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4 - Kulturnews

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66 platten // Pop, Rock + Dance // Jazz + Classics<br />

ihrem zwölftem Studioalbum, geben sich<br />

die Londoner Artpunkpioniere zeitlos wie<br />

eh und je. Das scheinbar ziellos vor sich<br />

hin treibende „Please take“ gewinnt aus<br />

seiner Entrücktheit Momente geradezu na–<br />

iver Schönheit, doch sofort folgt eine monotone<br />

Punkminiatur, die von „Chairs missing“<br />

stammen könnte. Das Werk revolutionierte<br />

1978 den Punk und führte ihn<br />

aus der kreativen Sackgasse. „Red barked<br />

Tree“ ist nun ein eindrucksvoller Relevanzbeweis<br />

– und gibt einer neuen Generation<br />

die Chance, Wire zu entdecken. (nek)<br />

Archiv + Repertoire<br />

Eva Cassidy<br />

Simply Eva<br />

FOLK<br />

Rough<br />

Trade<br />

Erst nach ihrem Krebstod 1996 wurde<br />

die Washingtoner Sängerin Eva Cassidy<br />

weltberühmt. Die Unplugged-Zusammenstellung<br />

„Simply Eva“ gehört zu den besten<br />

dieser posthumen Veröffentlichungen.<br />

Cassidy singt ihre (Cover-)Standards zur<br />

selbstgezupften Akustikgitarre – mit unvergleichlich<br />

klarer und doch alles andere<br />

als aseptischer Stimme, die von Folk bis<br />

Jazz stets die songadäquate Koloratur<br />

trifft. Die zwölf Aufnahmen – darunter mit<br />

Jesse Fullers „San Francisco Bay Blues“<br />

auch ein bisher ungehörtes Stück aus<br />

Cassidys Repertoire – klingen gut produziert;<br />

wenn es Demos waren, dann haben<br />

die Remasterer tolle Arbeit geleistet. Manches,<br />

was bisher von Cassidy erschien,<br />

litt unter allzu zuckrigen Arrangements.<br />

Dieses Problem hat „Simply Eva“ zum<br />

Glück nicht. Wir hören hier den reinen<br />

Klang einer Stimme, die alles konnte, doch<br />

dies der Welt tragischerweise niemals zeigen<br />

durfte. (mw)<br />

George Michael<br />

Faith – Special Edition<br />

MAINSTREAM-<br />

POP<br />

Sony<br />

Music<br />

Die Kirchenorgel am Anfang bereitete einen<br />

keineswegs vor auf das, was folgen<br />

sollte: auf den Schmiss, die Energie, die<br />

pure Poplust, die das Solodebüt des da-<br />

kulturnews 2/11<br />

5//<br />

5//<br />

mals 24-jährigen George Michael zu einem<br />

der erfolgreichsten Alben aller Zeiten werden<br />

lassen sollten. Das Titelstück überzeugt<br />

mit kackfrecher Akustikökonomie,<br />

die Überballade „Father Figure“ bietet alles<br />

an episch-elektronischen Sounds auf, was<br />

1987 en vogue war, und bleibt dennoch<br />

so transparent wie ein Seidentuch. So geht<br />

es weiter: Jeder Song eine neue Klangidee,<br />

ein neuer Beat, ein neuer Arrangementeinfall.<br />

Und am Ende summierte sich das<br />

alles zum Popmeisterstück, das sich bis<br />

heute über 20-millionenmal verkaufte und<br />

den Mann, der sich das alles ausgedacht<br />

hatte, zum Superstar machte. Mit der remasterten<br />

Neuauflage im mattschwarzen<br />

Pappschuber liegt nun endlich eine Fassung<br />

vor, welche die Dynamikmängel der<br />

ersten CD-Auflage behebt. Dazu gibt es<br />

eine Bonus-CD mit Raritäten und Instrumentals<br />

sowie (in der „Special Edition“)<br />

eine DVD mit Interviews und Videoclips.<br />

In allen Konfigurationen natürlich enthalten:<br />

der libertinäre, hedonistische Kampfruf<br />

„Sex is natural, sex is fun!“ (mw)<br />

Wir Sind Helden<br />

Tausend wirre Worte – Deluxe Edition<br />

DEUTSCHPOP<br />

Sony<br />

Music<br />

4//<br />

Wir Sind Helden im Veröffentlichungswahn:<br />

Erst im Sommer erschien das Comebackalbum<br />

„Bring mich nach Hause“, noch im<br />

November machten Sängerin Judith Holofernes<br />

und Schlagzeuger Pola Roy mit dem<br />

Nebenprojekt Per Anders in Flüsterfolk, und<br />

schon legen sie mit einer Werkschau auf<br />

DVD und zwei CDs nach. Dabei muss man<br />

es dem konsumkritischen Quartett aber<br />

anrechnen, dass es sich mit einer Veröffentlichung<br />

im Februar wohl bewusst aus<br />

dem Weihnachtsgeschäft raushält. Zumal<br />

„Tausend wirre Worte“ nicht nur das Erwartbare<br />

bietet: Zusätzlich zu allen Videoclips<br />

bekommt man auch ein 45-minütiges<br />

„Heldendokumentationsvideo“, und vor<br />

allem gibt es neben den Singlehits auch<br />

eine Zusammenstellung mit B-Seiten, Livemitschnitten<br />

und Raritäten. Die „Alphamännchen“<br />

von der allerersten EP, die chinesische<br />

Version von „Kaputt“ für das „Poptastic<br />

Conversation China“-Projekt und<br />

sogar die von Holofernes mehr gekrächzte<br />

als gesungene Coverversion des Ton-Steine-<br />

Scherben-Klassikers „Halt dich an deiner<br />

Liebe fest“ rechtfertigen den Kauf – nicht<br />

nur für die treuesten Fans. (cs)<br />

Jazzplatte des Monats<br />

Ulla Haesen<br />

Love, Tears & Joy<br />

BRASILJAZZ<br />

Cargo<br />

Herrlich luftig startet Ulla Haesen in ihr<br />

Album, nämlich mit dem von Peter Fessler<br />

geschriebenen und charmant begleiteten<br />

„Postcard from Brazil“ und zwei stimmungsvollen<br />

brasilianischen Standards. Doch<br />

dann: Was haben Blood, Sweat & Tears<br />

auf diesem Album verloren? Nach sechs<br />

Takten schleicht sich das Gefühl ein, dass<br />

nicht jeder Song eine Sambaisierung verträgt.<br />

„Spinning Wheel“ ist definitiv so<br />

eine Nummer, die nach New Yorks drekkigem<br />

Regen schmecken sollte und nicht<br />

nach Sonne, Sand und Caipis. Einen nachhaltig<br />

störenden Eindruck hinterlässt dieser<br />

kleine Missgriff in die Coverkiste, denn<br />

so richtig mag man sich danach auch<br />

nicht mehr mit „Ella elle Lá“ oder „Aisha“<br />

anfreunden, obwohl das nun wirklich<br />

dankbare Tracks für die akustische Beset–<br />

zung und für Ulla Haesens Stimme sind.<br />

Das alles am Ende doch irgendwie zu mögen,<br />

ist dennoch nicht schwer: „Spinning<br />

Wheel“ mit der Skiptaste wegdrücken, bei<br />

„Unchain my Heart“ kurz auf den Balkon<br />

gehen und ansonsten die wunderschönen<br />

Gitarrenmomente sowie die rhythmische<br />

Legerezza genießen. (ron)<br />

Brad Mehldau<br />

Live in Marciac<br />

PIANOJAZZ<br />

Warner<br />

Der ungebremste Solist Brad Mehldau steht – will man einen Punkt auf der Skala<br />

zwischen Jazz und Klassik festlegen – der klassischen Moderne von Bártók und Prokofiew<br />

näher als den swingenden, singenden Kleinformen des Modern Jazz. Auch<br />

diese beherrscht er allerdings gekonnt in Titeln von Cole Porter („It’s all right with me“),<br />

Rodgers/Hammerstein („My favourite Things“) und Fain Webster („Secret Love“). Rockinspiration<br />

holt er sich bei Radiohead, Kurt Cobain und Lennon/McCartney. Man merkt<br />

die Freude, wenn der versierte Sideman einmal ganz allein das machen darf, was er<br />

will: beißende Klangflächen, rasende Cluster und minimalistische Ostinati. So entsteht<br />

eine faszinierende Sammlung alter und neuer Soloklavierideen, die über zwei CDs<br />

hinweg für den, der Ohren hat zu hören und Zeit zu lauschen, keine Langeweile aufkommen<br />

läßt. (jn)<br />

-Bewertung<br />

1=grausig bis 6= genial<br />

Kraan<br />

Diamonds<br />

FUSION<br />

Broken<br />

Silence<br />

5//<br />

3// 4//<br />

Kraan gibt es jetzt schon 40 Jahre lang,<br />

und noch immer sitzt die Band zwischen<br />

allen Stühlen; mit voller Absicht natürlich.<br />

Kraan sind keine Rockband, keine Jazzcombo,<br />

erst recht keine Krautrocktruppe.<br />

Sondern von allem ein bisschen. Ihr Groove<br />

ist geradeaus, die Improvisationen jazzig,<br />

der Sound superb. Hellmut Hattler (b)<br />

und die Wolbrandt-Brüder (Jan Fride, dr;<br />

Peter, g, synth, voc) fusionieren all ihre<br />

Einflüsse so ätherisch wie kraftvoll. Ihre<br />

Musik schimmert verchromt, sie ist so<br />

räumlich, dass sie an allen Ecken widerhallt,<br />

und manchmal kommt sogar ein echtes<br />

Rockriff vor wie in „Ring my Bell“,<br />

doch Peter Wolbrandts verfremdeter Gesang<br />

löst dann schnell wieder das Tau<br />

vom Boden. Ihr Wildern quer durch die<br />

Genres ist von Lust und Laune geprägt,<br />

hat inzwischen aber nicht mehr jenen<br />

Spontihumor, der ihren Alben in der<br />

Krautrockära oft eigen war. Übrigens<br />

bringt Hellmut Hattler parallel eine CD auf<br />

den Markt; sie ist weit technoider, sauberer.<br />

Kraan hingegen haben sich jene organische<br />

Klangfarbe bewahrt, die wohl nur<br />

entsteht, wenn eine echte Band interagiert.<br />

Und das darf sie gern auch in den<br />

kommenden 40 Jahren tun. (mw)

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