Dies und Das - GEW Landesverband Bayern
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aus der <strong>GEW</strong> ... aus der <strong>GEW</strong> ... aus der <strong>GEW</strong> ... aus der <strong>GEW</strong> ... aus der <strong>GEW</strong><br />
Wenn die Braunen rot tragen ...<br />
Der Historiker Kurt Pätzold fragt provokativ: »War Hitler ein Linker?«<br />
<strong>GEW</strong> Hof lädt ein zur wissenschaftlichen Analyse der sozialen Demagogie alter <strong>und</strong> neuer Nazis<br />
Nicht nur in Ostoberfranken<br />
versuchen sich Nazi-Kameradschaften<br />
wie das »Freie Netz Süd«<br />
zunehmend durch markige Systemkritik<br />
zu profilieren: Gegen<br />
kapitalistische Globalisierung, gegen<br />
Ausbeutung, gegen Hartz IV.<br />
Nicht zu unterschätzen ist die Wirkung<br />
gerade auf junge Menschen,<br />
auf SchülerInnen <strong>und</strong> Studierende,<br />
unter ihnen auch nicht wenige<br />
junge Frauen.<br />
Daher lud der Kreisvorstand<br />
der <strong>GEW</strong> Hof-Wunsiedel einen<br />
renommierten Historiker zu dem<br />
Thema ein, gemeinsam mit der<br />
Vereinigung der Verfolgten des<br />
Naziregimes/B<strong>und</strong> der AntifaschistInnen<br />
(VVN/BdA) <strong>und</strong> mit<br />
dem DGB Ostoberfranken.<br />
Der Vortrag des Berliner Historikers<br />
Prof. Kurt Pätzold mit<br />
dem provokativen Titel »War Hitler<br />
ein Linker?« in der Hofer Stadtbücherei<br />
stieß denn auch mit<br />
knapp vierzig Zuhörern <strong>und</strong> Zuhörerinnen<br />
auf großes Interesse.<br />
In seiner Begrüßung würdigte<br />
Peter Herold, Leiter der Hofer<br />
Stadtbücherei, die Produktivität des Berliner<br />
Historikers <strong>und</strong> Autors mit seinen<br />
zahlreichen Veröffentlichungen historischer<br />
Werke, darunter eine Geschichte der<br />
NSDAP (zusammen mit Manfred Weißbecker)<br />
<strong>und</strong> eine äußerst detailreiche Biografie<br />
von Rudolf Hess.<br />
»Wir werden uns nicht von den Herren<br />
der Linken übertreffen lassen in der Forderung<br />
berechtigter Belange der Arbeiter...« -<br />
mit diesem Zitat des Nazi-Redners 1933,<br />
auf der ersten Sitzung des gleichgeschalteten<br />
Hofer Stadtrats, ging er in medias res:<br />
Worin genau besteht soziale Demagogie<br />
<strong>und</strong> wie ist ihr beizukommen?<br />
<strong>Das</strong>s sie immer schon ein Instrument der<br />
Herrschaftssicherung in Krisenzeiten war,<br />
wies Pätzold an anschaulichen Beispielen<br />
nach. Dazu wurden neben unrealistischen<br />
Versprechungen regelmäßig ein innerer oder<br />
äußerer Feind konstruiert <strong>und</strong> insbesondere<br />
der Nationalismus kräftig gefördert.<br />
Als nach dem Ersten Weltkrieg revolutionäre<br />
Forderungen von der Masse der<br />
Der bekannte Historiker <strong>und</strong> Faschismus-Forscher Prof. Dr. Kurt Pätzold bei seinem<br />
Vortrag in der Stadtbücherei Hof/Saale.<br />
Menschen kamen, in deren Augen die bürgerlichen<br />
Regierungen versagt hatten, versuchten<br />
die Hitler-Anhänger, diese für ihre<br />
Zwecke umzulenken, indem sie ihre Begriffe,<br />
Lieder <strong>und</strong> Ziele usurpierten. Pätzold<br />
zeigte die Parallelen zum Auftreten<br />
der neuen Nazis auf, wie z.B. auch in der<br />
Region Hof: Mit roten T-Shirts <strong>und</strong> Parolen<br />
gegen den Kapitalismus gibt sich die<br />
braune Truppe revolutionär, ohne allerdings<br />
auf antisemitische <strong>und</strong> rassistische<br />
Parolen zu verzichten.<br />
Einen nicht unwichtigen Gr<strong>und</strong> dafür,<br />
warum auch heute wieder junge Menschen<br />
auf faschistische Propaganda hereinfielen,<br />
sah Pätzold in dem verzerrten Geschichtsbild,<br />
das von Mainstream-Medien, in manchen<br />
Schulbüchern <strong>und</strong> der offiziellen Politik<br />
vermittelt werde.<br />
Oft werde der Faschismus reduziert<br />
auf seinen Rassenwahn <strong>und</strong> auf die quasi<br />
magische Ausstrahlung Hitlers. Auch die<br />
verbale Demagogie der Nazis werde allzu<br />
oft unkritisch oder absichtlich übernom-<br />
men. <strong>Das</strong> legte er u.a. am Beispiel<br />
des Begriffs »Nationalsozialismus«<br />
dar, der wieder häufig anzutreffen<br />
sei als Bezeichnung für die faschistische<br />
NS-Diktatur.<br />
Der vorgebliche »nationale<br />
Sozialist« Hitler selbst fing bereits<br />
in den 1920er Jahren an, sich<br />
- auf mehr oder weniger geheimen<br />
Treffen - von der pseudo-sozialistischen<br />
Propaganda der NS-<br />
DAP zu distanzieren, wofür Pätzold<br />
mehrere Beispiele gab. Es<br />
galt, die Geldgeber, Großunternehmer<br />
<strong>und</strong> Großgr<strong>und</strong>besitzer,<br />
die das revolutionäre Gehabe von<br />
Hitlers Anhängern irritierte, zu<br />
beruhigen.<br />
Der Historiker kritisierte PolitikerInnen<br />
wie die B<strong>und</strong>esvertriebenen-Sprecherin<br />
Erika Steinbach,<br />
die Wasser auf die Mühlen<br />
der Demagogen lenkte, indem sie<br />
erst unlängst behauptete, Hitler sei<br />
schließlich auch ein »Sozialist« gewesen.<br />
»Mit demselben Recht könnte<br />
man Hitler als Friedenspolitiker<br />
bezeichnen«, betonte Pätzold.<br />
»Hitlers Reden zu seinem unbedingten<br />
Friedenswillen könnten Regale füllen, während<br />
gleichzeitig die Aufrüstung bei Krupp<br />
<strong>und</strong> Thyssen schon auf Hochtouren lief.«<br />
So werde versucht, GesellschaftskritikerInnen<br />
<strong>und</strong> Linke nach dem bekannten<br />
Verfahren der Totalitarismus- bzw. Extremismus-Theorie<br />
in einen Topf zu werfen<br />
<strong>und</strong> zu diffamieren.<br />
Die anschließende Diskussion förderte<br />
weitere konkrete Argumente <strong>und</strong> historische<br />
Fakten aus dem schier unerschöpflichen<br />
historischen Arsenal des Referenten<br />
zutage, der zudem von Erfahrungen aus<br />
Diskussionen an Schulen berichten konnte.<br />
So musste die Moderatorin <strong>und</strong> VVN-<br />
Kreisvorsitzende Nanne Wienands zu vorgerückter<br />
St<strong>und</strong>e schließlich doch auf ein<br />
Ende drängen, nicht ohne den Hinweis,<br />
dass man Kurt Pätzold schließlich zu einer<br />
Fortsetzung einladen könne.<br />
von Eva Petermann<br />
<strong>und</strong> Nanne Wienands<br />
<strong>GEW</strong> Kreisverband Hof<br />
DDS September 2012 28