ETHNOBOTANIK - Austrian Biologist Association
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Zu Fronleichnam werden in einer gemeinsamen<br />
kirchlichen Prozession<br />
Wiesen und Felder umschritten und<br />
um Schutz und Segen für die wachsenden<br />
Früchte gebeten. Zu diesem Anlass<br />
werden im niederösterreichischen<br />
Rohr am Gebirge optisch besonders<br />
ansprechende Fronleichnamsstangen<br />
hergestellt, deren Abschluss in einer<br />
prächtigen Krone endet.<br />
Fronleichnamsstangen<br />
Die dafür benötigten Blumenkränze<br />
werden tags zuvor von Frauen und<br />
Kindern aus Wiesenblumen geflochten<br />
und am nächsten Tag, zeitig in der Früh,<br />
auf den Kirchplatz gebracht, wo sie von<br />
jungen Männern auf knapp fünf Meter<br />
lange Stangen aufgebunden werden.<br />
Es sind die einfachen, funktionalen<br />
Gegenstände, die das Leben erleichtern,<br />
und deshalb über Generationen<br />
weitergegeben werden. So wurden<br />
beispielsweise die großen Blätter der<br />
Pestwurz (Petasites sp.) als Sonnen-<br />
und Regenschutz aufgesetzt (Pernitz,<br />
Niederösterreich).<br />
Um die Wollsocken zu schonen, wickelten<br />
die Holzknechte im Sommer<br />
mit den großen Blättern des Huflattichs<br />
(Tussilago farfara) ihre Füße ein.<br />
Auch die Almbutter wurde in solchen<br />
Blättern frisch gehalten (Lassing, Niederösterreich).<br />
Wer an Schweißfüßen litt, wickelte die<br />
einzelnen Zehen, anschließend den<br />
gesamten Fuß mit den Brenn-Nesselblätter<br />
(Urtica sp.) ein. Darüber gebundene<br />
„Stiefelfetzen“ verhinderten ein<br />
Verrutschen derselben (St. Georgen ob<br />
Judenburg, Steiermark). Roma erzählten<br />
mir von folgender Anwendung:<br />
Bevor sie sich ihre Läppchen für die<br />
Ohrenringe durchstechen lassen, massieren<br />
sie dieses etwa zehn Minuten<br />
lang mit frischen Brenn-Nesselblättern<br />
ein. Derart vorbehandelt, ist der Stich<br />
kaum spürbar (Oberwart, Unterwart;<br />
Burgenland).<br />
Roggenstroh (Secale cereale) wiederum<br />
bewährte sich für die Herstellung<br />
von Schlapfen.<br />
F. Brugger (geb. 1916), Taxenbach Eschenau (Pinzgau,<br />
Salzburg) flechtet einen Strohzopf (1985).<br />
Mitten in der Arbeit am Schuhleisten.<br />
Schuhe aus eigener Produktion.<br />
Thema<br />
Früher einmal – es ist noch gar nicht<br />
so lange her - waren die Besen „hausgemacht“.<br />
Jede Pflanze, die sich nur<br />
irgendwie dazu eignete, wurde zum<br />
‚Besen’. Den Grundstoff dafür entnahm<br />
man der heimischen Vegetation, oder<br />
die entsprechenden Pflanzen sind dafür<br />
angebaut worden. Die Herstellung<br />
der Arbeitsgeräte am eigenen Hof erfolgte<br />
vorwiegend aus ökonomischen<br />
Überlegungen, aber auch aus der<br />
Selbstverständlichkeit heraus, die Rohmaterialien<br />
des eignen Bodens sinnvoll<br />
zu nutzen.<br />
J. Grießbacher (geb. 1910) bindet in seiner Werk-<br />
statt aus Birkenreiser (Betula pendula) Besen<br />
(Mariazell, Steiermark 1985).<br />
bioskop 2/2008<br />
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