Gefesselte Gespenster - Jungschar.biz
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„Ich kann das auch, Vater!“ sagte ein spindeldürrer, etwa sechzehnjähriger Knabe aus der Menge der<br />
zuhörenden Bambinos heraus.<br />
„Ah, Luigi, du Nichtsnutz, du Nichtsnutz. Eh — gut — bon, versuch‘s einmal, mein Sohn, versuch‘s!<br />
Aber sei vorsichtig, hörst du, hörst du?“<br />
„Si, si“, stieß Luigi hervor und verließ sofort die Küche. Die Jungens folgten ihm.<br />
Allerdings, das war ein toller Karren! Spinne war direkt modern dagegen. Ein riesengroßer,<br />
vollgummibereifter Lastwagen, Baujahr 1915, eigentlich nur noch ein Chassis mit Rädern, Motor und<br />
Steuerrad. Die wichtigsten Teile waren also noch da. Nur unwesentliche Dinge, wie Führerhaus, Türen,<br />
die Seitenwände der Ladefläche, waren im Laufe eines langen Autolebens verlorengegangen.<br />
„Na“, sagte René„das ist vielleicht ‘n alter Schnapskocher!“<br />
Kopfschüttelnd und grinsend standen die Jungen vor dem Veteranen, auf dem Luigi behende wie ein<br />
Äffchen herumkletterte.<br />
„Kein Öl im Tank!“ stellte er betrübt fest. „Auch im Schuppen ist keins mehr!“ Traurig wiegte er seinen<br />
viel zu großen Kopf.<br />
„Ich hab‘s!“ rief er dann, rannte davon und kehrte Sekunden später mit einer Kanne voll Petroleum<br />
wieder.<br />
„Wenn das die Mami merkt, gibt‘s Krach“, sagte er, füllte aber seelenruhig das Petroleum in den Tank.<br />
„Kann man denn mit so ‘nem Zeug fahren, René?“<br />
„Tja, zur Not kann man schon“, brummte er, „es gibt nur leicht Ärger. Ich frag‘ mich bloß, wie der den<br />
Karren in Gang kriegen will. Das ist nämlich ein Glühkopfdiesel. Da bin ich aber mal gespannt!“<br />
„So“, sagte Luigi, „jetzt müssen alle mitschieben“, und ging in die Küche, um die Familie zu holen.<br />
Luigi rief, und alle, alle kamen. Zwölf von den vierzehn Tomasini-Kindern, der Älteste war nicht da, der<br />
Jüngste konnte noch nicht laufen. Ferner Herr und Frau Tomasini. Sogar die Oma wollte helfen, man<br />
konnte sie nur mit Mühe davon abhalten. Luigi nahm aufgeregt hinter dem Steuer Platz.<br />
„Wohin?“ fragten die Jungen.<br />
„Auf die Straße, den Abhang runter.“<br />
Der dicke Bauer kommandierte „Hau-ruck“, und quietschend, knirschend setzte sich der Wagen in<br />
Bewegung. Aufgeregt gackernd stoben Hühner, Enten und Gänse darunter hervor, die sich plötzlich<br />
ihres Sonnenschutzes beraubt sahen. Filou trat versehentlich dem Schwein Marco auf den Bauch, das<br />
ebenfalls unter dem Wagen seinen Stammplatz hatte und ruhig liegengeblieben war.<br />
Auf der Chaussee wurde zunächst einmal haltgemacht. Luigi setzte eine Lötlampe in Betrieb, deren<br />
Flammen er auf den Glühkopf richtete. Als dieser endlich hellrot glühte, nahm er die Lampe weg,<br />
löschte sie und rief: „Jetzt geht‘s los!“ und setzte sich ans Steuer. Die Jungen sprangen auf, René und<br />
Filou quetschten sich neben Luigi auf die Bank, die andern stellten sich auf die offene Ladefläche. Die<br />
vereinigten Tomasinis gaben der Karre einen Schubs, und schon rollte sie bergab. Nicht sehr schnell.<br />
„Ich glaub‘, die Bremse ist noch fest“, meinte Luigi, ergriff einen von den mächtigen Hebeln, die<br />
draußen angebracht waren, und bewegte ihn hin und her. Der Wagen lief deshalb weder schneller noch<br />
langsamer.<br />
„Keine gute Bremse“, sagte er.<br />
Doch nach und nach steigerte sich das Tempo, der Wagen kam in Schwung.<br />
„Achtung, jetzt wird es spannend!“ verkündete der Fahrer. „Mit der Schaltung ist das nämlich so“,<br />
erklärte er, „man weiß nie, welchen Gang man erwischt. Bei den Vorwärtsgängen ist das nicht weiter<br />
schlimm, aber wenn man Pech hat und den Rückwärtsgang reinhaut, na, dann kann man was erleben!<br />
Jungens, haltet euch gut fest!“<br />
Die Jungen waren sehr gespannt. Sie schauten Luigi zu, der mit beiden Händen den Schalthebel packte<br />
und nach vorn schob. Es gab ein Geräusch, wie wenn eine Kreissäge auf Metall stößt. Der Wagen bockte<br />
fürchterlich und wurde langsamer. Dann knallte es mit einem Male schrecklich — und der<br />
Schnapskocher lief.<br />
Wuwuwuwu machte der Zweizylindermotor. In rasantem Tempo ging es jetzt bergab.<br />
„Hurra, hurra“, brüllte Luigi, „wir haben sogar den zweiten Gang erwischt!“<br />
René lächelte verstört, die eigenartige Fahrmethode hatte ihn ziemlich angegriffen. Sie waren schon<br />
nahe an Spinne herangekommen. Luigi arbeitete wie ein Wilder an der Schaltung.<br />
„Abstoppen!“ rief René.<br />
„Geht nicht! Krieg‘ den Gang nicht raus!“<br />
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