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Geographie der Obdachlosigkeit - Freie Universität Berlin

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schnittlich 135 Obdachlose über Nacht (vgl. MÜLLER 2010). Sie schlafen auf dem Boden, auf<br />

Holzbänken o<strong>der</strong> im Sitzen mit dem Kopf auf dem Tisch. Es stinkt und es ist laut.<br />

Viele suchen die Unterkünfte nicht auf. Stimmen die offiziellen Schätzungen, dann sind das<br />

deutlich mehr als die Hälfte aller <strong>Berlin</strong>er Obdachlosen. Die Gründe dafür sind vielseitig. Ob-<br />

dachlose sind oft Einzelgänger. Viele fürchten die Gesellschaft, den Schmutz, die Möglich-<br />

keit <strong>der</strong> letzten Habseligkeiten beraubt zu werden o<strong>der</strong> die Gefahr, sich mit Krankheiten bzw.<br />

Läusen anzustecken. An<strong>der</strong>e wollen sich nicht von strikten Öffnungszeiten eingrenzen las-<br />

sen. Enge und Alkoholkonsum führen häufig zu Streit o<strong>der</strong> Gewalt untereinan<strong>der</strong>. In großen<br />

Unterkünften kommt die Polizei regelmäßig. Außerdem gibt es zu wenige Einrichtungen nur<br />

für Frauen und es ist oft untersagt, seinen Hund – meist Freund und Schutz zugleich – mit<br />

hinein zu nehmen (vgl. BERLINER KÄLTEHILFE 2010). Generelle Alkohol- und Drogenverbote<br />

schrecken zudem viele Süchtige ab.<br />

Wer nicht unterkommt, geht „auf Platte“. Das Schlafen im <strong>Freie</strong>n stellt im Sommer kein<br />

Problem dar. <strong>Berlin</strong> verfügt über viele Parks, Grünflächen und Wäl<strong>der</strong>. Außerdem bestehen<br />

aufgrund <strong>der</strong> Zerstörung während des Zweiten Weltkriegs und infolge <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er Teilung<br />

noch immer viele Brachflächen, in die man sich mit einem Schlafsack ungestört zurückzie-<br />

hen kann. Im Winter, aber auch oft kurz vor bzw. nach <strong>der</strong> Kältehilfe-Saison, wenn nur weni-<br />

ge Einrichtungen geöffnet sind und es bereits bzw. noch zu kalt ist, um unter freien Himmel<br />

zu schlafen, zieht man sich zurück, schläft z.B. in offenen Hausfluren, in Baracken, auf<br />

Dachböden, in Bahnhöfen, in Bankvorräumen, in City-Toilletten, o<strong>der</strong> in Flughafenterminals<br />

zwischen den Reisenden. Bei Temperaturen von -3° C und darunter lässt die BVG zusätzlich<br />

drei U-Bahnhöfe über Nacht offen und stellt sie als Schlaffläche zur Verfügung (vgl. BERLI-<br />

NER KÄLTEHILFE 2010). Trotzdem erfrieren jedes Jahr Obdachlose. In diesem Winter sind<br />

bisher deutschlandweit 16 Fälle bekannt, drei davon in <strong>Berlin</strong> (vgl. BAG-W 2010b – Stand:<br />

26.03.2010) Wer einen guten, d.h. einen als sicher empfundenen Platz zum Nächtigen ge-<br />

funden hat, wird diesen regelmäßig o<strong>der</strong> sogar immer aufsuchen (Jan Markowsky). Gegen-<br />

über an<strong>der</strong>en wird er jedoch nicht bekannt gegeben. Das Misstrauen untereinan<strong>der</strong> ist groß.<br />

Der Streit um einen Übernachtungsplatz kann auch zu gewaltsamen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

führen.<br />

Rutsche machen beschreibt das Schlafen in Bus o<strong>der</strong> Bahn. Für viele ist es die letzte<br />

Möglichkeit, nachts im Warmen unterzukommen. Verschiedene Linien wie z.B. die S7 (Ah-<br />

rensfelde-Wannsee), S1 (Potsdam Hbf. – Oranienburg) o<strong>der</strong> die Ringbahnen bieten sich<br />

hierfür an, da die Strecken lang sind und auf keinem Abstellgleis enden. Dennoch gilt die<br />

Rutsche als Notlösung: „Zu kurz und zu viele Störungen.“ (Jan Markowsky) Werktags gibt es<br />

keinen Bahnverkehr zwischen 1:30 und 4:00 Uhr. Somit besteht die Gefahr, vom Sicher-<br />

heitsdienst verwiesen zu werden und mehrere Stunden am Endbahnhof zubringen zu müs-<br />

sen.<br />

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