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Entscheiderbrief - GIT Verlag

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Medizinische Innovationen umsetzen<br />

Kostenträger <strong>Entscheiderbrief</strong> 1/2008<br />

Gesundheitsforum Wiesbaden: Versicherer und Gesamtwirtschaft profitieren<br />

Das hochkarätig besetzte Podium in Wiesbaden (v.l.): Prof. Dr. Heik Afheldt, Moderator; Prof. Dr. Eberhard<br />

Wille, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen;<br />

Silke Lautenschläger, Hessens Sozialministerin; Dr. Heinz-Werner Meier, Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

von Sanofi-Aventis Deutschland und stellvertretender Vorsitzender des VFA; Dr. Ursula<br />

Stüwe, Präsidentin der Landesärztekammer Hessen; Priv.-Doz. Dr. Michael Bräuninger, Leiter Wirtschaftliche<br />

Trends beim Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut. (Foto: MR)<br />

Innovationen und Krankenkassen – ein Widerspruch?<br />

"Innovationen" – ein Begriff, der in unserem<br />

gesellschaftlichen Leben durchaus<br />

positiv besetzt ist – ruft im Gesundheitswesen<br />

unterschiedliche Reaktionen hervor. Innovationen<br />

im Gesundheitswesen bedeuten<br />

nicht nur Neuerfindungen, sondern auch<br />

Neuerungen von Altbekanntem und Bewährtem.<br />

Fortschritte in der Medizin geschehen<br />

selten mit einem „Kanonendonner“,<br />

in aller Regel vollziehen sich diese<br />

Fortschritte in kleinen, oft kaum bemerkbaren<br />

Schritten. Als Beispiel möchte ich die<br />

Entwicklung von Venenverweilkanülen heranziehen,<br />

wie ich selber über Jahrzehnte<br />

beobachten konnte:<br />

Noch 1965, also vor ca. 40 Jahren, kannten<br />

wir keine Kanülen aus Kunststoff. Die damals<br />

üblichen Strauss'schen Flügelkanülen<br />

aus Edelstahl waren für viele Patientinnen<br />

und Patienten eine Qual. Nur damit war es<br />

damals möglich, Infusionsbehandlungen<br />

durchzuführen! In den 70er Jahren kamen<br />

die ersten Einmal-Kunststoffverweilkanülen<br />

in die Krankenhäuser. Sie waren immer noch<br />

hart und widerspenstig, hielten jedoch<br />

schon hin und wieder eine Beugung im Ellbogengelenk<br />

aus. Mit weiterem technischem<br />

Know-how wurden diese immer<br />

weiter verbessert und verfeinert! Heute ist<br />

es nicht vorstellbar, dass es einmal eine Zeit<br />

„ohne Kunststoffverweilkanülen“ gab.<br />

Mit diesem Beispiel möchte ich darstellen,<br />

dass Fortentwicklungen innerhalb der Me-<br />

dizin durchaus zur Verbesserung der Behandlung<br />

kranker Menschen beitragen – allerdings<br />

geschieht es selten mit einem<br />

„Kanonendonner“, sondern fast immer<br />

durch stetige kleine Verbesserungen.<br />

Die politische Diskussion zum Thema „Innovationen<br />

im Gesundheitssystem“ in Deutschland<br />

zeigt ein anderes Bild: Innovationen<br />

werden als „Kaum-Fortschritt“ oder „Nicht-<br />

Fortschritt“ häufig negativ diskutiert, immer<br />

mit dem Hintergrund, dass "nur" neue zusätzliche<br />

Kosten entstehen. Der messbare<br />

Effekt der Verbesserung sei minimal, die Kosten<br />

dafür „zu hoch“. Häufig jedoch wird<br />

erst durch viele kleine Entwicklungsschritte<br />

ein messbarer Erfolg bewirkt.<br />

Krankenkassen fühlen sich für Neuerungen<br />

in der Medizin nicht zuständig. Das ist unter<br />

der derzeitigen Aufgabenverteilung in unserem<br />

System auch richtig, geht jedoch<br />

auch an der Realität vorbei. Zahlreiche Innovationen<br />

haben in den letzten Jahrzehnten<br />

dazu beigetragen, dass Behandlungen<br />

überhaupt erst möglich wurden,<br />

aber auch, dass durch schonendere Verfahren<br />

viele Krankheitstage gar nicht angefallen<br />

sind, weil Erholungs- und Heilphasen<br />

verkürzt wurden. Die derzeitige Situation,<br />

dass es ca. 2 Jahre dauert, bis neue Untersuchungs-<br />

und Behandlungsverfahren im<br />

DRG-System ihren Niederschlag finden,<br />

muss auch für Krankenkassen unbefriedigend<br />

sein. Darüber hinaus folgt bei Einfüh-<br />

„Die Gesundheitswirtschaft zwischen Patientenversorgung<br />

und Weltmarkt“ – unter<br />

diesem Motto diskutierten Ende August in<br />

den Wiesbadener Kurhaus-Kolonnaden die<br />

hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger<br />

und Experten aus Leistungserbringung,<br />

Marktforschung sowie Pharma- und<br />

Medizintechnik-Industrie über Situation<br />

und Perspektiven der deutschen Gesundheitswirtschaft.<br />

Damit mündige Patienten<br />

mit ihrer Versorgung zufrieden sind und zugleich<br />

Forschung, Entwicklung und Herstellung<br />

als Motor für wirtschaftliches Wachstum<br />

dienen können – so eine der<br />

herausragenden Thesen der Podiumsveranstaltung<br />

- müssen Innovationen rasch auch<br />

bei deutschen Leistungserbringern Eingang<br />

finden … was natürlich einen adäquaten<br />

Finanzierungsrahmen erfordert.<br />

Eine alternde Bevölkerung nicht nur in den Industrieländern<br />

und eine wachsend einkommensstarke<br />

Mittelschicht in Schwellenländern<br />

treiben weltweit die Nachfrage nach medizinischen<br />

und pflegerischen Leistungen. An Inno-<br />

rung neuer Untersuchungs- und Behandlungsverfahren<br />

keineswegs immer „das<br />

Geld der Leistung", wie es Grundlage der<br />

DRGs war. Der Grund dafür ist die Deckelung<br />

des Gesamtbudgets, so dass das Geld<br />

bei Einführung von Innovationen nur innerhalb<br />

des Gesamtsystems anders verteilt<br />

wird. Neuerungen im hochkomplexen Medizinsystem<br />

führen auch keineswegs dazu,<br />

dass auf „Altes“ parallel dazu verzichtet<br />

werden kann, wie man zunächst denken<br />

könnte. Die meisten Neuerungen sind Ergänzungen<br />

und Erweiterungen zu schon<br />

bestehenden Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten.<br />

Das obige Beispiel möge es<br />

belegen.<br />

Krankenkassen, die sich im Rahmen des<br />

Wettbewerbs fortschrittlich darstellen<br />

möchten, werden sicherlich in dem ihnen<br />

gegebenen politischen Rahmen darauf hinwirken,<br />

dass Innovationen schneller als bislang<br />

Eingang finden in unserem Medizinbetrieb.<br />

Patientinnen und Patienten hätten<br />

schnelleren Zugang zu Innovationen, die ihnen<br />

u.U. ein ganzes Stück weit „Lebensqualität“<br />

ermöglichen würden. Darüber hinaus<br />

werden die Krankenkassen ihren Wettbewerbsvorteil<br />

im heiß umkämpften Markt<br />

herausstellen.<br />

E Dr. Ursula Stüwe, Präsidentin der<br />

Landesärztekammer Hessen

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