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Ktown-copy.de - Universität Kaiserslautern

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campus und events... familie...<br />

gründungsbüro... menschen... kurz notiert...<br />

eine reise an die grenze <strong>de</strong>s lebens<br />

leben unter hochdruck<br />

„Ist das nicht aufregend?!“, flüstert<br />

Dr. Joan Bernhard erwartungsvoll in meine<br />

Richtung. Die Begeisterung sieht man<br />

<strong>de</strong>r sonst sehr beherrschten Geologin<br />

<strong>de</strong>s Woods Hole Oceanographic Institute<br />

(USA) <strong>de</strong>utlich an. Immer wie<strong>de</strong>r verlagert<br />

sie ihr Gewicht nach links und rechts,<br />

zappelt mit Beinen und Füßen, quietscht<br />

glücklich und starrt gebannt auf einen<br />

<strong>de</strong>r zahlreichen Bildschirme direkt vor ihr.<br />

Es ist eng, die Wän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s unbeleuchteten<br />

Raums sind mit einem dunklen Grau,<br />

fast Schwarz, ausgeklei<strong>de</strong>t. Nur das Licht<br />

<strong>de</strong>r vielen Computermonitore erhellt das<br />

Dunkel. Wir befin<strong>de</strong>n uns in <strong>de</strong>r Überwachungszentrale<br />

<strong>de</strong>s Tauchroboters Jason,<br />

<strong>de</strong>r sich in diesem Moment auf eine Reise<br />

in die Tiefe <strong>de</strong>s Mittelmeerbeckens<br />

Discovery begibt. „Seht nur! Sieht das<br />

nicht unglaublich aus?“, durchbricht die<br />

aufgeregte Wissenschaftlerin die Stille im<br />

Raum. Und wie es das tut! Am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Tiefseebeckens stockt einem förmlich <strong>de</strong>r<br />

Atem. Man hat das Gefühl gera<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m<br />

Mond gelan<strong>de</strong>t zu sein.<br />

Vor einigen Tagen habe ich mich zusammen<br />

mit <strong>de</strong>r Arbeitsgruppe Ökologie von<br />

Professor Dr. Thorsten Stoeck von <strong>de</strong>r TU<br />

<strong>Kaiserslautern</strong> auf eine spannen<strong>de</strong> Forschungsreise<br />

zu einem <strong>de</strong>r ältesten Meere<br />

auf unserem Planeten begeben – <strong>de</strong>m<br />

Mittelmeer. Zwei Wochen lang wer<strong>de</strong>n wir<br />

auf <strong>de</strong>m amerikanischen Forschungsschiff<br />

R/V Atlantis unterwegs sein. „Wir starten<br />

im Hafen von Piräus/Griechenland. Ziel<br />

ist die Erkundung <strong>de</strong>r östlichen Tiefseebecken<br />

Discovery, L’Atalante und Urania“,<br />

erklärt Stoeck zu Beginn <strong>de</strong>r Reise. „Diese<br />

Tiefseebecken wer<strong>de</strong>n auch als <strong>de</strong>ep hypersaline<br />

anoxic basins, abgekürzt DHABs,<br />

bezeichnet. Der Name lässt auf die extremen<br />

Lebensbedingungen schließen, die<br />

die Becken zu einem <strong>de</strong>r lebensfeindlichsten<br />

Habitate auf unserer Er<strong>de</strong> machen“.<br />

Dabei steht „<strong>de</strong>ep“ für die extreme<br />

Tiefe zwischen 3000 und 4000 Metern<br />

unter <strong>de</strong>m Meeresspiegel, in <strong>de</strong>r sich die<br />

Becken ausbreiten. Neben absoluter Dunkelheit<br />

herrscht hier ein Druck zwischen<br />

300 und 400 bar. „Hypersaline“ steht für<br />

das hoch konzentrierte Salzwasser innerhalb<br />

<strong>de</strong>r Becken, welches „anoxic“, also<br />

frei von Sauerstoff ist.<br />

Alles gut und schön – aber warum ist die<br />

Erforschung dieser einsamen Tiefseelandschaft<br />

überhaupt von Relevanz?<br />

Die ersten Becken dieser Art wur<strong>de</strong>n in<br />

<strong>de</strong>n 1980er Jahren ent<strong>de</strong>ckt. Ursprünglich<br />

wur<strong>de</strong> angenommen, dass solche Gebiete<br />

aufgrund ihrer extremen Umweltbedingungen<br />

frei von jeglicher Art von Leben<br />

sind. In <strong>de</strong>r Vergangenheit konnten mikrobielle<br />

Lebensgemeinschaften durch die<br />

Analyse von DNA-Proben nachgewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n. Unter diesen aberwitzigen Umweltkonditionen<br />

ist völlig klar: Hier können<br />

sich nur Überlebenskünstler behaupten!<br />

Sie müssen spezielle Anpassungen mit<br />

sich bringen, Spezialisten sein, um die<br />

zahlreichen Stressfaktoren überstehen zu<br />

können. Da das Beckenwasser eine zehnmal<br />

höhere Salzkonzentration aufweist, als<br />

das durchschnittliche Meerwasser, fin<strong>de</strong>t<br />

durch die höhere Dichte kein Austausch<br />

mit <strong>de</strong>m umgeben<strong>de</strong>n Wasser statt. Das<br />

wie<strong>de</strong>rum be<strong>de</strong>utet, dass die vermuteten<br />

Mikroorganismen für sehr lange Zeit keine<br />

frem<strong>de</strong>n Umwelteinflüsse erfahren haben.<br />

Sie waren isoliert und konnten sich ohne<br />

große Konkurrenz durch an<strong>de</strong>re Lebewesen<br />

zu Profis <strong>de</strong>r Extreme entwickeln. Um<br />

welche Mikroorganismen han<strong>de</strong>lt es sich?<br />

Wie sehen ihre Anpassungen aus? Können<br />

sie <strong>de</strong>r Menschheit von Nutzen sein?<br />

Fragen über Fragen!<br />

Also, nichts wie los!!! Proben holen,<br />

Organismen untersuchen und Rätsel lösen!<br />

Was sich einfach anhört, entpuppt<br />

sich in <strong>de</strong>r Praxis als eher schwierig. Auf<br />

ihrem Weg zur Wasseroberfläche wer<strong>de</strong>n<br />

die Tiefseeproben starken Temperaturschwankungen,<br />

Sauerstoff, wechseln<strong>de</strong>n<br />

Druckverhältnissen und Sonnenlicht ausgesetzt.<br />

Eine tödliche Mischung für die<br />

Tiefseeorganismen. „Wir haben uns viele<br />

Gedanken um die Lösung dieses Problems<br />

gemacht“, berichtet die Mikrobiologin Dr.<br />

Virginia Edgcomb, ebenfalls vom Woods<br />

Hole Institute. Die ganze Forschermeute<br />

steht im Halbkreis aufgebaut im Labor<br />

<strong>de</strong>r R/V Atlantis. Künstliches Licht erhellt<br />

<strong>de</strong>n Raum. Alle Blicke sind auf ein futu-<br />

ristisch anmuten<strong>de</strong>s Instrument gerichtet.<br />

„Was ihr hier seht, ist SID-ISMS. Die Abkürzung<br />

steht für Submersible Incubation<br />

Device – in Situ Microbial Sampler“, stellt<br />

sie stolz ihr neues Baby, das Herzstück<br />

<strong>de</strong>r künftigen Arbeiten, vor. Grob übersetzt<br />

be<strong>de</strong>utet dies: tauchfähige Apparatur mit<br />

<strong>de</strong>r Fähigkeit, mikrobielle Umweltproben<br />

zu nehmen und diese an Ort und Stelle<br />

zu konservieren. „Mit SID haben wir die<br />

Möglichkeit, Wasserproben direkt in <strong>de</strong>n<br />

Tiefseebecken aufzunehmen und diese<br />

mittels einer Pumpe über Filter laufen zu<br />

lassen. Unsere Zielorganismen wer<strong>de</strong>n<br />

vom Filterpapier zurückgehalten und gesammelt.<br />

SID ermöglicht es die Proben<br />

schon in <strong>de</strong>r Tiefe auf verschie<strong>de</strong>ne Art<br />

und Weisen zu konservieren, so dass wir<br />

sie später im Labor weiter analysieren<br />

können. Jedoch wur<strong>de</strong> das Instrument<br />

noch nie zuvor getestet.“<br />

Endlich ist es soweit! SID verlässt seine<br />

Kin<strong>de</strong>rstube. Es ist ein herrlicher Tag:<br />

Die Sonne scheint und das Meer gleicht<br />

einer Ba<strong>de</strong>wanne – keine Welle weit und<br />

breit. Alle sind nervös. Wird SID es schaffen?<br />

„Wir sind bereit, es kann losgehen!“,<br />

kommuniziert die Crew mit <strong>de</strong>r Schiffsbrücke.<br />

Langsam bewegt sich <strong>de</strong>r Apparat mit<br />

Hilfe einer riesigen Win<strong>de</strong> in die Luft. Die<br />

Sonnenstrahlen wer<strong>de</strong>n vom Gerät reflektiert<br />

und lassen es funkeln bis es letztendlich<br />

im Wasser verschwin<strong>de</strong>t. Nun heißt<br />

es warten. Es dauert ca. 1 ½ Stun<strong>de</strong>n bis<br />

SID im Tiefseebecken angelangt ist. Die<br />

gesamte Reise wird von <strong>de</strong>n Forschern mit<br />

verfolgt und überwacht. Über Sensoren<br />

überprüfen sie, wie sich z.B. Temperatur,<br />

Salz- und Sauerstoffgehalt mit <strong>de</strong>r Tiefe<br />

verän<strong>de</strong>rn. „Stopp! Wir sind da“, ruft Edgcomb,<br />

als die Salzson<strong>de</strong> plötzlich einen<br />

starken Ausschlag anzeigt. „Wir befin<strong>de</strong>n<br />

uns genau in <strong>de</strong>r Schicht zwischen normalem<br />

Meerwasser und Tiefseebecken. Hier<br />

3/2012<br />

19

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