Programmheft herunterladen - Münchner Philharmoniker
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James Gaffigan<br />
Sergey Khachatryan<br />
Sonntag, 16. Dezember 2012, 11 Uhr<br />
Montag, 17 Dezember 2012, 20 Uhr<br />
Dienstag, 18. Dezember 2012, 20 Uhr<br />
'12 mphil.de<br />
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Brillantes Perlen-Trio<br />
Zauberhafte Colliers in 585/– Rosé- oder Weißgold<br />
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895,– / mit Tahitiperle 995,–
Alban Berg<br />
Konzert für Violine und Orchester<br />
„Dem Andenken eines Engels“<br />
1. Andante – Allegretto<br />
2. Allegro – Adagio<br />
Anton Bruckner<br />
Symphonie Nr. 6 A-Dur<br />
(Originalfassung 1881)<br />
1. Majestoso<br />
2. Adagio: Sehr feierlich<br />
3. Scherzo: Nicht schnell – Trio: Langsam<br />
4. Finale: Bewegt, doch nicht zu schnell<br />
James Gaffigan, Dirigent<br />
Sergey Khachatryan, Violine<br />
Sonntag, 16. Dezember 2012, 11 Uhr<br />
2. Abonnementkonzert m<br />
Montag, 17. Dezember 2012, 20 Uhr<br />
4. Abonnementkonzert a<br />
Dienstag, 18. Dezember 2012, 20 Uhr<br />
3. Abonnementkonzert e5<br />
Spielzeit 2012/2013<br />
115. Spielzeit seit der Gründung 1893<br />
Lorin Maazel, Chefdirigent<br />
Paul Müller, Intendant
2<br />
Alban Berg<br />
(1885–1935)<br />
Konzert für Violine und Orchester<br />
„Dem Andenken eines Engels“<br />
1. Andante – Allegretto<br />
2. Allegro – Adagio<br />
Lebensdaten des Komponisten<br />
Geboren am 9. Februar 1885 in Wien; gestorben<br />
am 24. Dezember 1935 in Wien – Berichten der<br />
Familie zufolge jedoch bereits am 23. Dezember<br />
kurz vor Mitternacht.<br />
Alban Berg: Violinkonzert<br />
„Ein rein persönliches Bekenntnis“<br />
Tobias Niederschlag<br />
Entstehung<br />
Im Februar 1935 erteilte der amerikanische Geiger<br />
Louis Krasner (1903-1995) Alban Berg den Auftrag<br />
zur Komposition eines Violinkonzerts, dessen<br />
alleinige Aufführungsrechte er sich einige<br />
Zeit vorbehalten wollte. Durch den Tod der dem<br />
Komponisten nahestehenden Manon Gropius<br />
(1916–1935), der sich nur zwei Monate später<br />
ereignete, fühlte sich Berg veranlasst, sein Konzert<br />
zu einem „Requiem für Manon“ umzugestalten<br />
und bis zum 11. August 1935 zu vollenden.<br />
Widmung<br />
Dem Auftraggeber und Solisten der Uraufführung<br />
Louis Krasner; darüber hinaus bildet der<br />
Untertitel „Dem Andenken eines Engels“ eine<br />
posthume Widmung an die am 22. April 1935 an<br />
spinaler Kinderlähmung verstorbene 18-jährige<br />
Manon Gropius, die Tochter Alma Maria Mahlers<br />
aus ihrer kurzen Ehe mit dem Architekten<br />
Walter Gropius.<br />
Uraufführung<br />
Am 19. April 1936 in Barcelona im Rahmen eines<br />
Musikfests der „Internationalen Gesellschaft<br />
für Neue Musik“ (Orchester unter Leitung von<br />
Hermann Scherchen; Solist: Louis Krasner); Hermann<br />
Scherchen sprang für den krankheitshalber<br />
verhinderten Anton Webern ein.
„Der Engel“ Manon Gropius, dessen Andenken Alban Berg sein Violinkonzert widmete<br />
3
4<br />
„Dem Andenken eines Engels“<br />
„Gestern hab’ ich das Violinkonzert beendet, hab’<br />
zu der ganzen Arbeit (incl. Part.) also nur drei<br />
Monate gebraucht“, schrieb Alban Berg am 13. August<br />
1935 an Rudolf Kolisch. Tatsächlich war die<br />
Komposition des Werkes – untypisch für Berg –<br />
erstaunlich schnell vonstatten gegangen, sie<br />
hatte lediglich von April bis August 1935 gedauert.<br />
Dies war keineswegs abzusehen, gestaltete<br />
sie sich doch zunächst als sehr schwierig: Bereits<br />
im Februar hatte Berg von dem amerikanischen<br />
Geiger Louis Krasner den Auftrag für ein<br />
Violinkonzert erhalten. Eigentlich wollte er ablehnen,<br />
er befand sich mitten in der Arbeit an<br />
seiner Oper „Lulu“. Aus finanziellen Gründen<br />
willigte er schließlich doch ein: Seitdem die Aufführung<br />
seiner ersten Oper „Wozzeck“ in Nazi-<br />
Deutschland verboten war, die Tantiemen folglich<br />
ausblieben, kamen ihm die in Aussicht gestellten<br />
1500 Dollar mehr als gelegen.<br />
Das Geld alleine wollte ihn allerdings nicht recht<br />
inspirieren. Zwar beschäftigte er sich mit geigerischen<br />
Spieltechniken, war sich jedoch lange<br />
unklar über die Form des neuen Werkes. Schon<br />
wenig später beklagte er: „Nach zweijähriger<br />
ununterbrochen bis zur Erschöpfung von Nerven<br />
und Hirn erfolgter Arbeitsleistung an ‚Lulu‘ nun<br />
diese Viechsarbeit an einem ganzen Violinkonzert,<br />
das im Herbst vollendet sein muss !“ Erst<br />
ein erschütterndes Erlebnis schuf ihm einen Zugang<br />
zu der Auftragsarbeit: Am Ostermontag, dem<br />
22. April 1935, starb die 18-jährige Manon Gropius,<br />
genannt „Mutzi“, die Tochter Alma Mahlers<br />
aus der Ehe mit dem Architekten Walter Gropius.<br />
Das Mädchen litt an Kinderlähmung, eine<br />
kurzfristige, schwere Erkrankung führte zu ih-<br />
Alban Berg: Violinkonzert<br />
rem plötzlichen Tod. In einem Kondolenzschreiben<br />
brachte Helene Berg, die Ehefrau des Komponisten,<br />
ihre enge Verbundenheit – und sicherlich<br />
auch die ihres Mannes – zum Ausdruck: „Mutzi<br />
war nicht nur euer Kind – sie war auch meines.<br />
Wir wollen nicht klagen, daß Gott sie zu sich<br />
gerufen hat, denn sie war ein Engel.“<br />
Als „Engel“ wurde das Mädchen auch von anderen<br />
Augenzeugen, darunter Bruno Walter, bezeichnet.<br />
Berg fasste den Entschluss, das geplante Violinkonzert<br />
der Verstorbenen zu widmen – und gab<br />
ihm den Titel „Dem Andenken eines Engels“. Damit<br />
wurde der Schaffensimpuls ausgelöst, in „fi eberhaftem<br />
Tempo“ (Helene Berg) schritt die Arbeit<br />
nun voran. Am 12. April lag die Partitur – wie<br />
eingangs erwähnt – vollständig vor. Der Musikwissenschaftler<br />
Constantin Floros wies darauf<br />
hin, dass sich Berg bei der Komposition selber<br />
unter großen Zeitdruck setzte: Er hatte sich vorgenommen,<br />
das Werk – neben Manon – auch Alma<br />
Mahler zu widmen und es bis zu ihrem 56. Geburtstag<br />
am 31. August 1935 fertig zu stellen (offizieller<br />
Widmungsträger war allerdings Louis Krasner).<br />
Auf diese Weise wollte er Alma sein Mitgefühl<br />
bekunden, die einige Jahre zuvor den Druck seiner<br />
„Wozzeck“-Partitur ermöglicht und ihm damit indirekt<br />
zum Durchbruch verholfen hatte.<br />
Neben der „Geburtstagshuldigung“ wurde die<br />
Komposition sicherlich auch dadurch beschleunigt,<br />
dass Berg die Arbeit an der Oper „Lulu“ so<br />
schnell wie möglich wieder aufnehmen wollte.<br />
Aber hat er – wie häufig vermutet – möglicherweise<br />
auch gespürt, dass seine „eigene Zeit“<br />
bald ablaufen würde ? Fünf Monate nach Vollendung<br />
des Konzerts, am 24. Dezember 1935,<br />
erlag er selber, gerade einmal 50-jährig, einer
Blutvergiftung. Mit dem Violinkonzert, seiner<br />
letzten abgeschlossenen Komposition (die „Lulu“<br />
konnte er nicht mehr vollenden), hatte er also<br />
quasi auch sein eigenes „Requiem“ komponiert.<br />
Entsprechend geheimnisumwittert ist die Aura,<br />
die das Werk von jeher umgibt.<br />
„Rein musikalische Vision“<br />
Alban Bergs Violinkonzert ist das erste Solokonzert<br />
in strenger Zwölftontechnik. Berg folgte hier,<br />
wie in vielen anderen Werken, der Methode seines<br />
Lehrers Arnold Schönberg, „mit zwölf nur aufeinander<br />
bezogenen Tönen“ zu komponieren. Allerdings<br />
macht schon die verwendete Zwölftonreihe<br />
an sich den Unterschied zum Lehrer deutlich:<br />
Bergs Reihe basiert weitgehend auf einer Folge<br />
von Moll- und Dur-Dreiklängen – was Schönberg<br />
in seinen Werken strikt vermied; die Dreiklänge<br />
von g-Moll (g-b-d), D-Dur (d-fis-a), a-Moll (a-c-e)<br />
und E-Dur (e-gis-h) folgen aufeinander, den Abschluss<br />
bilden drei Ganztonschritte (cis-dis-f).<br />
Darüber hinaus stimmen die Grundtöne der Dreiklänge<br />
mit den leeren Saiten der Violine überein,<br />
deren Quinten quasi mit Terzen „aufgefüllt“ werden.<br />
Durch die vielen Terzen weist die an sich atonale<br />
Reihe einen hohen Grad an Tonalität auf. Der<br />
Berg-Schüler Theodor W. Adorno sprach daher<br />
in Bezug auf das Violinkonzert vom „Doppelsinn<br />
des Materials“.<br />
Verstärkt wird der Eindruck von Tonalität überdies<br />
durch die Verwendung tonaler Zitate: In einer<br />
Art Montage fügte Berg in das Violinkonzert<br />
eine „Kärntner Volksweise“ – das Lied „Ein Vogerl<br />
auf’m Zwetschgenbaum“ – sowie den 1723<br />
komponierten Sterbechoral „Es ist genug“ aus<br />
der Kantate „O Ewigkeit, Du Donnerwort“ BWV<br />
Alban Berg: Violinkonzert<br />
60 von Johann Sebastian Bach ein. Beide Zitate,<br />
und das ist bemerkenswert, weisen einen engen<br />
Bezug zur Reihe auf. Sie werden mit Hilfe von<br />
Bergs häufig gerühmtem „Strukturprinzip des<br />
kleinsten Übergangs“ nahtlos in das atonale<br />
Umfeld integriert.<br />
Hinsichtlich der Form entschied sich Berg letztlich<br />
für zwei große Abteilungen, die jeweils aus<br />
zwei Sätzen bestehen (Andante – Allegretto und<br />
Allegro – Adagio). Die Temporelationen (langsam<br />
– schnell und schnell – langsam) weisen in ihrer<br />
Gegenläufigkeit eine symmetrische Anlage auf.<br />
Willi Reich, ein anderer Schüler Bergs, erklärte<br />
noch zu Lebzeiten seines Lehrers, dass Berg beabsichtigt<br />
habe, in den Sätzen „die Tragödie jenes<br />
wunderbaren Wesens [gemeint ist Manon<br />
Gropius] als rein musikalische Vision“ zu gestalten.<br />
Handelt es sich also um Programmmusik ?<br />
Laut Reich gehöre das Werk in gleicher Weise der<br />
„absoluten Musik“ wie der „symphonischen Dichtung“<br />
an. Im ersten Teil habe Berg versucht, die<br />
„Wesenszüge des jungen Mädchens in musikalische<br />
Charaktere“ umzusetzen; der zweite Teil<br />
lasse sich dagegen in „Katastrophe und Lösung“<br />
gliedern. Durch den nachweislich engen Austausch<br />
zwischen Reich und Berg können diese Aussagen<br />
in gewisser Weise als vom Komponisten „autorisiert“<br />
gelten.<br />
„Manons Wesenszüge“:<br />
Andante – Allegretto<br />
In der Tat scheint der erste Teil, mit seinen vom<br />
Charakter her so unterschiedlichen Sätzen, zwei<br />
Seiten der Persönlichkeit Manons zu symbolisieren.<br />
Das Andante zeigt eine eher ernste Seite<br />
ihres Wesens, in der Partitur veranschaulicht<br />
5
6 Alban Berg: Violinkonzert<br />
durch Angaben wie „espressivo“, „delicato“ und<br />
„grazioso“. Der Satz hebt mit einer berühmt gewordenen<br />
Einleitung an: Scheinbar improvisierend<br />
fährt der Solist über die leeren Saiten der<br />
Violine, fünfmal werden die fahlen Quinten – zugleich<br />
das Grundgerüst der Reihe – auf verschiedenen<br />
Tonhöhen wiederholt. Adorno bezog dieses<br />
„unbeseelte Ausprobieren der leeren Saiten“ auf<br />
die Entstehung des Werkes: Ähnlich wie der Solist<br />
habe auch Berg sich erst auf den Kompositionsauftrag<br />
„einstimmen“ müssen. Der eigentliche<br />
Satz beginnt in Takt 11, wo die Solovioline<br />
im pianissimo „ma espressivo“ die Zwölftonreihe<br />
vorstellt. Nach einem bewegteren Mittelteil<br />
kehrt der dreiteilige Satz (A-B-A) am Schluss zur<br />
Ausgangsstimmung zurück.<br />
Ohne Pause schließt das Allegretto an, mit einer<br />
beschwingten Ländlermelodie in Klarinetten und<br />
Solovioline. Dieser Satz ist als Scherzo angelegt<br />
– möglicherweise ein Spiegelbild von Manons unbeschwerter<br />
Jugend. Der Part des Soloinstruments<br />
zeichnet sich durch Doppelgriffe und lebhafte Intervallsprünge<br />
aus. Die fünfteilige Form ist erneut<br />
symmetrisch (Scherzo – Trio I – Trio II – Trio I’ –<br />
Scherzo’), wobei die einzelnen Abschnitte durch<br />
starke Kontraste voneinander getrennt sind. Gegen<br />
Ende zitiert Berg überraschend die erwähnte<br />
Kärntner Volksweise („Ein Vogerl auf’m Zwetschgenbaum“)<br />
in Horn und Trompete, sanft umspielt<br />
von der Violine – eine nachdenkliche Chiffre für<br />
das Irdische, Diesseitige im Gegensatz zum jenseitigen<br />
Choral. Mit Ausdrucksbezeichnungen wie<br />
„scherzando“, „wienerisch“ und „rustico“ überwiegt<br />
in diesem Satz ein heiterer Charakter; nicht<br />
selten aber scheinen sich die Walzer- und Ländleranklänge<br />
„am Rande des Abgrunds“ zu bewegen.<br />
Aufgrund dieser Wesensverwandtschaft<br />
empfand Adorno das Allegretto als den „mahlerischsten<br />
Satz“ des Werkes.<br />
„Katastrophe und Lösung“:<br />
Allegro – Adagio<br />
Ganz anders dann der Beginn des zweiten Satzpaars:<br />
Das Allegro wird durch eine dramatische<br />
Türmung von Dissonanzen eröffnet. Die Kulmination<br />
erinnert an den „Todesschrei“ aus der Oper<br />
„Lulu“; hier wie dort bringt die Musik eine „Katastrophe“<br />
zum Ausdruck. Der Satz gestaltet sich zunächst<br />
als virtuose Kadenz für Violine und Orchester.<br />
Ab Takt 23 – der Schicksalszahl Bergs ! – tritt<br />
ein unerbittlicher Rhythmus in den Vordergrund<br />
(„molto ritmico“), er ist in allen Stimmen präsent.<br />
Einen Gegensatz bildet der „ruhige“ Mittelteil,<br />
dessen zarte Klanglichkeit an das Allegretto erinnert:<br />
„Der Rückgriff auf das ‚Allegretto‘ an dieser<br />
Stelle hat den Charakter einer Reminiszenz,<br />
wirkt im Angesicht des Todes wie eine Vision des<br />
vergangenen Lebens“ (Floros). Nach einer Solokadenz<br />
kommt es zu einer variierten Reprise des<br />
dramatischen Satzbeginns. Die Musik gipfelt –<br />
mit dem schicksalhaften Rhythmus – in einem<br />
so bezeichneten „Höhepunkt“. Insgesamt liegt<br />
auch diesem Satz eine Bogenform (A-B-A’) zugrunde.<br />
Der Klang schwillt allmählich ab, bis mit dem<br />
Adagio die „Lösung“, vielmehr die „Erlösung“,<br />
einsetzt: Die Solovioline intoniert den Bach-<br />
Choral „Es ist genug“, der „den Sterblichen durch<br />
ein Tor ins Dunkel geleitet, so dicht, als müsste<br />
das endliche Licht darin sich entzünden“ (Adorno).<br />
Tröstlich beantwortet wird die Violinstimme<br />
von den Klarinetten, welche die Vorlage „in der<br />
Bach’schen Harmonisierung“ anstimmen. Im
Die letzte Aufnahme Alban Bergs, die 1935 kurz vor seinem Tod entstand<br />
7
8<br />
Vergleich zum Original ist der Choral hier von 20<br />
auf 22 Takte erweitert: Manon starb am 22. April,<br />
sicherlich kein Zufall ! Die Übereinstimmung<br />
des Choralbeginns mit dem Ende von Bergs Zwölftonreihe<br />
allerdings (in beiden Fällen eine aufsteigende<br />
Ganztonfolge) ist ein Zufall: Wie Reich nachwies,<br />
hatte Berg ursprünglich geplant, einen eigens<br />
für diesen Zweck komponierten Choral zu<br />
verwenden. In einer Choralsammlung stieß er während<br />
der Komposition dann auf den Bach-Choral,<br />
der sich – neben der identischen Melodiefolge<br />
– auch vom textlichen Gehalt her perfekt in das<br />
bisher Komponierte einfügte. Eine schicksalhafte<br />
Fügung ?<br />
Im weiteren Verlauf des Adagios wird die Bach’sche<br />
Vorlage in drei Choralvariationen zwölftönig „verarbeitet“.<br />
In der Solovioline erklingt eine „espressive“<br />
Linie, von Reich als „Klagegesang“ bezeichnet,<br />
die nach und nach auf die übrigen Streicher<br />
übergreift und sich zu einem weiteren „Höhepunkt“<br />
steigert. Nach der zweiten Variation taucht dann<br />
noch einmal – „wie aus der Ferne“ – die Kärntner<br />
Volksweise auf, diesmal bitonal verfremdet. Als<br />
dritte Choralvariation verbindet die Coda anschließend<br />
den „Klagegesang“ der Violine mit einem<br />
filigranen Netz von Choralfragmenten im Orchester.<br />
Am Ende verliert sich die Solovioline mit den<br />
Reihentönen in höchster Höhe, dazu ein polytonaler<br />
Mischklang in Bläsern und Harfe, schließlich<br />
ein letztes Aufflackern der leeren Quinten<br />
in den Violinen.<br />
„Persönliches Bekenntnis“<br />
Die posthume Uraufführung des Violinkonzerts<br />
am 19. April 1936 bei einem Musikfest der Internationalen<br />
Gesellschaft für Neue Musik in<br />
Alban Berg: Violinkonzert<br />
Barcelona war ein großer Erfolg. Seitdem konnte<br />
sich das Konzert als Bergs meistgespielte Komposition<br />
im Repertoire etablieren. Mehr noch: Es<br />
gilt heute als die womöglich „populärste“ Zwölf -<br />
tonkomposition überhaupt. Ist es die Idee eines<br />
programmatischen „Requiems für Manon“ (Reich),<br />
mit der Solovioline als „Engel“, die das Publikum<br />
immer wieder fasziniert ? Oder sind es die erstaunlich<br />
tonalen, romantisierenden Züge des Werkes ?<br />
Sicher trug auch der autobiographische und in<br />
dieser Hinsicht „wahrhaftige“ Charakter der Komposition<br />
einen entscheidenden Teil bei. Die Bezüge<br />
zu Bergs eigener Biographie wurden von Helene<br />
Berg gestützt, die am 12. August 1958 (auf den<br />
Tag genau 23 Jahre nach Abschluss des Konzerts)<br />
erklärte: „Das Violinkonzert ist ja der Abschied<br />
Alban Bergs von dieser Welt, eine schmerzvollwehmütig-ergebene<br />
Sprache (die letzte), zu allem,<br />
was ihm hier lieb war, ein rein persönliches Bekenntnis<br />
seiner Beziehung zur Welt – zum Tod –<br />
zu Gott.“
Anton Bruckner<br />
(1824–1896)<br />
Symphonie Nr. 6 A-Dur<br />
1. Majestoso<br />
2. Adagio: Sehr feierlich<br />
3. Scherzo: Nicht schnell – Trio: Langsam<br />
4. Finale: Bewegt, doch nicht zu schnell<br />
Lebensdaten des Komponisten<br />
Geboren am 4. September 1824 in Ansfelden /<br />
Oberösterreich unweit von Linz ; gestorben am<br />
11. Oktober 1896 in Wien.<br />
Entstehung<br />
Recht bald nach Beendigung seines Streichquintetts<br />
im Juli 1879 nahm Bruckner die neue Symphonie<br />
in Angriff. Der 1. Satz war Ende September<br />
1880 fertiggestellt, das Adagio Ende Novem-<br />
Anton Bruckner: 6. Symphonie A-Dur<br />
Auf der Suche nach einem neuen Weg<br />
Marcus Imbsweiler<br />
ber. Im Juni und September 1881 folgten die bei -<br />
den restlichen Sätze. Zwei Jahre Entstehungszeit<br />
lagen bei Bruckner im Rahmen des Üblichen;<br />
die „Fünfte“ vollendete er innerhalb von 15 Monaten,<br />
schloss allerdings eine längere Umarbeitungsphase<br />
an, für die „Siebte“ brauchte er wieder<br />
zwei Jahre, für die „Achte“ (1. Fassung) drei.<br />
Widmung<br />
Bruckner widmete die Symphonie dem Philosophen<br />
Dr. Anton Ölzelt Ritter von Nevin (1854–<br />
1925) und seiner Frau Amalie (Amy), geb. Edle<br />
von Wieser. Ölzelt war Besucher von Bruckners<br />
Vorlesungen an der Universität und mit ihm befreundet;<br />
18 Jahre lang ließ er den Komponisten<br />
unentgeltlich in seinem Haus in der Heßgasse<br />
direkt neben dem Ringtheater wohnen, dessen<br />
Aussicht Bruckner sehr schätzte.<br />
Uraufführung<br />
Am 26. Februar 1899, nach Bruckners Tod, in Wien<br />
im Großen Musikvereinssaal (Wiener <strong>Philharmoniker</strong><br />
unter Leitung von Gustav Mahler, der allerdings<br />
instrumentale Retuschen und etliche Kürzungen<br />
vorgenommen hatte). Bereits am 11. Februar<br />
1883, ebenfalls in Wien, waren die beiden<br />
Mittelsätze erstmals gespielt worden (Wiener<br />
<strong>Philharmoniker</strong> unter Leitung von Wilhelm Jahn).<br />
Ungekürzt hingegen erklang die „Sechste“ zum<br />
ersten Mal am 14. März 1901 in Stuttgart, aufgeführt<br />
von der Königlich-Württembergischen<br />
Hofkapelle unter Leitung von Karl Pohlig.<br />
9
10 Anton Bruckner: 6. Symphonie A-Dur<br />
Bruckners „Sechste“: ein Streitfall. Unter seinen<br />
mittleren und späten Symphonien zählt sie zu den<br />
Unbekanntesten, rangiert auch in der Publikumsgunst<br />
deutlich hinter der beliebten „Vierten“ oder<br />
„Siebten“. Von Kennern dagegen wird sie gerade<br />
für ihre Vielschichtigkeit geschätzt. Und Bruckner<br />
selbst ? Er scheint mit dem Ergebnis seiner<br />
Arbeit zufrieden gewesen zu sein. Anders als bei<br />
den drei vorangegangenen Symphonien nahm er<br />
nach Abschluss der Komposition keine wesentlichen<br />
Änderungen mehr an dem Stück vor. Dass<br />
es die „Sechste“ nicht leicht haben würde, schwante<br />
allerdings auch ihm: Seine „kühnste“ Symphonie<br />
nannte er sie oder, mit launigem Zungenschlag,<br />
seine „keckste“.<br />
Wohin gehört die „Sechste“ ?<br />
Bruckner und keck ? Eine gewöhnungsbedürftige<br />
Assoziation, zumal wenn man an den romantischen<br />
Ernst der 4. Symphonie oder das Pathos<br />
der „Fünften“ denkt. Aber die „Sechste“ macht<br />
schon in den ersten Takten klar, dass sie gewillt<br />
ist, einen anderen Weg als den üblichen einzuschlagen.<br />
Statt des Bruckner-typischen Herantastens<br />
an den Klang, des allmählichen Erwachsens<br />
thematischer Gebilde, ist hier die Musik sofort<br />
„da“: Die Violinen geben einen durch Punk -<br />
tierung geschärften Triolenrhythmus vor, der von<br />
einem klar umrissenen Thema in tiefer Lage beantwortet<br />
wird. Selbst die Tonart A-Dur ist singulär<br />
in Bruckners orchestralem Schaffen.<br />
Und so herrscht nicht zufällig bis heute Uneinigkeit<br />
unter den Experten über die stilistische Einordnung<br />
der „Sechsten“. Für die einen gehört<br />
sie zu Bruckners mittleren Symphonien, indem<br />
sie zwischen dem Melos der „Vierten“ und der<br />
sakralen Aura der „Fünften“ vermittelt. Von anderen<br />
wird sie, ihrer erwähnten Kühnheit wegen,<br />
dem Spätwerk des Komponisten zugeschlagen –<br />
oder man begreift sie mit Peter Gülke von vornherein<br />
als „Solitär“.<br />
Die Legende vom armen Organisten<br />
Wofür man sich letztlich auch entscheiden mag,<br />
an der Sonderstellung der „Sechsten“ bestehen<br />
kaum Zweifel. Ein Blick auf ihre Entstehungsbedingungen<br />
– genauer: auf die Lebensumstände<br />
Bruckners während der Komposition – zeigt, dass<br />
auch diese einige Besonderheiten aufweisen. So<br />
hatte sich die soziale Situation des Komponisten<br />
im Winter 1877/78 endlich konsolidiert. Er bezog<br />
mietfrei eine repräsentative Wohnung am Schottenring<br />
und wurde kurz danach ordentliches Mitglied<br />
der Hofkapelle, verbunden mit einem Jahresgehalt<br />
von 600 Gulden. Damit gehörte Bruckner,<br />
ganz im Gegensatz zum (auch durch ihn) tradierten<br />
Bild vom unbedarft-ärmlichen Landmusikanten,<br />
„zum bemerkenswert kapitalträchtigen Bürgertum<br />
Wiens und in der Musikwelt sicher zu den<br />
Spitzenverdienern“ (Laurenz Lütteken).<br />
Man dürfte nicht allzu fehl gehen, wenn man die<br />
späten 1870er Jahre zu Bruckners glücklichsten<br />
Lebensphasen zählt. Als Organist war er eine<br />
Berühmtheit, seine Messen fanden großen Anklang,<br />
an der Universität scharte er eine wachsende<br />
Zahl von Bewunderern um sich. Was fehlte,<br />
war die Anerkennung auf symphonischem Gebiet;<br />
hier setzte das Fiasko der „Dritten“ im De -<br />
zember 1877 einen markanten Kontrapunkt zu den<br />
sonstigen Hoffnungssignalen. Allerdings machte<br />
gerade die Premiere dieser Symphonie einige<br />
wichtige Persönlichkeiten (die Dirigenten Josef
Schalk und Gustav Mahler, den Verleger Theo -<br />
dor Rättig) zu überzeugten Anhängern Bruckners;<br />
der Keim für spätere Erfolge war gelegt.<br />
Eine Reise in die Schweiz<br />
Zum gestiegenen Sozialstatus und bürgerlichen<br />
Lebensstil gehörten nach Auffassung der meisten<br />
Wiener auch Reisen. Diese freilich finden<br />
sich in Bruckners Biographie nur spärlich und<br />
sind fast ausschließlich von äußeren Anlässen<br />
bestimmt, wie etwa der Besuch von Wagners<br />
„Ring des Nibelungen“ in Bayreuth 1876. Vier<br />
Jahre später allerdings brach Bruckner zur längsten<br />
Reise seines Lebens auf. Sie führte über Bayern<br />
in die Schweiz, wo sich Profession und private<br />
Zerstreuungen in Form von Orgelspiel, Begegnung<br />
mit Musikern sowie Wanderungen, Bahnfahrten<br />
und Damenbekanntschaften überlagerten.<br />
Kaum zurück, beschäftigte er sich mit der ein<br />
Jahr zuvor, im Sommer 1879, begonnenen 6. Symphonie,<br />
um sie binnen Jahresfrist zum Abschluss<br />
zu bringen.<br />
Bemerkenswert an diesen Daten ist vor allem<br />
die dreijährige Pause zwischen der Vollendung<br />
der „Fünften“ (1876) und den ersten Skizzen der<br />
„Sechsten“ – auch dies eine Besonderheit im<br />
Schaffen Bruckners. Eine generelle kompositorische<br />
Abstinenz ging damit freilich nicht einher.<br />
Bis zum Jahr 1879 beschäftigte sich Bruckner<br />
mit diversen Umarbeitungen (3. und 4. Symphonie,<br />
f-Moll-Messe) und schrieb ein Streichquintett.<br />
Diese Tätigkeiten scheinen ihm den nötigen<br />
Freiraum geschaffen zu haben, um nach der<br />
„Fünften“, seinem „kontrapunktischen Meisterstück“<br />
(Bruckner), eine neue Symphonie zu konzipieren.<br />
Anton Bruckner: 6. Symphonie A-Dur<br />
Der neue Weg<br />
11<br />
Der so untypische Beginn der „Sechsten“ kann<br />
denn wohl auch als Fanal begriffen werden: Da<br />
die „Fünfte“ in ihrem Monumentalcharakter nicht<br />
überbietbar schien, musste das folgende Werk<br />
Alternativen aufzeigen. Zum Markenzeichen der<br />
Vorgänger-Symphonie war die kunstvolle Kombination<br />
der Hauptgedanken in den Rahmensätzen<br />
geworden, im Finale durch eine Doppelfuge<br />
noch gesteigert. Solche Artistik fehlt in der „Sechsten“,<br />
wird allenfalls im Vorübergehen angedeutet.<br />
Überhaupt arbeitet Bruckner jetzt weniger<br />
mit kompletten „Themen“ als mit ihren Bestandteilen<br />
wie Rhythmus, Impuls, Einzelmotivik, Tonhöhe,<br />
Gestus, die er neu kombiniert und gegeneinander<br />
ausspielt.<br />
Um ein Beispiel zu geben: Der gleich zu Beginn ertönende<br />
Triolenrhythmus gibt der Entwicklung<br />
zwar Stabilität, doch ist er gewissermaßen „falsch“<br />
platziert, nämlich in den dünnen Oberstimmen<br />
der Geigen. Tonartlich ist alles noch offen. Der<br />
erste Takt des Themas mit seiner fallenden Quint<br />
e – a scheint diesen Mangel prompt auszugleichen:<br />
Zusammen mit dem hohen cis ergibt sich<br />
A-Dur, die Grundtonart der Symphonie, der Klang<br />
erhält ein Fundament sowie einen fasslichen Anfangsgedanken.<br />
Aber schon einen Takt später<br />
zerstört Bruckner diese Gewissheit wieder: Vierteltriolen<br />
rufen rhythmische Irritation hervor, da -<br />
zu erklingt ein tonartfremdes b, das dem A-Dur<br />
phrygischen, also kirchentonalen Charakter verleiht.<br />
Diese Maßnahmen prägen nicht nur das<br />
Hauptthema des Satzes selbst, sondern – und<br />
das ist das Entscheidende – auch den weiteren<br />
Verlauf der Symphonie. So wird das Gegeneinander<br />
von Zweier- und Dreierrhythmen zum
12 Anton Bruckner: 6. Symphonie A-Dur<br />
Markenzeichen des Seitenthemas sowie des<br />
Scherzo-Hauptgedankens, während phrygische<br />
Tonleitern zu Beginn von Adagio und Finale angestimmt<br />
werden.<br />
Kompositorische Arbeit<br />
im Hintergrund<br />
Diese spezielle Herangehensweise lässt sich als<br />
„analytischen“ Umgang mit dem Material bezeichnen:<br />
Bruckner zerlegt thematische Gebilde in ihre<br />
Bestandteile (Parameter), um aus diesen neue Themen<br />
zu entwickeln. Die Tonfolge eines Motivs –<br />
also das, was uns als „Melodie“ am direktesten<br />
anspricht – ist dabei nur ein Parameter unter mehreren.<br />
Und natürlich hat die „Sechste“ auch in dieser<br />
Hinsicht zahlreiche Bezüge zu bieten: thematische<br />
Verwandtschaften, die sich allerdings nicht<br />
aufdrängen, sondern ihre Wirkung im Hintergrund<br />
entfalten.<br />
Bruckners Zurückhaltung, was Themenverknüpfungen<br />
angeht, sticht vor allem im Vergleich mit<br />
der 5. Symphonie ins Auge. Dort hatte er ja, wie<br />
erwähnt, in exemplarischer Weise vorgeführt,<br />
welche thematischen Kombinationsmöglichkeiten<br />
ihm zu Gebote standen. Den Höhepunkt der<br />
Entwicklung erreicht er im Finale der „Fünften“,<br />
wenn die Hauptgedanken des Satzes gleichzeitig<br />
erklingen, ergänzt durch ein Zitat aus dem ersten<br />
Satz. Und in der „Sechsten“ ? Da wird an dieses<br />
Verfahren nur noch dezent erinnert. Am Ende<br />
des ersten Satzes erlaubt sich Bruckner einen<br />
kleinen kontrapunktischen Trick, indem er die<br />
Triolen des Hauptthemas in originaler und umgekehrter<br />
Form (also auf und ab gleichzeitig) aneinanderkoppelt.<br />
Und eben diese Triolen rufen<br />
ganz am Ende der Symphonie noch einmal kurz<br />
deren Anfangstakte ins Gedächtnis. Aber das<br />
geschieht in den letzten acht Takten des Werks,<br />
in einer bemerkenswerten, fast unerhörten Lakonik.<br />
Die Anfangssätze<br />
Den Eröffnungssatz, Majestoso, bestreitet Bruckner<br />
wie üblich mit drei Themen. Während das<br />
zweite von ruhigem Melos geprägt ist („Gesangsperiode“),<br />
hat das dritte mit seinem stampfenden<br />
Orchester-Unisono beschließenden Charakter.<br />
In der Durchführung kommt hauptsächlich<br />
das erste Thema zu Wort – was nicht verwundert,<br />
besteht es doch in sich, wie gezeigt, aus<br />
widerstreitenden Kräften, die sich hervorragend<br />
kombinieren und ausweiten lassen: Triolengänge,<br />
pochende Rhythmen, Punktierungen, Quintfälle.<br />
Der Höhepunkt der Durchführung fällt mit<br />
der Wiederkehr des Hauptthemas zusammen,<br />
also mit dem Reprisenbeginn; gleichzeitig bricht<br />
Bruckner diesen Effekt durch die „falsche“ Ton -<br />
art (Es-Dur !), um innerhalb von nur 14 Takten<br />
zur Grundtonart zurückzukehren.<br />
Auch der langsame Satz, Adagio, arbeitet mit<br />
drei prägnanten Themen: einem feierlichen Streichergesang,<br />
einem beseelten Aufschwung sowie<br />
einem Trauermarsch. Zusammenhang stiftet<br />
anderes, das gleichsam subkutan wirkt: Bei den<br />
ersten beiden Themen streiten jeweils zwei gleichberechtigte<br />
Stimmen, beide in unterschiedlichen<br />
Zeitverläufen, um die Vorherrschaft (Geigen/<br />
Oboen bzw. Celli/Geigen), der Trauermarsch erhebt<br />
sich wie das erste Thema über einem Tonleitergang<br />
abwärts. So kurz die Durchführung
Anton Bruckner in einer Aufnahme aus der Zeit der Sechsten Symphonie um 1881<br />
13
14<br />
dieses Satzes ist, lässt sie doch Bruckners kontrapunktische<br />
Meisterschaft aufblitzen: Da wird<br />
ein Bassgang zur Oberstimme, das Hauptthema<br />
erklingt in Umkehrung sowie im Kanon und schließlich<br />
in neuer Kombination mit den Oboen-Seufzern.<br />
Fast schon an Mahler erinnert die Coda, in der<br />
die wichtigsten thematischen Bestandteile wie<br />
in einer Traumsequenz aufscheinen, um zuletzt<br />
behutsam ausgeblendet zu werden.<br />
Seltsamkeiten im Scherzo<br />
Das Scherzo erweist sich als durchgehend von<br />
Triolen geprägt – auch dann noch, wenn nach<br />
zehn Takten das Blech die Führung übernimmt<br />
und die Posaunen mit einem „Geradeaus-Thema“<br />
Ordnung erzwingen wollen. Geradeaus ist hier<br />
so gut wie nichts, sondern von grundlegenden<br />
musikalischen Widersprüchen geprägt: Auf gegen<br />
Ab, Laut gegen Leise, motivische Bewegung<br />
gegen starres Bassfundament, Fanfaren gegen<br />
Klarinettenschleifer. Ein Tanz ? Nein, eine irrlichternde<br />
Abfolge von Bildern, mal dahinhuschend,<br />
mal aggressiv lospolternd. Kein Wunder, dass<br />
der Bruckner-Kritiker Hanslick bei der Teilpremiere<br />
der Symphonie 1883 ein „ausschließlich durch<br />
Seltsamkeit fesselndes Scherzo“ vernahm. Dem<br />
setzt das bedeutend langsamere Trio die Krone<br />
auf: Sonst ein Ort der idyllischen oder wehmütigen<br />
Rückblende, in dem Ländler-Tonfälle dominieren,<br />
stehen hier die Hörner- und Holzbläserrufe<br />
isoliert, treten auf der Stelle, fügen sich zu<br />
keinem Ablauf. Von österreichischer Heimeligkeit<br />
bleibt hier lediglich die Geste. Nicht umsonst<br />
konnte Peter Gülke behaupten, „eine stärker zerpflückte<br />
und fragmentierte Musik“ habe Bruckner<br />
„nie geschrieben“.<br />
Anton Bruckner: 6. Symphonie A-Dur<br />
Mehrdeutiges Finale<br />
Im Finale wird zunächst die Grundtonart der Symphonie<br />
infrage gestellt. Das Tremolo-e der Bratschen<br />
signalisiert e-Moll phrygisch, später a-Moll,<br />
kurz darauf ist A-Dur erreicht, und zwar mit einem<br />
Fanfarenmotiv, das sich wie ein Hauptthema gebärdet.<br />
Aber ist es das wirklich ? Dass die „suchenden“<br />
Anfangstakte in der Reprise nicht mehr aufgenommen<br />
werden, spricht dafür; eine umso wichtigere<br />
Rolle spielen sie in der Durchführung. Fest<br />
stehen dürfte demgegenüber, dass Bruckner dieses<br />
Finale nicht, wie häufig zu lesen, dem Kompositionsprinzip<br />
des „per aspera ad astra“ unterworfen<br />
hat. Denn der Durchbruch zum „Licht“,<br />
also zur Grundtonart A-Dur, kommt viel zu früh<br />
und wird im Laufe der weiteren Themenpräsentation<br />
wieder zurückgenommen. Vielmehr macht<br />
sich auch hier eine analytische Herangehensweise<br />
bemerkbar, die ihn thematische Gebilde<br />
aus widerstrebenden Einzelaspekten zusammensetzen<br />
lässt – bis hin zur Isolierung eines kleinen<br />
punktierten Motivs, das zunächst in der<br />
Durchführung und dann vor allem in der Coda<br />
zum Träger der Entwicklung wird. Ihm gelingt<br />
auch die Rückbindung des Finalsatzes an den<br />
Beginn der Symphonie, freilich auf sehr unauffällige,<br />
beiläufige Weise.<br />
Eindrücke einer Bahnreise ?<br />
Zu fragen wäre allerdings, ob sich Bruckners<br />
Gestaltungswille in diesen eher abstrakten Prinzipien<br />
erschöpft und ob bei der „Sechsten“ nicht<br />
auch konkretere Außenbezüge möglich wären.<br />
Manfred Wagner etwa hat in seiner Interpretation<br />
der Symphonie versucht, eine Verbindung
zwischen der Musik und Bruckners Schweiz-Reise<br />
von 1880 zu ziehen. Im ersten Satz vernimmt er<br />
„ein durch nahezu keine Unterbrechung gebremstes<br />
Bewegungsmodell zu einer damit verknüpften<br />
Drehstruktur, die einander abwechseln“, ähnlich<br />
den visuellen Eindrücken einer Bahnfahrt. Auch<br />
das Finale ist von rastloser Bewegung geprägt,<br />
während der Trauermarsch im Adagio auf die Oberammergauer<br />
Prozessionen anspielen könnte (die<br />
erste Station von Bruckners Reise) und das Trio<br />
„Gedanken an die Bergwelt“ weckt (Manfred<br />
Wagner). Vom Komponisten selbst gibt es allerdings<br />
keine Hinweise in dieser Richtung.<br />
Anton Bruckner: 6. Symphonie A-Dur<br />
15
16 Die Aufführungsgeschichte<br />
Merkwürdigerweise hat es die „Kühnste“ oder<br />
„Keckste“ der Bruckner’schen Symphonien nach<br />
wie vor nicht leicht, sich zu behaupten. In den<br />
Philharmonischen Konzerten erklang sie letztmalig<br />
am 23. Mai 2003 unter der Leitung von<br />
Lothar Zagrosek. Vier Jahre zuvor, am 23. Juni<br />
1999, dirigierte sie Günter Wand. Selbst Sergiu<br />
Celibidache hatte sie nur ein einziges Mal, am<br />
26. November 1991, aufs Programm gesetzt. An<br />
dem schwierigen Weg zu den Originalfassungen<br />
wie bei den Symphonien Nr. 3, 4, 5, 8 und 9 kann<br />
es nicht liegen, gehört doch die „Sechste“ (wie<br />
auch die 1885 in München so enthusiastisch aufgenommene<br />
„Siebte“) quellenmäßig schon deshalb<br />
zu den unproblematischen Werken des österreichischen<br />
Komponisten, weil er keinerlei Änderungen<br />
in den Manuskripten vorgenommen<br />
hat.<br />
Uraufführungsgeschichte<br />
Anton Bruckners „Sechste“:<br />
Die „Kühnste“, die „Keckste“<br />
Die mangelnde Beliebtheit der Symphonie mit den<br />
im Erstdruck der Partitur enthaltenen Ungenauigkeiten,<br />
Fehlern und Verfälschungen zu begründen,<br />
scheint zumindest heute genauso abwegig wie<br />
der Hinweis auf die durchaus verworrene Uraufführungsgeschichte.<br />
Über die meisten Symphonien<br />
von Anton Bruckner ist schon aufgrund der<br />
vielfältigen Bearbeitungen durch wohlmeinende<br />
Freunde und Schüler Ähnliches bekannt. Selbst<br />
für eine Uraufführung post mortem steht die<br />
„Sechste“ nicht allein. Aber anders als im Falle<br />
Gabriele E. Meyer<br />
der unvollendeten „Neunten“ konnte der Komponist<br />
seine „Keckste“ wenigstens in einer „Novitätenprobe“<br />
hören; die beiden Mittelsätze (Adagio<br />
und Scherzo) erklangen nochmals am 11. Februar<br />
1883, nun öffentlich. Die von Gustav Mahler<br />
in Wien geleitete Wiedergabe am 26. Februar<br />
1899 darf wegen der von Mahler selbst vorgenommenen<br />
einschneidenden Kürzungen und erheblichen<br />
klanglichen Veränderungen nur sehr<br />
bedingt als Uraufführung gelten. In Gänze erklang<br />
die „Sechste“ gar erst am 14. März 1901<br />
in Stuttgart (Dirigent: Karl Pohling). Aus alle -<br />
dem lässt sich die vergleichsweise rare Präsenz<br />
dieser Symphonie also nicht erklären. Liegt es<br />
gar an dem Werk selbst, dass es von Anfang an<br />
etwas in den Hintergrund geriet ?<br />
Philharmonische Daten<br />
im Überblick<br />
Wie bei den bisherigen Streifzügen durch die<br />
Rezeptionsgeschichte der Symphonien Anton<br />
Bruckners bei den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n<br />
stehen auch in diesem Beitrag über die „Sechste“<br />
historisch wichtige Aufführungen im Mittelpunkt:<br />
Erste Aufführung am 21. Februar 1905<br />
unter dem Bruckner-Schüler Ferdinand Löwe,<br />
weitere Wiedergaben durch Bruckners zweiten<br />
bedeutenden Schüler Franz Schalk (1930) und<br />
Adolf Mennerich, Dirigent der <strong>Münchner</strong> Erstaufführung<br />
der Originalfassung am 27. März<br />
1936. Stellvertretend für alle Aufführungen
nach 1945 soll noch an zwei besondere, bis heute<br />
im Gedächtnis der Musikfreunde aufbewahrte<br />
Konzerte mit der „Kecksten“ erinnert werden.<br />
Das erste fand im Rahmen eines Bruckner-Zyklus<br />
knapp zwei Jahre nach Kriegsende statt, das<br />
zweite, 1991, unter dem großen Bruckner-Dirigenten<br />
Sergiu Celibidache.<br />
Erste Aufführung in München<br />
In der Haupt- und Residenzstadt München erklang<br />
die 6. Symphonie zum ersten Mal am 21. Februar<br />
1905. Ferdinand Löwe setzte sie anlässlich des<br />
ersten Bruckner-Festes mit dem „150. Psalm“ auf<br />
das Programm. Die Initiative zu der Ehrung des<br />
Komponisten ging höchstwahrscheinlich vom Kaim-<br />
Orchester (den späteren <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n)<br />
bzw. dessen Gründer Franz Kaim aus. Spiritus<br />
rector der zwei Tage dauernden Feier war<br />
der gerade in Wien wirkende Ferdinand Löwe,<br />
ehemaliger Chefdirigent des <strong>Münchner</strong> Orchesters,<br />
„das er einst groß gemacht und in kurzer<br />
Zeit auf eine Höhe gebracht hatte, die keinen<br />
Vergleich mit anderen Orchestern zu scheuen<br />
braucht“ („<strong>Münchner</strong> Post“). Es müssen zwei<br />
denkwürdige Abende gewesen sein, Konzerte,<br />
in denen Löwe seinen verehrten Lehrer ein weiteres<br />
Mal als anspruchsvollen Symphoniker vorstellte.<br />
Zuhörer und Kritiker reagierten gleichermaßen<br />
tief bewegt. So bilanzierte Rudolf Louis<br />
von den „<strong>Münchner</strong> Neuesten Nachrichten“ am<br />
übernächsten Tag: „Was nach den gewaltigen<br />
Eindrücken, die der erste Abend mit den beiden<br />
Wunderwerken der 4. und 9. Symphonie gebracht<br />
hatte, kaum zu erwarten war, daß der zweite<br />
Abend sich auf gleicher Höhe halten, ja noch<br />
eine Steigerung bringen werde, trat tatsächlich<br />
ein. Die „Sechste“, dieses Stiefkind unter den<br />
Die Aufführungsgeschichte<br />
Bruckner’schen Symphonien, erwies sich als<br />
eine sehr im Unrecht zurückgesetzte, den andern<br />
Werken durchaus ebenbürtige Schöpfung<br />
des Meisters.“<br />
17<br />
Bruckners „Sechste“, ein Stiefkind ?<br />
Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Weitsicht<br />
zeitgenössische Rezensenten neue Musik<br />
beurteilten, so auch im Fall von Bruckners 6. Symphonie.<br />
Hier sprach sich Louis, wie auch sein Kollege<br />
von der „<strong>Münchner</strong> Post“, schon nach dem<br />
ersten Hören gegen die Einordnung des Werkes<br />
als „Stiefkind unter den Bruckner’schen Symphonien“<br />
aus. Diese für ihn unverdiente Herabsetzung<br />
suchte Louis mit musikalischen Eindrücken<br />
zu entkräften. So sprach er von der packenden<br />
Eigenart des Kopfsatzes „strotzend von musikalischem<br />
Reichtum“, dem wunderbaren Adagio,<br />
der reizvollen Originalität des Scherzos. Einzig<br />
das Finale fand im Vergleich zu den übrigen Sätzen<br />
nicht ganz seine Zustimmung. Am Ende der<br />
Besprechung bedankte sich der Kritiker bei den<br />
Musikern und Veranstaltern: „Es waren […] wahrhafte<br />
Ruhmestage des vortrefflichen Kaim-Orchesters;<br />
die ganze Veranstaltung eine Tat, für<br />
die allen denen, die zu ihrer Verwirklichung beitrugen,<br />
der begeisterte Dank der Freunde echter<br />
Kunst gebührt.“<br />
Die „Sechste“ unter Franz Schalk<br />
Mit der Gründung der „Internationalen Bruckner-<br />
Gesellschaft“ als Wegbereiterin der zukünftigen<br />
„Kritischen Gesamtausgabe“ ging auch der Wunsch<br />
einher, die alljährlichen Hauptversammlungen mit<br />
„Bruckner-Festen“ zu verbinden. Das erste dieser<br />
Feste fand in der von Siegmund von Hausegger
18 Die Aufführungsgeschichte<br />
so benannten „Bruckner-Stadt“ München statt<br />
und wartete gleich mit einer Sensation auf. Franz<br />
Schalk, neben Ferdinand Löwe der einflussreichste<br />
Bruckner-Schüler und nach dessen Tod (1925)<br />
unbestrittener Bürge für Authentizität in der Interpretation<br />
des Bruckner’schen Werkes trat am<br />
27. Oktober 1930 ans Pult der <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>.<br />
Auf dem Programm standen die 6. und<br />
5. Symphonie. Obwohl Schalk sich prinzipiell gegen<br />
die „Kritische Gesamtausgabe“ und damit<br />
gegen die Publikation der Originalfassungen ausgesprochen<br />
hatte, trat er im Fall der „Sechsten“<br />
für eine zumindest in Ansätzen rekonstruierte Originalfassung<br />
ein. Die Tonhalle konnte die dem<br />
Ereignis entgegenfiebernden <strong>Münchner</strong> Musikfreunde<br />
kaum fassen. Die anfängliche Schüchternheit<br />
der Musiker und einige Unsicherheiten in den<br />
Bläsern an exponierten Stellen waren bald vergessen.<br />
Für Oskar von Pander („<strong>Münchner</strong> Neueste<br />
Nachrichten“) war Franz Schalk das Gegenteil<br />
eines Schaudirigenten. Er sah ihn als einen<br />
vollkommen sachlichen Musiker, „der durch das<br />
Zurückstellen jeglicher individueller Eitelkeiten<br />
(z. T. sogar künstlerischer Ausdruckmöglichkeiten)<br />
in besonderem Maße geeignet erscheint zur Weiterführung<br />
dessen, was man im bejahenden Sinne<br />
,Tradition‘ nennt“. Zumindest eigenartig, wenn<br />
nicht gar Unsicherheit verratend, erscheint von<br />
Panders Bemerkung, dass es bei der „Sechsten“<br />
nicht immer allein mit dem „natürlichen Spielen“<br />
gemacht sei. Seiner Meinung nach müsste diese<br />
Symphonie an vielen Stellen klanglich stark retuschiert<br />
werden, um ihre letzten Geheimnisse<br />
zu enthüllen.<br />
Erste Aufführung der<br />
Originalfassung<br />
Auch bei der <strong>Münchner</strong> Erstaufführung der Originalfassung<br />
am 27. März 1936 wurde die Frage<br />
nach der mangelnden Präsenz der „Sechsten“ im<br />
Vergleich zu den anderen Symphonien gestellt.<br />
Warum der damalige philharmonische Chef Siegmund<br />
von Hausegger und Vorstandsmitglied der<br />
Bruckner-Gesellschaft diese Erstaufführung dem<br />
zweiten Dirigenten des Orchesters, Adolf Mennerich<br />
überlassen hat, ist nicht überliefert. Immerhin<br />
hatte Hausegger mit der Uraufführung<br />
der „Neunten“ und „Fünften“ in deren Originalfassungen<br />
einen Meilenstein in der Rezeption der<br />
Bruckner’schen Symphonik gesetzt. Wahrscheinlich<br />
war ihm die „Sechste“ in diesem Kontext<br />
nicht spektakulär genug. Das von Mennerich dirigierte<br />
„vorbildlich schöne“ („<strong>Münchner</strong> Neueste<br />
Nachrichten“) Programm des Abends war sehr<br />
beziehungsreich zusammengestellt. In dem 19.<br />
Volkssymphonie-Konzert, also keinem großen<br />
Abonnement-Konzert wie sonst bei Ur- oder Erstaufführungen,<br />
erklang zunächst Hans Pfitzners<br />
Ouvertüre zu Kleists „Käthchen von Heilbronn“,<br />
danach Max Regers Chorwerk „An die Hoffnung“<br />
op. 124. Den Beschluss bildete Bruckners 6. Symphonie.<br />
Die Programmwahl fand einhellige Zustimmung.<br />
Eine mit „dkl.“ gezeichnete Kritik im<br />
„Völkischen Beobachter“ betonte die „verbindenden<br />
Linien“, die wohl erst in einer späteren Zeit<br />
als charakteristische Einheit empfunden werden<br />
dürften. Sie formulierte sogar die Möglichkeit,<br />
dass bei einem tieferen Verständnis für das Werk<br />
Bruckners auch die Auseinandersetzung mit Pfi tzner<br />
und Reger rascher vor sich gehen würde. Beide<br />
zitierten Rezensenten hatten sich auf die bisherige<br />
Rezeptionsgeschichte der „Sechsten“ gut
vorbereitet. Anhand der Partituren verwiesen<br />
sie auf die Unterschiede, kamen aber zu unterschiedlichen<br />
Ergebnissen. Während der Kritiker<br />
des „Völkischen Beobachters“ die Abweichungen<br />
als insgesamt geringfügig erachtete, schloss sich<br />
Richard Würz von den „<strong>Münchner</strong> Neuesten Nachrichten“<br />
der Meinung von Robert Haas (Herausgeber<br />
der Originalfassung der „Sechsten“) an,<br />
dass der fehlerhafte Erstdruck von 1899 maßgeblich<br />
für die Zurücksetzung des Werkes sei.<br />
Großes Lob erhielten die Musiker: „Die Aufführung<br />
der 6. Symphonie zeigte wiederum, wie sicher<br />
der Bruckner-Stil im Philharmonischen Orchester<br />
verankert ist. Adolf Mennerich musizierte<br />
straff und mit aller formalen Klarheit, die sich<br />
nur noch mit größerer Gelöstheit und mehr innerem<br />
Glühen paaren sollte“ („Völkischer Beobach -<br />
ter“).<br />
Die „Sechste“ unter Hans Rosbaud<br />
Als ausgesprochener Glücksfall für die Bruckner-<br />
Rezeption der <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong> darf der<br />
anlässlich des 50. Todestags des Komponisten<br />
gebotene Gesamtzyklus in der Aula der Universität<br />
gesehen werden. In der Vorschau auf den<br />
Konzertwinter 1946/47 erläuterte Hans Rosbaud,<br />
erster Chefdirigent nach dem Ende des Zweiten<br />
Weltkriegs, dass er, „die Riesenquader der 5. und<br />
8. Symphonie“ ausgenommen, die anderen Symphonien<br />
jeweils mit einem Werk verbinden werde,<br />
„das zu der folgenden Bruckner-Symphonie in einer<br />
stilistischen oder inhaltlichen Beziehung steht“.<br />
In Verfolgung dieser Programmidee dirigierte Rosbaud<br />
im Februar 1947 vor der „hellen A-dur-Symphonie<br />
die festliche D-dur-Suite J. S. Bachs“. In<br />
der Besprechung des Konzerts betonte auch Heinz<br />
Pringsheim von der „Süddeutschen Zeitung“ die<br />
Die Aufführungsgeschichte<br />
19<br />
allgemein zu beobachtende Zurückhaltung bei der<br />
„Sechsten“, obwohl sie doch „infolge ihrer verhältnismäßig<br />
knappen und übersichtlichen Gestaltung<br />
eine der leichtverständlichsten ist“. Trotz<br />
des seiner Meinung nach „in Bezug auf Erfi ndung<br />
merklich abfallenden“ Finalsatzes empfand Pringsheim,<br />
dass der „musikalische Gehalt der drei ersten<br />
Sätze, besonders aber des herrlichen Adagio<br />
und des dämonisch-phantastischen Scherzo“ keineswegs<br />
geringer sei als etwa jener der viel beliebteren<br />
„Romantischen“.<br />
Die „Sechste“ unter<br />
Sergiu Celibidache<br />
Sergiu Celibidache, der in Anton Bruckner den<br />
größten Symphoniker aller Zeiten sah, setzte die<br />
„Sechste“ in einer Serie, die am 26. November<br />
1991 begann, als einziges Werk des Abends auf<br />
das Programm. In seiner Rezension einige Tage<br />
später mutmaßte Wolfgang Schreiber von der<br />
„Süddeutschen Zeitung“, dass Celibidache die<br />
selten gespielte Symphonie offenbar noch nie<br />
dirigiert hatte. „Es hieß, daß er sich den ganzen<br />
Sommerurlaub über mit der schwierigen Partitur<br />
beschäftigt hätte, um ihre Noten auswendig zu<br />
kennen.“ Nach einer Woche intensivster Probenarbeit<br />
stellten Celibidache und seine <strong>Philharmoniker</strong><br />
ihre Version vor. Die Pressestimmen fielen<br />
erstaunlich unterschiedlich aus. Während die „Süddeutsche<br />
Zeitung“ von einer beeindruckenden,<br />
im Klangbild präzise durchgeformten Aufführung<br />
sprach, empfand Robert Jungwirth vom „<strong>Münchner</strong><br />
Merkur“ Celibidaches „Klangteppiche diesmal<br />
als nur bedingt tragfähig“. Seiner Meinung<br />
nach schienen selbst „die an sich so Brucknerfesten<br />
<strong>Philharmoniker</strong> von der Eigenart der Symphonie<br />
etwas irritiert. Zu aufgeregt agierten die
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Instrumentengruppen, zu wenig gefestigt scheinen<br />
sie in der Tektonik des orchestral manchmal<br />
recht ausgedünnten Werks zu sein.“ Dennoch,<br />
nach einem Moment des Schweigens – Ergriffenheit<br />
oder Irritation ? – , langer Jubel für Orchester<br />
und Dirigent.<br />
Die „Sechste“: die „Keckste“,<br />
die „Kühnste“<br />
Anton Bruckner charakterisierte die „Sechste“<br />
einmal als seine „keckste“ und „kühnste“. Die<br />
Assoziation zu „anders“ oder „neu“ liegt nicht<br />
fern, denn in der Tat weist die umfangmäßig wesentlich<br />
knapper bemessene Symphonie – sie<br />
dauert „nur“ etwa 70 Minuten – in ihren teilweise<br />
geradezu avantgardistischen Momenten am weitesten<br />
in das 20. Jahrhundert. Die Dia lektik zwischen<br />
Bekräftigung und Verunsicherung bei der<br />
Themenaufstellung schon zu Be ginn zeitigt im<br />
gesamten Verlauf trotz aller Übersichtlichkeit<br />
eine Komplexität in der Komposi tionstechnik, die<br />
so in den anderen Symphonien nicht auftritt. Hier<br />
setzt Bruckner auf rhythmische, tonartliche, harmonische<br />
und klangliche Unruhe, kurz: auf ständig<br />
überraschende Wendungen. Jedoch bedeutet<br />
die oft kammermusikalische Klarheit in der<br />
Diktion keineswegs den Verzicht auf ekstatische<br />
Steigerungen. Das andernorts oft schwülstig ausgeführte<br />
Pathos ist ihr allerdings genauso fremd<br />
wie sie weihevolle Andachtshaltung kaum zulässt.<br />
Dieses „Andere“ der „Kecksten“ und „Kühnsten“<br />
mag der tiefere Grund dafür sein, dass Bruckners<br />
„Stiefkind“ bei den Orchestern und Dirigenten<br />
bis heute nicht sonderlich beliebt ist, wie auch<br />
der Beifall der Konzertbesucher nur sehr bedingt<br />
enthusiastische Ausmaße erreicht.<br />
Die Aufführungsgeschichte<br />
21
22 Die Künstler<br />
Der 1979 in New York City geborene James Gaffi -<br />
gan zählt zu den herausragenden amerikanischen<br />
Dirigenten seiner Generation. Er debütierte in Nordamerika<br />
beim San Francisco Symphony und dem<br />
Cleveland Orchestra und hat heute die Position<br />
des Chefdirigenten des Luzerner Sinfonieorchesters<br />
inne. Außerdem ist er erster Gastdirigent<br />
der Niederländischen Radio Philharmonie und<br />
des Gürzenich-Orchesters Köln.<br />
Seine internationale Karriere startete James Gaffi -<br />
gan, als er 2004 den Internationalen Dirigentenwettbewerb<br />
Sir Georg Solti gewann. Seitdem<br />
James Gaffigan<br />
Dirigent<br />
arbeitet der Künstler mit den weltweit führenden<br />
Orchestern zusammen, darunter dem London<br />
Philharmonic Orchestra, der Sächsischen<br />
Staatskapelle Dresden, den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n,<br />
dem Tonhalle-Orchester Zürich, der<br />
Camerata Salzburg, dem Radio-Sinfonieorchester<br />
Stuttgart, dem Sydney Symphony Orchestra<br />
und dem Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra.<br />
Auch mit vielen nordamerikanischen Orchestern<br />
besteht eine regelmäßige Zusammenarbeit.<br />
Außerdem ist James Gaffi gan ein gefragter Operndirigent.<br />
Bei namhaften Festivals wie dem Glyndebourne<br />
Festival sowie dem Aspen Music Festival<br />
hat er bereits zahlreiche Neuproduktionen<br />
geleitet, darunter Rossinis „La Cenerentola“, Mozarts<br />
„Così fan’ tutte“ und Verdis „Falstaff“. In<br />
der vergangenen Saison debütierte James Gaffigan<br />
mit großem Erfolg an der Wiener Staatsoper<br />
mit Puccinis „La Bohème“ und wurde daraufhin<br />
sofort wieder eingeladen, um in dieser Spielzeit<br />
„Don Giovanni“ zu dirigieren. Seit dieser Saison<br />
ist auch eine enge Zusammenarbeit mit der Kölner<br />
Oper vereinbart.<br />
Darüber hinaus gibt James Gaffigan in der laufenden<br />
Saison sein Debüt u. a beim Sinfonieorchester<br />
Göteborg, dem RSO Berlin und dem Sinfonieorchester<br />
der BBC.
Sergey Khachatryan wurde 1985 in Eriwan, Armenien,<br />
in eine Musikerfamilie geboren. Er erhielt<br />
mit 6 Jahren seinen ersten Geigenunterricht in<br />
Armenien und setzte ab 1993 seine Ausbildung<br />
in Würzburg sowie an der Karlsruher Musikhochschule<br />
fort. 2000 gewann Sergey Khachatryan<br />
gerade 15-jährig als jüngster Teilnehmer aller Zeiten<br />
den renommierten Jean-Sibelius-Wettbewerb<br />
in Helsinki. Noch im gleichen Jahr gewann er den<br />
ersten Preis beim Ludwig Spohr-Wettbewerb in<br />
Freiburg i. B. sowie den zweiten Preis beim Internationalen<br />
Violinwettbewerb in Indianapolis. Und<br />
2005 wurde der junge Künstler erster Preisträger<br />
Die Künstler<br />
Sergey Khachatryan<br />
Violine<br />
23<br />
des weltweit bedeutendsten Violinwettbewerbs,<br />
des Concours Reine Elisabeth in Brüssel, was ihm<br />
den endgültigen internationalen Durchbruch<br />
brachte.<br />
Inzwischen zählt Sergey Khachatryan zu den herausragenden<br />
Geigern seiner Generation. Er arbeitet<br />
regelmäßig zusammen mit Dirigenten wie Valery<br />
Gergeiev, , Bernard Haitink, Esa Pekka Salonen<br />
und tritt mit den weltweit bedeutendsten<br />
Orchestern, wie den Berliner und <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n,<br />
dem Philharmonia Orchestra und<br />
dem Royal Festival Hall, dem Concertgebouw-<br />
Orchester, dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem<br />
Russian National Orchestra sowie mit vielen nordamerikanischen<br />
Orchestern darunter dem Boston<br />
Symphony, dem Philhadelphia Orchestra und dem<br />
New York Philharmonic auf.<br />
In der Saison 2011/12 gab Sergey Khachatryan<br />
sein Debüt in China unter Leitung von Lorin Maazel.<br />
Weitere Höhepunkte waren außerdem Konzerte<br />
mit den Bamberger Symphonikern, dem Rundfunk<br />
Symphonieorchester Berlin, dem Orchestre<br />
de Paris sowie mit der Amsterdam Sinfonietta,<br />
mit der zusammen er ein neues Violinkonzert des<br />
armenischen Komponisten Arthur Aharonian uraufführte.<br />
Sergey Khachatryan spielt die kostbare „Ysaye“-<br />
Stradivari aus dem Jahr 1740, eine Leihgabe der<br />
Nippon Music Foundation.
24<br />
Philharmonische<br />
Blätter<br />
Wie führt man die<br />
Jugend an die klassische<br />
Musik, um<br />
ein Publikum für die<br />
Zukunft zu haben?<br />
Letztlich: indem man<br />
sie überzeugt. Wir<br />
erinnern uns an die ewigen Klagen, die heutigen<br />
Kinder würden nicht lesen, und dann kam Harry<br />
Potter und sie lasen achthundert Seiten in drei<br />
Tagen. Es geht also, wenn das Angebot stimmt<br />
und Herz, Kopf, Seele erreicht, und das gilt für<br />
die Musik wie für die Bücher: wenn die Qualität<br />
der Musik hoch ist, wenn eine Geschichte dahinter<br />
steckt, die man den Kindern vorher erzählen<br />
kann – zum Beispiel bei Saint-Saëns‘ „Karneval<br />
der Tiere“, dann ist schon eine große Hürde genommen.<br />
Und letztlich kommt es auch auf die Eltern an,<br />
die Kinder in Oper und Konzert mitzunehmen- und<br />
wenn man dann das richtige Hörfutter anbietet,<br />
ist es geschehen: sie wollen mehr. Fast alle großen<br />
Bühnen und Orchester buhlen inzwischen mehr oder<br />
weniger geschickt um die jungen Zuhörer. Das ist<br />
gut so, denn nicht nur brauchen wir das Publikum<br />
für die Zukunft, sondern die Musik hat schließlich<br />
etwas anzubieten: sie erreicht die jungen Hörer,<br />
wenn sie noch weich und formbar sind, und das<br />
kann ein Geschenk fürs ganze Leben sein. Ich bin<br />
vor Jahren mit einem jungen Punkmusiker in sein<br />
erstes klassisches Konzert gegangen. Er liebte Musik,<br />
spielte selbst Gitarre, und nun auf einmal Beethoven,<br />
Wagner, Brahms – „Was für eine geile<br />
Auftakt<br />
Ist unser Konzertpublikum zu alt ?<br />
Die Kolumne von Elke Heidenreich<br />
Band“, fl üsterte er mir zu. Die Hingabe der Musiker<br />
auf der Bühne übertrug sich auf ihn, und wenn das<br />
geschieht, ist es egal, ob eine Sinfonie, ein Quartett<br />
oder Popmusik gespielt wird: wenn es uns anrührt<br />
und mitreißt, sind wir für die Musik gewonnen,<br />
und das passiert bei Kindern und Jugendlichen<br />
leichter als bei Erwachsenen. André Heller erzählt<br />
über seine erste Begegnung mit klassischer Musik,<br />
wie die Lehrerin im Mai 1953 – da ist er sechs<br />
Jahre alt – die Kinder wieder nach Hause schickt,<br />
weil ein Mitschüler gestorben ist. Sie sollen trauern,<br />
und der kleine André fragt, wie das geht. Sie<br />
rät, Musik zu hören: „Schließt die Augen und lasst<br />
die Töne in euch eindringen wie Farbe ins Löschpapier.<br />
Mir ordnet das immer die Gedanken, vielleicht<br />
geht es euch auch so. Es ist auf jeden Fall einen<br />
Versuch wert.“ Er geht nach Hause und hört<br />
Musik, mit seiner kleinen, erschütterten Kinderseele,<br />
und das, schreibt er, wurde ein Heilmittel<br />
für sein ganzes Leben, wobei sich die Musik durchaus<br />
änderte: „Aber seit etwa fünfundzwanzig Jahren<br />
reagiere ich jedes Mal, wenn ich eine unangenehme<br />
oder problematische Nachricht erhalte,<br />
zunächst damit, so rasch wie irgend möglich ein<br />
Schubert-Impromptu zu hören. (…) Diese Klänge<br />
kühlen verlässlich meinen Schreck, meine Verzweifl<br />
ung, die Wut oder die Enttäuschung ab und<br />
weisen Wege zurück ins Gleichgewicht.“ Im festlichen<br />
Zauber des Konzertsaals funktioniert das<br />
noch besser als zu Hause. Sie sitzen wahrscheinlich<br />
gerade dort, während Sie dies lesen. Lassen<br />
Sie den Zauber zu.
Odette Couch<br />
Instrument: Geige<br />
Bei den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n<br />
seit 1997<br />
1 Wenn Sie Kinder<br />
hätten, welches<br />
Instrument dürften<br />
diese nicht lernen?<br />
Ich würde jedes Instrument<br />
unterstützen,<br />
was sie von sich aus<br />
lernen möchten.<br />
2 Was sagt man Leuten nach, die Ihr Instrument<br />
spielen? Stimmt das? Eigenbrödler und<br />
das stimmt oft.<br />
3 Warum haben Sie eigentlich damals Ihr<br />
Instrument ausgesucht? Meine Mutter hat<br />
mit Amateur-Musikern Kammermusik gespielt<br />
an manchen Abenden, ich habe mich als kleines<br />
Kind im Schlafanzug aus dem Bett geschlichen<br />
und mich ganz nah an dem Geiger auf den Boden<br />
gesetzt.<br />
4 Haben Sie neben der Musik eine weitere<br />
große Leidenschaft? Rudersport!<br />
5 Das Schönste an Ihrem Beruf? Es gibt manchmal<br />
Gänsehaut-Momente – ich glaube an die<br />
Wirkung der Musik und daran, dass sie in der<br />
Schnelllebigkeit unserer Zeit ein wichtiges<br />
Gegengewicht darstellt.<br />
6 Was ist das Schwierigste an Ihrem Instrument?<br />
Einen schönen, vielfältigen Klang zu produzieren.<br />
6 Fragen an …<br />
Thomas Ruge<br />
Philharmonische<br />
Blätter<br />
25<br />
Instrument: Violoncello<br />
Bei den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n<br />
seit 1991<br />
1 Der beste Witz den<br />
Sie über Ihr eigenes<br />
Instrument gehört<br />
haben? Wie bringt<br />
man Cellisten dazu,<br />
fortissimo zu spielen?<br />
Indem man in die Noten<br />
schreibt: solo, pianissimo, espressivo.<br />
2 Was macht man, wenn man einen Einsatz<br />
versäumt? Was ist das???<br />
3 Gab es einen Auftritt, der Sie besonders bewegt<br />
hat? z.B. das Gedenkkonzert 1996 nach<br />
Celis Tod oder Verdi-Requiem mit Abbado nach<br />
dessen schwerer Krankheit.<br />
4 Das Schönste an Ihrem Beruf? Die ganze<br />
Welt zu bereisen und mit den größten Künstlern<br />
die schönste Musik aller Zeiten spielen zu dürfen.<br />
5 Haben Sie einen Lieblingsplatz in München?<br />
Meinen Fernsehsessel.<br />
6 Welcher Komponist wären Sie gerne für einen<br />
Tag? Brahms, aber dann wäre man ja tot…
26<br />
Philharmonische<br />
Blätter<br />
Uli Haider: Malte, ausgerechnet<br />
„Spielfeld Klassik“<br />
trägt dazu bei, dass ich immer<br />
häufi ger mit Leuten arbeite,<br />
die vorher kaum oder gar<br />
nicht mit klassischer Musik zu tun hatten. Du bist<br />
ein Beispiel dafür. Warum engagierst du dich so<br />
für die <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>?<br />
Malte Arkona: Klassik berührt<br />
mich einfach von allen<br />
Musikstilen am meisten.<br />
Neulich dachte ich zum Beispiel,<br />
mich beamt es durch<br />
die Decke vor Genuss, als Maestro Lorin Maazel<br />
mit euch den zarten, unglaublichen, hauchdünnen<br />
Schluss von Mahlers „Neunter“ gezaubert<br />
hat. Das sind die großen Momente für mich als<br />
Genießer „von außen“. Warst du denn eigentlich<br />
schon immer ein Romantiker oder warum hast du<br />
dich für das Horn entschieden?<br />
Uli Haider: Eigentlich wollte ich Oboe spielen,<br />
aber mein Bruder Georg hat mich zum Hornspielen<br />
überredet und ich bin heilfroh, weil mir so die<br />
ganze Rohrschnitzerei erspart blieb. Mit Romantik<br />
hatte es auch nicht wirklich zu tun, beim Horn<br />
macht man viel schneller Fortschritte. Richtig entschieden<br />
habe ich mich eigentlich nie, es hat sich<br />
eher ergeben. Bei dir habe ich übrigens das Gefühl,<br />
dass du überwiegend spontan agierst, musst du<br />
trotzdem üben oder reicht einfach Talent?<br />
Malte Arkona: Für mich war die beste Schule,<br />
mit 22 Jahren beim Kinderfernsehen – ARD „Tige-<br />
Über die Schulter geschaut<br />
Malte Arkona und der<br />
<strong>Philharmoniker</strong> Uli Haider<br />
im Zwiegespräch<br />
renten Club“ – anzufangen. Da durfte ich alle wichtigen<br />
Bereiche lernen: Reisereportagen, Aktionsspiele,<br />
Interviews, Sketche, usw. … und spontan<br />
sein kann man auch üben, vor allem bei der erfrischenden<br />
Arbeit mit und für Kinder. Da wird<br />
man schon mal während der Moderation zum<br />
Geburtstag eingeladen und muss dennoch irgendwie<br />
auf die Anmoderation der folgenden<br />
Serie kommen… Wie viel kann denn bei euch<br />
musikalisch spontan passieren in einem Konzert?<br />
Uli Haider: Es entsteht enorm viel spontan, man<br />
reagiert permanent auf seine Kollegen. Nur wenn<br />
ich die richtige Balance, das richtige Timing und<br />
die richtige musikalische Linie passend zu den anderen<br />
Musikern finde, fängt die Musik an zu klingen.<br />
Gute Dirigenten wollen genau das und sind<br />
dann auch nicht böse, wenn etwas anders wird<br />
als geprobt. Aber nochmal zurück zum Spielfeld<br />
Klassik: Hast du eigentlich auch eine Vision für<br />
dieses Programm? Ich für meinen Teil will in Erinnerung<br />
rufen, dass unsere Musik eine unerschöpfliche<br />
Energiequelle für alle Menschen ist<br />
– jung wie alt.<br />
Malte Arkona: Deine Beschreibung von gemeinschaftlicher<br />
Balance führt mich zu meiner Vision<br />
von einem Publikum, das nicht „nur“ lauscht, sondern<br />
sich mit Haut und Haaren mitgerissen fühlt.<br />
Auch im letzten Block soll man noch das Gefühl<br />
haben, ganz nah dran zu sein. Und wenn im Jugendkonzert<br />
jemand denkt: „Hier würde ich auch ohne<br />
Lehrer nochmal hingehen.“ – dann haben wir unser<br />
erstes Ziel schon erreicht.
Sergiu Celibidache war bekanntermaßen<br />
kein Freund der musikalischen<br />
Konserve. Respektiert hat er ihn trotzdem,<br />
„seinen“ Tonmeister, auch wenn<br />
er ihn manchmal ärgern wollte. Bei<br />
einer Aufführung postierte er die Sänger<br />
besonders nahe am Dirigentenpult,<br />
so dass es Gerald Junge schwer<br />
fiel, eine gute Position für die Mikrofone zu fi nden.<br />
Im ersten Konzert stellte der Maestro das<br />
Sopran-Mikrofon kurzerhand von der Bühne. Am<br />
nächsten Abend nahm er das Mikrofon wieder in<br />
die Hand, knarzte verächtlich hinein und ließ es<br />
dabei bewenden.<br />
Gerald Junge nimmt pro Saison etwa 50 Konzerte<br />
auf. Das sind über 1000 Konzerte aus den letzten<br />
24 Jahren, die im Archiv der <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong><br />
bewahrt werden. Den Großteil der Konzerte<br />
mit Celibidache, Levine und Thielemann hat er aufgenommen.<br />
Drei seiner Aufnahmen haben einen<br />
Echo-Preis gewonnen.<br />
Der Tonmeister wurde 1941 in Breslau geboren.<br />
„Auf der Flucht sind wir in Magdeburg hängengeblieben.“<br />
Nach seinem Toningenieur-Studium hat<br />
er beim Rundfunk in Ost-Berlin gearbeitet. Aus politischen<br />
Gründen wurde er zur Schallplatte versetzt.<br />
„Das ist das Einzige, wofür ich denen dankbar<br />
bin.“ In den nächsten 15 Jahren hat er vor allem<br />
die Dresdner Staatskapelle mit Dirigenten wie Karajan,<br />
Böhm, Kleiber und Jochum aufgenommen.<br />
Mit Rudolf Kempe, dem Vorgänger Celibidaches am<br />
Pult der <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>, verband ihn eine<br />
Aus dem Gasteig<br />
Der Ton macht die Musik<br />
Gerald Junge: Der Tonmeister der <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong><br />
Alexander Preuß<br />
Philharmonische<br />
Blätter<br />
27<br />
Freundschaft. Die Orchestermusiker<br />
kannte er gut. Einige sollte er nach<br />
seiner Ausreise aus der DDR in München<br />
wiedersehen. Katharina Krüger,<br />
Peter Becher und Holger Herrmann<br />
sind nach ihrer Flucht aus der DDR<br />
Mitglieder der <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong><br />
geworden.<br />
1983 ist Gerald Junge unter schwierigen Bedingungen<br />
aus der DDR ausgereist. Seit 1984 arbeitet<br />
er für die Gasteig München GmbH. Bis 2004<br />
als Gruppenleiter der Tontechnik, seit 1988 ist er<br />
außerdem als Tonmeister für die <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong><br />
tätig.<br />
Der Hornist David Moltz kennt ihn seit seinen ersten<br />
Aufnahmen und schätzt seine Arbeitsweise.<br />
„Ich glaube nicht, dass Gerald Junge je einen<br />
Musiker bevormundet hätte, wie es bei jüngeren<br />
Kollegen hin und wieder verbreitet ist. Er verfälscht<br />
nichts. Hört Euch nur mal Bruckners Siebte mit<br />
Celi an – einmalig!“<br />
Vor den Konzerten schaut Gerald Junge auf der<br />
Bühne nach dem Rechten. „Das Harfen-Mikro steht<br />
noch nicht ganz richtig.“ Dabei bemerkt man ihn<br />
kaum. Er arbeitet im Hintergrund und so versteht<br />
er auch seine Arbeit als Tonmeister. „Eine Aufnahme<br />
gilt für mich als gelungen, wenn die technischen<br />
Hilfsmittel nicht wahrnehmbar sind, vielmehr dazu<br />
beitragen, die Interpretation des Orchesters, der<br />
Solisten und des Dirigenten natürlich abzubilden.<br />
Ich leiste nur den kleinsten Teil zu einer gelungenen<br />
Aufnahme.“
28<br />
Philharmonische<br />
Blätter<br />
Reisen<br />
Im September und Oktober gastierten die <strong>Münchner</strong><br />
<strong>Philharmoniker</strong> mit ihrem Chefdirigenten Lorin<br />
Maazel in Luzern und Essen sowie mit Andris<br />
Nelsons in Ljubljana. Im November setzt das Orchester<br />
seine Reisetätigkeit mit drei Konzerten in<br />
Madrid und Saragossa fort.<br />
„Martinu˚ à Paris“<br />
Das Paris der „Roaring Twenties“, wo sich Martinu˚<br />
1923 niedergelassen hatte, kam für den tschechischen<br />
Komponisten einer Offenbarung gleich.<br />
Folgen Sie ihm nach Paris bzw. besuchen Sie das<br />
Kammerkonzert am 9.12.2012 um 11 Uhr im Künstlerhaus<br />
am Lenbachplatz.<br />
Neue Stipendiaten in der Orchesterakademie<br />
Wir begrüßen unsere neuen Stipendiaten. Amandine<br />
Carbuccia, Harfe und Leonard Frey-Maibach,<br />
Cello aus Frankreich, Andrey Godik aus Russland,<br />
Oboe, und Florentine Lenz, Geige aus Berlin.<br />
30 Jahre Freunde und Förderer,<br />
15 Jahre Orchesterakademie<br />
Der Verein der Freunde und Förderer der <strong>Münchner</strong><br />
<strong>Philharmoniker</strong> und die vom Verein gegründete<br />
und fi nanzierte Orchesterakademie feiern im November<br />
ihr Doppel-Jubiläum mit zwei Sonderkonzerten.<br />
Am 6.11. um 19 Uhr spielen ehemalige<br />
und aktive Stipendiaten zusammen mit Mitgliedern<br />
des Orchesters Kammermusiken in der Allerheiligen<br />
Hofkirche. Am 17.11. um 19 Uhr in der<br />
Philharmonie im Gasteig dirigiert Lorin Maazel<br />
Beethovens 5. Symphonie und Beethovens Violinkonzert<br />
mit Michael Barenboim.<br />
Philharmonische Notizen<br />
In Kürze<br />
Phil harmonische<br />
Zahl:<br />
33.170<br />
So viele Kinder besuchten die<br />
Veranstaltungen von Spielfeld<br />
Klassik in der Spielzeit 11/12.<br />
Toll, dass ihr dabei<br />
wart!<br />
Empologoma<br />
Jutta Sistemich arbeitet seit vielen Jahren im Bereich<br />
Jugendarbeit für das Orchester. Ihr Lebensschwerpunkt<br />
hat sich nach Afrika verschoben.<br />
In Kampala, der Hauptstadt Ugandas, hat sie vor<br />
kurzem ein Kinderheim eröffnet. Die Waisenkinder<br />
bekommen ein Dach über dem Kopf, zu Essen und<br />
können dank der Unterstützung des Vereins zur<br />
Schule gehen. Mehr Informationen auf „empologoma.org“.<br />
Prominent<br />
Zu seiner Zeit als Cheftrainer des FC Bayern<br />
(1995/96) war Otto Rehhagel häufig im Gasteig.<br />
Im September hat ihn das Orchester ins Konzert<br />
in Essen eingeladen. Der Orchestervorstand soll<br />
über die vakante Position des Cheftrainers des<br />
FC MPhil mit ihm verhandelt haben…<br />
Bobs Musikgeschichte(n)<br />
Hier meldet sich der Blechschaden-Boss Bob Ross,<br />
nicht der Maler von BR Alpha, sondern der Hornist<br />
der <strong>Philharmoniker</strong>. „Ab 15.11., jeden Donnerstag,<br />
19 Uhr bis 19:15 Uhr, auf BR Alpha: „Bobs<br />
Musikgeschichte(n)“, 13 Folgen, die den Winter<br />
erheitern. Statt mit dem Pinsel, erkläre ich die<br />
Geschichte der Musik – von der Knochenfl öte bis<br />
zur Kulturvollzugsanstalt. Dabei kommen viele Witze<br />
über meine Heimat Schottland zur Geltung, die<br />
ich ausschließlich in Deutschland gelernt habe. Vielen<br />
Dank dafür! Aber im Ernst: Was trägt der Schotte<br />
unter dem Rock? Die Zukunft Schottlands...
Orchestergeschichte<br />
Ethel Leginska, erste Dirigentin bei den<br />
<strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n<br />
Ethel Leginska, am 13. April 1886 als Ethel Liggins<br />
im englischen Hall geboren und am 26. Februar<br />
1970 in Los Angeles gestorben, machte Karriere<br />
zu einer Zeit, als komponierenden und dirigierenden<br />
Frauen noch ein gehöriges Maß an Skepsis,<br />
ja Ablehnung von ihren männlichen Kollegen, der<br />
Kritikerzunft und dem Publikum entgegengebracht<br />
wurde. Wie exzellent die Ausbildung der hochbegabten<br />
jungen Frau war, beweisen die Namen ihrer<br />
Lehrer. So studierte sie zunächst Klavier bei<br />
James Kwast und Theodor Leschetizky, etwas später<br />
Komposition bei Rubin Goldmark und Ernest<br />
Bloch, schließlich Dirigieren bei Eugène Aynsley<br />
Goossens und Robert Heger. Als Konzertpianistin<br />
wurde Ethel Leginska in ganz Europa und den USA<br />
begeistert gefeiert. – Den slawisch klingenden<br />
Namen hatte sich die charismatische Musikerin,<br />
die stets in einem schwarzen Gewand mit weißer<br />
Bluse auftrat, auf Anraten einer wohlmeinenden<br />
Sängerin zugelegt. – „The Paderewski of woman<br />
pianists“, so einstens die New Yorker „Herald Tribune“,<br />
aber griff ab 1923 neben ihrem Klavierspiel<br />
zum Taktstock, um auch in einer absoluten<br />
Männerdomäne zu reüssieren. Im Herbst 1924<br />
machte sie bei den maßgeblichen Orchestern in<br />
Paris, Berlin, London und München Station. Schon<br />
die Ankündigung am 6. Oktober in den „<strong>Münchner</strong><br />
Neuesten Nachrichten“ weckte große Neugierde.<br />
Da wollte sich eine Pianistin mit dem „verstärkten<br />
Konzertvereins-Orchester“ an zwei Abenden sogar<br />
als Dirigentin und Komponistin vorstellen. Für<br />
ihren ersten Auftritt am 7. Oktober hatte Ethel<br />
Gabriele E. Meyer<br />
Philharmonische<br />
Blätter<br />
29<br />
Leginska Webers „Oberon“-Ouvertüre, Beethovens<br />
7. Symphonie, Bachs Klavierkonzert f-moll<br />
und zwei „Poème nach Tagore“ aus ihrer eigenen<br />
Feder gewählt. Den zweiten Abend bestritt sie<br />
mit Mozarts „Haffner“-Symphonie, Webers Klavierkonzert<br />
Nr. 1, Strauss’ „Till Eulenspiegel“ und<br />
wiederum einem eigenen Werk. Die beiden Klavierkonzerte<br />
leitete Ethel Leginska, damals kaum<br />
mehr üblich, vom Flügel aus. Drei Tage später gab<br />
sie noch einen Klavierabend mit Werken von<br />
Frédéric Chopin und Franz Liszt. Wahrlich ein<br />
Mammutprogramm, das vollen Einsatz erforderte<br />
und für das sie sehr anerkennenden bis stürmischen<br />
Beifall erhielt. Furios begann auch Alfred Einstein<br />
von der sozialdemokratischen „<strong>Münchner</strong><br />
Post“: „Mit einem Sturmangriff von drei Konzerten,<br />
zwei Orchesterabenden und einem Klavierabend,<br />
und in dreifacher Eigenschaft als Pianistin, Dirigentin<br />
und Komponistin, hat Ethel Leginska München<br />
zu erobern gesucht.“ Einstein zollte der „tapferen<br />
Pionierin eines neuen Frauenberufes“, gemeint<br />
war die Dirigentin, ein großes Lob, wobei er<br />
auch das Orchester und dessen wohlwollende<br />
Aufmerksamkeit erwähnte. Die „<strong>Münchner</strong> Neuesten<br />
Nachrichten“ rühmten die „unzweifelhaft vielseitige<br />
Begabung“ der „Temperamentmusikerin“.<br />
Jedoch sprach der Rezensent der Komponistin „die<br />
spezifi sch musikalische Substanz, Erfi ndungs- und<br />
Phantasiekraft“ mit der Begründung ab, daß diese<br />
nur im Manne läge. Ethel Leginska aber ging mutig<br />
und unbeirrt ihren eigenen Weg weiter.
30<br />
Philharmonische<br />
Blätter<br />
Frau Mandel, Sie sind seit 8 Jahren<br />
Abonnentin bei uns. Als Sie Ihr<br />
Abonnement erworben haben, waren<br />
Sie noch keine 35 Jahre alt, damit<br />
gehören Sie zu den jüngeren<br />
Abonnenten. Warum ein Abo bei<br />
den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n?<br />
Ich genieße es im Konzert bei den<br />
<strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n zu sein. Natürlich könnte<br />
ich auch jederzeit eine Einzelkarte kaufen, aber der<br />
alltägliche Trubel lässt eine Planung allzu schnell<br />
untergehen. Wenn das Abo-Büro für mich plant,<br />
stehen meine Konzerttermine ohne mein Zutun fest<br />
– und so besuche ich regelmäßig ein Konzert.<br />
Wie sehr fühlen Sie sich durch Ihr Abo<br />
gebunden?<br />
Gebunden an die <strong>Philharmoniker</strong> bin ich ja nicht, ich<br />
könnte – theoretisch – jederzeit mein Abo zurückgeben.<br />
Allerdings muss ich gestehen, dass ich mit<br />
den Jahren tatsächlich mehr und mehr eine persönliche<br />
Vertrautheit zum Orchester spüre, und ich<br />
möchte meine Begegnungen mit der wunderbaren<br />
Musik der <strong>Philharmoniker</strong> nicht mehr missen. Eine<br />
Verbindung gibt es also auf alle Fälle, und ich denke<br />
mal, diese wird noch viele Jahre wachsen können.<br />
Sie kommen aus der Nähe von Landshut und<br />
legen damit insgesamt fast 160 km zurück, um<br />
ein Konzert zu hören. Haben Sie es schon einmal<br />
bereut, die lange Anfahrt in Kauf genommen<br />
zu haben?<br />
Abonnenten-Forum<br />
Im Gespräch mit der<br />
Abonnentin Petra Mandel<br />
Die Vorfreude auf ein schönes Konzert<br />
macht mir die Anfahrt nach München<br />
leicht. Oft sind es eher die langen<br />
Heimfahrten am späten Abend, die<br />
mir etwas zu schaffen machen. Aber<br />
von „bereuen“ kann nicht die Rede<br />
sein, das Konzerterlebnis ist immer<br />
stärker als meine Müdigkeit.<br />
Eine ganz besondere Beziehung haben Sie zu<br />
unserem Familienmusical „Ristorante Allegro“.<br />
Was hat es damit auf sich?<br />
Ich durfte als Lehrkraft der Pestalozzi-Schule Landshut<br />
zusammen mit vielen unserer Schülerinnen und<br />
Schüler das Projekt „Ristorante Allegro“ miterleben,<br />
ein ganzes Schuljahr lang. Wir hatten mehrmals Besuch<br />
von Musikern des Orchesters mit ihren Instrumenten<br />
an unserer Schule und durften nach München<br />
in die Proben fahren. Der persönliche Kontakt<br />
und der Blick hinter die Kulissen war nicht nur für<br />
die Kinder ein spannendes Erlebnis, sondern war<br />
auch für uns Lehrkräfte neu und aufregend. Das gemeinsame<br />
Ziel von Spielfeld Klassik und meiner<br />
Schule war es, den Kindern den Klang des „Ristorante<br />
Allegro“ hautnah erlebbar zu machen, und<br />
prompt fand ich mich auch als Lehrerin mit Haut und<br />
Haar diesem originellen Musical verschrieben… Ich<br />
meine Spielfeld Klassik ist mit Angeboten wie „Ristorante<br />
Allegro“ auf einem sehr guten Weg, junge<br />
Familien auf die <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong> aufmerksam<br />
zu machen und so für Nachwuchs bei den<br />
Abonnenten zu sorgen.
Liebe Abonnentinnen<br />
und Abonnenten,<br />
liebe Konzertbesucher,<br />
unsere erste Begegnung mit<br />
Uli Haider, dem Hornisten der<br />
<strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>,<br />
war ganz zufällig. Nach einem<br />
unserer Sternschnuppe<br />
Kinderlieder- Konzerte, zu dem er mit seinen zwei<br />
Buben, großen Sternschuppe-Fans, gekommen<br />
war, sprach er leichthin den legendären Satz:<br />
Wir könnten doch auch mal was zusammen machen,<br />
also wir die <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong> und<br />
Sternschnuppe. Wir haben den Klang eines Orchesters<br />
zu bieten und Ihr wisst, wie man Kinder<br />
anspricht und glücklich macht.<br />
Wir haben wahrscheinlich erst einmal etwas verblüfft<br />
geschaut, aber dann keimte aus diesem<br />
Satz in unseren Köpfen eine Idee. Und daraus<br />
wurde ein Konzept für eine neue Form des Familienangebotes<br />
im klassischen Bereich: Das philharmonische<br />
Musical. Ein neuartiges, orchestrales<br />
Bühnenstück für Familien, das Kinder in ihrer<br />
Erlebniswelt abholt und über einen zeitgemäßen<br />
Stoff locker, interaktiv und spielerisch für Orchesterklang<br />
begeistert: „Ristorante Allegro“.<br />
So abstrakte Dinge wie Klang, Komposition und<br />
Arrangement werden – anders als bei der altbekannten<br />
Methode des Vorspielens und Erklärens<br />
– über das Thema „Kochen“ in einer kindgerechten<br />
Weise lustvoll und direkt erlebbar gemacht.<br />
Das letzte Wort hat ...<br />
„Sternschnuppe“<br />
Philharmonische<br />
Blätter<br />
31<br />
Denn mit dem Klang ist es<br />
wie mit dem Kochen: das<br />
Geheimnis liegt in den guten<br />
Zutaten und in der richtigen<br />
Mischung!<br />
Bei „Ristorante Allegro“ wird<br />
das Orchester in den Mittelpunkt<br />
gestellt. Als Klangköche<br />
spielen die <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong><br />
groß auf. Dazu wird mit Wortwitz gewürzt,<br />
gesungen und getanzt, denn acht Schauspieler<br />
und Sänger führen durch die turbulente<br />
Geschichte und stellen die Verbindung zwischen<br />
dem Publikum, dem Dirigenten und dem Orchester<br />
her.<br />
In enger Zusammenarbeit mit den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n<br />
haben wir nach zweieinhalbjähriger<br />
Vorbereitungszeit das Projekt 2011 zur glanzvollen<br />
Uraufführung gebracht. Wir bedanken uns<br />
herzlich für das in uns gesetzte Vertrauen und<br />
freuen uns, dass das „Ristorante Allegro“ nach<br />
dem großen Einstiegserfolg nun für die nächsten<br />
Jahre fest im Spielplan ist.<br />
Und Sie, liebe Abonnenten, laden wir ein mit dabei<br />
zu sein und versprechen Ihnen einen Augen-<br />
und Ohrenschmaus für Kinder, Eltern und Großeltern.<br />
Herzlich<br />
Margit Sarholz und Werner Meier<br />
von „Sternschnuppe“
32 Vorschau<br />
Mo. 31.12.2012, 17:00<br />
Silvesterkonzert<br />
Di. 01.01.2013, 19:00 4. Abo k5<br />
Mi. 02.01.2013, 20:00 3. Abo g5<br />
Ludwig van Beethoven<br />
Symphonie Nr. 9<br />
d-Moll op. 125<br />
Lorin Maazel, Dirigent<br />
Maria Luigia Borsi, Sopran<br />
Lioba Braun, Mezzosopran<br />
Steve Davislim, Tenor<br />
Georg Zeppenfeld, Bass<br />
Philharmonischer Chor<br />
München, Einstudierung:<br />
Andreas Herrmann<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Direktion der <strong>Münchner</strong><br />
<strong>Philharmoniker</strong><br />
Lorin Maazel, Chefdirigent<br />
Paul Müller, Intendant<br />
Kellerstr. 4, 81667 München<br />
Lektorat: Irina Paladi<br />
Corporate Design:<br />
Graphik: dm druckmedien<br />
gmbh, München<br />
Druck: Color Offset GmbH,<br />
Geretsrieder Str. 10,<br />
81379 München<br />
Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix<br />
zertifiziertem Papier der Sorte<br />
LuxoArt Samt.<br />
Fr. 04.01.2013, 13:30 3. ÖGP<br />
Sa. 05.01.2013, 19:00 5. Abo d<br />
Mo. 07.01.2013, 20:00 4. Abo f<br />
Maurice Ravel<br />
„Le Tombeau de Couperin“<br />
Wolfgang Amadeus Mozart<br />
Konzert für Violine und Orchester<br />
Nr. 5 A-Dur KV 219<br />
Sergej Prokofjew<br />
Symphonie Nr. 5 B-Dur op. 100<br />
Lorin Maazel, Dirigent<br />
Arabella Steinbacher, Violine<br />
Textnachweise<br />
Tobias Niederschlag, Marcus<br />
Imbsweiler, Gabriele<br />
E. Meyer, Elke Heidenreich,<br />
Alexander Preuß, Margit<br />
Sarholz und Werner Meier<br />
schrieben ihre Texte als Originalbeiträge<br />
für die <strong>Programmheft</strong>e<br />
der <strong>Münchner</strong><br />
<strong>Philharmoniker</strong>. Lexikalische<br />
Angaben und Kurzkommentare:<br />
Stephan Kohler, Künstlerbiographien:<br />
Irina Paladi.<br />
Alle Rechte bei den Autorinnen<br />
und Autoren; jeder Nachdruck<br />
ist seitens der Urheber<br />
genehmigungs- und kostenpflichtig.<br />
Di. 15.01.2013, 19:00 2. JuKo<br />
Antonín Dvorˇák<br />
Symphonie Nr. 9 e-Moll op. 95<br />
„Aus der Neuen Welt“<br />
Leonard Bernstein<br />
Drei Tänze aus „On the Town“<br />
Julio Doggenweiler Fernández,<br />
Dirigent<br />
Bildnachweise<br />
Abbildungen zu Alban Berg:<br />
Anthony Pople (Hrsg.), Alban<br />
Berg und seine Zeit, Laaber-<br />
Verlag, Laaber 2000; Erich Alban<br />
Berg (Hrsg.), Alban Berg,<br />
Leben und Werk in Daten und<br />
Bildern, Insel-Verlag, Frankfurt/<br />
Main 1976. Abbildungen zu<br />
Anton Bruckner: Walter Abendroth,<br />
Bruckner – Eine Bildbiographie,<br />
Kindler Verlag, München<br />
1958. Künstlerphotographien:<br />
Mat Hennek (James<br />
Gaffigan); Marco Borggreve<br />
(Sergey Khachatryan); wildundleise.de<br />
(O. Couch, T. Ruge,<br />
U. Haider); Leonie von Kleist<br />
(Elke Heidenreich); Archiv der<br />
<strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>.
KARTEN: MÜNCHEN TICKET TEL.<br />
089 54 81 81 81<br />
UND BEKANNTE VVK-STELLEN<br />
LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN UND BAYERISCHER RUNDFUNK PRÄSENTIEREN<br />
KLASSIK AM<br />
ODEONS<br />
PLATZ<br />
ROLANDO VILLAZÓN<br />
THOMAS HAMPSON<br />
YANNICK NÉZET-SÉGUIN<br />
WWW.KLASSIK-AM-ODEONSPLATZ.DE<br />
SYMPHONIEORCHESTER UND CHOR<br />
DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS<br />
SAMSTAG, 6. JULI 2013, 20.00 UHR<br />
TENOR<br />
BARITON<br />
DIRIGENT<br />
MARTIN GRUBINGERPERCUSSION<br />
JAMES GAFFIGAN DIRIGENT<br />
MÜNCHNER PHILHARMONIKER<br />
SONNTAG, 7. JULI 2013, 20.00 UHR<br />
DANK AN: MERCEDES-BENZ MÜNCHEN, BAYERNLB, BAYWA AG,<br />
GAHRENS + BATTERMANN, STRÖER DEUTSCHE STÄDTE MEDIEN
'12<br />
mphil.de<br />
'13<br />
115. Spielzeit seit der Gründung 1893<br />
Lorin Maazel, Chefdirigent<br />
Paul Müller, Intendant