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Gefesselte Gespenster - Jungschar.biz

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fielen sie doch irgendwie aus dem Rahmen des Alltäglichen. Der dritte dagegen machte durchaus den<br />

Eindruck, als sei er nicht weit vom Alten Hafen auf die Welt gekommen.<br />

Während der Tankwart den schwarzen Buick versorgte, stiegen die Männer aus und gingen ein paar<br />

Schritte beiseite. Der junge Mann zog die Brieftasche, entnahm ihr einige Scheine und reichte sie dem<br />

dritten.<br />

„Es stimmt wohl, nicht wahr? Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht, vielen Dank!“<br />

„Ich habe zu danken“, sagte der und führte grüßend zwei Finger an die Baskenmütze. „Bitte, empfehlen<br />

Sie mein Institut weiter“, machte eine Verbeugung und ging davon.<br />

Pipin hatte die Unterhaltung nicht verstehen können und sich auch nicht gerade viel um die Fremden<br />

gekümmert. Doch dem Davongehenden schaute er nach und dachte: den habe ich in den letzten Tagen<br />

schon öfter gesehen! Wer ist das? Ein Kriminaler? Die sehen auch immer so auffallend unauffällig aus.<br />

Na, egal.<br />

Der weißhaarige Alte betrachtete kopfschüttelnd das giftgrüne Fahrzeug der Jungens und murmelte:<br />

„Die motorisierte Unterwelt von Marseille!“<br />

„Rröh—hm!“räusperte sich der Blonde. „Es sitzt noch einer drin!“<br />

„Sehr wohl, Franz, ich sehe es. Und sogar ein Chinese! Ich bin entrüstet!“ hauchte der Alte und rückte<br />

nervös an seiner Sonnenbrille.<br />

„Das ist nett von dir!“<br />

Der Alte setzte ein bekümmertes, verweisendes Gesicht auf, worin er offensichtlich beachtenswerte<br />

Übung hatte.<br />

„Setz dich bitte in den Wagen“, fuhr der Blonde fort, „ich fange jetzt an.“<br />

Die Jungen standen immer noch ratlos vor der Karte und unterhielten sich darüber, welches Villeneuve<br />

nun eigentlich das richtige sei.<br />

„Suchen die Herren etwas?“ sagte eine freundliche Stimme. „Darf ich Ihnen meine Hilfe anbieten?“<br />

Fünf Gesichter wandten sich um, fünf Augenpaare starrten dem blonden Franz in die Sonnenbrille.<br />

„Kolossal liebenswürdig von Ihnen, Monsieur! Sehr verbunden! Wir hegen quasi gewissermaßen die<br />

Absicht, einen Ort namens Villeneuve aufzusuchen. Zu unserer Betrübnis mussten wir jedoch<br />

feststellen, dass es sieben Kaffs — hm, ich meine: Ortschaften — gibt, die so heißen.“<br />

Die Schultern von Monsieur Franz zuckten ein wenig vor verhaltenem Lachen, aber er verzog keine<br />

Miene, und das war eine Leistung, denn er war Andrés Redeweise schließlich nicht gewöhnt.<br />

„Da ist es natürlich nicht leicht, das Richtige zu finden“, erwiderte er. „In welchem Departement soll es<br />

denn liegen?“<br />

„Maurice, das musst du wissen, du hast die Briefe geschrieben.“<br />

„Wart mal, Augenblick.“ Maurice überlegte. „Var! Departement Var!“<br />

„Es soll achtzig Kilometer von Marseille entfernt sein, hat man mir bei der Eisenbahn gesagt, und besitzt<br />

ein Schloss, welches auf den Namen Sankt Augustin hört“, fuhr André fort.<br />

„Nun, das genügt, um das Nest zu finden.“<br />

Der Zeigefinger des Herrn Franz fuhr über die Blechkarte. „Hier, das ist es: Villeneuve bei Nimes. Die<br />

Entfernung stimmt so ziemlich. Sie müssen über Salon nach Arles und von da nach Nimes fahren. Dort<br />

fragen Sie dann am besten noch mal!“<br />

Die Jungen bedankten sich freudestrahlend und kletterten auf ihren giftgrünen Renner. Noch einmal<br />

sprang Filou auf die Kurbel, und schon ratterten sie davon.<br />

Der blonde Franz lächelte fröhlich hinter ihnen her.<br />

„In Geographie hatten sie alle ‚mangelhaft’“, sagte er zu seinem weißhaarigen Begleiter.<br />

Bereits in den Außenbezirken der Stadt stieg die Straße ziemlich steil an. Spinne offenbarte ihre<br />

Schwäche: sie zog nicht recht durch. Im ersten Gang kroch sie bergauf. Sobald es wieder abwärts ging,<br />

drosselte René den Motor, denn Spinne kochte und sprudelte wie ein Teekessel.<br />

Weit ausgebreitet lag nun das Rhônetal vor ihnen, eine unendliche Fläche, die sich im Dunst der Ferne<br />

verlor: mausgrau schimmernd unter der glühenden, dörrenden Sonne, eingesprenkelt gelbgrünliche<br />

Melonen- und Weinfelder; einzelne schwarze Lebensbäume wie riesige Ausrufezeichen; steile, grüne<br />

Pinien; breite Schirme von Zypressen und Kiefern; buschige Tamarisken mit roten Blüten;<br />

silberglänzende, zierliche Olivenbäume in langen Reihen. Hier und da ein weißgrau gebleichtes Dorf auf<br />

einem Hügel. Links voraus funkelte und blitzte ein See.<br />

„Was ist das für ‘n Teich?“ fragte Seppe, sich weit vornüberbeugend.<br />

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