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Die in diesem Heft abgedruck- ten Fotos wurden uns ... - GRH e. V.

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Sonderheft Juni 2012<br />

Herausgeber: Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde e.V.<br />

Domnauer Str. 14, 12105 Berl<strong>in</strong> Tel.: 030/75652209, Email: buesgm@onl<strong>in</strong>e.de<br />

und Sportsenioren der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären<br />

Unterstützung e.V., Franz-Mehr<strong>in</strong>g-Platz 1, 10243 Berl<strong>in</strong>, Tel.: 030/29784225,<br />

Email: vere<strong>in</strong>@grh-ev.org<br />

Redaktion<br />

Vorstand des BüSGM<br />

Peter <strong>Die</strong>trich<br />

Gert Julius(V.i.S.d.P.)<br />

Lothar Nätebusch<br />

Bernhard Werner<br />

Für den Inhalt der Broschüre<br />

s<strong>in</strong>d, sofern es<br />

sich nicht um offizielle Erklärungen<br />

des BüSGM<br />

handelt, die Autoren<br />

verantwortlich.<br />

<strong>Die</strong> Preisverleihung für<br />

Solidarität und Menschenwürde<br />

2012 fand am 24.<br />

Juni 2012 im Münzenbergsaal<br />

des ND-Hauses <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>-Friedrichsha<strong>in</strong><br />

statt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>in</strong> <strong>diesem</strong> <strong>Heft</strong> <strong>abgedruck</strong><strong>ten</strong><br />

<strong>Fotos</strong> <strong>wurden</strong> <strong>uns</strong> von der<br />

Fotograf<strong>in</strong><br />

Gabriele Senft<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Spendenkonto des<br />

BüSGM Nr. 1153400<br />

BLZ.: 1002500<br />

bei der Bank für<br />

Sozialwirtschaft<br />

Gustav-Adolf „Täve“ Schur<br />

Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

(LAG) Buchenwald-Dora<br />

Vorsitzender der LAG<br />

Günter Pappenheim<br />

1


BüSGM-Vorsitzender Peter <strong>Die</strong>trich begrüßte die<br />

Gäste Er sprach dem Botschafter der Republik Kuba<br />

stellvertre<strong>ten</strong>d für alle Anwesenden das herzliche Beileid<br />

für den verstorbenen Bruder des <strong>in</strong> den USA Inhaftier<strong>ten</strong><br />

Preisträgers des BüSGM 2009 René Gonzales,<br />

den Rechtsanwalt, Genossen Roberto Gonzáles,<br />

aus.<br />

Rede des Vorsitzenden des BüSGM Gert Julius zur<br />

Preisverleihung für Solidarität und Menschenwürde<br />

am 24.06.2012<br />

Liebe Freund<strong>in</strong>nen, liebe Freunde,<br />

liebe Genoss<strong>in</strong>nen, liebe Genossen,<br />

verehrte Gäste,<br />

Ich begrüße Sie alle sehr herzlich. Bevor ich zum eigentlichen<br />

Grund <strong>uns</strong>erer heutigen Festveranstaltung<br />

komme, will ich traditionsgemäß zu den letz<strong>ten</strong> politischen<br />

Ereignissen Stellung nehmen.<br />

Wir leben <strong>in</strong> f<strong>in</strong>steren Zei<strong>ten</strong> ließ <strong>uns</strong> Bertolt Brecht <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Gedicht „An die Nachgeborenen“ wissen. <strong>Die</strong><br />

Zei<strong>ten</strong> haben sich im Laufe der Jahre nicht wesentlich<br />

geändert. <strong>Die</strong> Situation, auch <strong>in</strong> <strong>uns</strong>erem Land, ist heute<br />

so, dass e<strong>in</strong>em sogar der schwarze Humor im Halse stecken<br />

bleibt.<br />

In dieser f<strong>in</strong>steren Zeit hält e<strong>in</strong> zum Bundespräsiden<strong>ten</strong> mutierter Pastor <strong>in</strong> der<br />

Bundeswehr-Akademie e<strong>in</strong>e Unterstützungsrede für die Auslandse<strong>in</strong>sätze der<br />

Bundeswehr.<br />

Es ist schon verwunderlich, dass christliche Würdenträger, wie Herr Gauck, das<br />

für sie gültige fünfte Gebot „Du sollst nicht tö<strong>ten</strong>“ <strong>in</strong> die Aussage um<strong>in</strong>terpretieren<br />

„Du darfst aber tö<strong>ten</strong> lassen!“. <strong>Die</strong>ser Bundespräsident und se<strong>in</strong>e Militärseelsorger<br />

soll<strong>ten</strong> sich an ihre Glaubensbrüder Mart<strong>in</strong> Niemöller und <strong>Die</strong>trich<br />

Bonhoeffer er<strong>in</strong>nern, die von den deutschen Faschis<strong>ten</strong> <strong>in</strong> ihrem Krieg nach <strong>in</strong>nen<br />

und außen ermordet <strong>wurden</strong>.<br />

Auch zu den Wahlergebnissen der letz<strong>ten</strong> Monate <strong>in</strong> Deutschland Frankreich<br />

und Griechenland will ich e<strong>in</strong> paar Worte sagen und <strong>in</strong> <strong>diesem</strong> Zusammenhang<br />

den Philosophen Karl Jaspers mit se<strong>in</strong>er Aussage aus den 70er Jahren zum Thema<br />

„Woh<strong>in</strong> treibt die Bundesrepublik“ zitieren:<br />

»<strong>Die</strong> Parteien wandeln ihren S<strong>in</strong>n. <strong>Die</strong> Richtung der Wandlung ist diese: Sie<br />

waren geme<strong>in</strong>t als Organe des Volkes, das durch sie se<strong>in</strong>en Willen kundtut<br />

und umgekehrt wieder von ihnen politisch erzogen wird. Aber sie werden zu<br />

Organen des Staates, der nunmehr wieder als Obrigkeitsstaat die Untertanen<br />

beherrscht. <strong>Die</strong> Parteien, die ke<strong>in</strong>eswegs der Staat se<strong>in</strong> soll<strong>ten</strong>, machen sich,<br />

entzogen dem Volksleben, selber zum Staat.<br />

2


In den kapitalistisch gepräg<strong>ten</strong> Sche<strong>in</strong>demokratien sehe ich e<strong>in</strong>e Parteienoligarchie,<br />

die es als ihre selbst gesetzte Aufgabe sieht, dem Volk anstelle von geme<strong>in</strong>nützigen<br />

Zielen Phrasen, allgeme<strong>in</strong>e Redensar<strong>ten</strong>, pompöse Moralforderungen<br />

und Lügen vorzusetzen.<br />

Ob sogenannte Christdemokra<strong>ten</strong>, sogenannte Sozialdemokra<strong>ten</strong>, sogenannte<br />

freie Demokra<strong>ten</strong>, sogenannte Grüne oder <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen auch sogenannte L<strong>in</strong>ke<br />

vorgeben, das Volk zu regieren, ist ohne Bedeutung. Sie alle vertre<strong>ten</strong> bewusst,<br />

oder unbewusst, die Interessen des Kapitals.<br />

Dass die deutsche Bundeskanzler<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wahlverlierer den Laufpass gab, hat<br />

lediglich Unterhaltungswert, um von den wahren Problemen abzulenken. Es<br />

zeigt nur, dass Politiker<strong>in</strong>nen und Politiker über „Leichen“ gehen, um Stärke zu<br />

demonstrieren, wenn sie ihre eigene Haut ret<strong>ten</strong> wollen. Es zeigt auch, dass die<br />

Halbwertzeit mancher Politiker nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Legislaturperiode überdauert.<br />

Der Diskrim<strong>in</strong>ierungsapparat der Herrschenden <strong>in</strong> den Medien hat die Volksverdummung<br />

und die Diskreditierung aller fortschrittlichen Politikansätze erfolgreich<br />

geprägt. Lasst mich zu <strong>diesem</strong> Thema Karl Marx aus se<strong>in</strong>er „E<strong>in</strong>leitung<br />

zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ zitieren: „Es fehlt aber jeder<br />

besonderen Klasse <strong>in</strong> Deutschland nicht nur die Konsequenz, die Schärfe, der<br />

Mut, die Rücksichtslosigkeit, die sie zum negativen Repräsentan<strong>ten</strong> der Gesellschaft<br />

stempeln könnte. Es fehlt ebenso sehr jedem Stande jene Breite der<br />

Seele, die sich mit der Volksseele, wenn auch nur momentan, identifiziert,<br />

jene Genialität, welche die materielle Macht zur politischen Gewalt begeistert,<br />

jene revolutionäre Kühnheit, welche dem Gegner die trotzige Parole zuschleudert:<br />

Ich b<strong>in</strong> nichts, und ich müsste alles se<strong>in</strong>“.<br />

Heute verleihen wir zum sieb<strong>ten</strong> Mal den „Preis für Solidarität und Menschenwürde“.<br />

Unsere bisherigen Preisträger<strong>in</strong>nen und Preisträger beweg<strong>ten</strong> sich im<br />

antikapitalistischen Spektrum. Das soll auch so bleiben. Es ist sicher wahr, dass<br />

der E<strong>in</strong>satz für die Solidarität und den Erhalt der Menschenwürde überwiegend<br />

bei Kommunis<strong>ten</strong> und Sozialis<strong>ten</strong> zu f<strong>in</strong>den ist.<br />

Als <strong>in</strong> der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Karlshorst Vertreter des<br />

Oberkommandos der faschistischen deutschen Wehrmacht vor den Vertretern<br />

der Streitkräfte der Anti-Hitler-Koalition die Urkunde über die bed<strong>in</strong>gungslose<br />

Kapitulation unterzeichnet hat<strong>ten</strong>, war e<strong>in</strong> verbrecherisches System zerschlagen<br />

worden.<br />

In Berl<strong>in</strong> soll<strong>ten</strong> mit der „Machtergreifung“ im Januar 1933 die Weichen für die<br />

„Neuordnung Europas“ gestellt werden. Der Krieg war im April 1945 an se<strong>in</strong>en<br />

Ausgangspunkt zurückgekehrt. Der 8. Mai 1945 markiert das Ende der faschistischen<br />

Diktatur. Mit ihm endete auch die systematische Vernichtungspolitik der<br />

Faschis<strong>ten</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Bilanz des Zwei<strong>ten</strong> Weltkrieges ist e<strong>in</strong>e Bilanz des Schreckens. Mehr als 60<br />

Millionen Menschen starben bei Kampfhandlungen, durch Repressalien, Massenvernichtungsaktionen<br />

und Kriegse<strong>in</strong>wirkungen. Von den 18 Millionen Menschen,<br />

die das faschistische deutsche Regime <strong>in</strong> Konzentrationslager verbrachte,<br />

<strong>wurden</strong> elf Millionen ermordet. Heute noch unfassbar ist der <strong>in</strong>dustrielle Mas-<br />

3


senmord. In Deutschland <strong>wurden</strong> fast acht Millionen Menschen aus den erober<strong>ten</strong><br />

Ländern gezwungen, Zwangsarbeit leis<strong>ten</strong>.<br />

Der Sieg über den deutschen Faschismus und die Befreiung Europas bleiben<br />

e<strong>in</strong>e Leistung der Verbünde<strong>ten</strong> <strong>in</strong> der Anti-Hitler-Koalition.<br />

Der Blutzoll war hoch. Über elf Millionen Solda<strong>ten</strong> der Ro<strong>ten</strong> Armee ließen an<br />

der Front ihr Leben. Mehr als 13 Millionen Zivilpersonen <strong>wurden</strong> getötet oder<br />

starben unter den unmittelbaren Kriegse<strong>in</strong>wirkungen. Belorussland verlor e<strong>in</strong><br />

Viertel se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>wohner. In Städ<strong>ten</strong> wie Len<strong>in</strong>grad, Smolensk oder Piskow<br />

überleb<strong>ten</strong> e<strong>in</strong> Drittel der E<strong>in</strong>wohner die Kampfhandlungen nicht<br />

<strong>Die</strong> deutschen Faschis<strong>ten</strong> h<strong>in</strong>terließen e<strong>in</strong>e Spur der „verbrann<strong>ten</strong> Erde“: 1.710<br />

Städte und 70.000 Dörfer, 31.800 Industriebetriebe, 13.000 Brücken und 65.000<br />

Kilometer Eisenbahnnetz <strong>wurden</strong> zerstört, gesprengt oder niedergebrannt.<br />

<strong>Die</strong> Bedrohung durch die Mordbanden des Faschismus führte Staa<strong>ten</strong> unterschiedlicher<br />

Gesellschaftsordnungen und Menschen unterschiedlicher politischer<br />

Orientierung zusammen.<br />

An der Seite der Streitkräfte der Anti-Hitler-Koalition kämpf<strong>ten</strong> Partisanen und<br />

Widerstandskämpfer <strong>in</strong> allen okkupier<strong>ten</strong> Gebie<strong>ten</strong> für die Freiheit ihrer Länder.<br />

Deutsche Antifaschis<strong>ten</strong> reih<strong>ten</strong> sich <strong>in</strong> die Armeen der Anti-Hitler-Koalition<br />

und <strong>in</strong> die Partisanen- und Widerstandsgruppen e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Hauptlast des Krieges<br />

trug die Rote Armee.<br />

Für Millionen von KZ-Häftl<strong>in</strong>gen, Zwangsarbeiter<strong>in</strong>nen und Zwangsarbeiter,<br />

Widerstandskämpfer<strong>in</strong>nen und Widerstandskämpfer, S<strong>in</strong>ti und Roma, und aktiven<br />

Antifaschis<strong>ten</strong> <strong>in</strong> Deutschland und Europa war die bed<strong>in</strong>gungslose Kapitulation<br />

der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung, der <strong>in</strong> der<br />

DDR als Tag der Befreiung vom Faschismus als arbeitsfreier Gedenk- und Feiertag<br />

begangen wurde,<br />

In der BRD blieb der 8. Mai für die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft eher<br />

e<strong>in</strong> unbequemes Datum. Es gab ke<strong>in</strong>en offiziellen Gedenktag. Im Vordergrund<br />

standen die Er<strong>in</strong>nerung an „Flucht und Vertreibung“ und die Wiedere<strong>in</strong>gliederung<br />

faschistischer Verbrecher <strong>in</strong> den Staats- und Verwaltungsdienst, verbunden<br />

mit dem Willen zur Revision der Ergebnisse des Zwei<strong>ten</strong> Weltkrieges.<br />

Wir müssen heute permanent gegen Tendenzen und das unterschiedslose Gedenken<br />

bzw. der Vermischung von Opfern und Tätern Zeichen setzen. Wir müssen<br />

ständig daran er<strong>in</strong>nern, dass erst mit der bed<strong>in</strong>gungslosen Kapitulation des faschistischen<br />

Deutschland und dem Sieg der Alliier<strong>ten</strong> das von Berl<strong>in</strong> ausgegangene<br />

Morden beendet wurde. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Ta<strong>ten</strong> niemals<br />

<strong>in</strong> Vergessenheit gera<strong>ten</strong>.<br />

Wir müssen <strong>uns</strong> ständig gegen faschistische von der Polizei geschützte Aufmärsche<br />

wehren. Wenn sich friedliche Demonstran<strong>ten</strong> gegen die F<strong>in</strong>anzspekulationen<br />

des Kapitalismus wehren wollen, wird e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong> angemeldete<br />

Demonstration verbo<strong>ten</strong>.<br />

Sechsundsechzig Jahre nach der Selbstbefreiung der Häftl<strong>in</strong>ge des Konzentrationslagers<br />

Buchenwald droht Deutschland, von se<strong>in</strong>er unrühmlichen Vergangenheit<br />

e<strong>in</strong>geholt zu werden: Faschis<strong>ten</strong> marschieren gegen den Protest von Antifa-<br />

4


schis<strong>ten</strong>, von der Polizei abgeschirmt, ungeh<strong>in</strong>dert auf öffentlichen Straßen. Nazis<br />

werden <strong>in</strong> Landtage gewählt und e<strong>in</strong>er Vielzahl faschistischer Organisationen<br />

ist es erlaubt, ihre Propaganda legal zu verbrei<strong>ten</strong>. E<strong>in</strong>e antikapitalistische<br />

Tageszeitung, wie die „junge Welt“ und ihre Repräsentan<strong>ten</strong> werden von der<br />

Justiz der Herrschenden verfolgt.<br />

Für <strong>uns</strong> gilt ganz im S<strong>in</strong>ne von Ernest Hem<strong>in</strong>gway:<br />

„Jeder Mensch, der die Freiheit liebt, hat der Ro<strong>ten</strong> Armee mehr zu verdanken,<br />

als er jemals <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben bezahlen könnte.“<br />

Trotz der Befreiung vom Faschismus ist das „Morgenrot der Menschheit“, das<br />

<strong>uns</strong>er verstorbener Genosse und Widerstandskämpfer Peter G<strong>in</strong>gold am 8. Mai<br />

1945 aufsche<strong>in</strong>en sah, längst nicht Wirklichkeit. E<strong>in</strong>e „Welt des Friedens und<br />

der Freiheit“ für die zu kämpfen, <strong>uns</strong> die Häftl<strong>in</strong>ge des KZ-Buchenwalds nach<br />

ihrer Selbstbefreiung <strong>in</strong> ihrem Schwur auftrugen, ist <strong>in</strong> weite Ferne gerückt.. Unser<br />

geme<strong>in</strong>samer Kampf um Frieden, Völkerfreundschaft, Solidarität und Menschenwürde<br />

muss weitergehen.<br />

Als Rache dafür, dass die DDR dem Kapital vierzig Jahre lang die Exis<strong>ten</strong>zgrundlagen<br />

entzogen hatte, <strong>wurden</strong> z. B. <strong>uns</strong>er Ehrenmitglied He<strong>in</strong>z Kessler<br />

und Egon Krenz und andere DDR-Repräsentan<strong>ten</strong> von der Siegerjustiz der BRD<br />

verfolgt und widerrechtlich verurteilt.<br />

Durch die Tätigkeit der sogenann<strong>ten</strong> Gauck-Behörde werden Bürger<strong>in</strong>nen und<br />

Bürger der DDR verfolgt, gegen sie Berufsverbote verhängt, ohne dass ihnen juristische<br />

Schuld nachgewiesen werden kann. Viele ehemalige Mitarbeiter des<br />

M<strong>in</strong>isteriums für Staatssicherheit der DDR <strong>wurden</strong> von dieser Behörde <strong>in</strong> den<br />

Tod getrieben.<br />

Obwohl die Justiz der DDR faschistische Kriegsverbrecher verurteilte, wird der<br />

erste sozialistische Staat auf deutschem Boden von der heute herrschenden Klasse<br />

als Unrechtsstaat diskrim<strong>in</strong>iert. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass die<br />

Justiz der Bundesregierung, viele Vertreter des faschistischen deutschen Staates<br />

unbehelligt gelassen hat.<br />

Durch die aktuellen Kriege der USA und ihrer Verbünde<strong>ten</strong> werden nationalistische<br />

Emotionen angeheizt und la<strong>ten</strong>te Großmachtträume geweckt. <strong>Die</strong> Blockade<br />

gegen das sozialistischen Kuba und die Verurteilung und Inhaftierung der<br />

„Cuban Five“ s<strong>in</strong>d bezeichnend für die Aggressionen und den Vernichtungsfeldzug<br />

des kapitalistischen Systems gegen e<strong>in</strong>e bessere Gesellschaftsordnung. Der<br />

angeblich freiheitliche Rechtsstaat USA veranlasste 16 Millionen Menschen für<br />

e<strong>in</strong>e sogenannte Freiheitsglocke <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zu spenden. Er verwehrt jedoch täglich<br />

10 Millionen Kubanern durch wirtschaftlichen Boykott und Terror das <strong>in</strong><br />

UNO-Konventionen zugesicherte Recht auf Leben. Es ist <strong>uns</strong> deshalb e<strong>in</strong>e besondere<br />

Ehre, dass wir den fünf Genossen, bekannt unter dem Namen „Cuban<br />

Five“, 2008 und dem Staatspräsiden<strong>ten</strong> der Republik Kuba Raúl Castro 2011<br />

<strong>uns</strong>eren „Preis für Solidarität und Menschenwürde“ verleihen durf<strong>ten</strong> und dass<br />

diese Genossen Ehrenmitglieder <strong>uns</strong>eres Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d. In <strong>diesem</strong> Zusammenhang<br />

weise ich auf die von e<strong>in</strong>er sogenann<strong>ten</strong> Menschenrechtsorganisation am<br />

kommenden <strong>Die</strong>nstag vor der Botschaft der Republik Kuba geplante Mahnwa-<br />

5


che h<strong>in</strong>. Ich me<strong>in</strong>e, dass wir den Heuchler<strong>in</strong>nenclub der „Damen <strong>in</strong> weiß“ mit<br />

e<strong>in</strong>er machtvollen Gegendemonstration begegnen soll<strong>ten</strong>. Den Aufruf f<strong>in</strong>det Ihr<br />

an der Infotafel und im neuen vor der Veranstaltung überreich<strong>ten</strong> BüSGM-Echo.<br />

Ihnen, Herr Botschafter, und Ihrem sozialistischen Land gilt <strong>uns</strong>ere volle Solidarität.<br />

<strong>Die</strong> Unternehmerverbände <strong>in</strong> der BRD stellen seit der E<strong>in</strong>vernahme der DDR<br />

durch die BRD die erkämpf<strong>ten</strong> sozialen und arbeitsrechtlichen Standards der Beschäftig<strong>ten</strong><br />

<strong>in</strong> Frage und wollen damit auch e<strong>in</strong>e Entsolidarisierung <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />

erreichen. <strong>Die</strong> Massenerwerbslosigkeit und die berufliche Perspektivlosigkeit<br />

vieler junger Menschen erzeugt e<strong>in</strong> Klima der permanen<strong>ten</strong> Zukunftsangst<br />

und fremdenfe<strong>in</strong>dlicher Ressentiments.<br />

Vor <strong>diesem</strong> H<strong>in</strong>tergrund ersche<strong>in</strong>t das im Schwur von Buchenwald konzentrierte<br />

Vermächtnis der politischen Häftl<strong>in</strong>ge des KZ´s so aktuell wie eh und je.<br />

Günter Pappenheim, heute Vorsitzender der Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Buchenwald-Dora,<br />

spielte anlässlich des französischen Nationalfeiertags am 14. Juni<br />

1943 für die französischen Zwangsarbeiter auf se<strong>in</strong>er Ziehharmonika die Marseillaise.<br />

Er wurde denunziert und von der Gestapo verhört. Er wurde beschuldigt,<br />

illegale Gruppen aufgebaut zu haben und nach Gefängnisaufenthal<strong>ten</strong> am<br />

15. Oktober 1943 <strong>in</strong> das KZ Buchenwald deportiert. Wir freuen <strong>uns</strong> Günter<br />

Pappenheim, e<strong>in</strong>em der letz<strong>ten</strong> Überlebenden des KZ-Buchenwald, <strong>uns</strong>ere Ehrenmitgliedschaft<br />

und der Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Buchenwald-Dora <strong>uns</strong>eren<br />

Preis für Solidarität und Menschenwürde verleihen zu dürfen.<br />

Wir freuen <strong>uns</strong>, dass wir den berühmtes<strong>ten</strong> Radsportler der DDR, dem SED-<br />

Mitglied, Mitglied der Volkskammer und des Deutschen Bundestages „Täve“<br />

Schur heute hier begrüßen dürfen. Es war e<strong>in</strong>e Panne <strong>in</strong> der kapitalistischen Geschichte,<br />

dass Du, lieber Täve, als ehemalige Radsport-Weltmeister und Repräsentant<br />

der Sozialistischen DDR zunächst auf die Kandida<strong>ten</strong>liste der „Hall of<br />

Fame“ gesetzt wurdest.<br />

<strong>Die</strong>sen Vorschlag der Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH), welche die Ruhmeshalle<br />

<strong>in</strong>itiiert hatte, des „Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und des<br />

Verbandes Deutscher Sportjournalis<strong>ten</strong> konn<strong>ten</strong> und woll<strong>ten</strong> die Vertreter des<br />

Kapitals nicht zulassen.<br />

E<strong>in</strong>e 28-köpfige Jury, darunter viele schwerreiche Repräsentan<strong>ten</strong> aus Staat und<br />

Kapital, wie der Chef der Deutschen Bank, der RWE-Konzernchef , der Daimler<br />

AG-Chef, sowie Partei- und Politstrategen, ließen ke<strong>in</strong>en Zweifel über die Funktion<br />

dieser sogenann<strong>ten</strong> Ruhmeshalle aufkommen. Sie setz<strong>ten</strong> systemimmanent<br />

die Streichung De<strong>in</strong>es Namens von der Liste durch. Nicht die sportliche Leistung,<br />

Fairness und menschliche Haltung sollen den Ruhm der Athle<strong>ten</strong> <strong>in</strong> der<br />

BRD bestimmen, sondern die E<strong>in</strong>stellung gegenüber “dem ihnen vorgegebenen<br />

politischen System«.<br />

Dass Dir, lieber Täve, als Antifaschist und Vertreter des ers<strong>ten</strong> sozialistischen<br />

Staates auf deutschem Boden von Vertretern des Kapitals und ihren Erfüllungsgehilfen<br />

<strong>in</strong> der Politik die Aufnahme <strong>in</strong> die Ehrenhalle von Sportler<strong>in</strong>nen und<br />

Sportlern der BRD verweigert wurde, die ihren E<strong>in</strong>satz für die Gew<strong>in</strong>nmaximie-<br />

6


ung von kapitalistischen Konzernen und zur persönlichen Bereicherung nutzen,<br />

sollte Dir nicht Verdruss berei<strong>ten</strong>, sondern e<strong>in</strong>e Ehre se<strong>in</strong>.<br />

Ohne Klaus Köste vorgreifen zu wollen, haben wir heute die Ehre, Dir <strong>uns</strong>eren<br />

Preis für Solidarität und Menschenwürde zu verleihen und Dich als Ehrenmitglied<br />

im Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde aufnehmen zu<br />

dürfen.<br />

Laudatio von Prof. Dr. He<strong>in</strong>rich F<strong>in</strong>k,<br />

Bundesvorsitzender der VVN/BdA, für<br />

die LAG Buchenwald-Dora<br />

Liebe Freund<strong>in</strong>nen und Freunde, liebe Genoss<strong>in</strong>nen<br />

und Genossen, liebe Kamerad<strong>in</strong>nen<br />

und Kameraden,<br />

Kamerad<strong>in</strong>nen und Kameraden,<br />

Für Günter Pappenheim, der leider aus<br />

Gründen se<strong>in</strong>er Gesundheit nicht hier anwesend<br />

se<strong>in</strong> kann, begrüße ich se<strong>in</strong>en<br />

Stellvertreter, Peter Hochmuth.<br />

Lieber Täve Schur!<br />

Das Bündnis für soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde verleiht heute der<br />

Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Buchenwald-Dora und e<strong>in</strong>em LAG-Verbundenen,<br />

Täve Schur, me<strong>in</strong>en Freund und me<strong>in</strong>em ständigen Nebenmann im Bundestag,<br />

den Preis für soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde. Lieber Täve, auch das<br />

ist e<strong>in</strong>e Siegerehrung für de<strong>in</strong>e Lebensfriedensfahrt.<br />

Für die Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft e<strong>in</strong>e Laudatio zu hal<strong>ten</strong>, ist mir e<strong>in</strong>e besondere<br />

Ehre und Freude.<br />

Günter Pappenheim ist e<strong>in</strong>er der wenigen noch lebenden, die den Schwur von<br />

Buchenwald 1945 mit geschworen haben: <strong>Die</strong> Vernichtung des Nazismus mit<br />

se<strong>in</strong>en Wurzeln ist <strong>uns</strong>ere Losung. Der Aufbau e<strong>in</strong>er neuen Welt des Friedens<br />

und der Freiheit ist <strong>uns</strong>er Ziel. <strong>Die</strong>ser Schwur ist <strong>uns</strong> als kostbares Erbe die<br />

Grundlage weltweiter antifaschistischer Arbeit geworden. Er wird als Credo an<br />

die nachfolgenden Generationen weitergegeben. <strong>Die</strong> LAG hat sich an diese Verpflichtung<br />

gebunden und wird heute für ihr konsequentes Auftre<strong>ten</strong> gegen Faschismus<br />

und heiße wie kalte Kriege geehrt. In der Begründung heißt es:<br />

„In Er<strong>in</strong>nerung an die <strong>in</strong> den Konzentrationslagern von den Faschis<strong>ten</strong> ermorde<strong>ten</strong><br />

Menschen verleiht das Bündnis für soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde<br />

der LAG Buchenwald-Dora für ihren Verdienst, die Er<strong>in</strong>nerung<br />

an den Völkermord wach zu hal<strong>ten</strong>, den „Preis für Solidarität und Menschenwürde“<br />

und verleiht ihrem Vorsitzenden und das Konzentrationslager Überlebenden,<br />

Günter Pappenheim, die Ehrenmitgliedschaft.“<br />

Kurt Goldste<strong>in</strong> hatte kurz vor se<strong>in</strong>em Tod <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitzeugengespräch jungen<br />

Menschen zugerufen: „Fragt <strong>uns</strong>, wir s<strong>in</strong>d die Letz<strong>ten</strong>.“<br />

<strong>Die</strong>ses Angebot e<strong>in</strong>es Überlebendenden von Auschwitz, der auf dem Todesmarsch<br />

se<strong>in</strong>e Befreiung <strong>in</strong> Buchenwald erlebt hat, wird seitdem häufig zitiert<br />

und ist auch Titel se<strong>in</strong>es letz<strong>ten</strong> Buches. Aber- das ist nur die Hälfte des Zitates.<br />

7


- Der Satz geht weiter: „Sagt es weiter, wie wir gegen den bestialischen Faschismus,<br />

gekämpft, gelit<strong>ten</strong> und wie viele ihr Leben lassen muss<strong>ten</strong>. Ke<strong>in</strong> Opfer<br />

darf umsonst gewesen se<strong>in</strong>. Ihr müsst jetzt <strong>uns</strong>ere Zeugen se<strong>in</strong>. Ihr müsst<br />

wider das Vergessen <strong>uns</strong>eres Kampfeskämpfen.“<br />

Also: Jetzt ist <strong>uns</strong>ere Aufgabe Zeugen derZeugen zu se<strong>in</strong>.<br />

Eva Pusztai, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau,<br />

schreibt <strong>in</strong> ihrem Buch „<strong>Die</strong> Seele der D<strong>in</strong>ge“ „Ich kann und will die Erniedrigung<br />

und das Leiden nicht vergessen. Wie aber kann ich den mir Nächs<strong>ten</strong><br />

und Liebs<strong>ten</strong>, auch den Familienmitgliedern, die damals nicht mit mir dort<br />

waren, das Auschwitz, das Birkenau vermitteln, wie ich es erleben musste?<br />

Wo damals ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Grashalm überleben konnte, wo die spitzen grauen<br />

Ste<strong>in</strong>e die Lagerstraße pflaster<strong>ten</strong>, wo wir bis zur Ohnmacht Appell standen,<br />

prägt heute e<strong>in</strong>e idyllische Natur das Bild der Landschaft. Das Gras der Zeit<br />

wächst. Und es deckt das wahre Auschwitz, das wahre Birkenau zu.“<br />

Sie las am 67. Jahrestag der Befreiung <strong>in</strong> Weimar daraus und bat, dafür zu sorgen,<br />

dass nicht Gras über die Geschichte der Konzentrationslager wachsen darf<br />

und nicht über die Seelen derer, die im Faschismus umgekommenen s<strong>in</strong>d. Darum<br />

roden alljährlich junge Antifaschis<strong>ten</strong>, die der LAG sehr verbunden s<strong>in</strong>d, die<br />

Mordstätte des Ste<strong>in</strong>bruches von Buchenwald <strong>in</strong> der zynisch über die Losung<br />

„Arbeit macht frei“ Häftl<strong>in</strong>ge durch Arbeit zu Tode gequält <strong>wurden</strong>.<br />

Eva Pusztei bat die jungen Leute: „Bitte sorgt dafür, dass nicht das Tal des Todes<br />

unter e<strong>in</strong>er blühenden Landschaft <strong>in</strong> Vergessenheit gebracht wird.“<br />

<strong>Die</strong> Mahnung der Überlebenden ist Verpflichtung für die Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft.<br />

<strong>Die</strong> LAG hat das <strong>in</strong> ihrem Grundsatzpapier: „Was wir s<strong>in</strong>d und was wir<br />

wollen“ <strong>in</strong> ihrer Mitgliederversammlung am 2. Oktober 2011 <strong>in</strong> Buchenwald beschlossen.<br />

<strong>Die</strong> LAG stellt sich folgende Aufgaben:<br />

Wie die Buchenwald-Häftl<strong>in</strong>ge wollen wir die Wahrheit über das KZ Buchenwald<br />

verbrei<strong>ten</strong>. Wir können nicht wie sie als Zeitzeugen auftre<strong>ten</strong>, aber wir<br />

werden <strong>in</strong> den Medien, auf Veranstaltungen, mit Publikationen über die bestialischen<br />

Verbrechen der SS und den antifaschistischen Widerstand <strong>in</strong>formieren. Es<br />

ist <strong>uns</strong> <strong>in</strong> der letz<strong>ten</strong> Zeit gelungen, e<strong>in</strong>e größere Zahl aus dem Kreis der Nachkommen<br />

der Buchenwalder für das politische Erbe ihrer Mütter und Väter zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

Er<strong>in</strong>nerung als Aufgabe Geschichte lebendig zu erhal<strong>ten</strong>:<br />

In dem Buch „Buchenwald - ich kann dich nicht vergessen – 60 Jahre danach“<br />

- haben Peter Hochmuth und Gerd Hoffmann Lebensläufe von noch lebenden<br />

KZ-Häftl<strong>in</strong>gen zusammengetragen. In <strong>diesem</strong> Buch s<strong>in</strong>d Sozialdemokra<strong>ten</strong><br />

ebenso vertre<strong>ten</strong> wie rassisch verfolgte Juden, Kommunis<strong>ten</strong> ebenso wie rassisch<br />

verfolgte S<strong>in</strong>ti und der rassisch verfolgte Farbige, der Offizier, der zur<br />

Verschwörung des 20. Juli gerechnet wurde, wie der „Sippenhäftl<strong>in</strong>g“. 18 ehemalige<br />

KZ-Häftl<strong>in</strong>ge zwischen Jahrgang 1906 und 1928 – geben über sich Auskunft.<br />

E<strong>in</strong>e hilfreiche Sammlung menschlicher Me<strong>in</strong>ungen und Sichtweisen ist<br />

8


entstanden, denn die meis<strong>ten</strong> berich<strong>ten</strong> auch darüber, was nach 1945 <strong>in</strong> Ost und<br />

West geschah.<br />

Auch die Veröffentlichung des Briefwechsels von Albert Kuntz und se<strong>in</strong>er Frau<br />

– „Liebste Ellen-Briefe aus der Nazihaft“ auf Initiative von Leo und Leopold<strong>in</strong>e<br />

Kuntz <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Götz und Hannelore <strong>Die</strong>ckmann ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drückliches<br />

Dokument für die nachfolgende Generation.<br />

<strong>Die</strong> LAG hat sich zur Aufgabe gemacht, den noch vorhandenen Spuren der Er<strong>in</strong>nerung<br />

ehemaliger Häftl<strong>in</strong>ge nachzugehen und festzuhal<strong>ten</strong>. Nachlässe nicht<br />

nur zu sichern, sondern zugänglich zu machen. Auch sie helfen, durch Stolperste<strong>in</strong>e<br />

vor Häusern zu er<strong>in</strong>nern, dass da e<strong>in</strong>mal Menschen gewohnt haben, die<br />

verhaftet, verschleppt und ermordet <strong>wurden</strong>. <strong>Die</strong> Nachbarn haben es gesehen<br />

und geschwiegen, zustimmend oder aus Angst. Der LAG geht es darum, Geschichte<br />

aus dem Verschweigen und Verdrängen zu befreien, aufzudecken und<br />

öffentlich zu machen, wie Frauen und Männer gegen den alltäglichen Faschismus<br />

protestiert haben.<br />

Aber auch über die Solidarität der Familien Verhafteter muss berichtet werden.<br />

Wie gefährlich z. B. Selbstverständlichkei<strong>ten</strong> im Alltag gewesen s<strong>in</strong>d. Es soll<br />

aufmerksam gemacht werden, wie angeblich harmlos alles begann, um nach<br />

sechs Jahrzehn<strong>ten</strong> wieder alltäglicher Rassismus heute im K<strong>in</strong>dergar<strong>ten</strong> und <strong>in</strong><br />

Klassenzimmern h<strong>in</strong>genommen wird. Elie Wiesel, Überlebender von Auschwitz<br />

und Buchenwald, der den US-Präsiden<strong>ten</strong> Obama bei se<strong>in</strong>em Europabesuch<br />

auch <strong>in</strong> der Gedenkstätte Buchenwald mit der Bundeskanzler<strong>in</strong>, Angela Merkel,<br />

die zum ers<strong>ten</strong> Mal nach der Wiedervere<strong>in</strong>igung Buchenwald e<strong>in</strong>en Besuch abstattete,<br />

spricht von der Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Ethik der Er<strong>in</strong>nerung für die nächste<br />

Generation. Er ist seit Jahren nicht müde geworden, deshalb gegen die Gleichgültigkeit<br />

aufzufordern. Ich zitiere: „Der Gegensatz der Liebe ist nicht Hass,<br />

der Gegensatz von Hoffnung ist nicht Verzweiflung, der Gegensatz von Er<strong>in</strong>nerung<br />

heißt nicht vergessen, sondern es ist nichts anderes als jedes Mal die<br />

Gleichgültigkeit.“<br />

Er<strong>in</strong>nerung ist Voraussetzung für politischeAufklärung:<br />

„Wir s<strong>in</strong>d <strong>uns</strong> bewusst“, heißt es <strong>in</strong> der LAG-Erklärung: „Welche entscheidende<br />

Bedeutung der Widerstand deutscher Kommunis<strong>ten</strong> für die Herausbildung<br />

der <strong>in</strong>ternationalen Widerstandsorganisation im KZ Buchenwald und im Mittelbau-Dora<br />

und für die Selbstbefreiung des Hauptlagers hatte. Wir wenden<br />

<strong>uns</strong> gegen jeden Versuch, die mutigen Ta<strong>ten</strong> der Kommunis<strong>ten</strong> aus Deutschland<br />

und anderen Ländern zu negieren oder zu diffamieren.“<br />

<strong>Die</strong> LAG klärt auf und wendet sich gegen jede Hierarchisierung von Opfergruppen.<br />

<strong>Die</strong> Gleichberechtigung von Inhaftier<strong>ten</strong> haben gerade kommunistische Gefangene<br />

<strong>in</strong> ihrer Solidarität mit ihren Mithäftl<strong>in</strong>gen praktiziert. E<strong>in</strong>er der Beispiele<br />

ist Pastor Paul Schneider, der wegen des E<strong>in</strong>satzes für die Beh<strong>in</strong>der<strong>ten</strong><br />

und wegen se<strong>in</strong>es Widerstandes gegen die Umtriebe der NSDAP <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Kirchspiel nach Buchenwald deportiert wurde. <strong>Die</strong> Genossen haben sich bald<br />

se<strong>in</strong>er angenommen und es wurde bekannt, dass das Angebot, Paul Schneider zu<br />

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entlassen, stand, wenn er die ihm vorgelegte Loyalitätserklärung unterschrieben<br />

hätte, die ihm vom SS-Mann Sommer vorgelegt wurde. Er unterschrieb nicht.<br />

Bruno Apitz berichtet (ich zitiere, trotz der wenigen Zeit an dieser Stelle)<br />

„Lieber den Tod als Verrat“ Wie oft wohl mag er ihn von sich abgeschüttelt haben,<br />

wenn er zum Gitterfenster h<strong>in</strong>aufkletterte und se<strong>in</strong>e Stimme über <strong>uns</strong>ere<br />

Köpfe zu <strong>uns</strong> herüber schwang: „Brüder, Seid stark, haltet aus!“ Er ist se<strong>in</strong>en<br />

Weg bis zum bitteren Ende gegangen und als die Kunde von se<strong>in</strong>em Tod zu <strong>uns</strong><br />

gedrungen war, war Trauer um ihn im ganzen Lager. Wir, die se<strong>in</strong>e Worte gehört,<br />

waren nicht se<strong>in</strong>es Glaubens. Ist das wichtig? - Aus der Zelle von Buchenwald<br />

ist von e<strong>in</strong>em Menschen gerufen worden bis die herrliche Stimme von se<strong>in</strong>en<br />

Mördern erstickt wurde. In der e<strong>in</strong>samen Bunkerzelle von Buchenwald starb<br />

e<strong>in</strong>er, dem Treue zu se<strong>in</strong>er Sache Standhaftigkeit und Mut e<strong>in</strong>e sittliche Größe<br />

gegeben haben.<br />

Ihr Gläubigen, Pfarrer Schneider ist euer! Aber er ist auch <strong>uns</strong>er! Er ist aller<br />

Menschen Bruder und Kamerad, die den Frieden auf Erden wollen! Wo wäre er<br />

heute - lebte er noch? In <strong>uns</strong>eren Reihen kämpfte er mit!<br />

Lieber Kamerad Pfarrer: Du hast damals <strong>in</strong> den Reihen der Kämpfer von Buchenwald<br />

mit de<strong>in</strong>em Tod e<strong>in</strong>e Lücke h<strong>in</strong>terlassen. Wir müssen sie schließen,<br />

damit de<strong>in</strong>e Mörder von damals und die heute die Mörder der Menschheit se<strong>in</strong><br />

können, die geschlossene Phalanx der friedlichen Welt nicht wieder ausbrechen!<br />

Das ist de<strong>in</strong> Vermächtnis und <strong>uns</strong>ere Pflicht - <strong>uns</strong>er aller Pflicht. -<br />

<strong>Die</strong>se poltisch-moralische E<strong>in</strong>heit bestimmt bis heute die Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft.<br />

Sie ist es, die <strong>uns</strong> das Weiterwirkende im Leben und Kämpfen und Sterben<br />

Paul Schneiders erkennen lässt. Sie ist es, die Chris<strong>ten</strong> und Marxis<strong>ten</strong> <strong>in</strong> Buchenwald<br />

heute Ernst Thälmann und Paul Schneider <strong>in</strong> gleicher Weise ehren<br />

lässt.<br />

Das Leiden der S<strong>in</strong>ti und Roma darf nicht h<strong>in</strong>ter das der jüdischen Kameraden<br />

gestellt werden. Das der Schwulen darf nicht krim<strong>in</strong>alisiert werden. Jede Opfergruppe<br />

hat ihren eigenen Stellenwert, dafür setzt sich die LAG e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong>s hat sie<br />

<strong>in</strong> dem Kontext der bisherigen 3 Veranstaltungen der Befreiung auf dem Appellplatz<br />

2010, 2011 und 2012 zum Ausdruck gebracht. Sie hat <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>osaal am<br />

Vormittag die 2. und 3. Generation e<strong>in</strong>geladen, um mit ihr über das antifaschistische<br />

Erbe zu sprechen. Es waren Zeitzeugen bereit, zu er<strong>in</strong>nern und aufzuklären.<br />

Das erste Mal war noch der polnische Widerstandskämpfer, Mordechai We<strong>in</strong>ryb,<br />

dabei, der Auschwitz und Buchenwald überlebte. Der sehr e<strong>in</strong>drücklich<br />

noch <strong>in</strong> jiddisch und deutsch von se<strong>in</strong>en Erfahrungen sprach.<br />

Von der zwei<strong>ten</strong> Generation wurde über das Leben Goldste<strong>in</strong>s berichtet. 2011<br />

stand das Treffen der Nachkommen im Zeichen der Würdigung von Walter Krämer,<br />

dem angelern<strong>ten</strong> Arzt von Buchenwald. <strong>Die</strong> LAG hat mit den Freund<strong>in</strong>nen<br />

und Freunden aus Siegen e<strong>in</strong>e Gedenktafel <strong>in</strong> Buchenwald <strong>in</strong>stalliert und nach<br />

15 Jahren ist der Kampf gelungen, e<strong>in</strong>en Platz nach Walter Krämer zu benennen.<br />

In <strong>diesem</strong> Jahr war der Vormittag den Opfern der S<strong>in</strong>ti und Roma gewidmet.<br />

Still wurde es im Saal, als Eva Puzstai von der Nacht vom 1. zum 2. August<br />

1944 berichtete, <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>der und Mütter der S<strong>in</strong>ti und Roma ermordet <strong>wurden</strong>.<br />

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Sie kann diese Nacht nie vergessen. Romani Rose klagte über die noch immer<br />

währende Sündenbockfunktion der S<strong>in</strong>ti und Roma <strong>in</strong> der Gesellschaft.<br />

Liebe Freund<strong>in</strong>nen und Freunde, alle<strong>in</strong> der Vergleich der Veranstaltung auf dem<br />

Appellplatz und der im K<strong>in</strong>osaal ist aufschlussreich.<br />

E<strong>in</strong>e 17-jährige Kamerad<strong>in</strong> sagte: „Ich kann die offiziellen Rituale nicht mehr<br />

hören. <strong>Die</strong> M<strong>in</strong>ister und Direktoren drehen ihre Pflichtkür. Sie werfen euch<br />

Al<strong>ten</strong> aus der DDR vor, es hätte e<strong>in</strong>en verordne<strong>ten</strong> Antifaschismus gegeben.<br />

Und was ist heute? Ich habe den E<strong>in</strong>druck, die Offiziellen hören sich selbst<br />

nicht mehr zu. Für mich hat sich der Weg nach Buchenwald nur für den Vormittag<br />

gelohnt.“<br />

Viel Lobendes wäre noch zur Arbeit der LAG zu sagen, z. B. auch über die konsequente<br />

Standhaftigkeit von Günter Pappenheim und se<strong>in</strong> bescheidenes Auftre<strong>ten</strong><br />

<strong>in</strong> der Öffentlichkeit, das Jugendliche sehr bee<strong>in</strong>druckt.<br />

Zu Günter Pappenheim wird Peter Hochmuth noch sprechen. <strong>Die</strong> Vere<strong>in</strong>igung<br />

der Verfolg<strong>ten</strong> des Naziregimes weiß <strong>in</strong> der LAG e<strong>in</strong>en wichtigen Bündnispartner<br />

<strong>in</strong> ihrem E<strong>in</strong>tre<strong>ten</strong> gegen den Neofaschismus und der konsequen<strong>ten</strong> Aufklärung<br />

der NSU- Morde.<br />

Wir danken für die große Unterstützung <strong>uns</strong>erer Kampagne NO-NPD. Es gibt<br />

viele auszeichnungswürdige Initiativen, aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land, das heute an dritter<br />

Stelle im Waffenexport steht, ist e<strong>in</strong> Preis für soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde,<br />

der an den Schwur von Buchenwald anknüpft, besonders wichtig.<br />

Sie haben die Würdigung verdient und es ist für mich e<strong>in</strong>e besondere Freude,<br />

dass Täve Schur die gleiche Anerkennung f<strong>in</strong>det.<br />

Er tritt <strong>in</strong> politisch blendender Kondition noch immer <strong>in</strong> die Pedale, dass e<strong>in</strong>e<br />

solidarische Gesellschaft möglich ist. Er mahnt aber, dass dafür aber hart und<br />

ausdauernd tra<strong>in</strong>iert werden muss.<br />

Ich gratuliere <strong>uns</strong> und dem Bündnis für soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde<br />

für die gute Idee für diese Auszeichnung.<br />

Lasst mich zum Schluss noch zwei prom<strong>in</strong>ente Buchenwalder zitieren: Nach<br />

Elie Wiesel haben wir wenig, was wir der künftigen Jugend vererben können<br />

„Es ist nicht viel mehr als <strong>uns</strong>ere Leidenschaft für das Leben und <strong>uns</strong>ere<br />

Hoffnung trotz allem und allem zum Trotz e<strong>in</strong>e Hoffnung, die nur <strong>in</strong> der Er<strong>in</strong>nerung<br />

zu f<strong>in</strong>den ist.“<br />

Und Stefan Hessel: „Den Männern und Frauen, die das 21. Jahrhundert<br />

gesschaffen heißt Widerstand leis<strong>ten</strong>. Widerstand leis<strong>ten</strong> heißt Neues schaffen.“<br />

L<strong>in</strong>ks Gäste:<br />

Dr. Sonja, und<br />

Prof. Dr. Moritz<br />

Mebel, Prof. Dr.<br />

Siegfried und Margitta<br />

Mechler<br />

Rechts:<br />

Vorstand BüSGM<br />

11<br />

11


<strong>Die</strong> Verleihung des „Preis für Solidarität und Menschenwürde<br />

2102“ an die Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Buchenwald-Dora<br />

(LAG) durch den Vorsitzenden des BüSGM<br />

Lothar Nätebusch und Preisübergabe an den stellvertre<strong>ten</strong>den<br />

Vorsitzenden der LAG Peter Hochmuth<br />

Ansprache des stellvertre<strong>ten</strong>den Vorsitzenden<br />

der Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Buchenwald-Dora e. V., Berl<strong>in</strong>,<br />

Peter Hochmuth<br />

Verehrte Anwesende,<br />

liebe Freund<strong>in</strong>nen und Freunde des Bündnisses<br />

für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde,<br />

ja, liebe Genoss<strong>in</strong>nen und Genossen!<br />

Günter Pappenheim, Vorsitzender der Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Buchenwald-Dora e. V., Berl<strong>in</strong>,<br />

wollte eigentlich heute hier vor Euch stehen<br />

und Dank sagen für se<strong>in</strong>e Ehrenmitgliedschaft im<br />

Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde,<br />

Dank sagen, für die Ehre die Ihr<br />

<strong>uns</strong>, der Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Buchenwald-<br />

Dora damit erweist, <strong>uns</strong> den Preis<br />

für Solidarität und Menschenwürde zuzuerkennen.<br />

Unser Günter Pappenheim ist von e<strong>in</strong>er gesundheitlichen Schwäche befallen, die<br />

es ihm nicht erlaubt, heute hier selbst Euch danke zu sagen.<br />

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Wer ist Günter Pappenheim?<br />

<strong>Die</strong> Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft hat <strong>in</strong> den Jahren 2005 bis 2007 ehemalige Häftl<strong>in</strong>ge<br />

des KZ`s Buchenwald und Mittelbau-Dora nach ihrem Leben befragt.<br />

Daraus wurde die Veröffentlichung „Buchenwald ich kann dich nicht vergessen“.<br />

19 Lebensbilder trugen wir zusammen.<br />

Auch Günter Pappenheims Lebensweg bekam hier se<strong>in</strong>en Platz. Ich lese daraus<br />

zwei Passagen vor.<br />

„Günter Pappenheim, geboren am 3. August 1925, wuchs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialdemokratischen,<br />

jüdischen Thür<strong>in</strong>ger Familie auf. Der Vater, Ludwig Pappenheim,<br />

war e<strong>in</strong> bekannter und beliebter sozialdemokratischer Parteifunktionär,<br />

der nicht nur bei den Schmalkaldener Arbeitern hohes Ansehen genoss. Se<strong>in</strong>en<br />

K<strong>in</strong>dern war er e<strong>in</strong> liebevoller und sorgender Vater. Frieda Pappenheim,<br />

se<strong>in</strong>e Frau, gehörte seit 1925 der Sozialdemokratischen Partei an und war<br />

e<strong>in</strong>e der Organisator<strong>in</strong>nen der Frauenbewegung <strong>in</strong> Schmalkalden. (...)<br />

An den Parteizusammenkünf<strong>ten</strong> unterschiedlichs<strong>ten</strong> Charakters nahm die<br />

ganze Familie teil. Den K<strong>in</strong>dern, Günter hatte noch e<strong>in</strong>en Bruder und zwei<br />

Schwestern, präg<strong>ten</strong> sich nachhaltige Wanderungen und gesellige Zusammenkünfte<br />

der Sozialdemokra<strong>ten</strong> e<strong>in</strong>. An Demonstrationen der organisier<strong>ten</strong><br />

Arbeiterschaft nahmen sie teil und später an Schulungen der Sozialdemokratischen<br />

Arbeiterjugend (SAJ). Dadurch waren sie e<strong>in</strong>bezogen <strong>in</strong> die politischen<br />

Prozesse der Weimarer Republik am Vorabend der faschistischen Diktatur<br />

<strong>in</strong> Deutschland.“<br />

Das Zusammenleben der Familie veränderte sich schlagartig, als den Nazis die<br />

Macht übertragen worden war. Was zu erwar<strong>ten</strong> se<strong>in</strong> würde, hat<strong>ten</strong> die Nazis<br />

dem Redakteur der „Volksstimme" schon früher angedroht, als sie durch<br />

Schmalkalden getobt waren und brüllend gesungen hat<strong>ten</strong>: „Dem Ludwig Pappenheim,<br />

dem haben wir's geschworen, dass er erhangen wird an dem Laternenpfahl.<br />

“ Nach Errichtung der faschistischen Diktatur im Januar 1933 wurde Ludwig<br />

Pappenheim als e<strong>in</strong>er der ers<strong>ten</strong> Antifaschis<strong>ten</strong> von den Nazis ergriffen. Sie<br />

missachte<strong>ten</strong> se<strong>in</strong>e Immunität als Landtagsabgeordneter des Landtags Hessen-Nassau.<br />

Nachdem die Nazis ihn im Gefängnis unmenschlich gefoltert hat<strong>ten</strong>,<br />

verschlepp<strong>ten</strong> sie ihn <strong>in</strong>s Lager Brei<strong>ten</strong>au und später <strong>in</strong> das KZ Börgermoor.<br />

Hier ermorde<strong>ten</strong> ihn se<strong>in</strong>e Pe<strong>in</strong>iger auf bestialische Weise im Januar 1934.<br />

<strong>Die</strong> Sommersonne beschien diesen wunderbaren 14. Juli 1943. In der Werkzeugfabrik<br />

„Gebrüder Heller" im thür<strong>in</strong>gischen Schmalkalden standen e<strong>in</strong>ige<br />

junge Männer zusammen, französische Kriegsgefangene. Sie muss<strong>ten</strong> geme<strong>in</strong>sam<br />

mit niederländischen und belgischen Leidensgefähr<strong>ten</strong>, aber auch mit so genann<strong>ten</strong><br />

Ostarbeitern aus der Sowjetunion und aus Polen <strong>in</strong> der deutschen Rüstungsproduktion<br />

Zwangsarbeit leis<strong>ten</strong>. <strong>Die</strong> Franzosen sprachen über den Tag, ihren<br />

Nationalfeiertag, an dem vor 154 Jahren das Volk von Paris die Bastille gestürmt<br />

hatte, das verhasste Symbol der Despotie. Während der Mittagspause gesellte<br />

sich e<strong>in</strong> junger Deutscher zu der Gruppe; er spielte auf se<strong>in</strong>er Ziehharmonika<br />

für sie die Nationalhymne, die Marseillaise. Der da leidenschaftlich das bekannte<br />

Lied der Französischen Revolution spielte, war Günter Pappenheim, e<strong>in</strong><br />

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Schlosser, der nicht zufällig <strong>in</strong> den Kreis der französischen Kriegsgefangenen<br />

gekommen war.<br />

Er hatte Solidarität mit den französischen Zwangsarbeitern gezeigt, war denunziert,<br />

von der Gestapo verhaftet und abtransportiert worden. 1943 bis zum 11.<br />

April 1945 war Günter Pappenheim der Buchenwaldhäftl<strong>in</strong>g Nr. 12514.<br />

Was Liegt mir am Herzen, Euch nochmals <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung zu br<strong>in</strong>gen?<br />

Deutsche, ehemalige Häftl<strong>in</strong>ge des KZ Buchenwald, seit dem Befreiungsjahr<br />

1945 vere<strong>in</strong>igt im Buchenwaldkomitee, später der Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Buchenwald-Dora<br />

(Günter war damals 20 Jahre alt) übernahmen <strong>in</strong> der sowjetischen<br />

Besatzungszone politische und adm<strong>in</strong>istrative Verantwortung, führ<strong>ten</strong><br />

nach der deutschen Spaltung 1948/49 diesen Teil <strong>uns</strong>eres Vaterlandes mit <strong>in</strong> die<br />

Deutsche Demokratische Republik.<br />

In der zwei<strong>ten</strong> Hälfte der 50er Jahre war das Buchenwaldkomitee mit all se<strong>in</strong>er<br />

Kraft beteiligt, mitzuwirken an dem nationalen Projekt e<strong>in</strong>er Mahn- und Gedenkstätte<br />

auf dem Ettersberg bei Weimar. So wie es die Regierung der DDR<br />

unter M<strong>in</strong>isterpräsident Otto Grotewohl beschlossen hatte, Mitglied des regierungsamtlichen<br />

Arbeitsausschusses war auch Prof. Dr. Walter Bartel, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Häftl<strong>in</strong>gsjahren im KZ Buchenwald Vorsitzender des illegalen Lagerkomitees.<br />

Am Sonntag, dem 14. September 1958 wurde die Mahn- und Gedenkstätte<br />

Buchenwald e<strong>in</strong>geweiht.<br />

Seitdem lässt <strong>uns</strong> die von Fritz Cremer geschaffene Figurengruppe vor dem weit<br />

<strong>in</strong> das thür<strong>in</strong>gische Land ragenden Glockenturm <strong>in</strong>ne hal<strong>ten</strong> im Gedenken an die<br />

Männer und Frauen auf dem Ettersberg und <strong>in</strong> den für die Nazi-Rüstungs<strong>in</strong>dustrie<br />

errichte<strong>ten</strong> Nebenlager. Sie waren aus den von der Wehrmacht besetz<strong>ten</strong><br />

Ländern Europas zusammengetrieben. Unendlich viele von ihnen s<strong>in</strong>d nach<br />

schwerster Arbeit vor Hunger und Kälte zu Tode gekommen.<br />

Wir gedenken derer, die zu solidarischem Mite<strong>in</strong>ander fanden, sich konspirativ<br />

zum Widerstand formier<strong>ten</strong> und am 11. April 1945 das Zeichen des Internationalen<br />

Lagerkomitees aufnahmen, mit der Waffe <strong>in</strong> der Hand die SS-Bewacher<br />

von den Türmen zu Jagen, festzunehmen und zwei Tage später den herangerück<strong>ten</strong><br />

US-Truppen unverletzt zu übergeben.<br />

So rufe ich Euch heute die Figuren die Fritz Cremer schuf erneut <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong>:<br />

Der Kämpfer, Der Stürmer, Der Zweifler, Der Junge von Buchenwald<br />

Der Fahnenträger, Der Aufblickenden, Der Befreite.<br />

An dieser Stätte präg<strong>ten</strong> wir jahrzehntelang antifaschistisches Denken. Er<strong>in</strong>nern<br />

will ich an die Jahre, als es mit <strong>uns</strong>erer DDR zu Ende g<strong>in</strong>g. Wendepolitische Eiferer<br />

woll<strong>ten</strong> die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald als Ort der antifaschistischen,<br />

humanistischen Bildung und Erziehung elim<strong>in</strong>ieren. Doch die noch lebenden<br />

Buchenwalder aus ganz Deutschland ta<strong>ten</strong> sich zusammen.<br />

Ich nenne nur e<strong>in</strong>ige von ihnen - Emil Carlebach, Willi Schmidt. Re<strong>in</strong>hold<br />

Lochmann Benno Biebel und Prof. Dr. Erhard Pachaly,<br />

Historiker der Nachkriegsgeneration, schon <strong>in</strong> den 70er Jahren als e<strong>in</strong>ziger nicht<br />

ehemaliger Häftl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> die Reihen der Buchenwalder aufgenommen.<br />

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Sie entfach<strong>ten</strong> e<strong>in</strong>en Proteststurm, der europaweit aufgegriffen, e<strong>in</strong>en bleibenden<br />

Erfolg für das Gedenken an die Opfer der Nazibarbarei erbrachte.<br />

Nicht unerwähnt lasse ich, an der Zurückweisung der Angriffe standen auch<br />

Mitarbeiter der Gedenkstätte für ihre Arbeit, für ihre Lebenswerk e<strong>in</strong>, Frau Dr.<br />

Irmgard Seidel ebenso wie Ottomar Rothmann, selbst Buchenwaldhäftl<strong>in</strong>g gewesen<br />

und heute Ehrenbürger der Stadt Weimar.<br />

Ich wiederhole hier und heute, die Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Buchenwald-Dora<br />

sieht sich dem Schwur von Buchenwald verpflichtet, <strong>in</strong> dem es am Ende heißt:<br />

„<strong>Die</strong> Vernichtung des Nazismus mit se<strong>in</strong>en Wurzeln ist <strong>uns</strong>ere Losung. Der<br />

Aufbau e<strong>in</strong>er neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist <strong>uns</strong>er Ziel."<br />

21000 ehemalige Häftl<strong>in</strong>ge waren es am 19. April 1945, Russen, Franzosen, Polen,<br />

Tschechen, Slowaken und Deutsche, Spanier, Italiener, Luxemburger, Rumänen,<br />

Jugoslawen und Ungarn. Sie waren nach eigenem Willen auf dem Appellplatz<br />

aufmarschiert.<br />

Ihr Blick, wie vor dem 11. April, auf die SS-Kasernen gerichtet, diese jetzt menschenleer,<br />

das Lagertor vor sich, jetzt e<strong>in</strong> offenes Portal und ihre Gedanken<br />

sehnsuchtsweit gerichtet über die Buchen des Ettersberges h<strong>in</strong>weg -heimwärts.<br />

<strong>Die</strong> Feier für ihre to<strong>ten</strong> Kameraden kam zum Ende, der heute historische gewordene<br />

Schwur war verlesen.<br />

Aus den rauen Kehlen der Angetre<strong>ten</strong>en war russisch, französisch, polnisch,<br />

deutsch und englisch zu hören: „Wir schwören"<br />

G<strong>in</strong>a Pietsch und Uwe Streibel sorg<strong>ten</strong> für die musikalische Gestaltung<br />

15


<strong>Die</strong> Verleihung des „Preis für Solidarität und<br />

Menschenwürde 2012“ und der<br />

Ehrenmitgliedschaft des BüSGM<br />

an Gustav-Adolf „Täve“ Schur<br />

durch den Vorsitzenden des BüSGM<br />

Lothar Nätebusch<br />

Laudatio für „Täve“ von Klaus Köste<br />

Der ehrwürdige Münzenbergsaal hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

wechselvollen Geschichte sehr viel<br />

Außergewöhnliches erlebt. Er kennt Geschich<strong>ten</strong>,<br />

von denen man mit Stolz noch<br />

Generationen später berich<strong>ten</strong> wird. Musste<br />

aber auch mit Scham ertragen, wie<br />

hochwürdigen Zeitgenossen<br />

übel mitgespielt werden sollte. Dazu zwei Beispiele aus jüngster Vergangenheit:<br />

Gerade das achte Lebensjahrzehnt im Februar 2011 beendet, stellte hier e<strong>in</strong> -<br />

nun ja - älterer, aber sehr agiler sportlicher Herr vor überfülltem Auditorium se<strong>in</strong>e<br />

2001 <strong>in</strong> Buchform gefasste und 2011 aktualisierte Autobiographie vor. <strong>Die</strong><br />

mehr als zweistündige Veranstaltung wurde zu e<strong>in</strong>er Sternstunde für alle Beteilig<strong>ten</strong>.<br />

Der Achtzigjährige brillierte aus dem Stehgreif mit Anekdo<strong>ten</strong>, Histörchen und<br />

großem gesellschaftspolitischen Durchblick aus se<strong>in</strong>em bewundernswer<strong>ten</strong> Leben<br />

<strong>in</strong> geschichtsträchtiger Zeit. Mir gefiel schon immer der Buchumschlag von<br />

2001, der symbolträchtig <strong>in</strong> gelb und blau gehal<strong>ten</strong>, den Titelhelden im Sattel<br />

se<strong>in</strong>es legendären Diamantrades zeigt, mit se<strong>in</strong>er sprichwörtlich totalen Rennübersicht.<br />

Und diese Übersicht zeichnet Gustav-Adolf „Täve" Schur auch über<br />

diverse Rennsituationen h<strong>in</strong>aus, se<strong>in</strong> Leben lang aus.<br />

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Bis heute <strong>wurden</strong> darüber mehr als 10 Bücher geschrieben und anlässlich se<strong>in</strong>es<br />

80. Geburtstages extra e<strong>in</strong> sehr aussagekräftiger und berührender Film produziert.<br />

(Übrigens der deutsch- amerikanische Kameramann, der für dieses K<strong>uns</strong>twerk<br />

mit verantwortlich zeichnete, konnte vor Drehbeg<strong>in</strong>n mit dem Namen<br />

Schur nichts anfangen. Er zählt heute zu den glühends<strong>ten</strong> „Tävefans tt .). Was also<br />

hatte mich bloß gerit<strong>ten</strong>, gleich bei „Täves“ erster Anfrage begeistert und stolz<br />

zu beteuern, dass ich liebend gern die Laudatio für die heutige Preisverleihung<br />

übernehme.<br />

Jeder kennt se<strong>in</strong>e Vita. Im heutigen Programmheft s<strong>in</strong>d nochmals wesentliche<br />

Eckpunkte der Biographie dieses Ausnahmekönners und großartigen Menschen<br />

„Täve“ Schur chronologisch nachvollziehbar. Warum also ich? Ke<strong>in</strong>esfalls aus<br />

Selbstüberschätzung oder Gefühlsduselei, sondern <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Freundespflicht.<br />

Am 4. August 2011 fand hier an gleicher Stelle e<strong>in</strong>e Buchpremiere der besonderen<br />

Art statt. <strong>Die</strong> Stiftung Deutsche Sporthilfe gründete 2008 e<strong>in</strong>e Ruhmeshalle<br />

des Sports, wohl bemerkt des Deutschen Sports. E<strong>in</strong> virtueller Ehrenplatz für<br />

Vorbilder aus Vergangenheit und Gegenwart, denen nachzueifern e<strong>in</strong> erstrebenswertes<br />

Ziel der Meister von morgen und übermorgen se<strong>in</strong> sollte.<br />

In dieser ers<strong>ten</strong> „Hall of Fame" des Deutschen Sports fanden Größen Nazideutschlands<br />

ebenso Aufnahme, wie e<strong>in</strong>e überbordende Anzahl bundesdeutscher<br />

Athle<strong>ten</strong>, bei str<strong>in</strong>genter Ablehnung erfolgreichster Sportler und Sportler<strong>in</strong>nen<br />

aus der DDR.<br />

Bei der Neuaufnahme von weiteren 21 Aktiven im Jahre 2011 sollte dieser<br />

„Faux Pas" behoben werden, signalisier<strong>ten</strong> die Initiatoren. <strong>Die</strong> neue Jury umfasste<br />

28 Namen, darunter Dr. Manfred Merkel, e<strong>in</strong> Wildwasserkanute der Weltklasse<br />

aus Leipzig. Also, Ost-West Verhältnis: l zu 27. Noch zu bemerken wäre,<br />

dass mehr als 50 Prozent zur sogenann<strong>ten</strong> Hochf<strong>in</strong>anz zählen bzw. als sportlich<br />

„unbedarfte“ Politiker gel<strong>ten</strong> müssen. Kurz und schlecht: Es gab e<strong>in</strong> paar Alibiaufnahmen<br />

des DDR- Sports. „Täve“ Schur wurde abgelehnt, nicht würdig für<br />

die "Hall of Farne" des Deutschen Sports.<br />

Rückblende dazu:<br />

Als „Täve“ 1998 für die PDS <strong>in</strong> den Bundestag gewählt wurde suchte er sich<br />

se<strong>in</strong>e „Mannschaft", die mit ihm auch auf ungewohnt, rutschigem Terra<strong>in</strong>, ohne<br />

Bruchlandungen erfolgreich Etappenankünfte gestal<strong>ten</strong> konnte. Als langjährig<br />

guter Freund und bester Ratgeber, sowohl auf sportpolitischem Gebiet, als auch<br />

im Dschungeldickicht der „hohen" Politik, war mit Dr. Klaus Huhn, dem großen<br />

Klaus (1,89m) schon immer geballte Kompe<strong>ten</strong>z an se<strong>in</strong>er Seite und als dessen<br />

Pendant - Klaus Köste - dem kle<strong>in</strong>en Klaus (1,64m) wurde die hoffnungsvolle<br />

Troika komplettiert: Sehr oft <strong>in</strong> der 14. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages<br />

wurde noch <strong>in</strong> später Nacht das Faxgerät vom großen Klaus aus dem<br />

Bundestagsbüro mit <strong>diesem</strong> „Notruf“ bemüht: „Hilfe, Hilfe großer Klaus, wir<br />

bau'n Mist, hau <strong>uns</strong> da raus". Noch schnell das Anliegen der Bedräng<strong>ten</strong> aufs<br />

Band und vor <strong>Die</strong>nstbeg<strong>in</strong>n am frühen Morgen war Abhilfe da. Nicht ohne die<br />

launige Bemerkung: „Ihr könnt ja janze Völkerstämme beschäftigen".<br />

17


Zurück zum 4. August 2011 im wiederum vollbesetz<strong>ten</strong> Münzenbergsaal.<br />

Buchpremiere: „Der Ruhm und ich“ von Gustav-Adolf Schur.<br />

„Täve“ wollte und konnte das Negativ-Bild des DDR-Sports und, was über ihn<br />

selbst massiv medial verbreitet wurde, nicht widerspruchslos h<strong>in</strong>nehmen.<br />

„Der Vorwurf, <strong>uns</strong>er Sportsystem <strong>in</strong> der DDR wäre e<strong>in</strong>e krim<strong>in</strong>elle Vere<strong>in</strong>igung<br />

gewesen, geht mir ans Herz“ und weiter bezeichnete er die DDR „als<br />

Musterland der Entwicklung von sportlicher Gesundheit". Der große Klaus<br />

lieferte die Fak<strong>ten</strong> <strong>in</strong> Buchform und der kle<strong>in</strong>e Klaus führte das Gespräch mit<br />

„Täve“. <strong>Die</strong> Troika funktioniert noch immer.<br />

Ich eröffnete mit Weishei<strong>ten</strong> für jeden Tag. <strong>Die</strong>ses Büchle<strong>in</strong> ist mir e<strong>in</strong> ständiger<br />

Wegbegleiter. Dem Anlass dieser außergewöhnlichen Buchpremiere entsprechend,<br />

begann ich mit dazu passenden Zita<strong>ten</strong>.<br />

Huxley stellte fest:<br />

„Erfahrung ist nicht das, was e<strong>in</strong>em zustößt. Erfahrung ist das, was man daraus<br />

macht, was e<strong>in</strong>em zustößt.“<br />

„Was „Täve“ daraus machte, deshalb s<strong>in</strong>d wir heute hier.“<br />

Doch „Täve“ konnte gar nicht anders, das wusste schon vor mehr als 2.000 Jahren<br />

Heraklit: denn „Der Charakter ist das Schicksal des Menschen“<br />

Also folgte „Täve“ Bert Brecht, der me<strong>in</strong>te: „Ich rate, lieber mehr zu können<br />

als man macht, als mehr zu machen als man kann.“<br />

Aber Shakespeare gab zu bedenken: „Was Große tun, beschwatzen gern die<br />

Kle<strong>in</strong>en.“<br />

Mit pädagogischer Weitsicht fügte Georg Christoph Lich<strong>ten</strong>berg h<strong>in</strong>zu: „Um<br />

anderer Leute Fehler zu sehen, verwandeln manche Leute ihre Augen <strong>in</strong> Mikroskope.“<br />

Das Fazit dieser 5 Weishei<strong>ten</strong> kommt vom großen französischen<br />

Aufklärer Jean Jacques Rousseau: „Es ist mehr wert, jederzeit die Achtung der<br />

Menschen zu haben, als gelegentlich ihre Bewunderung“.<br />

Begeisterter Applaus im Auditorium.<br />

Aber im ND vom 6. August 2011 ist auch zu lesen:<br />

„Im Münzenbergsaal tummel<strong>ten</strong> sich während der gut zweistündigen Veranstaltung,<br />

moderiert vom ehemaligen DDR-Weltklasseturner Klaus Köste,<br />

gleich mehrere Medienvertreter, darunter Reporter vom Deutschlandfunk und<br />

von der "Bild"- Zeitung, sogar ARD-Sportreporter und „Dop<strong>in</strong>gexperte“<br />

Hajo Seppelt war mit e<strong>in</strong>em Fernsehteam vor Ort. Sie <strong>wurden</strong>, ebenso wie die<br />

Gäste, Zeuge e<strong>in</strong>er direk<strong>ten</strong> Konfrontation.“<br />

Als die Fragerunde eröffnet wurde melde<strong>ten</strong> sich zwei Herren <strong>in</strong> den h<strong>in</strong>teren<br />

Reihen. Es waren Uwe Trömer und Andreas Krieger. Beide anerkannte DDR-<br />

Dop<strong>in</strong>g-Opfer und beide Unterzeichner des offenen Protestbriefes zur Nom<strong>in</strong>ierung<br />

Schurs für die „Hall of Farne".<br />

„Hören Sie auf zu leugnen, dass es <strong>uns</strong> gibt“ riefen sie unter anderem <strong>in</strong> den<br />

Saal. Nach e<strong>in</strong>em hochemotionalen Wortgefecht unter Gäs<strong>ten</strong> - Schur und Köste<br />

hiel<strong>ten</strong> sich zurück - verließen beide fluchtartig den Saal. „Täve“ hatte im Bundestag<br />

mehrmals zu Problemen des Dop<strong>in</strong>gs gesprochen. Se<strong>in</strong> Credo, die konse-<br />

18


quente Bekämpfung jeglichen Dop<strong>in</strong>gs. Ich zitiere aus se<strong>in</strong>er Rede vom<br />

31.5.2001:<br />

„Ich b<strong>in</strong> gegen jedes Dop<strong>in</strong>g, das habe ich oft genug erklärt. Ich b<strong>in</strong> dafür,<br />

dass Dop<strong>in</strong>g juristisch verfolgt wird und zwar im Leistungssport und <strong>in</strong> den<br />

Fitnesszentren. Es ist auch vonnö<strong>ten</strong>, durch Dop<strong>in</strong>g gesundheitlich Geschädigte<br />

gebührend zu entschädigen. Aber dieses Hohe Haus hat Entscheidungen<br />

für ganz Deutschland zu treffen und nicht - wenn es gerade wieder mal<br />

politisch so passt - für die Gegend um Schwer<strong>in</strong> oder Leipzig, Erfurt oder<br />

Dresden. Also - wenn gegen Dop<strong>in</strong>g und Dop<strong>in</strong>gmissbrauch kämpfen - dann<br />

deutschlandweit“.<br />

Weiter dazu, aus der Rede vom 14.6.2002 zum Dop<strong>in</strong>gopfer – Hilfegesetz<br />

(DOHG)<br />

„Abschließend: wir s<strong>in</strong>d für e<strong>in</strong> Dop<strong>in</strong>gopfer-Hilfegesetz, entsprechend der<br />

Grundgesetzforderung, vor dem Gesetz s<strong>in</strong>d alle Deutschen gleich. E<strong>in</strong> Dop<strong>in</strong>gopfer-Hilfegesetz,<br />

das nachweislich geschädig<strong>ten</strong> Sportler<strong>in</strong>nen und<br />

Sportlern aus ganz Deutschland Entschädigung sichern würde. Mit vorliegenden<br />

Gesetzentwürfen wird das ausgeschlossen. Deshalb stimme ich dagegen.<br />

Me<strong>in</strong>es Wissens nach, werden sich viele me<strong>in</strong>er Fraktion der Stimme enthal<strong>ten</strong>."<br />

Beim Herausgehen aus dem Bundestag gesellte sich e<strong>in</strong> hochrangiger Offizier<br />

der Bundeswehr - gold gefloch<strong>ten</strong> - zu <strong>uns</strong>, klopfte „Täve“ auf die Schulter, sagte:<br />

„Respekt Herr Schur, das nenne ich Charakter“, verbeugte sich militärisch<br />

knapp und g<strong>in</strong>g.<br />

Wie oft hat man versucht diesen Menschen Gustav-Adolf „Täve“ Schur zu demütigen,<br />

zu verleugnen, mit anonymen Morddrohungen e<strong>in</strong>zuschüchtern, ihn für<br />

dumm zu verkaufen. Im Endeffekt verkehrte sich immer alles <strong>in</strong>s Gegenteil.<br />

E<strong>in</strong>ige Beisppiele:<br />

Als BRD-Justiz- und späterer -Außenm<strong>in</strong>ister wollte Klaus K<strong>in</strong>kel, was auch<br />

nur annähernd nach DDR roch, delegitimieren. Beim traditionellen Bundestagslauf<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> suchte er „Täves“ Nähe, um mit ihm Hand <strong>in</strong> Hand <strong>in</strong>s Ziel zu laufen,<br />

so geme<strong>in</strong>sames Bemühen zur Verbesserung des Schulsports <strong>in</strong> Deutschland<br />

zu signalisieren.<br />

Für den Sportausschussvorsitzenden Friedhelm-Julius Beucher war es e<strong>in</strong>e Ehre<br />

als persönlicher Geburtstagsgast bei „Täve“ aufzukreuzen.<br />

Bei me<strong>in</strong>en ers<strong>ten</strong> Wahlkampfaktionen <strong>in</strong> Bonn für die PDS <strong>wurden</strong> wir <strong>in</strong><br />

schmutzigster Form beschimpft. Ich g<strong>in</strong>g auf e<strong>in</strong>en der Geiferer zu und fragte<br />

ihn, was er denn gegen Täve Schur e<strong>in</strong>zuwenden habe. Völlig überrascht sagte<br />

er, dass er aus Erfurt stamme und schon als Knirps die Friedensfahrtankünfte bejubelt<br />

habe.<br />

Zum Schluss war er glücklich, als ich ihm e<strong>in</strong> Bild mit Autogramm vom PDS<br />

Bundestagsabgeordne<strong>ten</strong> „Täve“ Schur <strong>in</strong> die Hand drückte.<br />

Das Phänomen Schur haben schon viele versucht zu erklären. Der „Spiegel" versuchte<br />

es 1990 so:<br />

19


„Täve ist so, wie der Sozialismus immer se<strong>in</strong> wollte. Täve fahrt Trabi, Täve<br />

tr<strong>in</strong>kt nicht, Täve raucht nicht. Täve isst jeden Morgen warme Haferflocken,<br />

um die Magenwände zu stärken. „Täve“ ist bescheiden, immer fröhlich, sieht<br />

aus wie e<strong>in</strong>e Mischung aus Hans Modrow, Fred Astaire und Sepp Herberger<br />

und redet auch so".<br />

Das ist gar nicht so lächerlich, wie es im ers<strong>ten</strong> Moment sche<strong>in</strong>t. Wenn selbst<br />

Gegner irgendwie bestätigen müssen, dass der Sozialismus doch e<strong>in</strong>e ganz vernünftige<br />

Sache ist, dann f<strong>in</strong>de ich das wirklich schon phänomenal.<br />

Wie Freunde mit dem Phänomen „Täve“ umgehen, erlebte ich mit ihm e<strong>in</strong>drucksvoll<br />

vor sechs Wochen beim 40. Rennsteiglauf. 17.000 aktive Teilnehmer.<br />

35.000 Sportbegeisterte zwischen Schmiedefeld, Suhl und Oberhof. Und<br />

<strong>uns</strong>er „Täve“ mit<strong>ten</strong>dr<strong>in</strong>. Schließlich lief er ja den Halbmarathon mit. Mit 81<br />

Jahren!!! Ungewöhnlich genug. Außergewöhnlich aber, ja e<strong>in</strong>fach phänomenal,<br />

die knapp 800 m vom Berghotel <strong>in</strong> Oberhof zur Turnhalle, zum E<strong>in</strong>schreiben <strong>in</strong><br />

die Startlis<strong>ten</strong> und wieder zurück <strong>in</strong> mehr als zwei Stunden.<br />

Alle erkann<strong>ten</strong> ihn, jubel<strong>ten</strong> ihm zu - wie bei der WM 1960 am Sachsenr<strong>in</strong>g, als<br />

er h<strong>in</strong>ter Ecke „nur" Zweiter wurde - drück<strong>ten</strong> ihm die Hände, woll<strong>ten</strong> wenigs<strong>ten</strong>s<br />

e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Foto, Autogramme auf T-Shirts oder Startnummern und,<br />

und, und.<br />

Und „Täve“ erfüllte alle Wünsche, gab jedem das Gefühl, dass er ihn ganz persönlich<br />

kenne. E<strong>in</strong>malig.<br />

Ich behaupte, „Täve“ ist fast 50 Jahre nach Beendigung se<strong>in</strong>er aktiven Laufbahn<br />

noch bekannter und beliebter als je zuvor.<br />

Erklärungsversuch:<br />

„Täve“ ist sich und se<strong>in</strong>er sozialistischen Überzeugung immer treu geblieben.<br />

E<strong>in</strong> unermüdlicher Streiter für soziale Gerechtigkeit. Er, der so Hervorragendes<br />

geleistet hat, war immer e<strong>in</strong> Anwalt der Schwächeren und Benachteilig<strong>ten</strong>. <strong>Die</strong><br />

Verleihung des Ehrenpreises für Solidarität und Menschenwürde 2012 ist verdiente<br />

Würdigung se<strong>in</strong>er gesam<strong>ten</strong> Lebensleistung.<br />

Grußwort von Klaus Huhn zur Preisverleihung für<br />

Solidarität und Menschenwürde<br />

Ich erahne nicht, was die E<strong>in</strong>lader bewog, mich um<br />

e<strong>in</strong> Grußwort zu bit<strong>ten</strong> und obendre<strong>in</strong> fällt es mir<br />

nicht mal leicht, die Abkürzung des Bündnisses reibungslos<br />

auszusprechen, aber se<strong>in</strong> Anliegen und vor<br />

allem die heute hier Geehr<strong>ten</strong> seien auch von mir<br />

herzlich begrüßt, der sich höchs<strong>ten</strong>s darauf berufen<br />

kann, zum Urgeste<strong>in</strong> des DDR-Journalismus zu gehören<br />

und damit zu e<strong>in</strong>em der Chronis<strong>ten</strong> dessen, was<br />

wir geme<strong>in</strong>sam geschaffen haben.<br />

<strong>Die</strong> Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Buchenwald-Dora muss ich niemandem vorstellen,<br />

aber ich er<strong>in</strong>nere mich daran, dass mich e<strong>in</strong>er der berühmtes<strong>ten</strong> kanadischen<br />

20


Journalis<strong>ten</strong> bat, mit ihm dieses Lager zu besuchen.<br />

Zu den Opfern, die dort begraben waren gehör<strong>ten</strong> auch vier kanadische Pilo<strong>ten</strong>,<br />

deren Gräber <strong>in</strong> der DDR sorgsam gepflegt <strong>wurden</strong>, was e<strong>in</strong>es Tages den kanadischen<br />

M<strong>in</strong>isterpräsiden<strong>ten</strong> veranlasste e<strong>in</strong>en Dankbrief zu schreiben.<br />

Es war der erste Kontakt zwischen der kanadischen Regierung und der DDR.<br />

Der Journalist schrieb später e<strong>in</strong> Buch über den <strong>in</strong> Kanada bestaun<strong>ten</strong> DDR-<br />

Sport und das begann mit der Entzündung der Flamme für die K<strong>in</strong>der-und Jugendspartakiade<br />

und steht heute noch <strong>in</strong> den Bibliotheken vieler kanadischer<br />

Universitä<strong>ten</strong>.<br />

Und damit wäre ich schon beim zwei<strong>ten</strong> heute Ausgezeichne<strong>ten</strong>, nämlich Täve<br />

Schur. Wir waren schon zusammen 1956 <strong>in</strong> Melbourne und dort wollte der BND<br />

e<strong>in</strong> Dossier über ihn von mir haben, weil man versuchen wollte, ihn zu überreden,<br />

die DDR zu verra<strong>ten</strong>. Der BND hat ke<strong>in</strong> Dossier bekommen und nie hat jemand<br />

Täve Schur überreden können, die DDR zu verra<strong>ten</strong>. Man hatte mich e<strong>in</strong>geladen<br />

e<strong>in</strong> Grußwort zu sprechen.<br />

Wen sollte ich grüßen, wenn nicht die Ausgezeichne<strong>ten</strong>? Und dann natürlich<br />

alle, die sich heute hier zu dieser festlichen Stunde versammelt haben. In e<strong>in</strong>em<br />

Saal, <strong>in</strong> dem ich mir schon vor 40 Jahren Mühe gab, die Wahrheit zu verbrei<strong>ten</strong>.<br />

Ansprache des Preisträgers „Täve Schur“<br />

Mit launigen Wor<strong>ten</strong> bedankte sich „Täve“<br />

bei den Anwesenden Teilnehmer<strong>in</strong>nen und<br />

Teilnehmern aus der DDR, dass sie ihm mit<br />

ihrer Arbeit die Karriere als Radsportler ermöglicht<br />

haben.<br />

Er er<strong>in</strong>nerte an Stationen se<strong>in</strong>er sportlichen<br />

Laufbahn und sagte wörtlich:<br />

Ich danke allen im Bündnis für Soziale Gerechtigkeit<br />

und Menschenwürde, die dafür<br />

plädier<strong>ten</strong>, mir den „Preis für Solidarität und<br />

Menschenwürde" zu verleihen und natürlich<br />

denen, die das entschieden haben.Ich danke<br />

Klaus Köste für se<strong>in</strong>e Laudatio, die mich<br />

über den grünen Klee lobte, was ich vielleicht<br />

gar nicht verdient habe.<br />

Wie dem auch sei, jedem leuchtet e<strong>in</strong>, dass man im Radsattel wenig Muße hat,<br />

viel zu lesen, aber ich habe dennoch ziemlich viel gelesen und dabei auch viel<br />

gelernt.<br />

Zum Beispiel: Was ist Solidarität? <strong>Die</strong> kluge Bett<strong>in</strong>a von Amim hat schon vor<br />

200 Jahren geschrieben: „<strong>Die</strong> Armen s<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>sames Volk, aber die Reichen<br />

s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Volk, da ist jeder für sich und nur dann s<strong>in</strong>d sie<br />

21


geme<strong>in</strong>sam, wenn sie e<strong>in</strong>e Beute teilen auf Kos<strong>ten</strong> des Volkes." Ich wiederhole:<br />

Vor 200 Jahren und wenn ich heute e<strong>in</strong>en Preis bekomme, der der Solidarität<br />

gewidmet ist, b<strong>in</strong> ich sehr stolz darauf, denn ich habe immer mit den Armen gekämpft<br />

und werde es tun, solange ich lebe. Und noch e<strong>in</strong>e uralte Weisheit fand<br />

ich zu <strong>diesem</strong> Begriff. Schiller schrieb im Wilhelm Teil „Verbunden werden<br />

auch die Schwachen mächtig". Zum Thema Menschenwürde fand ich das treffende<br />

Zitat: „<strong>Die</strong> Missachtung der Menschenwürde ist e<strong>in</strong>e Kriegserklärung<br />

an alle Menschen".<br />

Und dann richtete ich die Frage an mich: Hast Du <strong>in</strong> De<strong>in</strong>em Leben genug <strong>in</strong><br />

dieser H<strong>in</strong>sicht getan, um e<strong>in</strong>en solchen Preis entgegennehmen zu können?<br />

Würde ich darauf mit „Ja" antwor<strong>ten</strong>, geriete ich unweigerlich <strong>in</strong> Verdacht, mich<br />

selbst über den grünen Klee zu loben, was, wie man weiß, nicht zu me<strong>in</strong>en Eigenschaf<strong>ten</strong><br />

gehört.<br />

In dieser H<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> dieser Stunde e<strong>in</strong>e behutsame Bilanz ziehen zu wollen, gelangte<br />

ich zu dem Schluss, dass ich nie gegen die Solidarität verstieß und auch<br />

nie Menschenwürde verletzte.<br />

Viele hier im Saal wissen, was man mir vor allem <strong>in</strong> den letz<strong>ten</strong> zwanzig Jahren<br />

alles vorgeworfen hat und unlängst entschied man sogar, dass ich nicht würdig<br />

sei, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e so genannte Halle des Ruhms aufgenommen zu werden, weil ich<br />

noch immer e<strong>in</strong>er Vergangenheit anhänge, die höheren Orts und sogar durch Gesetze<br />

verurteilt und verleumdet wird.<br />

Es geht um die Vergangenheit, <strong>in</strong> der die Solidarität viel bewegte und sich nach<br />

den Wor<strong>ten</strong> der Bett<strong>in</strong>a von Amim richtete.<br />

Und was immer man dieser Vergangenheit sonst noch vorwerfen mag, sie bewahrte<br />

jeden vor der Menschenwürde, die Obdachlose <strong>in</strong> U-Bahn-Tunnel verbannt<br />

und Mütter <strong>in</strong> Mülltonnen nach dem Mittagessen für ihre K<strong>in</strong>der wühlen<br />

lässt.<br />

Jawohl, ich gestehe, die Gesellschaft für gut befunden zu haben, <strong>in</strong> der Solidarität<br />

und Würde zu den Grundregeln gehör<strong>ten</strong> und die vor allem den Frieden bewahrte!<br />

Ich danke Ihnen.<br />

22


Erhard Richter, Vorsitzender der Sportsenioren<br />

<strong>in</strong> der <strong>GRH</strong>, gratulierte dem Preisträger<br />

und übermittelte <strong>uns</strong> folgende Worte:<br />

<strong>Die</strong> Aufnahme <strong>uns</strong>eres Sportfreundes Gustav-Adolf<br />

Schur <strong>in</strong> die "Ruhmeshalle des<br />

Sports" wurde ihm verwehrt. 28 Mitglieder gehör<strong>ten</strong><br />

der Jury an - darunter nur e<strong>in</strong> Vertreter<br />

Ostdeutschlands - , die die Aufnahme „Täves“<br />

aus politischen Gründen ablehnte. Täve Schur<br />

bekennt sich zu se<strong>in</strong>er Lebensgeschichte <strong>in</strong> der<br />

DDR, die er nie leugnet.<br />

Der Freundeskreis der Sport-Senioren stand immer<br />

zu „Täve“ und schlug ihn für die Auszeichnung<br />

mit dem Preis für Solidarität und Menschenwürde<br />

vor.<br />

Wir danken dem Bündnis für Soziale Gerechtigkeit<br />

und Menschenwürde e.V., das diese Ehrung<br />

<strong>in</strong> würdiger Form nachhaltig vorgenom-<br />

Damit wurde das Lebenswerk Täve Schurs men als hat.<br />

Sportler und e<strong>in</strong> aufrichtiger<br />

Mensch gewürdigt, der se<strong>in</strong>er Ges<strong>in</strong>nung stets treu blieb.<br />

Grußwort des Vorsitzenden der <strong>GRH</strong><br />

Hans Bauer<br />

Sehr verehrte Anwesende, liebe Freunde, liebe Genoss<strong>in</strong>nen<br />

und Genossen!<br />

Zunächst herzliche Gratulation und solidarische<br />

Wünsche von der <strong>GRH</strong> an die soeben geehrte<br />

LAG Buchenwald-Dora. Eigentlich haben solche<br />

Initiativen höchste staatliche Anerkennung und<br />

Würdigung verdient. Besonders <strong>in</strong> der heutigen<br />

Zeit. Aber die herrschenden Verhältnisse s<strong>in</strong>d<br />

nicht so, obwohl es die Verhältnisse <strong>in</strong> <strong>diesem</strong><br />

Lande dr<strong>in</strong>gend erfordern. Der höchste Repräsentant<br />

dieses Systems, der Bundespräsident, spricht<br />

lieber über Krieg und notwendige Opfer, wie<br />

jüngst an der Bundeswehr-Führungsakademie, statt<br />

über die braune Vergangenheit, über jahrzehntelange<br />

Versäumnisse<br />

und den heute notwendigen Kampf gegen Neofaschismus <strong>in</strong> der BRD. Nicht das<br />

überfällige Verbot der NPD ist se<strong>in</strong> Thema, sondern die Verdammnis der DDR,<br />

ahistorische Diktaturvergleiche und über „se<strong>in</strong>e“ Freiheit. Und wenn herrschende<br />

Politiker über Antifaschismus sprechen, dann s<strong>in</strong>d es zumeist hohle Phrasen.<br />

<strong>Die</strong> Tatsachen widerlegen den Pathos der Worte, wie Kriegs- und Heldendenk-<br />

23


mäler, Gedenkstät<strong>ten</strong> und Museen, Straßenbenennungen und -umbenennungen<br />

beweisen.<br />

Uns als <strong>GRH</strong> ist Antifaschismus Herzenssache. Wir bekennen <strong>uns</strong> nicht nur<br />

dazu. Unser Wirken ist besonders auch dem antifaschistischen Erbe und dem<br />

Kampf gegen Neofaschismus gewidmet. Viele der nach 1990 politisch Verfolg<strong>ten</strong>,<br />

die wir vertre<strong>ten</strong>, s<strong>in</strong>d ausgewiesene Antifaschis<strong>ten</strong>. E<strong>in</strong>ige von ihnen hat<strong>ten</strong><br />

am antifaschistischen Widerstand aktiv teilgenommen, wie z.B. He<strong>in</strong>z Keßler an<br />

der Seite der Ro<strong>ten</strong> Armee im Nationalkomitee Freies Deutschland und der OG-<br />

Vizepräsident Hans Re<strong>in</strong>warth, der <strong>in</strong>s Strafbataillon 999 gezwungen wurde.<br />

Ja, liebe Freunde, <strong>uns</strong>ere Werte von Menschlichkeit, nämlich zuallererst Frieden<br />

und Gerechtigkeit, s<strong>in</strong>d völlig andere als die der spätkapitalistischen Gesellschaft<br />

und dieses Systems. Deshalb freuen wir <strong>uns</strong> auch besonders über den<br />

Kandida<strong>ten</strong>, der ebenfalls geehrt werden soll, Gustav Adolf Schur. Er<strong>in</strong>nerung<br />

und Wachhal<strong>ten</strong> der Vergangenheit und der heutige Kampf um Fortschritt und<br />

historischen Optimismus – beides gehört zusammen. Und beide, die heute ausgezeichnet<br />

werden, verkörpern dies. Täve ist e<strong>in</strong> Mensch, der beiden Ansprüchen<br />

gerecht wird. Humanistisch, lebens- und volksverbunden, als Antifaschist<br />

und Sozialist fortschrittlich und optimistisch – das ist <strong>uns</strong>er Täve.<br />

Wir als <strong>GRH</strong> haben seit Jahren viele geme<strong>in</strong>same Berührungspunkte mit ihm.<br />

Vor 1990 selbstverständlich, danach sogar noch <strong>in</strong><strong>ten</strong>siver. Treffen mit den<br />

Sportsenioren und <strong>uns</strong>erer AG Sport der <strong>GRH</strong> um Erhard Richter, Besuche im<br />

Museum <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>mühl<strong>in</strong>gen, Treffen im Marzahner Sportmuseum – jede Zusammenkunft<br />

mit Täve war und ist e<strong>in</strong> Genuss, gibt neue Kraft und vermittelt<br />

notwendige Freude an <strong>uns</strong>erer Aufgabe.<br />

Danke Täve, danke Ihr Freunde von der LAG Buchenwald-Dora. Wir brauchen<br />

Euch im geme<strong>in</strong>samen Kampf um e<strong>in</strong>e bessere, gerechte und friedliche Welt.<br />

Danken möchte ich auch dem BüSGM für die ausgezeichnete Auswahl dieser<br />

Gruppe und Persönlichkeit.<br />

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Grußwort des Botschafters der Republik<br />

Kuba Raúl Becerra<br />

Sehr geehrte Genossen Gert Julius, Peter <strong>Die</strong>trich,<br />

Gert Julius, Lothar Nätebusch, Bernhard<br />

Werner, liebe Mitglieder des Bündnisses für Soziale<br />

Gerechtigkeit und Menschenwürde, e<strong>in</strong>e<br />

hoch angesehene Organisation zu G<strong>uns</strong><strong>ten</strong> der<br />

Menschenrechte, Genossen und Genoss<strong>in</strong>nen,<br />

zunächst möchte ich den Organisatoren dieser<br />

Veranstaltung für die E<strong>in</strong>ladung danken und für<br />

die Gelegenheit, e<strong>in</strong> paar Worte zu sagen.<br />

Wir fühlen <strong>uns</strong> sehr wohl bei Ihnen und auch<br />

dankbar. Zwei Mal haben wir die Ehre gehabt,<br />

von Ihnen Ihren jährlichen Preis zu bekommen.<br />

<strong>Die</strong> ers<strong>ten</strong> waren die fünf Kubaner, die <strong>in</strong> den<br />

USA <strong>in</strong>haftiert s<strong>in</strong>d.<br />

Sie verbüßen sehr lange Haftstrafen <strong>in</strong> US-Gefängnissen, weil sie ihr Volk von<br />

den terroristischen Aktionen geschützt haben, die von <strong>diesem</strong> Nachbarland von<br />

Kuba f<strong>in</strong>anziert und organisiert werden. Bei der zwei<strong>ten</strong> Gelegenheit bekam<br />

den Preis der Genosse Raúl Castro Ruz, Präsident des Staats- und M<strong>in</strong>isterrats<br />

und Erster Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas, e<strong>in</strong><br />

Kommunist, der schon <strong>in</strong> frühem Alter, se<strong>in</strong> Leben dem Kampf für die Freiheit<br />

Kubas gewidmet hat und zwar <strong>in</strong> Begleitung se<strong>in</strong>es Bruders Fidel.<br />

Wir danken Ihnen dafür, dass wir jederzeit mit Ihnen und mit Ihrer Solidarität<br />

rechnen konn<strong>ten</strong>, was nicht sel<strong>ten</strong> war, denn die Verleumdungskampagnen gegen<br />

Kuba s<strong>in</strong>d häufig und Sie s<strong>in</strong>d immer auf <strong>uns</strong>erer Seite gewesen.<br />

Wir können Ihnen versichern, dass Kuba Sie nicht im Stich lassen wird und dass<br />

eher früher als später der Sozialismus e<strong>in</strong>e universelle Realität se<strong>in</strong> wird. Wie es<br />

<strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika bewiesen wurde, wird der Neoliberalismus auch ke<strong>in</strong> versprechendes<br />

Modell für Europa se<strong>in</strong>.<br />

Wir müssen den Schwur von jenen 21000 Überlebenden des Konzentrationslagers<br />

Buchenwald als <strong>uns</strong>er betrach<strong>ten</strong>, als sie am 19. April 1945 Folgendes beschlossen<br />

haben: "<strong>Die</strong> Vernichtung des Nazismus mit se<strong>in</strong>en Wurzeln ist <strong>uns</strong>ere<br />

Losung. E<strong>in</strong>e neue Welt des Friedens und der Freiheit ist <strong>uns</strong>er Ziel“.<br />

Wir dürfen die Gelegenheit nicht versäumen, um den Mitgliedern der „Lagerarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Buchenwald Dora“ und se<strong>in</strong>em Vorsitzenden Günter Pappenheim<br />

<strong>uns</strong>ere Danksagung zum Ausdruck zu br<strong>in</strong>gen, und zwar für ihren Beitrag<br />

zum Sieg gegen den Faschismus. Ebenfalls wollen wir die Bewunderung und<br />

Respekt des kubanischen Volkes ausdrücken.<br />

Zum Schluss möchte ich dem berühmtes<strong>ten</strong> Sportler der DDR, Herrn Gustav<br />

Adolf Schur gratulieren, e<strong>in</strong> Kommunist, der schlicht und tapfer das Trikot der<br />

Mannschaft zu verteidigen wusste.<br />

Vielen Dank!<br />

25


Wir danken der Tageszeitung Neues Deutschland,<br />

der Tageszeitung „junge Welt“ und Peter Bär für die<br />

Unterstützung der diesjährigen Preisverleihung.<br />

28

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