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12 musik // Soulpop<br />
Joan As Police Woman<br />
Glücklich klug<br />
Als Joan As Police Woman verwandelt sie jeden Schicksalsschlag<br />
in Songs. Doch jetzt steht Joan Wasser vor einem Dilemma: Ihr<br />
geht es zu gut.<br />
„Ich bin unglaublich müde und weiß gar nicht, ob ich so früh am Tag schon<br />
einen geraden Gedanken zustande bringe“, entschuldigt sich Joan Wasser zwischen<br />
zwei gigantischen Gähnern, um dann aber doch loszupoltern. „Momentan<br />
bin ich auf Interviewtour durch Europa, und überall treffe ich Menschen,<br />
deren Bild von mir ich zerstören muss“, beschwert sie sich mit gespielter<br />
Empörung. Dann lacht sie auf, und zwar so laut, dass es vermutlich auch im<br />
entlegendsten Winkel des Hamburger Luxushotels zu hören ist. „Nichts ist<br />
anstrengender, als wenn du deinen Gesprächspartner freundlich anlächelst,<br />
er aber trotzdem nur die ganze Zeit auf deine Arme schaut, weil er damit<br />
rechnet, dass du dir gleich die Pulsadern aufschneidest.“<br />
Dabei sollte sie nun wirklich nicht überrascht sein, wenn sich die Welt<br />
Joan Wasser als fragil vorstellt. Immerhin sorgte sie zunächst als Sidekick der<br />
momentan wohl größten Dramakings für Aufmerksamkeit: Mit Antony Hegarty<br />
spielte sie als Mitglied der Johnsons dessen Erfolgsalbum „I am a Bird now“<br />
ein, und Rufus Wainwright nahm sie als Gastgeigerin mit auf Tour. Auch als<br />
sie kurz darauf mit Joan As Police Woman ihr eigenes Bandprojekt startete,<br />
setzte sie auf Moll. Und schließlich gibt es auch in ihrer Biografie ein ziemlich<br />
prominentes Drama: 1997 ertrank ihr damaliger Freund, der Musiker Jeff<br />
Buckley, nachdem er wegen einer Wette bei starker Strömung und Schiffsverkehr<br />
komplett bekleidet in den Mississippi gesprungen war.<br />
Da wird es sicher jeden Fan irritieren, wenn sie auf dem dritten JAPW-Album<br />
„The deep Fields“ jetzt wesentlich rockigere und vor allem soulige Töne<br />
anschlägt, um in den Texten uneingeschränkte Menschenliebe zu proklamieren.<br />
„I smile at strangers knowing it’s alright, and when they smile back at me,<br />
kulturnews 2/11<br />
I know we agree that good living requires smiling at strangers“, menschelt sie<br />
etwa im Song „Human Condition“.<br />
„Natürlich zähle ich eher zu den Menschen, die mehrmals täglich im großen<br />
Stil verzweifeln“, sagt die 39-Jährige. Trotzdem betrachtet sie die neue<br />
Glückseligkeit nicht als Quantensprung, sondern als logisches Ergebnis einer<br />
langen Entwicklung. „Schon meiner ersten Platte war eine vage Hoffnung auf<br />
Rettung eingeschrieben“, stellt sie klar, „und auf dem letzten Album ging es<br />
zwar vor allem um den Krebstod meiner Mutter – aber in erster Linie wollte<br />
ich mich mit dem Schicksal aussöhnen und den Schrecken verarbeiten.“<br />
Als Vorbild diente ihr ein Musiker, dessen Wahl überrascht: Stevie Wonder.<br />
Wie er wollte sie von persönlichen Erlebnissen ausgehen, um sie dann als<br />
universellen Optimismus auszuformulieren. Dahinter steht der Gedanke, dass<br />
manchmal nur das eigene Denken für das Glück verantwortlich ist. „Warum<br />
soll ich mir ein angenehmes Hier und Jetzt zerstören, indem ich ängstlich an<br />
die Zukunft denke und mir ständig Stachel ins Fleisch ramme wegen irgendwelcher<br />
Dinge, die ich sowieso nicht beeinflussen kann?“<br />
Die Texte sind ihr nicht leichtgefallen, monatelang hat sie immer wieder<br />
Zeilen gestrichen und umformuliert. „Wenn man optimistisch sein will, klingt<br />
es schnell kitschig, alles wird zum Klischee, und ständig hatte ich Angst,<br />
dumm rüberzukommen“, sagt Wasser. „Auch ich bin halt noch nicht ganz<br />
frei von dem populären Irrtum, Leute nur dann cool zu finden, wenn sie grübeln<br />
und schlecht drauf sind.“ Dabei schaut sie so traurig, als wäre ihr nur<br />
zu bewusst, dass sie ihrer Musik im Gespräch nicht gerecht werden kann.<br />
Was auf dem Album als majestätischer Soulhabitus funktioniert, verkommt<br />
hier nämlich zur Küchentischpsychologie. Das würde auch Wassers Überdrehtheit<br />
erklären, und vielleicht ist selbst ihre Müdigkeit nur vorgeschützt. „Klar“,<br />
prustet sie los, „als glückliche Musikerin bin ich uncool, und das ist nur in<br />
Ordnung, wenn mich das dann wenigstens müde macht!“<br />
Doch da irrt Joan Wasser. „The deep Field“ wäre nicht die wichtigste Hoffnungsbox<br />
fürs Frühjahr, wenn man ihr diese Müdigkeit wirklich anhören würde.<br />
Carsten Schrader<br />
kulturnews präsentiert<br />
Tour 22. 2. Köln, 26. 2. Hamburg, 27. 2. Berlin, 28. 2. Frankfurt<br />
The deep Field ist Ende Januar erschienen.<br />
Foto: Thatcher Keats