ein bayrisch-puntanisch-schottisches Drama - KOPS
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Eltern Pringsheim das bereits erwahnte Testament, vielleicht urn die Hypotheksauflosung<br />
voranzutreiben (s. 0.). Das Testament hatte Erik bereits Ende<br />
1908 fur s<strong>ein</strong>e Eltern geschrieben, Mary muss es aber erst <strong>ein</strong>ige Zeit nach ihrer<br />
Ruckkehr 1909 unabgesandt in Argentinien gefunden haben. Im Dezember<br />
1911 reiste sie all<strong>ein</strong>e auf dem Dampfer "Konig F riedrich August", Hapag, erster<br />
Klasse, von Bremen nach Buenos Aires zuriick. Es ist anzunehmen, dass sie<br />
den Aufenthalt in Deutschland aus dem unter argentinischen Estancieros mittlerweile<br />
ausgebrochenen Reichtum finanzierte. Mary wird in Hedwig Pringsheims<br />
Tagebuch letztmalig im Oktober 1910 erwahnt, obwohl das Tagebuch<br />
bis 1941 weitergefiihrt wurde. 86 Hedwig blieb davon uberzeugt, dass Mary mit<br />
ihrem schlechten Lebenswandel zumindest psychologisch fur den Tod ihres<br />
ge!iebten Sohnes verantwortlich warY<br />
Was damals wirklich geschah, kann man natiirlich nicht sicher rekonstruieren.<br />
Ein direkter Mord ersch<strong>ein</strong>t angesichts der neben Mary und Mackay in<br />
"Virorco" anwesenden Zeugen von Kockritz und Joseph, die <strong>ein</strong>ige Wochen<br />
spater durch von Pannwitz dazu verhort wurden, hochst unwahrsch<strong>ein</strong>lich.<br />
Selbst Hedwig ist im Laufe der Zeit von dieser Annahme abgeruckt;<br />
fur diese Einsicht diirfte sowohl der schon erwahnte Abschiedsbrief, den<br />
Erik am 20. Januar 1909 friihmorgens an Mary geschickt hatte, als auch der<br />
Obduktionsbefund, dass ihm k<strong>ein</strong>e Gewalt angetan worden war, beigetragen<br />
haben. Aufgrund von Marys Beschreibungen vermuten wir, dass Erik <strong>ein</strong>e<br />
geringe, an sich nicht todliche - und vielleicht auch mit den damaligen Analysemethoden<br />
nicht verlasslich nachweisbare 88 -, aber dennoch scheuBlich bitter<br />
schmeckende Menge Strychnin zu sich nahm und sich dann mit Antipyrin und<br />
dem bei der Obduktion ansch<strong>ein</strong>end nicht naher definierten "Pflanzenextrakt"<br />
behande!te. Unserer M<strong>ein</strong>ung nach war letzteres wahrsch<strong>ein</strong>lich stimmungshebendes<br />
Kokain, das er mit vie! Papierrascheln schnupfte. 89 Er aB dann noch<br />
Si, Cristina Herbst, Frankfurt/Main, Mitteilung 2010.<br />
S? Jens, Sohn (zit. Anm. 1), S. 85; Neumann (zit. Anm. 3), S. 91 f.<br />
" In der Regel ist Strychnin gegeniiber Leichenverwesung sehr bestandig. Man konnte schon<br />
vor 1900 noch viele Monate nach <strong>ein</strong>er Vergiftung mittels <strong>ein</strong>er seit 1883 bekannten Farbreaktion<br />
todliche Strychnindosen zuverlassig nachweisen: Kobert (zit. Anm. 58), S. 139. Seltenere Falle<br />
von reduzierter Strychninhaltbarkeit wurden aber schon damals vermutet. Heute weiil man, dass<br />
Strychnin unter Umstanden von speziellen Bakterien sehr schnell und vollstandig abgebaut werden<br />
kann: Herbert Bucherer: Ober den mikrobiellen Abbau von Giftstoffen, in: Zentralblatt fur<br />
Bakteriologie, Parasitenkunde, Infektionskrankheiten und Hygiene, Bd. 119 (1965), S. 232; Robert<br />
1. Staff u. a.: Aerobic Biodegradation of Strychnine, in: Journal of Agricultural and Food Chemistry,<br />
Bd. 44 (1996), S. 1603.<br />
" Kokain war damals in Argentinien leicht und billig in Papiercachets erhaltlich; es wurde erst<br />
1923 rezeptpflichtig. Es verursacht neben den bekannteren Wahrnehmungs- und Stimmungsanderungcn<br />
<strong>ein</strong>e Korperiibercrwarmung und in hoheren Dosen ofters auch Muskelkrampfe. Urn<br />
1909 wurde Kokain als eher harrnlos angesehen, obwohl sowohl Sucht- als auch Toclesfiille schon