Sein Leben als Topmodel ist eine Gratwanderung zwischen Ablehnung und Bewunderung. Trotz großer Rückschläge hat sich der Hamburger <strong>Mario</strong> <strong>Galla</strong>, der seit seinem dritten Lebensjahr eine Beinprothese trägt, seinen Traum erfüllt. Gemeinsam mit Autor <strong>Lars</strong> <strong>Amend</strong> aus Langgöns hat er nun seine Biografie geschrieben. Die Botschaft: Lass dich nicht von deinem Wegabbringen. Der streifzug hat die beiden in Hamburg getroffen… 16 streifzug 10/2011 »Ohne Prothese fühle ich mich nackt«
Was ist das für ein Gefühl, ein Buch über sein Leben in der Hand zu halten? MG: Es ist irre. Ein ganz krasses Gefühl. Ich auf 384 Seiten. Ich habe es schon mehrmals gelesen und kenn’ mich mittlerweile ganz gut aus in meinem Leben (lacht). Es ist ein richtig geiles Buch. Das Buch des Jahres (lacht). Erzählen Sie uns von der Entstehung… MG: <strong>Lars</strong> und ich haben uns eine Woche bei mir in Hamburg eingeschlossen. Den ganzen TagKaffee, Espresso und Gespräche. Die wichtigsten Ereignisse hatte ich chronologisch aufgeschrieben. <strong>Lars</strong> ist dann mit den Aufnahmen in die Pfalz abgehauen und hat geschrieben. Wir waren aber weiter täglich in Kontakt und haben uns die Kapitel hin und hergeschickt. LA: Außerdem habe ich <strong>Mario</strong> zu Shootings und Shows begleitet, umzusehen, wie er sich verhält, und wie die Leute auf ihn reagieren. Ich wollte das Leben hinter den Kulissen der Modeindustrie kennenlernen. Der größte Teil der Arbeit an einer Biografie ist aber das Reden. Tag und Nacht. Ich habe ihn alles gefragt, er hat mir alles erzählt. MG: <strong>Lars</strong> hat mich therapiert (lacht). Durch die Gespräche und seine Fragen kamen viele Erinnerungen zurück. Wir waren in unserer eigenen Welt… Sind die richtigen Fragen das Entscheidende beim Schreiben einer Biografie? LA: Vielleicht. Das bloße Zuhören reicht jedenfalls nicht aus. Noch wichtiger ist aber, dass es bei so einem Buch um 100 Prozent Ehrlichkeit und Vertrauen geht. Ich will das hören, was er eigentlich nicht erzählen würde, weil es unangenehm oder peinlich ist. Aber genau das ist das Spannende. Bei <strong>Mario</strong> war es kein Problem. Die Vertrauensbasis war sofort vorhanden. Sonst hätte ich auch nicht eine Woche bei ihm schlafen können, obwohl wir uns gar nicht kannten. Wie finden Sie heraus, obSie mit einem Kunden auf einer Wellenlänge liegen? LA: Das merkt man sofort. Das ist wie bei einem Mädchen, das du kennenlernst. Da merkst du auch sofort, dass da irgendetwas ist. Das funktioniert intuitiv. Herr <strong>Galla</strong>, Sie haben ihm Ihr Leben erzählt, hat er auch etwas von sich preisgegeben? MG: Ja. Das ist sehr lustig gewesen. Ich habe <strong>Lars</strong> bei unserem ersten Treffen zuerst interviewt (lacht). Ich musste für die Uni eine Person aus der Medienbranche vorstellen und habe ihn ausgefragt. Ich fand ihn sehr interessant. Erist sein eigener Chef, hat eine eigene Firma, schreibt Bestseller und hat schon viele Erfahrungen gesammelt. Für mich war es viel interessanter von ihm zu hören, als von mir zu erzählen. Ich habe ihn also zuerst kennengelernt, und für die Hausarbeit gab es eine 1. Wie könnte seine Biografie heißen? MG: Oh, ich bin nicht gut mit Überschriften. LA: <strong>Mario</strong> sagt, dass ich sein Motivator bin. MG: Stimmt. Immer, wenn ich einen Durchhänger habe, hilft er mir. Erhat oft so einfache Lösungen parat. Ich denke immer, wieso sehe ich das nicht? Er ist ein krasser Motivator, aber eine Überschrift, die ihm gerecht wird, habe ich nicht. Erist einfach ein supercooler Typ. Hört sich so an, als wäre aus dem Buchprojekt eine dicke Freundschaft entstanden… MG: Ich hoffe doch. Wenn er mich nach der Veröffentlichung nicht fallen lässt wie eine heiße Kartoffel (lacht). Ich hoffe, er leiht mir mal wieder seine Luftmatratze, wenn ich einen Schlafplatz in Berlin brauche. Geht das eigentlich am Wochenende klar? Ich habe noch gar nicht gefragt. LA: Logisch. Das geht klar! (lacht) Welche Gabe macht ihn zu diesem erfolgreichen Biografieschreiber? MG: Er kann sich krass in eine Person hineinversetzen. Wenn er sieht, wie ich mit Freunden rede oder mit meiner Mama telefoniere, weiß er genau, was in mir passiert. Erkann mich total nachvollziehen und weiß genau, was ich meine, wenn ich etwas sage. Das hat die Arbeit mit ihm sehr leicht gemeicht. Eswar eigentlich gar keine Arbeit. Eswar ein Spaß. LA: Das ist der Schlüssel. Esmuss Spaß machen. Erdarf nie denken, jetzt muss ich dem wieder vier Stunden lang etwas erzählen. MG: Und wir haben geredet, geredet und geredet. Erst als das Tape zu Ende war und es klack gemacht hat, habe ich realisiert, dass wir für das Buch arbeiten. Wir waren wie Freunde, die über ihren Urlaub reden. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, ein Buch zu schreiben? MG: Weil ich gemerkt habe, dass es Menschen gibt, denen meine Geschichte und mein Umgang mit meinem Handicap hilft. LA: Es war ja nicht <strong>Mario</strong>s Idee. Er ist eher zurückhaltend und würde nie auf die Idee kommen, sich selbst so wichtig zu nehmen. MG: Ja, das stimmt. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal meine Biografie veröffentlichen würde. Genauso wie ich nie gedacht habe, dass ich als Model arbeiten kann. Ich dachte, meine Nase ist zu groß und dass ich kein Model-Typ bin. Nach der Michalsky-Show, die ich in kurzen Hosen gelaufen bin, kamen aber so viele Medien auf mich zu, dass ich gemerkt habe, dass mein Leben für viele etwas sehr Besonderes ist. Für mich ist es das allerdings nicht. RAMPENLICHT LA: Auch ich hatte einige der Interviews gelesen. Nach »Rock your life« wollte ich unbedingt ein weiteres Motivationsbuch schreiben. Und als ich die Schlagzeile gelesen habe: »Einbeiniges Modell erobert den Laufsteg«, dachte ich, hej, das ist doch unser »Rock your life«- Thema. Ich bin dann bei facebook auf <strong>Mario</strong>s Seite Fan geworden. Irgendwie habe ich ihn dann aus den Augen verloren, aber drei Monate später suchte <strong>Mario</strong> dort einen Medienanwalt. Ich habe blitzschnell kombiniert, dass es nur um ein Buch gehen kann und ihn direkt gefragt, ob er eins schreiben will. MG: Und ich dachte: Werist <strong>Lars</strong>, und woher weiß der das? (lacht). Wir haben uns dann aber sehr schnell geeinigt, dass wir es zusammen versuchen wollen. LA: Zwei Tage nachdem wir das Exposé rausgeschickt hatten, hatten wir einen Verlag. In diesen beiden Tagen haben sich die Verlage gegenseitig überboten. Eswar wie bei Ebay. Da habe ich schon gemerkt, dass ich mit <strong>Mario</strong> einen guten Riecher hatte. Kam das Interesse durch <strong>Mario</strong>s Geschichte oder durch Ihren »guten Namen«? LA: Zu 90 Prozent durch seine Geschichte, weil sie einfach sehr krass ist. Was er in seinem Leben erlebt hat, ist unglaublich. Die ganze Welt sagt, das schaffst du nicht, mit deinem Bein, manche Desginer behandeln ihn total abwertend, aber 30 Minuten später steht dieser Junge wieder beim nächsten Casting – und strahlt. Aus seiner Perspektive in diese eitle auf Perfektion getrimmte Modewelt einzutauchen, ist super spannend gewesen. Die restlichen zehn Prozent bin vielleicht ich, der Bestsellerautor. Aber <strong>Mario</strong> ist der ausschlaggebende Faktor. MG: Wie bescheiden (lacht). Ich glaube, es ist die Mischung. Die Story und sein Name. Das passt. Wir sind einfach eine geile Mischung. Dann lassen Sie uns über die Story reden. Fangen wir vorne an. Sie wurden in einer phillippinischen Imbissbude entdeckt? MG: Stimmt. Ich stand an einem Samstagmorgen total verkatert und noch verstrahlt an der Theke. Der Typ hinter dem Tresen hat gefragt, hast du Lust als Model zu arbeiten? Ich dachte, was willst du denn. Ich hatte gehört, dass es in der Branche viele Abzieher gibt und war sehr skeptisch. Ich habe ihm dann aber doch meine Nummer gegeben, weil ich wusste, wo ich ihn finde, wenn etwas falsch läuft. Ihr Vertrauen wurde belohnt… MG: Ja, zwei Tage später wurde ich von meiner jetzigen Agentur zu einem offenen Casting eingeladen. Dasaßen richtig gutaussehende Typen. Ich dachte, die nehmen alle außer 10/2011 streifzug 17