Gefesselte Gespenster - Jungschar.biz
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Zum fünftenmal, dachte Pipin, und lächelte über Renés lampenfiebrige Geschäftigkeit. Muss wirklich<br />
aufregend sein für ihn! Er allein trägt die Verantwortung für den Wagen. Geht was schief, dann ist er<br />
mächtig blamiert. Passiert was, dann ist er schuld. Kein Wunder, dass er so aufgeregt ist.<br />
Hastig hob René die Werkzeugkiste heraus, wickelte die Schraubenschlüssel aus ihren Putzlappenhüllen,<br />
zählte sie, wickelte sie wieder ein. Kramte das Flickzeug hervor, überzeugte sich zum endgültig<br />
allerletztenmal, dass Schere, Gummi und Gummilösung vorhanden waren, tastete nach dem Wagenheber<br />
und nach der Luftpumpe und packte wieder ein.<br />
Die Jungen rutschten seit einer halben Stunde auf den Holzsitzen herum und versuchten, durch eifriges<br />
Reiben Arme und Knie zu erwärmen. So heiß es am Mittelmeer tagsüber gewöhnlich ist, so kühl ist es<br />
nachts und frühmorgens. Sehnsüchtig warteten sie auf die Sonne, die gerade über die Berge kletterte.<br />
„Können wir nicht mal was anderes tun als frieren?“ maulte André und warf dem Expeditionsleiter<br />
Maurice einen bösen Blick zu.<br />
„Was denn?“<br />
„Na, zum Beispiel abfahren! Wäre quasi gewissermaßen eine Abwechslung.“<br />
„Gleich, sofort!“ brummte René. „Ich muss nur mal eben . . .“<br />
„Wenn du jetzt sagst; nur mal eben nachsehen, ob die Kolben wirklich drin sind, dann geh‘ ich nach<br />
Hause und leg‘ mich wieder ins Bett!“ schimpfte jetzt auch Maurice und gähnte. Früh aufstehen schätzte<br />
er nicht, und heute war er sogar um fünf Uhr — „mitten in der Nacht“, wie er sich ausdrückte — von<br />
André geweckt worden.<br />
René fasste schnell noch mal in die Tasche seines Sporthemdes, um festzustellen, ob die beiden<br />
Ersatzventile noch da seien. Als das tatsächlich der Fall war und er gerade das Zeichen zur Abfahrt<br />
geben wollte, öffnete sich bei Gregoriades das Küchenfenster.<br />
Stumm und traurig schaute der große alte Mann zu den Jungen hinüber, stopfte langsam und<br />
umständlich das Nachthemd in die Hose, knöpfte das rote Bördchen zu und winkte sie mit einer<br />
schwerfälligen Armbewegung zu sich heran. Alle sechs gehorchten wortlos und augenblicklich; und als<br />
sie unter dem Fenster standen, stieß Gregoriades zwischen zwei heiseren Schnaufern flüsternd hervor:<br />
„Kommt rein! Aber leise!“<br />
Sie gingen um das Haus herum, der Alte öffnete die Ladentür, mit der einen Hand die Klingel<br />
festhaltend, und führte sie in die kleine, schäbige Küche. Auf dem Tisch lagen sechs Tafeln Schokolade<br />
und zwölf Apfelsinen. Gregoriades atmete rasselnd und drückte schmatzend die Lippen aufeinander. Er<br />
wollte etwas sagen, aber er konnte nicht. Statt dessen machte er eine heftige Kopfbewegung zum Tisch<br />
hin und kramte aus der Hosentasche einige Geldstücke hervor, die er André in die Hand drückte.<br />
„Für die Fahrt. Für unterwegs!“ keuchte er. Sein Schnurrbart zitterte ein wenig, und seine Augen gingen<br />
unruhig hin und her. Die Jungen bedankten sich und nahmen jeder ihr Teil. Der alte Pill pustete, keuchte<br />
röhrend und machte verlegene Handbewegungen.<br />
Als die Jungen sich zum Gehen wandten, ertönte draußen ein quietschendes Geräusch. Automatisch<br />
dachte Pipin: zum sechstenmal! Es erinnerte ihn unwillkürlich an die Scharniere des Kofferraumes. Die<br />
übrigen Jungen hörten das Quietschen nicht; Gregoriades‘ schnaufende Erregtheit, die ungewöhnliche<br />
Geste des sonst so geizigen Mannes nahm ihre Aufmerksamkeit gefangen. Alle dachten dasselbe: Er will<br />
uns ermahnen, wir sollen an die Zeichnung denken.<br />
Als sie draußen waren, runzelte René die Stirn und machte: „Te—te—te.“<br />
Seppe flüsterte grinsend: „Der könnte mit seinem Brustkasten ein ganzes Symphonieorchester ersetzen!“<br />
Und dann begann er so täuschend ähnlich Gregoriades‘ Keuchen, Kollern, Fauchen nachzumachen, dass<br />
die anderen glucksten und leise prusteten; seinem Gesicht jedoch merkte man an, dass er es nicht aus<br />
Bosheit tat, sondern um den trüben Eindruck zu verscheuchen.<br />
„Sei froh, dass du kein Asthma hast“, sagte André zwischen Lachen und Zorn schwankend, zählte das<br />
Geld — es waren zehn Franken —und steckte es in den Brustbeutel.<br />
„Viel schlimmer, dass er keine Kinder hat und keine Enkel“, erwiderte Seppe, nun wieder ernst. „Armer<br />
Hund, der Alte!“<br />
„Können wir jetzt endlich losfahren, René?“ Maurice wurde ungeduldig.<br />
„Klar! Ich bin schon längst soweit! — Filou, anwerfen!“<br />
Der Schwarze stellte die Kurbel quer und sprang mit der ganzen Wucht seiner hundertvierzig Pfund auf<br />
den Messinggriff. Das war und blieb die einzige Methode, Spinne in Gang zu setzen. Wie immer ließ<br />
sich das schielende Monstrum auf diese Weise überlisten, rächte sich jedoch durch geradezu sträflichen<br />
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