4 - Kulturnews
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10 musik // D-HipHop<br />
Prinz Pi<br />
Rebell der Mittelklasse<br />
Mit dem Berliner Rapper Prinz Pi kommt Stil in den deutschen<br />
HipHop. Pech für jene Möchtegerngangsta, die lange das<br />
Diskursniveau bestimmten: Sie sind jetzt endgültig Geschichte.<br />
kulturnews: Prinz Pi, wodurch ist dir eigentlich 2005 klar geworden, dass<br />
dein Künstlername Prinz Porno einer Weltkarriere im Weg steht …?<br />
Prinz Pi: Durch die Briefe von abgeschreckten Redakteuren, die mein Album<br />
ungehört mit bösen Verweisen zurückgeschickt haben. Ich konnte ihnen aber<br />
nicht verdenken, dass sie dachten, da einen weiteren von diesen sexistischen<br />
Rüpeln aus Berlin vor sich zu haben – was sollten sie auch denken bei<br />
solch einem Namen?<br />
kulturnews: Den Berliner Rapschulen, aus denen du hervorgegangen bist,<br />
ging es vor allem um den Import des US-Gangsta-Gehabes. Auf deinem neuen<br />
Album hingegen geht es vor allem um Liebesbeziehungen. Was wird dieses<br />
ungehörige Thema mit deiner street credibility machen?<br />
Prinz Pi: Ach, so was wie Straßencredibilität war mir immer egal. Und allen<br />
Musikern, die ich selber wertschätze, sicherlich auch. Ob die Beatles oder Bob<br />
Dylan sich um so was geschert haben?<br />
kulturnews: Im Song „Der neue iGod“ verrätst du sogar deinen bürgerlichen<br />
Namen, Friedrich Kautz. Wirkt das nicht entmystifizierend?<br />
Prinz Pi: In Tagen des Internets, wo jeder Fan mit dir über Facebook verbunden<br />
ist, da ist der bürgerliche Name kein Mysterium mehr, das es zu schützen gilt.<br />
kulturnews: Du bezeichnest dich als Begründer des „Dandyrap“. Wie soll das<br />
gehen – die beiden Wörter Dandy und Rap verhalten sich doch wie Wasser<br />
und Öl …<br />
Prinz Pi: Eigentlich nicht – ein Dandy ist ja doch auch nur ein Angeber, der<br />
vor allem aus seinem eigenen Stilbewusstsein schöpft, während der stumpfe<br />
Proll mit seinem Geld oder Statussymbolen angibt. Ich würde übrigens<br />
sagen, Andre 3000 von Outkast ist ein richtiger Dandy, guck dir mal an, wie<br />
kulturnews 2/11<br />
der sich gibt – und das ist einer der wichtigsten Impulsgeber dieser Musikrichtung<br />
im letzten Jahrzehnt. Natürlich ist Angeberei an sich keine schöne<br />
Sache – aber es gehört zur Musik, ab und an auf seine Vorzüge hinzuweisen,<br />
auch wenn das bei mir nicht ganz ernst gemeint ist.<br />
kulturnews: Jedenfalls ist mit deinem Album die prollige Attitüde des deutschen<br />
HipHop wohl endgültig Geschichte, oder? Ich meine: Sogar Sido sitzt<br />
jetzt in Castingjurys!<br />
Prinz Pi: Na ja, diese Castingshows sind doch einer der Fixpunkte im Niedergang<br />
des Niveaus in der Fernsehlandschaft, oder? Da ich selber keinen Fernseher<br />
besitze, kann ich da nur aus Gelegenheitserfahrungen sprechen – aber<br />
das ist doch wirklich sehr lachhaft, was da vonstatten geht. Wie sich die<br />
Leute da von sich aus blamieren und alle das gerne sehen: Das ist doch traurig.<br />
kulturnews: Alle Welt ist auf allen Ebenen am Netzwerken, doch du ziehst dich<br />
aus den Szenen zurück und machst dein eigenes Label, dein eigenes Ding.<br />
Was überwiegt dabei für dich: Risiko oder Chance?<br />
Prinz Pi: Chance. Und ich ziehe mich keineswegs aus dem Netzwerken zurück<br />
– sondern nutze vielmehr die Möglichkeiten des Web 2.0 wie Facebook<br />
und Twitter als Nachfolger von veralteten Marketingmechanismen. Hier entscheidet<br />
nicht das Budget, mit dem man Anzeigen schaltet, sondern das Interesse,<br />
was dein Schaffen in der Community der Benutzer generiert – oder<br />
auch nicht.<br />
kulturnews: Dein neues Album heißt „Rebell ohne Grund“, nach einem James-<br />
Dean-Film. Dean wurde stets inszeniert als Projektionsfläche jugendlicher Sehnsüchte.<br />
Wäre das auch eine Rolle für dich?<br />
Prinz Pi: Definitv, daran ist der Titel angelehnt. Es geht aber auch um Folgendes:<br />
Als Mittelklassekind im noch immer reichen Deutschland, das nie diskriminiert<br />
oder verfolgt wurde, habe ich doch eigentlich keinen Grund, gegen<br />
irgendetwas zu rebellieren. Trotzdem habe ich dieses Bedürfnis seit meiner<br />
Jugend verspürt.<br />
kulturnews: Bis auf wieviele Stellen kennst du eigentlich deine Namensgeberin,<br />
die Kreiszahl Pi, auswendig?<br />
Prinz Pi: 3,14 – und ich weiß, dass am 14. März der Tag dieser Zahl ist. Ich<br />
mag den Kreis als Sinnbild einer Weltanschauung, die in jede Richtung sieht<br />
und eben nicht nur durch die Scheuklappen von zwei bis drei Medien.<br />
Rebell ohne Grund ist seit Ende Januar im Handel.<br />
Foto: Cem Guenes<br />
Interview: Matthias Wagner