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Geographie der Obdachlosigkeit - Freie Universität Berlin

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Bahnsystem zum zentralen Einsatzgebiet (vgl. WEHRHEIM 2006: 49). <strong>Berlin</strong> weist diesbezüg-<br />

lich einige Parallelen auf.<br />

Seit <strong>der</strong> Privatisierung <strong>der</strong> Bundesbahn im Jahr 1993 werden Betrieb, Service und Ausstat-<br />

tung mehr und mehr unternehmerischen Interessen angepasst. Das Ziel des Konzerns ist es,<br />

das eigene Image aufzubessern und die Bahn als Verkehrsmittel für finanzkräftige Kunden<br />

wie<strong>der</strong> attraktiv zu machen (vgl. RONNEBERGER 2001: 36). Zwei Jahre darauf startete die<br />

Deutsche Bahn AG ihr sogenanntes 3-S-Programm (Service, Sicherheit, Sauberkeit) (vgl.<br />

RONNEBERGER et al. 1999: 144). Damit wurde bundesweit die Videoüberwachung und tech-<br />

nische Infrastruktur ausgebaut, die Hausordnung verschärft und ein firmeneigener Sicher-<br />

heitsdienst Bahn Schutz und Sicherheit GmbH (BSG) gegründet (vgl. ebd.: 144ff., EICK<br />

1998b). Das Herzstück des Programms sind die 3-S-Zentralen, von wo aus die panoptische<br />

Überwachung betrieben und Ordnungskräfte, Polizei und Reinigungspersonal koordiniert<br />

werden. Das Vorgehen gegen Obdachlose wurde durch diese Neuerungen deutlich restrikti-<br />

ver. „So ist es möglich (…) den Drogensüchtigen o<strong>der</strong> Obdachlosen anzusprechen, bevor er<br />

sich im Bahnhof nie<strong>der</strong>lassen kann“ (RONNEBERGER et al. 1999: 145 zit. BAHNHOF-REPORT<br />

1998). Ein ähnlich präventives Konzept kommt auch bei <strong>der</strong> BVG zur Anwendung. Auf allen<br />

171 U-Bahn-Stationen filmen Videokameras, ebenso in je<strong>der</strong> vierten Straßenbahn, je<strong>der</strong><br />

dritten U-Bahn und in 68% aller Busse (vgl. ABGEORDNETENHAUS BERLIN 2009). Die Informa-<br />

tionen laufen bei den vier SIS-Leitstellen zusammen und werden von dort an die Sicher-<br />

heitsdienste weitergegeben (TÖPFER et al. 2003: 38f). Die Videoüberwachung soll noch wei-<br />

ter ausgebaut werden. Der <strong>Berlin</strong>er Senat hat dafür 2007 mit <strong>der</strong> Verschärfung des ASOGs<br />

die Grundlagen geschaffen (LINDE 2009e). Bis 2013 sollen alle Fahrzeuge <strong>der</strong> BVG mit ins-<br />

gesamt 12.000 Kameras ausgestattet werden (vgl. HEINRICH 2010).<br />

Nach neuen Plänen wird <strong>der</strong> U-Bahnhof Kottbusser Tor zum „Musterbahnhof“ ausbaut (vgl.<br />

FALKNER 2009). Dazu gehören eine flächendeckende Videoüberwachung mit schwenkbaren<br />

Kameras und zusätzliches Sicherheitspersonal. „Im Gespräch seien auch biometrische Ge-<br />

sichtserkennungsverfahren bzw. ein Erfassungssystem für bestimmte Bewegungsabläufe.<br />

Ziel sei es, damit auch die Drogenszene, die sich im und um den Bahnhof aufhält, zu ver-<br />

drängen.“ (LINDE 2009d) Auch am neuen U-Bahnhof Brandenburger Tor soll die neue thin-<br />

king camera Normabweichungen automatisch erkennen und gegebenenfalls selbstständig<br />

stillen Alarm auslösen (vgl. NEUMANN 2005).<br />

Die Verkehrsbetriebe begründen den stetigen Ausbau ihrer Sicherheitskonzepte mit dem<br />

notwendigen Vorgehen gegen Vandalismus und Gewalt und dem hohen Sicherheitsbedürf-<br />

nis <strong>der</strong> Reisenden. Immer wie<strong>der</strong> berichten medienwirksame Pressemitteilungen von gewalt-<br />

tätigen Übergriffen auf Fahrgäste und angeblich sinkenden Hemmschwellen, beson<strong>der</strong>s un-<br />

ter Jugendlichen (vgl. z.B. BILD.DE 2008, LIER & PLETL 2008, MICHEL & SCHULZ 2008, WEDE-<br />

KIND et al. 2008). Kriminalitätsstatistiken belegen jedoch, dass <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er ÖPNV nicht als<br />

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