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Geographie der Obdachlosigkeit - Freie Universität Berlin

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meist schlichter ausgestattet, haben nur ein o<strong>der</strong> zwei Mal in <strong>der</strong> Woche für wenige Stunden<br />

– dafür aber ganzjährig – geöffnet. Geschätzte 80% <strong>der</strong> Gäste kommen regelmäßig (Ben-<br />

belgacem). Sozialarbeiter und Obdachlose kennen sich meist gut. Nach den Aussagen ver-<br />

schiedener Sozialarbeiter kamen in den letzten Jahren zunehmend arme Nicht-<br />

Wohnungslose in die Wärmestuben. Beson<strong>der</strong>s zum Ende des Monats nutzen sie das Dop-<br />

pelangebot aus Wärme und Essen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass viele nicht mit<br />

ihrem monatlichen Hartz IV-Regelsatz auskommen. Einige sind aber auch ehemalige Ob-<br />

dachlose, die in den Einrichtungen alte Bekannte treffen.<br />

Neben den zwölf Tageseinrichtungen stellen zehn kirchliche Gemeinden zu festen Zeiten<br />

Suppenküchen für Bedürftige (s. Karte 2). Dort erhält je<strong>der</strong> eine kostenlose warme Mahlzeit.<br />

Dieses Angebot wird ergänzt durch die kostengünstigen Volxküchen. Außerdem gibt es mo-<br />

bile Suppenküchen, die verschiedene Einrichtungen anfahren. „Es gibt ausreichend Möglich-<br />

keiten. Keiner muss verhungern“, so <strong>der</strong> Fahrer einer mobilen Suppenküche.<br />

Die Tagesangebote <strong>der</strong> Kältehilfe konzentrieren sich ähnlich wie die Übernachtungsange-<br />

bote im Innenstadtbereich <strong>Berlin</strong>s. Die meisten liegen in den Bezirken Kreuzberg-<br />

Friedrichshain, Mitte und Charlottenburg. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch<br />

viele <strong>der</strong>jenigen, die im Winter auf Platte leben, die Tagesstätten, zumindest aber die Sup-<br />

penküchen aufsuchen. Bei Berücksichtigung <strong>der</strong> eingeschränkten Mobilität <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er Ob-<br />

dachlosen liegt nahe, dass die meisten auf den Straßen <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er Innenstadt leben.<br />

An<strong>der</strong>e Orte, an denen <strong>der</strong> kalte Tag bis zur Öffnung <strong>der</strong> Notunterkünfte überdauert wer-<br />

den kann, sind z.B. Waschsalons, öffentliche Bibliotheken, Internetcafés, Fast-Food-<br />

Restaurants und Wartehallen von Ämtern o<strong>der</strong> Krankenhäusern. Dabei hat je<strong>der</strong> seine eige-<br />

nen Wege und Methoden gefunden, mit den wenigen Möglichkeiten auszukommen. Von<br />

zentraler Bedeutung sind nach wie vor die großen, überdachten Regionalbahnhöfe. Zu den<br />

wichtigsten zählen <strong>der</strong> Ostbahnhof, Bahnhof Alexan<strong>der</strong>platz, Bahnhof Lichtenberg und<br />

Bahnhof Zoologischer Garten. In den Vorhallen trifft man sich, tauscht Neuigkeiten o<strong>der</strong> alte<br />

Geschichten aus und überdauert den Tag. Beson<strong>der</strong>s die Belebtheit <strong>der</strong> Bahnhöfe scheint<br />

viele anzulocken. Deren Bedeutung wird bereits an den Bahnhofsmissionen sowie an den<br />

Tagesstätten und Suppenküchen in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Bahnhöfe deutlich. Auch U-Bahnhöfe bie-<br />

ten Schutz vor <strong>der</strong> Kälte und werden zum Teil als Aufenthaltsort wahrgenommen.<br />

Viele arbeiten tagsüber. Sie betteln, sammeln Pfandflaschen, musizieren, verkaufen eine<br />

<strong>der</strong> drei Obdachlosenzeitungen (Straßenfeger, motz o<strong>der</strong> motz life), erfragen und verkaufen<br />

entwertete Fahrkarten o<strong>der</strong> gehen einer an<strong>der</strong>en meist inoffiziellen Arbeit nach. Dabei stellt<br />

sich die Frage nach <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong> ihrer Arbeit. Viele, die einer Arbeit an einem festen Ort<br />

nachgehen, sind an diesem oft schon seit langer Zeit. Sie haben ihren festen Platz gefunden.<br />

Das hat unter an<strong>der</strong>em den Vorteil, dass ein Vertrauensverhältnis zu den täglich Vorbeige-<br />

henden aufgebaut werden kann. Diese Platzreferenz wird meist von an<strong>der</strong>en akzeptiert. Wer<br />

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