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Entscheiderbrief - GIT Verlag

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14<br />

Wer bekommt was?<br />

Kostenträger <strong>Entscheiderbrief</strong> 1/2008<br />

Wie verhalten sich Ressourcenknappheit und der Bedarf an innovativen Therapien zueinander?<br />

Warum spielt die Wirtschaftlichkeit bei innovativen<br />

Therapien eigentlich eine Rolle?<br />

Die medizinische Leistungsfähigkeit einer<br />

Innovation sollte doch ausschließlich ausschlaggebend<br />

für ihren Einsatz sein.<br />

Prof. Dr. Oliver Schöffski,<br />

Universität Erlangen-Nürnberg,<br />

Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement<br />

Aufgrund der Ressourcenknappheit kann das<br />

aber nicht uneingeschränkt der Fall sein. Nehmen<br />

wir einmal an, dass an einer chronischen,<br />

progredienten Erkrankung eine Mio. Personen<br />

in Deutschland leiden. Diese Krankheit ist nicht<br />

lebensbedrohlich, führt aber zu einer massiven<br />

Einschränkung der Lebensqualität. Therapierbar<br />

ist die Krankheit bislang noch nicht. Nun<br />

erhält allerdings eine bahnbrechende Arzneimittelinnovation<br />

die Zulassung. Bei einem<br />

großen Teil der Patienten kommt es durch die<br />

Behandlung zu einer Verbesserung der Situation,<br />

bei einem Teil kann das Voranschreiten der<br />

Erkrankung zumindest gestoppt werden, nur<br />

bei einem kleineren Teil zeigt sich keine Wirkung.<br />

Die Nebenwirkungen sind medizinisch<br />

und kostenmäßig im Vergleich zu diesen positiven<br />

Aspekten vernachlässigbar. Aus medizinischer<br />

Sicht ist damit alles klar. Allerdings<br />

tauchen zwei Probleme auf: Erstens, die Therapie<br />

muss lebenslang fortgesetzt werden, ansonsten<br />

schreitet die Krankheit weiter voran; zweitens,<br />

die jährlichen Therapiekosten betragen<br />

10.000 € pro Jahr.<br />

Und jetzt eine „Milchmädchenrechnung“: Eine<br />

Mio. Betroffene mit jährlich 10.000 € zusätzlichen<br />

Behandlungskosten macht 10 Mrd.<br />

€ zusätzliche Kosten, die die Kostenträger, d.h.<br />

insbesondere die gesetzlichen Krankenkassen<br />

zu tragen haben. Die Krankenkassen geben aktuell<br />

ca. 140 Mrd. € pro Jahr aus, zehn zusätzliche<br />

Mrd. € bedeuten einen Ausgabenanstieg<br />

um ca. 7 %. Was bedeutet das für den Beitragssatz<br />

der Krankenkassen? Wenn dieser durchschnittlich<br />

derzeit 14 % beträgt, bedeutet ein<br />

Ausgabenwachstum von 7 % bei gleichen Einnahmen<br />

einen Anstieg des Beitragssatzes um<br />

einen Prozentpunkt auf 15 %. Dieser ist zurückzuführen<br />

auf nur eine Innovation bei einer Indikation.<br />

Rationierung – wichtiges Thema<br />

Sind die Zahlen der Milchmädchenrechnung<br />

unrealistisch gewählt? Nein, es gibt eine Reihe<br />

von Erkrankungen, die mehr als eine Mio. Patienten<br />

in Deutschland betreffen. Viele innovative<br />

Therapien weisen Jahrestherapiekosten<br />

höher als 10.000 € auf. Unrealistisch ist sicherlich,<br />

dass jeder Patient in der Indikation lebenslang<br />

behandelt wird. Hier hat sicherlich eine<br />

Überschätzung stattgefunden. Aber diese eine<br />

dargestellt (fiktive) Arzneimittelinnovation ist<br />

nur eine unter vielen, die aktuell auf den Markt<br />

drängen, hinzu kommen Innovationen im medizin-technischen<br />

Bereich. Das von der Politik<br />

immer noch offensiv vertretene Motto „Jeder<br />

bekommt alles was für ihn gut ist“ kann nicht<br />

mehr funktionieren. Natürlich gibt es noch Rationalisierungsreserven<br />

im deutschen Gesundheitssystem,<br />

aber nicht in der Größenordnung,<br />

die nötig wären, um die Kostensteigerungen<br />

durch Innovationen in den nächsten Jahren auffangen<br />

zu können. Rationierung wird damit ein<br />

immer wichtigeres Thema im deutschen Gesundheitswesen<br />

der nächsten Jahre werden.<br />

Ein akzeptabler Weg ist zu finden<br />

Rationierung kann auf unterschiedliche Methoden<br />

durchgeführt werden – sie kann verdeckt<br />

oder offen geschehen, neue Technologien können<br />

komplett vom Markt ferngehalten werden,<br />

durch immer weitere Erhöhungen der Zuzahlung<br />

kann die Rationierung auch über die Zahlungsfähigkeit<br />

der Patienten erfolgen, nur die<br />

am stärksten Betroffenen könnten die Innovationen<br />

erhalten oder diejenigen, die am meisten<br />

davon profitieren würden. Auch das Alter der<br />

Patienten kann als Rationierungskriterium herangezogen<br />

werden, natürlich kann auch durch<br />

Los entschieden werden. Die Gesundheitsökonomie<br />

beschäftigt sich unter anderem mit der<br />

Frage, wie solche (zwingend notwendigen) Rationierungsentscheidungen<br />

rational und nachvollziehbar<br />

getroffen werden können.<br />

In den letzten Jahren ist diesbezüglich eine Reihe<br />

von Methoden und Ansätzen entwickelt<br />

worden und in jüngster Zeit beschäftigt sich<br />

auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit<br />

im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der<br />

Frage, wie solche Kosten-Nutzen-Abschätzungen<br />

valide und gesellschaftlich akzeptiert durchgeführt<br />

werden können, damit eine effiziente<br />

Steuerung des Gesundheitswesens möglich<br />

wird. Es ist aber nicht zu beschönigen: Es geht<br />

im Endeffekt um Rationierung und damit um<br />

ein unangenehmes Thema, dem man sich in<br />

Zukunft aber verstärkt stellen muss.<br />

2 Kontakt:<br />

Prof. Dr. Oliver Schöffski<br />

Universität Erlangen-Nürnberg<br />

Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement<br />

D-Nürnberg<br />

Tel.: 0911/5302313<br />

Fax: 0911/5302285<br />

oliver@schoeffski.de<br />

© Foto: www.pixelio.de/el Fausto

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