>dene Populationsmodelle beschreiben d<strong>ie</strong> Populationsstruktur und den<br />
genetischen Austausch zwischen Populationen am Fl<strong>ie</strong><strong>ssg</strong>ewässer. Insbesondere bei Metapopulationen und räumlich struktur<strong>ie</strong>rten<br />
Populationen muss darauf geachtet werden, dass d<strong>ie</strong> einzelnen <strong>Flu</strong>ssabschnitte gut vernetzt sind, denn das Ausbleiben von Ausbreitungsereignissen<br />
würde räumlich fragment<strong>ie</strong>rte Populationen voneinander isol<strong>ie</strong>ren und bei Metapopulationen langfristig zum lokalen<br />
Aussterben führen. Bei Arten, d<strong>ie</strong> in isol<strong>ie</strong>rten Einzelpopulationen vorkommen, ist vornehmlich darauf zu achten, d<strong>ie</strong>se Populationen<br />
lokal durch lebensraumverbessernde Massnahmen zu halten und zu fördern. Unsere <strong>Flu</strong>sslandschaften sind weitgehend durch Barr<strong>ie</strong>ren<br />
unterbrochen. Es kommt ganz auf d<strong>ie</strong> Organismengruppe an, welche Strukturen effektiv als Barr<strong>ie</strong>ren fung<strong>ie</strong>ren. Künstliche Abstürze<br />
wirken als Barr<strong>ie</strong>ren für schwimm- und springschwache Fischarten und für kleine Grössenklassen von Fischen, jedoch nicht notwendigerweise<br />
für aquatische Invertebraten. Künstliche Abstürze können durch den Bau von Blockrampen für d<strong>ie</strong> Fischfauna durchgängig<br />
gemacht werden. Auch eine Entfernung von Eindolungen führt zur erhöhten Durchgängigkeit für Fische und andere aquatische Organismen.<br />
Bei Revitalis<strong>ie</strong>rungsprojekten ist insbesondere auf d<strong>ie</strong> Anbindung der Seiteneinmündungen zu achten, denn d<strong>ie</strong>se kann für den<br />
Erfolg von Revitalis<strong>ie</strong>rungsmassnahmen für versch<strong>ie</strong>dene Organismengruppen ausschlaggebend sein. Für d<strong>ie</strong> Arten der K<strong>ie</strong>sbänke und<br />
der Auenstandorte ist es entscheidend, dass ihr Raumbedarf bei Revitalis<strong>ie</strong>rungsprojekten abgedeckt wird, und dass d<strong>ie</strong> revitalis<strong>ie</strong>rten<br />
Standorte vernetzt werden. Bei Revitalis<strong>ie</strong>rungsprojekten werden gute Erfolge erz<strong>ie</strong>lt, wenn d<strong>ie</strong> Vernetzung der zu revitalis<strong>ie</strong>renden<br />
Standorte untereinander berücksichtigt wird, sow<strong>ie</strong> deren Vernetzung mit naturnahen Standorten.<br />
1. Was ist Vernetzung?<br />
<strong>Flu</strong>sssysteme bilden Netzwerke, in denen<br />
sich d<strong>ie</strong> <strong>Flu</strong>ssabschnitte gegenseitig beeinflussen<br />
(Poole, 2010). Kenntnis über d<strong>ie</strong><br />
Vernetzung der <strong>Flu</strong>sssysteme ist eine der<br />
Voraussetzungen, um lokale und regionale<br />
Prozesse verstehen und voraussagen zu<br />
können.<br />
Der Begriff Vernetzung beschreibt<br />
d<strong>ie</strong> Austauschprozesse und Interaktionen<br />
zwischen Habitaten; dazu zählen<br />
der Transport von Wasser, Gesch<strong>ie</strong>be,<br />
Bild 1. Schematische<br />
Darstellung<br />
der Vernetzung<br />
in einer <strong>Flu</strong>sslandschaft.<br />
1. Longitudinale<br />
Vernetzung<br />
zwischen Abschnitten<br />
am Hauptfluss<br />
und zwischen<br />
Hauptfluss und<br />
Zuflüssen. 2.<br />
Laterale Vernetzung<br />
zwischen<br />
terrestrischen und<br />
aquatischen Ökosystemen.<br />
3. Vertikale<br />
Vernetzung<br />
des <strong>Flu</strong>sses mit<br />
dem Interstitial,<br />
dem Hohlraumsystem in den vom <strong>Flu</strong>ss abgelagerten Sedimenten dicht unterhalb des<br />
Oberflächenwassers. Nach Malmqvist (2002).<br />
Energ<strong>ie</strong>, Nährstoffen, sow<strong>ie</strong> der aktive<br />
oder passive Transport von Organismen<br />
(Woolsey et al., 2005; Kondolf et al., 2006).<br />
Wir verwenden d<strong>ie</strong>sen Begriff in Bezug<br />
auf Fl<strong>ie</strong><strong>ssg</strong>ewässer h<strong>ie</strong>r enger gefasst als<br />
Mass für den Transport bzw. d<strong>ie</strong> Wanderungsbewegungen<br />
aquatischer und terrestrischer,<br />
flussbegleitender Organismen.<br />
D<strong>ie</strong> vertikale Vernetzung beschreibt<br />
d<strong>ie</strong> Interaktionen zwischen dem<br />
<strong>Flu</strong>ss und dem hyporheischen Interstitial,<br />
der k<strong>ie</strong>sführenden Schicht unterhalb der<br />
<strong>Flu</strong>sssohle (Malmqvist, 2002; Woolsey et<br />
al., 2005; Kondolf et al., 2006; Cote et al.,<br />
2009).<br />
Unter lateraler Vernetzung bzw.<br />
Seitenvernetzung versteht man d<strong>ie</strong> Anbindung<br />
eines Fl<strong>ie</strong><strong>ssg</strong>ewässers via Ökoton,<br />
der Übergangszone zwischen Ökosystemen,<br />
an seine Auenhabitate und andere<br />
terrestrische Lebensräume (Bild 1). D<strong>ie</strong><br />
laterale Vernetzung von Flüssen mit dem<br />
Uferbereich und mit terrestrischen Habitaten<br />
sp<strong>ie</strong>lt eine wichtige Rolle für den Austausch<br />
zwischen d<strong>ie</strong>sen Systemen (Baxter<br />
et al., 2005) sow<strong>ie</strong> für einzelne Lebensphasen<br />
bestimmter Organismengruppen (z.B.<br />
Amphib<strong>ie</strong>n, aquatische Insekten). Eine Un-<br />
224 «Wasser Energ<strong>ie</strong> Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 3, CH-5401 Baden