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Pfarrverband St.Lambrecht-Mariahof

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Ein Heiliger Abend am Bergbauernhof<br />

(Nach den handschriftlichen Aufzeichnungen von<br />

Peter Plattner )<br />

Heiliger Abend 1920. Für den 15 jährigen<br />

Füttererbuben Peter heißt es auch am Heiligen<br />

Abend aufstehen um 4 Uhr 30. Er hatte Glück.<br />

Denn der Bauer und die Bäuerin waren freundliche<br />

Leut und meinten es trotz der harten Arbeit und<br />

der schlechten Zeit gut mit den Dienstleuten.<br />

Nach 20 Minuten Gehzeit erreicht er endlich den<br />

<strong>St</strong>all, wo er das Vieh zu versorgen hat. Es schneit an<br />

diesem Tag heftig und wenn er stehen blieb,<br />

konnte er sogar das Rauschen des Schneefalls<br />

hören. Es ist schon 7 Uhr, als er auf den Hof<br />

zurückkommt. Heute, am Heiligen Abend, gibt es<br />

kein Frühstück. Die anderen Knechte sind mit<br />

verschiedenen Arbeiten beschäftigt. Die Mägde<br />

haben im Haus, Keller und auf dem Dachboden<br />

noch viel Arbeit. Alles muss weggeräumt werden,<br />

denn am Nachmittag ist schon Feiertag. Gegen 11<br />

Uhr gibt es endlich eine Frühstückssuppe. Zu<br />

Mittag gibt es am Heiligen Abend Brennsuppe und<br />

<strong>St</strong>erz. Anschließend gehen die Dienstleute in ihre<br />

Kammern und machen sich bereit für den<br />

Feierabend. Um 1 Uhr versammeln sich alle wieder<br />

in der Wohnstube. Aber wie hat sich diese <strong>St</strong>ube<br />

heute verändert! Im Herrgottswinkel ist die ganze<br />

Wand mit Reisig geschmückt. Glaskugeln hängen<br />

dazwischen und die Krippenfiguren sind aufgestellt.<br />

Der Geruch von Weihrauch, der vom großen Ofen<br />

ausströmt, versetzt alle in Feiertagsstimmung.<br />

Nun ist es Zeit für die Auszahlung. Nach mehreren<br />

Knechten bin endlich ich an der Reihe. Es<br />

beschleicht mich ein ehrfürchtiges Gefühl. Der<br />

Bauer lobt meine Arbeit und will wissen, ob ich<br />

noch ein Jahr am Hof bleiben wolle. Da ich,<br />

abgesehen von der langen Arbeitszeit, keine Klage<br />

vorzubringen habe, verspreche ich, weiterhin am<br />

Hof zu bleiben. Nun bekomme ich meinen<br />

Jahreslohn, der nicht allzu hoch ist und dazu noch<br />

Kleidung und Schuhe. Ich, ein armer Bub, der<br />

niemanden hinter sich hat, fühle mich auf einmal<br />

unendlich reich. Glückselig gehe ich in meine<br />

Kammer mit dem Bewusstsein, dass der Heilige<br />

Abend noch lange nicht zu Ende sein würde. Die<br />

Pfarrbrief <strong>Mariahof</strong> – <strong>St</strong>. <strong>Lambrecht</strong><br />

Seite 6<br />

Zeit vergeht schnell und ich muss mich wieder für<br />

die <strong>St</strong>allarbeit umziehen.<br />

Nachdem alle mit ihrer Arbeit fertig geworden sind,<br />

sich alle gereinigt haben, sind nun alle wieder in<br />

der Wohnstube versammelt. Aus der Rauchkuchl<br />

dringt bereits ein wunderbarer Duft zu uns<br />

herüber. Nun werden die Betschemel hervorgeholt.<br />

Es herrscht feierliche <strong>St</strong>ille, als der Bauer und die<br />

Bäuerin auch zum Tisch knien. Das Gebet besteht<br />

aus den drei Rosenkränzen, der Lauretanischen<br />

Litanei und der Anrufung vieler Heiliger und<br />

Nothelfer. Nach eineinhalb <strong>St</strong>unden ist das Gebet<br />

beendet, alle sind etwas müde und es herrscht<br />

Ruhe und <strong>St</strong>ille.<br />

Endlich ist es dann so weit. Die <strong>St</strong>ubentüre geht auf<br />

und die Bäuerin stellt eine große Schüssel mit<br />

heißer Milch und eine riesige Schüssel mit einem<br />

goldbraun gebackenen Apfelstrudel auf den Tisch.<br />

Das ist für alle etwas Neues. In dieser Gegend des<br />

Bauernhofes, in fast 1300 m, gedeiht kein Obst<br />

mehr. In festlicher Ruhe, die kaum durch ein<br />

Gespräch unterbrochen wird, beenden wir das<br />

Mahl mit einem Dankgebet.<br />

Um 11 Uhr nachts beginnen die Glocken für die<br />

Christmette einzuläuten. Wir alle machen uns nun<br />

mit Laternen auf den Weg zur Kirche. Wir waten<br />

fast knietief im Schnee. Das Fest der Geburt Christi<br />

ist für die einfache Bauernbevölkerung wohl das<br />

größte Ereignis im Kirchenjahr. Die größte Freude<br />

für die Kirchenbesucher ist dann das „<strong>St</strong>ille Nacht,<br />

heilige Nacht“. Nach der Mette erklingen wieder<br />

die Glocken vom Turm und die Menschen<br />

verlassen, festlich gestimmt, das Gotteshaus. Alle<br />

grüßen einander und wünschen sich gesegnete<br />

Weihnachten. Wieder werden die Laternen<br />

angezündet, und die Bauern machen sich auf den<br />

oft stundenlangen Heimweg.<br />

Auch ich, der Füttererbub, gehe mit den<br />

Bauersleuten und dem Gesinde wieder heimzu.<br />

Meine Kammer ist in dieser Nacht wohlig warm,<br />

und ich falle müde ins Bett. Für mich armen,<br />

verlassenen Buben war dieser Heilige Abend ein<br />

glücklicher Feiertag.<br />

Aus dem Buch „Wie es bei uns einmal war“ von Heide <strong>St</strong>öckl,<br />

1999, S. 190 bis 195<br />

(B. Paulitsch)

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